6.5.12

Sound it out

Großbritannien 2011 (Sound it out) Regie, Buch, Kamera: Jeanie Finlay 74 Min.

Haufenweise klasse Typen, noch mehr tolle Cover

Eine Rarität in Zeiten von iTunes, Spotify und YouTube: Der Record Store namens „Sound It Out Records" ist der älteste und letzte verbliebene unabhängige Plattenladen im Bezirk Teesside im Nordosten Großbritanniens. 50.000 Vinyl-Scheiben und CDs bietet der Ladeninhaber Tom dort in Stockton-on-Tees an, und nur er weiß wo alles liegt. Das ist fast wie Nick Hornbys „High fidelity", nur besser, weil echt. Regisseurin Jeanie Finlay porträtiert die Mitarbeiter und Kunden des kultigen Kramladens, der zwischen Arbeitsamt und Kneipe liegt. So kommt denn auch spontan ein angeheiterter älterer Herr herein, um „Sultans of Swing" von den Dire Straits zu suchen.

Der wunderbaren Dokumentation gelingt unter einem Querschnitt verschiedenster Musikstile (von Status Quo über DEFNOYZ bis zu Skindred) auch ein Soziogramm der heruntergekommenen Industriestadt mit ihrer alkoholfreien Zone im Zentrum. Denn dieser letzte unabhängige Plattenladen der Region ist auch ein sozialer Knotenpunkt, trotz unterschiedlich lauter Beschallung ein Ort, an dem Menschen kurz aussteigen und zur Ruhe kommen.

Gegen Stockton in der Krise mit seinem (toll fotografierten) Elend, der Arbeitslosigkeit, den leeren Läden setzt der Film Musik in all seinen Facetten, bis hin zum wunderschönen Solokonzert im kleinen Plattenladen. Saint Savior, eine ehemals schüchterne Schülerin des Orts, die „sich in London neu erfunden hat", spielt Piano und singt. Es muss an der Regisseurin liegen, dass sich so viele eigenbrötlerische Menschen für den Film öffnen: Etwa der allein lebende Status Quo-Fan, der schon hunderte Konzerte gesehen hat und drüber nachdenkt, sich einen Sarg aus seinen eingeschmolzenen Platten machen zu lassen.

Das Zentrum des Ladens und des Films steht der gutherzige Tom: Seine Verachtung gegenüber der extrem hektischen Techno-Abart namens Máchina zeigt sich nur ganz sanft. Der kurz geschorene Fan dieser Musik verehrt Tom ebenso wie der zottige Senior, der sich wehmütig an Meat Loaf erinnert. Toms Blick wird erst hart, als er sofort merkt, dass ein zum Verkauf angebotener Koffer voller LPs geklaut ist. Der Händler ist zwar ein Dealer für seine Kunden, aber nur im Sinne von Abhängigkeit. So wie er eine Melodie beim Summen erkennt, kennt er auch seine Klientel. Es gäbe die, die nur haben wollen. Und die, welche alles hören wollen, wie er selbst - zumindest ein Mal. Für gute Kunden werden Fundstücke hinten in Plastiktüten zwischengelagert bis das Geld wieder reicht.

Jeanie Finlay ist eine britische Künstlerin und Filmemacherin, die bereits zahlreiche Dokumentarfilme gedreht hat. Zu ihren früheren Filmen gehören "Goth Cruise", Teenland" und der preisgekrönte Dokumentarfilm "Home-Maker".

Auch wenn Sammeln Männersache ist, stellt die Frau, die den Film macht, genau die richtigen Fragen: Wie sortierst du deine Platten? Dazu findet sie trotz des winzigen Ladens sehr gute Bildkompositionen, klasse Musik und immer wieder Kuriositäten in den Regalen und an den Wänden. Für eine Filmlänge kann man Copyright, Kulturflatrate, GEMA und Piraten vergessen. Platten sind Gefühle und Erinnerungen, sagt Tom. „Sound it out", der Laden und der Film fangen genau das ein und geben es in Gesprächen, Tönen und Bildern wieder. Ein Hit!