31.7.19

Fast & Furious: Hobbs & Shaw

Fast & Furious: Hobbs & Shaw

USA 2019 Regie: David Leitch, mit Dwayne Johnson, Jason Statham, Idris Elba, Vanessa Kirby, Helen Mirren 136 Min.

Autos sind Auslaufmodelle - das Auslaufmodell „Hollywood" weiß das auch. So kommt „Fast & Furious: Hobbs & Shaw" relativ abgasfrei und übervoll mit heißer Action- und Comedy-Luft daher. Idris Elba stiehlt dabei als schwarzer Terminator den alten Zankweibern Dwayne Johnson und Jason Statham die Schau.

Dass es beim achten „Fast & Furious" hauptsächlich um den Spaß zerstrittener Buddies geht, zeigt die originelle Parallel-Montage zu Beginn:
Der klinische reine Brite Deckard Shaw (Jason Statham) trifft auf den lässigen US-Agenten Luke Hobbs (Dwayne Johnson). Das ist psychologisch nicht sehr unterfüttert, reicht aber für den Anfang einer Buddy- und Familien-Geschichte. Denn der Virus, der zur üblichen Weltenrettung einzudämmen ist, steckt in Shaws Schwester Hattie (Vanessa Kirby). Cyborg und Übermensch Brixton (Idris Elba) will für die mysteriöse Organisation Eteon mit einer weltweiten Epidemie alle schwachen und „unwerten" Menschen umbringen.

Gerichte entscheiden mittlerweile, dass Raserei mit Autos Mord ist, doch das Kino verdient weiter damit, Vollgas-Dumpfbacken als cool zu verkaufen. Allerdings lief die „Fast & Furious"-Reihe bislang eher wie ein mühsam zusammengeschustertes Modell vom Schrottplatz: Die Teile - Darsteller und Handlung - sind so oft ausgetauscht worden, dass der ganze Mist nur mühsam vom Titel zusammengehalten wird. Nur das Grundprinzip blieb das Gleiche: Vollgas bis jemand stirbt.

Wrestler Dwayne Johnson und Transport-Fahrer Jason Statham sollten nun „Fast & Furious" noch einmal flott machen - dabei sind sie als Schauspieler mittlerweile auch eher in der Resteverwertung tätig. Idris Elba verlängert hingegen als schwarzer und gefallener Terminator grandios seine Marvel-Rolle des Heimdall aus „Thor". Sein ebenso eindrucksvoller Sidekick ist ein selbst fahrendes, in voller Verfolgungs-Action klappbares Motorrad.

Um Elba drehen sich auch die klasse Action-Szenen der ersten Hälfte. Während ein paar Einzelsequenzen beeindrucken, ist „Hobbs & Shaw" im Grossen und Ganzen nicht elegant aufgebaut. Regisseur David Leitch hat mit „Deadpool 2" (2018) und „Atomic Blonde" (2017) zwei zumindest interessante Genre-Stücke hingelegt. Hier fehlt eine ordnende Hand für das Gesamtprodukt. Beim sehr sinnlosen Rennen und Raufen nerven irgendwann die ordinären Kebbeleien des alten Pärchens Hobbs und Shaw. Als der Film schon längst viel zu lang ist, wird noch klebrige Familienaussöhnung angepappt.

Es gibt zwar kein einziges Wettrennen, aber immer noch endlose Prügeleien. (So lang, dass die Szene zwischendurch unmotiviert von Nacht zu Tag wechselt.) Es ist ein Hohn, dass Prügeln auf Samoa als archaisches Erbgut gefeiert wird, und niemand das Wort rückständig oder primitiv denkt.

Generell ist die Besetzung neben den beiden Haupt-Trotteln eindrucksvoll: Vanessa Kirby hält sich als knallharte kleine Schwester zwischen den Muskelbergen vortrefflich. Helen Mirren glänzt als Mama Shaw im Knast in zu wenigen, viel versprechenden Auftritten. Ryan Reynolds gibt mit seiner besten, der verrückten Seite den Kollegen vom CIA. Auch wenn er die für nächstes Jahr fest eingeplante Fortsetzung im Abspann ankündigt, wäre noch eine Folge von „Deadpool" die bessere Wahl. Denn selbst bei gründlicher Runderneuerung und mit voller Dröhnung dessen, was ein aufgerüstetes Kino heutzutage hergibt - Dolby Atmos, 3D - scheppert diese alte Blechkiste reichlich hohl.

28.7.19

Benjamin Blümchen

BRD 2018 Regie: Tim Trachte, mit Manuel Santos Gelke, Heike Makatsch, Dieter Hallervorden, Uwe Ochsenknecht, Friedrich von Thun 91 Min. FSK ab 0

Mit Pauken und Törööööö kommt die dicke Elefant und Kinderliebling Benjamin Blümchen nun als Realfilm ins Kino. Während die Umsetzung seltsam deplatziert wirkt, können die bekannten Kindergeschichten und die ebenso vertrauten älteren Darsteller überzeugen.

Schon mit der ersten Szene hat Benjamin Blümchen seine kleinen Fans gewonnen - vor allem, da der gemütliche Elefant von der von unzähligen Hörspielen vertrauten Original-Stimme Jürgen Kluckerts gesprochen wird. Doch die Geschichte mit dem animierten Elefanten zwischen echten Menschen vor einem Tricktechnik-Zoo weiß auch weiterhin kindgerecht zu unterhalten: Der liebenswerte Neustädter Zoo ohne Gitter und Käfige, ohne Eintritt für Kinder ist recht reparaturbedürftig. Da freut sich der liebe Herr Tierlieb (Friedrich von Thun), dass ihm Zora Zack (Heike Makatsch) bei der Renovierung helfen will. Dass die schrille Managerin allerdings den Zoo für einen Haufen Luxuswohnungen schrumpfen lassen will, ahnt allein Otto (Manuel Santos Gelke). Da Zora gleichzeitig seinen dicken und gutmütigen Kumpel Benjamin einwickelt, wird die Freundschaft auf eine Probe gestellt.

Auch der erste Realfilm des Superstars „Benjamin Blümchen" kann mit übersichtlicher Geschichte und sympathisch geerdeten Figuren überzeugen. Da bekommen die kleinen Kinder als Action mal eine wilde Fahrt auf dem Skateboard mit und beim Geheimagenten spielen einen Hauch von „Mission Impossible". Vor allem die Besetzung der Erwachsenen ist sehr gelungen. Heike Makatsch als hinterhältige Zora Zack gibt ihrer Rolle reichlich Zucker. Dieter Hallervorden macht als Ornithologe und Geheimagent Spaß, Uwe Ochsenknecht gibt seinen üblichen korrupten Bürgermeister und Friedrich von Thun ist sehr (Herr) Tierlieb. Leider fällt das Großprojekt für die Kleinen tricktechnisch flach aus. Nicht nur die Interaktion der Menschen mit dem animierten Elefanten irritiert immer mal wieder. Vor allem das Agieren der Menschen vor dem deutlich einkopierten Hintergrund des computergenerierten Zoos wirkt oft surreal. Doch das wird die Kleinen kaum stören.

Der unverhoffte Charme des Geldes

Kanada 2018 (La chute de l'empire américain) Regie: Denys Arcand, mit Alexandre Landry, Maripier Morin, Rémy Girard 122 Min. FSK ab 12

„Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen." Wittgenstein zitieren, kann Eindruck machen. Aber nicht wenn die Freundin gerade fragt, ob man sie liebe. Doch Pierre-Paul Daoust (Alexandre Landry), Kurierfahrer und Philosophie-Professor ist Spezialist für solche Fettnäpfchen. Viel Geld verdienen oder erfolgreich sein, das könne er nicht - dazu müsse man dumm sein. Siehe Bush, Trump und so weiter. Und Bücher schreiben wie andere Idioten - der Spieler Dostojewski oder der Faschist Céline - wolle er auch nicht. Stattdessen gibt Pierre-Paul jedem Bettler etwas und hilft bei der Essensausgabe für Obdachlose. Als das Schicksal ausgerechnet ihm bei einem blutigen Raubzug zwei Taschen voller Millionen vor die Füße schmeißt, ist der unglaublich naive und gutherzige Intellektuelle überfordert.

Doch das Team, mit dem der Professor diese Herausforderung an kriminelle Fähigkeiten und moralische Grundwerte meistert, hat es in sich: Camille Lafontaine (Maripier Morin), die teuerste Prostituierte Montreals, die mit Texten von Racine antwortet. Der frisch aus dem Knast entlassene Altrocker Sylvain „The Brain" Bigras (Rémy Girard) mit BWL-Studium durch Gefängnis-Fortbildung. Und Maître Wilbrod Taschereau (Pierre Curzi), der als Finanzberater in Kanzlei-Allianz mit ehemaligen Präsidenten Vermögen in Steuerparadiese schmuggelt. Aber da die illegalen Millionen brutalen Gangstern gehörten, wird der Spaß plötzlich blutig ernst.

So wie hinter der Fassade einer Spedition mit dem Namen Hollywood das Geld reicher Investoren bewacht und gewaschen wird, so nutzt Regisseur Arcand die Fassade einer kleinen Gangster-Geschichte, um internationale Geld-Ströme vorzuführen. Der ausgezeichnete kanadische Filmemacher, der für „Die Invasion der Barbaren" einen Oscar erhielt, zeigt hier gute Gauner, die mit Schwerverbrecher-BWL aus einer Sackgasse rauskommen. Das Weißwaschen erfolgt über Stiftungen, der Witz im Witz dabei: Als Beispiele werden immer das IOC und die FIFA genannt.

Dass der katastrophal verlaufende Raub tatsächlich in der „Hollywood Spedition" stattfindet, macht auch Regisseur Arcands Verhältnis zur Traum- oder Schrott-Fabrik schnell klar. Seine Schauspieler sind in unserer Hollywood-Kolonie nicht bekannt, aber trotzdem gut. Noch eindrucksvoller im Abspann die Aufnahmen von echten obdachlosen Inuit und Ureinwohnern Montréals, die auch im Film mitwirkten. Auch wenn der tragikomische Held so unbeholfen in seinem Leben wie in seinem Körper steckt, das Anliegen ist ernst und liegt auf der Straße. In Form der Armen, deren Geld von den gierigen Steuervermeidern um dich Welt geschickt wird. Selten kam sozialistische Philosophie und ein Aufruf zur Vermögenssteuer unterhaltsamer daher.

27.7.19

Es gilt das gesprochene Wort

BRD, Frankreich 2019 Regie: Ilker Çatak, mit Anne Ratte-Polle, Arman Uslu, Godehard Giese 122 Min. FSK ab 12

Für alle, die sich mit Heiraten nicht so auskennen: Der Titel ist eine Eheschließungs-Formel auf dem Standesamt. Und kein Hinweis auf einen Redefilm, denn genau wie seine Hauptfigur, die Pilotin Marion, verfolgt das mit genauen Charakterisierungen packende Drama sein Ziel ohne Umschweife.

Die Hochzeit zwischen Marion (Anne Ratte-Polle) und Baran (Arman Uslu) ist eine seltsam ungelenke und lieblose Prozedur. Zwei Rückblenden zeigen, wie sie dahin kamen: Der Kurde arbeitete in einem türkischen Urlaubs-Ort als Tellerwäscher, Kellner und dann als Gigolo für Touristinnen. Die besonders sorgfältige Pilotin Marion war schon immer auf der Strecke nach Antalya unterwegs, doch dann bringt sie eine Krebsdiagnose mit ihrem Liebhaber Raphael (Godehard Giese) als Urlauberin ins Land. Den Anmachversuchen von Gigolo Baran begegnet sie spöttisch kühl. Als ihr Raphael wieder zu nahe kommen und zusammenziehen will, stößt sie diesen zurück und lädt Baran nach Deutschland ein.

Die Scheinehe wird der Start einer verspäteten Annäherung. Baran bekommt eine eigene, kleine Wohnung, einen Job bei der Gepäckabfertigung am Flughafen und soll drei Jahre lang keine Probleme machen, dann hat er nämlich einen eigenen deutschen Pass. Bei all dem bleibt etwas rätselhaft, wieso Marion Baran hilft. Sie ist eine klare, resolute Frau. Klüger als die Männer, weswegen sie meist die Sachen in die Hand nimmt. Aber einen Mann wie Baran kann sie besonders gut kontrollieren. Im Gegensatz zu ihrem Liebhaber hat Baran bei den Touristinnen gelernt, nichts zu verlangen.

Allein durch die Personenzeichnung im Alltag (Buch: Ilker Çatak, Nils Mohl), ganz ohne großes Drama versteht man, wie hier zwei Welten aufeinander treffen. Sie hat in ihrer Wohnung einen Aktenordner für ihn angelegt, er zeigt wirkliches Interesse. Eher spielerisch besteht er drauf, wenigstens bei einem der alten Fahrräder, die er wieder fit macht, am Lenker zu bleiben. Doch die Zynikerin, für die Familien- und Hochzeitsfotos ein Gruselkabinett sind, besteht weiterhin auf Abstand ...

Das Ende von „Es gilt das gesprochene Wort" fällt zwar etwas überdramatisch aus, aber auch hier findet Ilker Çatak ein wunderbares Bild für das Verhältnis von Nähe und Distanz. Der Regisseur erhielt 2015 für „Sadakat" einen Studenten-Oscar. „Es gilt das gesprochene Wort" ist sein zweiter Kinofilm nach „Es war einmal Indianerland" (2017). Am Rande werden politische und soziale Themen erwähnt: Dass kaum noch Deutsche in die Türkei kommen, die Situation eines Kurden in diesem Unrechts-Staat, aber auch der Umgang der Deutschen mit Einwanderern. Neben dem bemerkenswerten Können des Regisseurs ist vor allem Anne Ratte-Polle („Dark") sehenswert: Sie spielt eine wunderbare Härte, aus der immer mal wieder der Wunsch nach Nähe und Geborgenheit hervorlugt.

21.7.19

Leid und Herrlichkeit

Spanien 2019 (Dolor y Gloria) Regie: Pedro Almodóvar, mit Antonio Banderas, Asier Etxeandia, Leonardo Sbaraglia, Penélope Cruz 113 Min.

Das „Achteinhalb" von Almodóvar müsste „21 1/2" heißen, denn diese autobiografische Geschichte einer Sinn- und Schaffenskrise ist schon der 22. Film des Spaniers. Bei Fellini war es der 9 im Jahr 1963. „Leid und Herrlichkeit" ist mit viel Depression und Melancholie kein Meisterwerk, aber als erstaunlich ruhiger Almodóvar sehenswert.

Aus Anlass der Wiederaufführung seines letzten Films vor 30 Jahren wird Regisseur Salvador Mallo (Antonio Banderas) mit seinem zerstrittenen Hauptdarsteller Alberto Crespo (Asier Etxeandia) und der eigenen Vergangenheit konfrontiert. Dabei hatte er sich nach einer schweren Rückenoperation und dem Tod der Mutter endgültig in Krankheiten und Depression zurückgezogen.

Doch der alte Mann ist immer noch neugierig - auf das Heroin, das Alberto raucht. Der entdeckt im Computer vom schlafenden Mallo ein unveröffentlichtes Manuskript. Während der Schauspieler nun für dieses Stück namens „Die Abhängigkeit" absolut clean sein will, wird der Autor immer abhängiger. Bis seine alte Liebe Federico (Leonardo Sbaraglia) sich nach 30 Jahren selbst in dieser Theatervorstellung erkennt.

Es ist schön, die bärtigen alten Herren in der Wiedersehensfreude zu erleben. Sie stehen spürbar immer noch aufeinander. Doch die vorherrschenden Stimmungen sind Depression und Melancholie mit einem Hauch Humor. „Ich war der einsamste Mensch, den der Tod jemals gesehen hat", liest Mallo beim Portugiesen Joaquim Paço d'Arcos. Die Erinnerung an die Kindheit in den Höhlenwohnungen von Paterna, der Abschied von der Mutter mit einer Aussprache als gefühlvolle und liebevolle Pflichtübung sind Rückblenden in warmen Farben aus dem „Kino meiner Kindheit".

Die popigen Töne von Almodóvars früheren Filme blitzen ab und zu auf. Die autobiografischen Elemente sind unübersehbar, wenn ein Script „Die erste Begierde" heißt, in Anlehnung an „Das Gesetz der Begierde" aus 1987. Doch eine Lebensbeichte ist es nicht - zum Glück hörte der spanische Meister nicht vor 30 Jahren mit dem Filmen auf.

So erleben wir Banderas, der seit über 30 Jahren mit Almodóvar zusammen arbeitet, als alten Mann. Das andere Familienmitglied Penélope Cruz hat nette Szenen und ein himmlisches Schlussbild. Auch mit dem Kameramann José Luis Alcaine („Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs") gibt es eine jahrelange künstlerische Freundschaft.

So ist Nummer 22 weniger raffiniert, weniger melodramatisch, zurückhaltender auch von der Musik her als alle anderen Werke zuvor. Niemand ist schrill, selbst die Frauen nicht. Nur die eine Geschichte von der fieberhaften ersten Begierde des Knaben wird rund. Das gesamte Werk dieses großen Künstlers der letzten Jahrzehnte erlebt mit „Leid und Herrlichkeit" keine Vollendung, aber eine schöne, gefühlvolle und selbstverständlich kunstvolle Abrundung.

Vox Lux

USA 2018 Regie: Brady Corbet, mit Natalie Portman, Jude Law, Stacy Martin 114 Min.

Natalie Portman ist der „Star" dieses Films und gleichzeitig sagenhaft anders. „Vox Lux", das Porträt des 21. Jahrhunderts („A Twenty First Century Portrait"), mal ein Film, der sich nicht in drei Sätzen abhandeln lässt und im Kopf noch lange arbeitet.

1999 überlebt die 13-jährige Celeste (Raffey Cassidy) ein Schul-Massaker -der Attentäter wollte doch tatsächlich nicht mit dem gläubigen Mädchen beten. Ihr eher kläglich vorgetragener Song bei der Trauerfeier wird zur Hymne der Nation kurz: Ein Hit. Zusammen mit ihrer Schwester (Stacy Martin), die alle Lieder schreibt, und einem schmierigen Talentmanager (Jude Law) erlebt sie einen kometenhaften Aufstieg zum Popstar. Nach einem fast komplett im Zeitraffer gezeigten Trip nach Stockholm springt die Handlung ins Jahr 2017 mit Natalie Portman als Celeste. Als „Re-Genesis", Wiedergeburt nach einem besoffenen Auto-Unfall steht ein Comeback mit dem Album „Vox Lux" an.

Aus dem jungen Schwan mit dem steifen Hals in Folge des Schusses in die Wirbelsäule ist ein schwarzes Entlein geworden. Das gläubige Mädchen flucht jetzt selbst, säuft viel und kann nur voll auf Drogen ihre sportliche Bühnenshow abliefern. Eine überkandidelte, kaum noch tragische Witzfigur. Die Tochter - wieder gespielt von Raffey Cassidy - wächst bei der Schwester auf, mit der Celeste zerstritten ist.

Die Kompositionen des echten Popstars Sia erkennt man direkt zu Anfang, wobei sich das „Ouevre" von Celeste eher durch einen erstaunlichen Grad an Banalität auszeichnet. „Popmusik ist dazu da, dass man nicht zu sehr denken muss", sagt sie einmal. So ist denn auch dieser äußerst bemerkenswerte Film von Brady Corbet nur auf einer Ebene „Pop". Von Anfang an, der mit dem Film-Abspann beginnt, verstört er auf mehreren Ebenen. Der Erzähler Willem Dafoe referiert die Lebensgeschichte von Celeste mit einer Stimmlage zwischen sachlich und spöttisch.

Die Kamera ist immer irgendwie zu nah, selbst New York und Erfolg sehen hier dunkel und bedrohlich aus. Blitzlichter zerstückeln das erste von vielen Musikvideos, als die man den Film auch sehen kann. Konsequent wird hier die glatte Oberfläche verweigert, dieser Blick geht immer schon hinter die Fassade, unter die Haut.

Thematisch kommt der Terror wieder hoch, vermischt mit Pop, als Attentäter in den Masken von Celeste Menschen am Strand erschießen. Außerdem war schon 9/11 eine Katastrophe weil der junge Star zeitgleich das erste Mal Sex hatte und direkt schwanger wurde.

Eigentlich vom Ende zum Anfang erzählt und strukturiert mit Kapiteln wie „Prolog", „Act 1 - Genesis", „Act 2 - Regenesis" bleibt alles in diesem ungewöhnlichen Film ungewöhnlich faszinierend. Vor allem ist Natalie „Black Swan" Portman in dieser Celeste überhaupt nicht wieder zu erkennen. „Vox Lux" ist alles andere als ein Star-Vehikel. Halt ein „A Twenty First Century Portrait", wie es im Filmtitel heißt, der am Ende endlich erscheint. Ein Porträt eines Phänomens im Phänomen Pop. Zwar beklagt Celeste, dass im Kulturwandel gewalttätige Nihilisten durch Terror-Akte selbst Superstars werden wollen, doch ihre ganze Existenz samt der ausführlichen Bühnenshow im Finale ist auch eine verstörende Null-Nummer.

Ein ganz gewöhnlicher Held

USA 2018 (The Public) Regie: Emilio Estevez, mit Emilio Estevez, Jena Malone, Alec Baldwin, Christian Slater 119 Min.

Es ist kalt in Cincinnati, sehr kalt: Morgens werden die erfrorenen Obdachlosen vom Krankenwagen eingesammelt. Auch deswegen ist die Öffentliche Bibliothek sehr gut besucht. Zig Wohnungslose stehen Schlange, machen sich im Waschraum frisch, verbringen den Tag im Warmen beim Schachspielen, Internetsurfen und Lesen. Der engagierte Bibliotheksmitarbeiter Stuart (Emilio Estevez) kümmert sich. Nicht nur um einen reibungslosen Betrieb, er sorgt sich wirklich um die Menschen, die bei ihm Unterschlupf finden. Vor den Minustemperaturen, aber auch der sozialen Kälte, denn es gibt in der Stadt viel zu wenig Schlafplätze für Obdachlose. Als diese eines Abends beschließen, nicht mehr in die Kälte rauszugehen und die Bibliothek besetzen, macht ein karrieregeiler Politiker den völlig harmlosen Stuart zum Geiselnehmer der Hilfesuchenden. „Ein ganz gewöhnlicher Held" wider Willen wird Stuart erst, als auch die Medien anrücken...

In den ersten Szenen sehen wir morgens vier Obdachlose, die sich in der öffentlichen Toilette frisch machen. Vier Charaktere, wie sie der Film gerne sieht. Mit kleinen und großen Ticks, seltsam aber harmlos. Doch Oberflächlichkeit kann man diesem tollen und engagierten Film nicht vorwerfen. Regisseur, Autor und Hauptdarsteller Emilio Estevez breitet packend ein weites Feld menschlicher Belange aus. Vom kleinen Schicksal bis zum Staatsanwalt, der Bürgermeister werden will. „Ein ganz gewöhnlicher Held" ist dabei bis in die kleinste Nebenrolle sorgfältig und hochwertig besetzt.

Es gibt eine ganz wunderbare Rolle für den Trump-Parodisten Alec Baldwin als Polizei-Verhandler Bill, dessen Sohn drogenabhängig irgendwo da draußen auf der Straße ist. Christian Slater ist abstoßend glatt als skrupelloser Politiker, der Goodson mit Fake News zum Geiselnehmer macht. Neben diesem Goodson, der mit seiner Vergangenheit als Obdachloser schon alleine eine sehr interessante, gebrochene Figur gibt, gefällt als sein ungewöhnliches „love object" eine spannende Hausmeisterin, die mit dem Hammer probiert, eingefrorene Heizungen wieder fit zu kriegen.

Ergänzend zum ausnahmsweise guten deutschen Filmtitel, beschreibt der Originaltitel „The Public" (Library) die wunderbare Hymne auf die Institution Öffentliche Bibliothek: Zwischendurch erzählen Menschen die Kamera, was sie in der Bibliothek suchen - wortwörtlich und im übertragenen Sinne. In der bekannten Liste der schönsten Bibliotheks-Filmszenen nimmt „The Public" nun einen Platz neben dem „Himmel über Berlin" von Wim Wenders ein.

Engagiert, politisch, spannend und sehr klug: „Ein ganz gewöhnlicher Held" gibt Mitgefühl und Idealismus einen (öffentlichen) Raum, verbreitet Optimismus und Hoffnung.

19.7.19

Anna (2019)

Frankreich 2019 Regie: Luc Besson, mit Sasha Luss, Helen Mirren, Luke Evans, Cillian Murphy 119 Min.

Der französische Regisseur, Autor und Produzent Luc Besson hat der Kinogeschichte mit Filmen wie „Das fünfte Element" (1997), „Léon – Der Profi" (1994) oder „Im Rausch der Tiefe" (1988) viel Spaß gemacht. Zuletzt war in „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten" (2017) oder „Lucy" (2014) nur noch ein Abglanz davon zu sehen. „Anna" ist nun so ein typischer „später" Besson: Ein paar klasse Ideen, eine schöne Frau und eine Ausführung, die amüsiert, aber nicht völlig überzeugt.

Auf einem Moskauer Trödelmarkt findet ein französischer Model-Agent die schöne Anna (Sasha Luss), die dort Touristen Matroschkas andreht. Annas Karriere in Paris geht zwischen Star-Glamour und Sklavenhaltung der schönen Frauen rasant ab. Bis Anna sehr kühl und professionell einen Landsmann im Hotel erschießt. Dann springt der Film ein paar Jahre zurück. Anna ist eine geschlagene und unterdrückte Frau, die den KGB als Ausweg sieht...

Der neue Besson führt uns trickreich und vergnüglich an der Nase herum. Nein, nicht das Schachspiel, das der Chef des KGB liebt, ist die entscheidende Metapher. Es sind die Matroschkas, nach deren Prinzip der Film immer wieder in der Zeit zurückspringt und eine andere Schicht der Geschichte enthüllt. Er könnte auch heißen „Wer ist Anna?", aber so einen Titel gab es schon mal.

Die vorläufige Antwort lautet: Anna ist eine russische Auftragskillerin, die mit einer Model-Kollegin ein Verhältnis hat, ihren KGB-Anwerber liebt und die Abwerbung vom CIA wohl reizvoll findet. Dabei muss Hauptdarstellerin Sasha Luss selbst reizvoll und schlagkräftig sein - dies ist schließlich ein Besson-Film. Und der Regisseur präsentierte schon Nathalie Portman, Ex-Model Milla Jovovich, Scarlett Johannson oder Ex-Model Cara Delevingne auf diese zwiespältige Art. Starke Frauen, aber vor allem immer schön anzusehen.

Eine Ausnahme ist diesmal Helen Mirren, die als knallharte KGB-Chefin rauchend und motzend eine herrlich weibliche Version der Jean Reno-Rollen bei Besson gibt.

„Anna" ist ein Palindrom, es heißt von vorne oder von hinten gelesen das Gleiche. So wie Besson immer die gleichen Frauen (-Geschichten) erzählt: Schön und verletzt, mit einer verständlichen großen Wut und einer extremen Durchschlagskraft. Man könnte es als Fortschritt bezeichnen, dass Anna in „Anna" diese Rolle anwidert. Wie sie die größten Spionage-Firmen der Welt und die beiden Männer, die sich um sie kümmern wollen, ausspielt, ist großartig. Der Höhepunkt des Films! Und besonders originell, nicht als Prügelei ausgeführt, sondern als Dialog. Zwar enthält „Anna" selbstverständlich reichlich Action-Einlagen und Killen wie auf dem Catwalk. Aber der Clou ist die clevere Idee, der große Plan hinter allem. Und der kommt immer noch aus dem nicht ganz so attraktiven Köpfchen von Luc Besson.

17.7.19

Der König der Löwen (2019)

USA 2019 Regie: Jon Favreau, 117 Min.

Der ewige Kreis der Disney-Verwertung dreht sich Dank der neuen Realverfilmungen von alten Zeichentrick-Klassikern erfolgreicher denn je. Nach den mehr oder auch weniger originalgetreuen „Das Dschungelbuch", „Dumbo" oder „Aladdin" ist nun die Reihe an „Der König der Löwen", der Familiengeschichte aus Afrikas Savanne.

Das Original aus dem Jahr 1994 steht zwar nur auf Platz 42 der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Doch im öffentlichen Bewusstsein brüllt der kleine Löwe Simba dank allgegenwärtigen bunten Werbeartikeln, Fortsetzungen und Fernsehserien („Abenteuer mit Timon & Pumbaa") lauter als es die circa 12 Millionen deutschen Besucher erwarten lassen. Dabei halfen auch Elton Johns Titelsong „Circle of life" (Der ewige Kreis) und das Musical, das immer noch läuft.

Die Handlung bleibt beim neuen „König der Löwen" weitgehend dieselbe wie im Zeichentrick-Klassiker: In der großen Eröffnungsszene wird die Geburt von Simba, dem Löwenjungen, gefeiert. Das ist „Oh wie süß!", aber auch besonders, denn Simba soll zur Freude aller Monarchisten der künftige König sein. Und das schneller als gewünscht. Mit Disneys Obsession für die gewaltsame Entfernung von Elternteilen - siehe „Bambi" - sorgt Simbas hinterhältiger Onkel Scar dafür, dass König Mufasa stirbt und Simba selbst ins Exil geht. Da fängt der Spaß dann richtig an, dank des quirligen Erdmännchens Timon und seines warmherzigen Freundes, des Warzenschweins Pumbaa. So betreut kann Simba erwachsen werden, um schließlich das Reich seines Vaters zu übernehmen.

Der neue „König der Löwen" ist erst einmal überwältigend - von den technischen Möglichkeiten her. Zwar bleibt die Geschmacksfrage der sprechenden Tiere, doch ihre Bewegungen und die Details der Landschaften - alles ist derart perfekt im Computer bearbeitet worden, dass man nur staunen kann. Über eine Entwicklung, die übrigens 1994 beim gezeichneten Simba seine Anfänge nahm. Schon damals gab es computer-animierte Szenen als Neuerung bei Disney, die Puristen furchtbar aufregte.

Heutzutage kann man mit ein paar realen Aufnahmen alles möglich machen und erzählen. Und so real manipuliert, sieht Scar diesmal wirklich gefährlich aus. „Der König der Löwen" hat heute eine wesentlich stärkere Wirkkraft -selbst ohne Hyänen-Gebiss in Grossaufnahme. Der Tod Mufasas, der von einer rasenden Gnu-Herde zertrampelt wird, kann schon Erwachsene heftig plätten. Der alte Liebling aus dem reichen Disney-Zoo ist kein Kinderfilmchen, das bedenkenlos die ganze Familie erfreut.

Disney setzt übrigens auch bei der Regie auf Altbewährtes: John Favreau kennt als Schauspieler als Happy Hogan, den Manager und Freund von Iron Man. Aber Favreau war auch Regisseur der ersten beiden „Iron Man"-Filme. Schon „Das Dschungelbuch" inszenierte er, und ist für dessen Fortsetzung eingeplant. Favreau müsste dem Disney-Konzern mittlerweile Milliarden eingespielt haben. Beim eher mäßigen Erfolg „Cowboys & Aliens" (2011) wurde sein Gehalt publik: 10 Millionen Dollar.

Die simpel erzählte Fabel von Verantwortung und Tradition ist sehr ökologisch geworden: Mufasa herrscht nicht über das Land, er beschützt es nur. (Aber die Antilope darf man trotzdem essen!) Mit Scar zeigt sich maßlose Gier der neuen Herrschaft, mit den Hyänen geht er eine Allianz ein, die sehr an heutige Politik erinnert: Heuschrecken und Hyänen, die sehr an teure Beraterfirmen erinnern.

Selten erzeugen die Felsen im Hintergrund ein sehenswertes 3D-Ensemble. Ansonsten ärgert in der Synchronisation der eher mäßige Sprechgesang bei den vielen Liedchen, dem Bekanntheit auf dem Plakat wichtiger als Talent ist. Am sympathischsten ist noch der Humor, etwa bei dieser Variante „Der Löwe schläft heut Nacht", sehr rhythmisch vorgetragen von Timon und Pumbaa.

Die kleine, extrem konservative Geschichte aber wirkt in diesem gewaltigen Aufwand fehlplaziert. Hier zeigt sich, dass der Ansatz von Tim Burton bei „Alice" und „Dumbo", eine ganz neue Geschichte aus dem alten Zeichentrick zu machen, der bessere ist.

13.7.19

Messer im Herz

Frankreich, Schweiz 2018 (Un couteau dans le cœur) Regie: Yann Gonzalez, mit Vanessa Paradis (Anne Parèze) · Nicolas Maury (Archibald Langevin) · Kate Moran 106 Min. FSK ab 16

Die wegen ihrer hohen Stimme immer noch mit „kindlich" verwechselte Sängerin und Schauspielerin Vanessa Paradis, ist in letzter Zeit immer mehr in anspruchsvollen und vielschichtigen Rollen zu sehen. In dem genialen und völlig eigenartigen „Messer im Herz" tritt sie als Anne (Vanessa Paradis) auf, die in ihrem verzweifelten Liebeswahn anfangs wie ein kleines Kind wirkt. Dabei ist ihr Job als Produzentin und Regisseurin von billigen Schwulen-Pornos sehr erwachsen. Vor dem diesem Hintergrund des Undergroundkinos der 70er Jahre ereignen sich brutale Morde an ihren Darstellern.

Es ist grandios, wie Anne ihre Befragung bei der Polizei direkt in eine völlig überzogene Porno-Szene umsetzt. „Der schwule Mörder" soll ihr nächster Erfolg werden, doch wegen eines Mörders gehen ihr die Darsteller aus und neue haben Angst vor dieser Produktion.

Vanessa Paradis gibt exzessiv verliebten Filmemacherin Anne eine faszinierend schillernde Figur in einem faszinierenden Film: Regisseur
Yann Gonzalez („Begegnungen nach Mitternacht") erinnert mit seinem sensationellen Stilwillen an Rainer Werner Fassbinder, an den Kanadier Xavier Dolan („Mommy", „Herzensbrecher") oder an François Ozon. Da gibt es Lack- und Leder-Klamotten auf dunklen, nassen Straßen. Die Ästhetik der 70er vor allen in den Ausschnitten der Porno-Filmchen. Märchen- und traumhaft bis surreal die Negativaufnahmen mit einem mysteriösen blinden Raben. Und unangenehm brutal die Morde, die an William Friedkins umstrittenen „Cruising" erinnern oder an den Slasher-Trash von Dario Argento („Suspiria").

Yann Gonzalez beherrscht das Spielen mit den Stilen ganz wunderbar. Seine Figuren sind frech und frei wie der Film. Eine Entdeckung, die Spaß und neugierig macht.

Ausgeflogen

Frankreich, Belgien 2019 (Mon bebe) Regie: Lisa Azuelos, mit Sandrine Kiberlain, Thaïs Alessandrin, Victor Belmondo 85 Min. FSK ab 6

Mutterliebe als ein klebriger, übersüßer Babybrei, den man einfach nicht mehr los wird: So mischt Lisa Azuelos ihren nächsten Mutter-Tochter-Film nach „LOL (Laughing Out Loud)" an. Die ganze weinerliche Komödie lang nervt das Geräusch der Helikopter-Mutter, die einfach nicht loslassen kann.

Es soll Mütter geben, die wollen ihre traumatischen Geschichten vom „Allein zurückgelassen werden" schon schreiben, während die Töchter noch zu Hause sind. „Ausgeflogen" ist ein Film, wie wir ihn in Zukunft noch oft sehen werden: Denn die Plage der Helikopter-Mütter wird sich in Literatur und Film vermehrt unangenehm niederschlagen.

Die alleinerziehende Héloise (Sandrine Kiberlain) leidet. Ihre jüngste Tochter Jade (Thaïs Alessandrin) macht gerade ihr Baccalauréat, das französische Abitur, und will danach in Kanada studieren. (Was Héloise aus dem Brief an ihre Tochter weiß, den sie einfach geöffnet hat.) Deshalb verbringt sie jetzt schon die meiste Zeit mit ihrer Tochter damit, diese zu filmen, damit sie später Erinnerungen hat. Gleichzeitig steht ihrem Vater eine schwere Operation bevor, was die ernsthaftere Geschichte wäre. Und wir erleben etwas vom Leben der Tochter Jade, was die wildere, interessantere Geschichte wäre.

Doch „Ausgeflogen" ist ein weichgezeichnetes Problemstück ohne wirkliche Probleme, mit dem wohl nur die Mütter und die Töchter des Films etwas anfangen können. Fast traurig sind die witzig sein wollenden Rückblenden zu kläglichen Versuchen eines eigenen Liebeslebens. Denn Héloise kann ja nie ausgehen, weil sie ihre drei Kinder nie alleine lässt. Dass sie ein eigenes Leben und sogar ein eigenes schickes Restaurant hat, gesteht ihr der Film konsequenterweise nicht zu. Davon erzählen nur ganz wenige Szenen.

Die großartige Schauspielerin Sandrine Kiberlain verkauft sich hier für eine reduzierte Klischee-Figur. Wie eine alleinerziehende Mutter auch sein kann, zeigte sie im großartigen „Mit siebzehn" von André Téchiné.

Kurz: Eine endlos ausgewalzte Gefühlsduselei ohne weitere Handlung, Spaß oder Erkenntnis. Tatsächlich nur ein Film für noch nicht selbständige Mütter und eigentlich schon erwachsene Töchter, die zusammen ins Kino gehen. Wobei man beiden leise empfehlen sollte, sich vielleicht doch nach einem eigenen Leben umzuschauen.

Made in China

Frankreich 2019 Regie: Julien Abraham, mit Frédéric Chau, Medi Sadoun, Clémentine Célarié, Mylène Jampanoï 88 Min. FSK ab 0

„Made in China" ist inspiriert vom Schauspieler Frédéric Chau und knüpft an der rassistischen Masche von „Monsieur Claude" an: Wir dürfen anfangs über die Fremden-Klischees lachen, darüber dass man „diese Chinesen" (in Frankreich) ja nicht richtig versteht und sie nur als Boten vom China-Imbiss ansieht.

So eine ganz dumme Behandlung erfährt François (Frédéric Chau) auf einer Party. Ihn nerven die Fragen, wo er denn her käme, und die Gespräche über asiatisches Essen und Kung Fu-Filme. Aber das ist alles egal, als ihm seine Freundin erzählt, dass sie schwanger sei. Deshalb will er nach zehn Jahren wieder Kontakt zu seinem Vater aufnehmen. Doch der geht ihm aus dem Weg. Eine traumatische Vergangenheit um den tragischen Tod der Mutter ist aufzuarbeiten.

Bei den Trips zurück zur vielköpfigen Familie im chinesischen Viertel des 13. Bezirks, dass er sonst immer meidet, ist immer François' lockerer und lustiger arabisch-stämmiger Freund Freund Bruno (Medi Sadoun) dabei. Der darf deftig blöde sein und peinliche Scherze machen, weil er ja sowieso nichts kapiert. Deshalb veralbert man ihn beim ersten Familien-Essen auch damit, dass er gerade Hund verspeist habe.

„Made in China" veranstaltet ein eher nerviges als unterhaltsames Hin und Her um die Familienzusammenführung. Denn es geht erschreckend undramatisch eigentlich um Nichts, das durch Ignoranz und Stolz auf knappe Spielfilmlänge aufgeblasen wird. Der Bruch zwischen den Generationen ist hier mal keine Frage von Traditionen, die ansonsten immer ein reizvolles Thema solcher Filme sind.

Auf erstaunliche Weise erfährt man sehr wenig über die chinesische Gemeinschaft in Paris. Klar, wenn „unsere" Identifikationsfigur der größte Vollidiot ist. Der Film wird direkt ganz anders, wenn Bruno nicht dabei ist, aber da ist das Ende auch fast schon erreicht. Hauptdarsteller Frédéric Chau soll die Idee zu diesem Film geliefert haben und arbeitete am Drehbuch mit. Eine nette Idee, für die man sich erwärmen kann. Aber das allein reicht nicht für einen guten Film.

9.7.19

Kursk

Luxemburg, Belgien, Frankreich 2018 Regie: Thomas Vinterberg, mit Léa Seydoux, Colin Firth, Matthias Schoenaerts, Max von Sydow 118 Min. FSK ab 16

Thomas Vinterberg hat eine eindrucksvolle Reihe außerordentlicher und sehr guter Filme realisiert: „Die Kommune", „Die Jagd", „Submarino", „Dear Wendy", „Das Fest". Nun verfilmt er routiniert spannend den Untergang des russische U-Boots Kursk nach einem wahren Ereignis. Bei dem niemand weiß, was wirklich im Wrack passierte.

Während irgendeines dieser Militär-Manöver im Stile von „Meiner ist länger als deiner" explodiert ein Torpedo im russischen U-Boot Kursk. Der Film trifft einen mit voller Breitseite aus Explosionen, Feuersbrünsten und Wassereinbrüchen. Die Militärführung hat angesichts der Trümmer sofort alle Hoffnung auf Überlebende aufgegeben. Doch 23 Männer haben in einer Kammer überlebt, die langsam mit eiskaltem Wasser vollläuft. Das letzte der Rettungsbote, das die Russen noch nicht verkauft haben, hat zwar angedockt. Doch das Material ist in einem derart desolaten Zustand, dass nichts funktioniert. Das am Manöver beteiligte US-amerikanische Militär bietet Hilfe an, doch russischer Nationalstolz lässt dies nicht zu.

Das ist von der Substanz her übersichtlich, in der Ausführung sehr packend und effektiv. Klassisch für den Katastrophenfilm arbeitet „Kursk" mit Parallelmontage zu den bangenden Ehefrauen und Familien, während den Eingeschlossenen langsam das Wasser bis zum Hals steigt. „Kursk" zeigt knallharte Kerle, die selbst in extremen Situationen noch Galgenhumor besitzen. Dabei ist alles nicht so klaustrophobisch wie in „Das Boot". Zentral steht der Belgier Matthias Schoenaerts, der als Anführer Michail Awerin die Ruhe bewahrt und Mut gibt. Ein sehr intensiver Schauspieler, der mit Vinterberg schon „Am grünen Rand der Welt" gedreht hat.

Ansonsten sieht man exzellente Schauspieler und glaubt sie unterfordert wie Léa Seydoux als Ehefrau und Mutter. Am Rande steht ein relativ junger Colin Firth für die Stimme der Vernunft, während der alte Max von Sydow das verknöcherte russische Militär darstellt. Matthias Schweighöfer, als einer der ersten Opfer schnell raus aus der Handlung, erinnert allerdings stark an Euro-Pudding, wo vor allem die internationale Finanzierung die Besetzung bestimmt.

„Kursk" ist sehr spannend, aber mehr Katastrophen-Film als ein typischer Thomas Vinterberg. Hier wird eher ein Blick auf das Funktionieren und Nicht-Funktionieren von Gesellschaft und Militär geworfen. Es geht um Transparenz und mündige Bürger. Nicht so sehr um das tiefere Wesen der Menschen. Allerdings gelingt es dem Dänen weitestgehend, sich von - in solchen Filmen typischer - militärischer Logik fern zu halten und immer wieder zu betonen, dass es um Menschenleben geht. Dass diese Katastrophe nicht nur die erstickenden jungen Männer betrifft, sondern auch ihre Kinder, also die nächsten Generationen. Das betont auch der Schlusssatz, dass „71 Kinder während des Unglücks ihren Vater verloren". Eine weitergehende Kritik am allgemeinen und in vieler Hinsicht mörderischen Wahnsinn des Wettrüstens wird hier nicht geäußert.

7.7.19

Rebellinnen (2019)

Frankreich 2019 Regie: Allan Mauduit, mit Cécilie de France, Yolande Moreau, Audrey Lamy 88 Min. FSK ab 16

Nicht wiederzuerkennen verbraucht und heruntergekommen ist Superstar Cécile de France als ehemalige „Miss Nord Pas de Calais 2005". Nach einer gescheiterten Geschichte im Süden muss Sandra jetzt bei ihrer Mutter auf dem schäbigen Campingplatz „Eden" wohnen und in der Fischfabrik arbeiten. Mit Plastikmützchen und Leopardenmantel. Bald stellt ihr der schmierige Chef Jean-Mi nach. Ruckzuck - oder Schnippschnapp - bekommt der Vergewaltiger die Strafe, die der feministische Stammtisch gerne verlangt. Da der Betriebsunfall in der Umkleidekabine der Frauen nicht nur zum Verlust der Männlichkeit, sondern auch des Lebens führt, nehmen drei beteiligte Arbeiterinnen als Prämie noch seine Tasche mit illegalem Drogengeld mit.

Bei der Beseitigung der Leiche steigern die Frauen den schwarzen Humor. Also gibt es durch diesen tragischen Todesfall eine Überproduktion an Dosenfisch, die drei Spießgesellinnen nun ausgerechnet bei der Tafel für Arme klauen müssen.

Man folgt den deftigen und spaßigen Entwicklungen atemlos - vor lauter Lachen und Unglauben ob der drastischen Entwicklungen. Die kommen sehr rasant und immer wieder überraschend. Denn die Sache wird unangenehm, weil der lokale Pate sein Drogengeld vermisst und ihm selbst ein paar böse Belgier im Nacken sitzen. Auch ein Polizist aus Paris, der schon mit Sandra geschlafen hat, ist der Sache auf der Spur.

Neben Cécile de France ist die großartige Yolande Moreau („Das brandneue Testament") zu erleben, die man aus ähnlichen Rollen kennt. So besorgte sie sich und ihren Kolleginnen in „Louise Hires a Contract Killer" schon mal einen Auftragskiller, um den Chef eines Werkes zu beseitigen. Bemerkenswert auch, wie Simon Abkarian („Djam", „The Cut") den ebenso schmierigen wie gutherzigen Gangster Simon Bénéké gibt.

„Rebellinnen" wandelt sich immer mehr von schwarzer Komödie zum blutigen Krimi im Stile von „Fargo". Samt einem veritablen „mexican standoff" (engl.: ‚mexikanisches Patt') gemäß Tarantino im Familien- und Freundeskreis. Allan Mauduits exzellenter Debütfilm-Spaß spielt im Norden Frankreichs, der für deftige Filme bekannt ist: Von den Sch'tis bis zu den anspruchsvollen Werken Bruno Dumonts. Hier gehört auch der soziale Blick dazu, denn Sandra, Nadine (Yolande Moreau) und Marilyn (Audrey Lamy) leben in prekären Verhältnissen und brauchen das blutig verdiente Geld wirklich. Die Namen im Hintergrund verhöhnen deshalb die bittere Realität: Die stinkende Konservenfabrik heißt „La belle mer" (Das schöne Meer) und der heruntergekommene Campingplatz „Eden".

Die feministische Krimi-Komödie „Rebellinnen" ist mit vielen exzellenten Schauspielern und gutem Gefühl für passende Szenen einfach und zielsicher inszeniert. Und in weniger als neunzig Minuten - hier geht es Schlag auf Schlag weiter, und es gibt nur Volltreffer. In seinem Debüt beweist Allan Mauduit, dass man nicht viele Millionen für einen großartigen Film braucht. Man muss es nur richtig und richtig gut machen.

5.7.19

Unsere große kleine Farm

USA 2019 (The Biggest little Farm) Regie: John Chester 92 Min. FSK ab 0

Es fängt mit einem Hund aus dem Tierheim an, der Tag und Nacht bellt. Was für Molly und John Chester den Rauswurf aus der Wohnung in Santa Monica bedeutet. Der Filmemacher und die Food-Bloggerin kaufen darauf eine verlassene Aprikosenfarm mit völlig ausgemergeltem Grund, umgeben von lauter riesigen Monokulturen. Hier wollen sie ein natürliches Ökosystem errichten. Ausgerechnet zur Zeit einer historischen Dürre.

Während man sich fragt, wo das ganze Geld für die große Farm herkommt, genießt man die Ironie im Erzählton. Tatsächlich führt das Ziel möglichst breiter Biodiversität über die Jahre des Films zu einem kleinen Paradies mit 75 Sorten von Obst auf insgesamt 10.000 Bäumen. Es gibt nicht nur die sehr erfolgreichen freilaufenden Hühner, insgesamt werden 200 verschiedene Produkte produziert. Wenn im kleinen Paradies wieder Kolibris auftauchen, erinnert das auch emotional an die Arbeit des Fotografen Sebastião Salgado, der gewaltige Flächen Regenwaldregenwald wieder aufforstete. Zu sehen im wunderbaren Wenders-Film „Das Salz der Erde".

In der Dokumentation von John Chester vermengen sich vage bis esoterische Theorien über Landwirtschaft mit nettem Tierleben, wie der Geburt von sehr vielen kleinen Ferkelchen. Für Unterhaltung ist also gesorgt hat und auch für Spannung. Denn der Film begann ja mit einer fürchterlichen Feuersbrunst, welche die Farm bedrohte.

Die modernen naiven Wohlstandsmenschen John und Molly bleiben idealistisch, versuchen sogar die Kojoten zu integrieren, die ihnen die Enten töten. Auf der keineswegs kleinen Farm mit einem Haufen (freiwilliger oder bezahlter?) Mitarbeiter machen immer wieder kleine Dramen wie die Krankheit der Lieblings-Sau den Film attraktiv. Auch die Notschlachtung eines Lammes mit heraushängendem Gedärm wird für den Film ausgeschlachtet. Ob man die Geburt des eigenen Kindes mit der eines Rinderwurfes parallel montieren muss, ist Geschmackssache. Andere Geschichten wie die Verwaisung eines kleinen Lamms erinnern unangenehm an Disneyfizierung. Nicht allein in einer Vermenschlichung der Tiere, vor allem in der Simplifizierung komplexer Zusammenhänge. Die hier zum Zwecke eines tatsächlich sehr unterhaltsam Films auf kleine Geschichten und Sprüche reduziert wurden.

Man sollte dazu wissen, dass John Chester seine Geschichten bereits in mehreren preisgekrönten Kurzfilmen für die Show „Super Soul Sunday" der Drama-Queen Oprah Winfrey verwertet hat. Die „Apricot Lane Farm" ist mittlerweile eine Attraktion für Touristen.

„Unsere große kleine Farm" wirkt oft, aber nicht immer naiv: „Der Markt" kommt immerhin auch manchmal vor. Also der amerikanische „farmers market", auf dem die Produkte verkauft werden und als ökonomische Bedingungen, unter denen das Ganze funktionieren soll. Wichtiger ist jedoch das Prinzip, dass „die Natur" sich immer wieder selbst ausbalanciert.

Nun könnte Bauer Müller aus Deutschland sicherlich auch so ein Filmchen drehen, wenn er nicht gerade eine Frau suchen muss, wegen der Landflucht, oder zu den Banken muss, weil die Ideen der „natürlichen" Landwirtschaft seit Jahrzehnten nicht mehr funktionieren. Zum Ende ist bei der landwirtschaftlichen und filmischen Unternehmung die spaßige Leichtigkeit verschwunden. Leider ersetzt durch das Pathetische, Priesterhafte solcher moderner Naturfilme. Ein Misston bei einer eigentlich eindrucksvollen und traumhaften Geschichte.

4.7.19

Kleiner Aladin und der Zauberteppich

Dänemark 2019 (Hodja fra Pjort) Regie: Karsten Kiilerich 81 Min. FSK ab 0

Kirkegaard muss nicht kompliziert sein! Er kann sogar ärgerlich simpel daherkommen, wenn man im Aufwind der großen „Aladdin"-Verfilmung die gleiche Geschichte nach den Kindbüchern von Ole Lund Kirkegaard als Animation für Vorschulkinder verkaufen will.

Als erstes fällt bei dieser „Alad(d)in"-Kopie die billige digitale Animation auf: Da fallen Gewänder auf dem arabischen Basar nicht fließend, sie stehen steif wie aus Plastik bunt im Bild. Ebenso kantig auch die Charaktere: Der Sohn des Schneiders aus dem kleinen Dorf will die große Welt sehen, sieht aber eigentlich überhaupt nicht jung und unerfahren aus. Zudem ist dieser kleine Anti-Hobbit Aladin (der im Original Hodja heißt) ein typischer Vertreter der Elterntaxi-Generation: Er könne ja nicht die Welt entdecken, weil er kein Fahrzeug habe, erzählt er dem Teppichhändler. Schließlich hilft ein fliegender Teppich aus, vorhersehbar wie alles in diesem Film. Ja, sogar mehr als vorhersehbar, denn der Teppichhändler hat in seiner kleinen Erzählung schon vorweggenommen, dass Aladin seine Enkelin aus den Klauen des gefräßigen Sultans befreien wird.

Beifahrer auf dem Teppich ist als lustiger Sidekick eine Ziege, die klüger als die Hauptfigur ist. In der großen Stadt mit den goldenen Dächern, die von Angst regiert wird, landen sie zuerst bei einer Bande hungriger Kinderdiebe, die von einem Mann namens Ratte geleitet wird.

Dass „Kleiner Aladin" für kleine Kinogänger ist, gibt als Ausrede nicht: Es wurde eine einfache Geschichte im schlechtesten Sinne - nämlich billig ausgedacht und gemacht. Tatsächlich hat der Teppich ähnlich viel Charakter wie die Hauptfigur. Dabei hat der dänische Regisseur Karsten Kiilerich viel Erfahrung, unter anderem mit „Der kleine Vampir" und „Bibi Blocksberg". Doch irgendwie fehlt der Geist, nicht nur der Flaschengeist.

3.7.19

Yesterday (2019)

GB 2019 Regie: Danny Boyle, mit Lily James, Himesch Patel, Kate McKinnon, Ed Sheeran 116 Min.

Sie mögen die Beatles? Stellen Sie sich vor, Sie wären plötzlich der einzige Mensch der Welt, der Beatles-Lieder kennt! Und bislang ein sehr erfolgloser Musiker. Jetzt müssen Sie aber den Text von „Eleanor Rigby" zusammen bekommen. Das ist der Clou des neuen Danny Boyle-Films „Yesterday". Sowie der Anlass für eine liebevolle Beatles-Hommage und ein wunderbares Kinovergnügen.

Jack Malik (Himesh Patel) ist bei seinem lauen Job im Baumarkt beliebter als bei seiner Leidenschaft auf der Bühne. Der Musiker glaubt nicht mehr an den Erfolg. Nur seine immer witzige und optimistische Managerin und platonische Jugendfreundin Ellie (Lily James) Freundin treibt ihn weiter an. Bis Jack während eines weltweiten Blackouts auf seinem Rad vom Bus angefahren wird und nach dem Aufwachen im Krankenhaus der einzige ist, der Lieder von den Beatles kennt. Diese Erkenntnis kommt langsam und ist der erste originelle Höhepunkt im bislang nur ungemein sympathischen und vergnüglichen Film.

Die Internetsuche nach „John, Paul, George & Ringo" führt nur zu Papst John Paul, englisch für Johannes Paulus. Jack kontrolliert hektisch, welche Bands noch verschwunden sind: Die Rolling Stones waren und sind leider immer noch da, der innovative Childish Gambino selbstverständlich auch, aber Oasis haben wohl ohne Beatles-Inspiration gelitten.

Es ist herrlich, wie Jack, der schon immer mal mit Beatles-Texten redete, nun verzweifelt probiert, sich komplett an die Lieder zu erinnern. Denn plötzlich lieben die Menschen „seine" Musik. Nur bei den Eltern, denen er vergebens „Let it be" vorspielen will, zeigt sich, wie schwer es selbst wunderbare Lieder haben können. Die große Karriere kennt noch einige Hindernisse und wieder viel Humor: Wenn Jacks erste Plattenaufnahmen in einem Studio stattfinden, bei dem regelmäßig ein lauter Zug vorbeidonnert. Doch letztlich gilt es, die bekannte Entscheidung zwischen Karriere und Liebe zu treffen. Aber keine Angst, auch dieser Klassiker ist bei Danny Boyle nicht ausgeleiert. Spoiler: John Lennon wird im Alter ein weiser Beziehungsratgeber sein...

„Yesterday" ist ein netter Liebesfilm, eine warmherzige Komödie und selbstverständlich eine schöne Gelegenheit, wieder einmal gute Beatles-Lieder zu hören. Das ist mal eine ganz andere Medley-Geschichte als „Mamma Mia". In ihr macht Jack nicht nur die Vorband zu Ed Sheeran, er schlägt diesen Star sogar bei einem schnellen Kompositionswettkampf.

„Yesterday" enthält selbstverständlich einen romantischen Aufenthalt in Liverpool, bei dem die Song-Referenzen als Grafiken durchs Bild fließen. Der Humor gewinnt mit kleinen Details, wie die zurückgedrehte Umbenennung des „John Lennon Airports" in „Liverpool International Airport". Nebenbei gibt es nicht nur Seitenhiebe, sondern eine ganze Breitseite gegen die Vermarktungs-Industrie der Medien-Wirtschaft. Ein gigantisches Marketing-Team lässt alle bekannten Album-Titel der Beatles durchfallen und schließlich wird ein Song „Hey Dude" heißen. Aber selbst die eiskalte und zynische Managerin Debra (Kate McKinnon) wird die Liebe zur guten Musik nicht klein kriegen.

Es wäre etwas zu hoch gegriffen, Danny Boyle mit den Beatles zu vergleichen. Aber immer wieder gelingt dem Regisseur von „Slumdog Millionär", „Trainspotting" und vielen anderen Klassikern etwas, das in jeder Hinsicht perfekt und wunderbar ist. In „Yesterday" stimmt alles, oder stimmt gerade nicht. Aber der tolle Film ist rund in allen Ideen, Stimmungen und Wendungen. Man stelle sich nur mal eine Welt ohne Filme von Danny Boyle vor...

Electric Girl

BRD, Belgien 2018 Regie: Ziska Riemann, mit Victoria Schulz, Björn von der Wellen, Hans-Jochen Wagner 89 Min. FSK ab 12

Das „Electric Girl" Mia (Victoria Schulz) steht schon als normale junge Frau unter Strom: Viel Party, Alkohol und laute Musik. Der neue Job als Synchrosprecherin für einen Anime-Film begeistert die gut gelaunte Mia, so dass sie sogar den mies gelaunten Nachbar aus dem Erdgeschoss aufmuntern will. Doch ist es die Geschichte um die gezeichnete Superheldin Kimiko? Oder nur der Stromschlag in der Kneipe, wo unsere Heldin kellnert? Auf jeden Fall lauern nun zerstörerische Dämonen in Stromleitungen und WLAN-Netzen auch von Hamburg, um die Menschen willenlos zu machen. In einer überdrehten Psychose wird Mia auch äußerlich zu Kimiko und alles um sie herum ist „asynchron". Aber auch wenn sie einen vermeintlichen Selbstmörder vor der U-Bahn wegriss, ihren todkranken Vater kann sie nicht retten.

Regisseurin Ziska Riemann ist auch noch Musikerin und Comiczeichnerin. Mit „Electric Girl" bringt sie ein paar frische Ideen und glaubhaft junge Lebensenergie auf die Leinwand, ästhetisch konsequent und manchmal eindrucksvoll mit vielen Szene-Settings durchgezogen. Der Film wird hauptsächlich getragen von der Hauptdarstellerin Victoria Schulz, die schon in „Dora – oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern" beeindruckte, und die den Wandel von unbeschwert zu durchgeknallt gut verkörpert. Ein eindrucksvoller Solotrip! Die Animationen der zweiten Handlungsebene sind leider so gestaltet, dass man nie wieder über billige japanische Animationen meckern wird. Aber sie verschwinden auch, je mehr Mia zu Kimiko wird. Auch wenn die Handlung sich etwas komplexer hätte entwickeln können, elektrisiert dieser junge Film mit Talent auf vielen Ebenen.

Anna (2019)

Frankreich 2019 Regie: Luc Besson, mit Sasha Luss, Helen Mirren, Luke Evans, Cillian Murphy 119 Min.

Der französische Regisseur, Autor und Produzent Luc Besson hat der Kinogeschichte mit Filmen wie „Das fünfte Element" (1997), „Léon – Der Profi" (1994) oder „Im Rausch der Tiefe" (1988) viel Spaß gemacht. Zuletzt war in „Valerian - Die Stadt der tausend Planeten" (2017) oder „Lucy" (2014) nur noch ein Abglanz davon zu sehen. „Anna" ist nun so ein typischer „später" Besson: Ein paar klasse Ideen, eine schöne Frau und eine Ausführung, die amüsiert, aber nicht völlig überzeugt.

Auf einem Moskauer Trödelmarkt findet ein französischer Model-Agent die schöne Anna (Sasha Luss), die dort Touristen Matroschkas andreht. Annas Karriere in Paris geht zwischen Star-Glamour und Sklavenhaltung der schönen Frauen rasant ab. Bis Anna sehr kühl und professionell einen Landsmann im Hotel erschießt. Dann springt der Film ein paar Jahre zurück. Anna ist eine geschlagene und unterdrückte Frau, die den KGB als Ausweg sieht...

Der neue Besson führt uns trickreich und vergnüglich an der Nase herum. Nein, nicht das Schachspiel, das der Chef des KGB liebt, ist die entscheidende Metapher. Es sind die Matroschkas, nach deren Prinzip der Film immer wieder in der Zeit zurückspringt und eine andere Schicht der Geschichte enthüllt. Er könnte auch heißen „Wer ist Anna?", aber so einen Titel gab es schon mal.

Die vorläufige Antwort lautet: Anna ist eine russische Auftragskillerin, die mit einer Model-Kollegin ein Verhältnis hat, ihren KGB-Anwerber liebt und die Abwerbung vom CIA wohl reizvoll findet. Dabei muss Hauptdarstellerin Sasha Luss selbst reizvoll und schlagkräftig sein - dies ist schließlich ein Besson-Film. Und der Regisseur präsentierte schon Nathalie Portman, Ex-Model Milla Jovovich, Scarlett Johannson oder Ex-Model Cara Delevingne auf diese zwiespältige Art. Starke Frauen, aber vor allem immer schön anzusehen.

Eine Ausnahme ist diesmal Helen Mirren, die als knallharte KGB-Chefin rauchend und motzend eine herrlich weibliche Version der Jean Reno-Rollen bei Besson gibt.

„Anna" ist ein Palindrom, es heißt von vorne oder von hinten gelesen das Gleiche. So wie Besson immer die gleichen Frauen (-Geschichten) erzählt: Schön und verletzt, mit einer verständlichen großen Wut und einer extremen Durchschlagskraft. Man könnte es als Fortschritt bezeichnen, dass Anna in „Anna" diese Rolle anwidert. Wie sie die größten Spionage-Firmen der Welt und die beiden Männer, die sich um sie kümmern wollen, ausspielt, ist großartig. Der Höhepunkt des Films! Und besonders originell, nicht als Prügelei ausgeführt, sondern als Dialog. Zwar enthält „Anna" selbstverständlich reichlich Action-Einlagen und Killen wie auf dem Catwalk. Aber der Clou ist die clevere Idee, der große Plan hinter allem. Und der kommt immer noch aus dem nicht ganz so attraktiven Köpfchen von Luc Besson.

2.7.19

Spider-Man: Far from Home

USA 2019 Regie: Jon Watts, mit Tom Holland, Jake Gyllenhaal, Cobie Smulders, Samuel L. Jackson 129 Min.

Peter wird der neue Tony

Nach dem großen Finale in „Avengers: Endgame", dem 22. Superhelden-Film von Marvel, geht es unbekümmert weiter mit der Gelddruckmaschine Marvels. Mehr als unbekümmert, nämlich harmlos und banal beginnt „Spider-Man: Far from Home" als Highschool-Filmchen. Mit Peter Parker (Tom Holland) als schüchternem verliebtem Jungen auf Schulausflug. Dass dieser direkt nach Venedig, Prag und London führt, zeigt wie größenwahnsinnig diese Film-Serie ist.

Nach einem teenager-peinlichen Anflug wird Venedig direkt von einem Wasser-Monster auseinander genommen. In dieser ersten Action-Einlage vor den Augen seiner Mitschüler ist der nur mäßig maskierte Spider-Man noch ziemlich lächerlich. Der vermeintliche Retter, der mysteriöse Mysterio mit grünem Taucherhelm, bietet sich als neuer Super-Vaterersatz für Peter an. Ersatz auch für Tony Stark, der in „Avengers: Endgame" fast sicher seinen Abschied aus der Serie nahm?

Die Vaterfigur Stark lebt mit ihrer Super–Brille weiter, die er Peter Parker als neues Spielzeug vermacht. Und schließlich wird sich unter dem berührt bewundernden Blick von Starks Assistent Happy Hogan (Jon Favreau, der Regisseur des ersten „Iron Man") zeigen, dass Peter der neue Tony werden soll.

Mit Jake Gyllenhaal als Mysterio reiht sich kurz ein weiterer, einstmals ernsthafter Schauspieler in die Reihe der Marvel-Superhelden ein. Seine Figur führt eine überraschend ironische Verschwörung an: Dass ein Mega-Konzern einen Film über die Rache kleiner, übergangener Angestellter macht, die sich an einem Mega-Konzern rächen wollen, entbehrt nicht der unfreiwilligen Komik. Aber die kleinen, übergangenen Angestellten sind ja auch die Bösen.

Neben diesen Fußnoten für Fans und Nerds bietet „Spider-Man: Far from Home" als Film an sich nur die x-te Variante von Spider-Man: Ein Teelöffel voll Psychologie um den Waisenjungen, der sich emanzipieren will, und haufenweise Action, die sich verselbständigt. Nach der wirklich neuen und innovativen Animation „Spider-Man: A new universe" setzt jetzt wieder Routine ein. Dass die Bedrohung durch vier Element-Wesen nur Projektion eines bösen Regisseurs ist, legt allerdings Spuren für neue Verschwörungstheorien über Hollywood aus. Zumindest zeigt Hollywood hier kurz mal, was visionär möglich wäre, wenn die uralte Geißel des Realismus' nicht all diese Geschichten zur Langweile verdammen würde. Die Szenen, die Peter Parker und das Kinopublikum in völlige Verwirrung stürzen, sind die interessanten des Films.

Kroos

BRD 2019 Regie: Manfred Oldenburg 119 Min. FSK ab 0

So wie es immer wieder Versuche von Intellektuellen gibt, dem sehr banalen Fußballspiel höhere Weihen zu verleihen, versucht die Sport-Dokumentation „Kroos", die feine Kunst des Portraits mit einem Fußballer. Heraus kommt ein besserer Fan-Film für das spielfreie Sommerloch.

Die erste Szene ist direkt ein Witz: Toni Kroos putzt sich selber seine Fußballschuhe! Da sich wohl auch Real Madrid sich einen Zeugwart leisten kann, wirkt das nicht glaubwürdig. Doch der aufwändige Dokumentarfilm „Kroos" wird das Besondere am geerdeten Weltfußballer Toni Kross zeigen.

„Kross" feiert nicht simpel den Fußball ab. Er fängt journalistisch distanziert etwas von der Fan-Begeisterung, zum Beispiel rund um das Bernabeu-Stadion in Madrid, ein. Selbstverständlich gibt es reichlich Spiel- und Spieler-Analysen von irgendwelchen „Experten" wie dem Pop-Star Robbie Williams bis zu Zidane und dem Bundes-Jogi Löw. Selbstverständlich sagen Kollegen, dass er einer der wichtigsten Spieler der Mannschaft sei. Dass man das Besondere an ihm nicht sehen könne, bestätigt dieser Film auch. Die Spiel-Aufnahmen von Kroos sind wenig spektakulär. Dass ihn genau diese unaufgeregte Überlegtheit auszeichnet, wird ebenfalls erklärt. Die erstaunliche Ruhe von Kross' nimmt einen großen Teil des Portraits ein.

Das Team von Manfred Oldenburg, das Kross auf den Fuß folgen durfte, bekommt einige Prominenz vor die Kamera: Zinédine Zidane, Pep Guardiola, Uli Hoeneß, der pummelige Popsänger Robbie Williams, der sich mit Profi-Fußballern vergleicht, bis zu Jupp Heynckes, der tatsächlich substantielle und tiefgründige Sachen äußern kann. Eindrucksvoller als dieses Außenbild ist, wie Kroos die Medien- und Marketing-Termine abhandelt, selbst für die Kamera die Klappe schlägt und da Tempo macht. Richtig treffend dann das Jubelbild beim WM-Sieg mit Kanzlerin in der Kabine: Kroos ist auf den ersten Blick nicht zu sehen, er zieht sich im Hintergrund ganz für sich die Schuhe aus. Großartig auch die Aufnahme im Flieger nach dem letzten Champions League-Sieg: Toni Kroos ist viel mehr bei seinem schlafenden Kind als beim Riesen-Pokal, der daneben steht.

Bei den Eltern, Großeltern und ganz alten Film-Aufnahmen aus der Kindheit menschelt es dann heftig. Hier kommt das Privatleben rein, das Toni ansonsten erfolgreich von der Öffentlichkeit abschirmt. Der Film wagt sich psychologisch am weitesten heraus wenn Kroos die Abwesenheit eines Vaters, der nicht gleichzeitig Trainer ist, bemängelt, und Robbie Williams den Fußball als seinen Vater bezeichnet. Tränenreiche Aufnahmen von der Hochzeit belegen den sehr geerdeten Familienmenschen.

Regisseur Manfred Oldenburg hat Erfahrung mit dem Genre, er realisierte die Doku „Das Wunder von Bern - Die wahre Geschichte" und „Wembley 1966". „Kroos" ist nun ein nicht besonders eleganter Mix aus Fußball(er)-Geschichte und privatem Porträt. Für Fans interessant, für andere Menschen nicht gut genug.

1.7.19

Geheimnis eines Lebens

Großbritannien 2018 (Red Joan) Regie: Trevor Nunn, mit Judi Dench, Sophie Cookson, Stephen Campbell Moore, Tom Hughes 102 Min. FSK ab 6

„Red Joan", also „Die rote Johanna", klingt der Filmtitel im Original etwas reißerischer und verweist auf die wahre Geschichte der englischen Physikerin Melita Norwood, die während des 2. Weltkrieges Pläne zum Bau einer Atombombe an die verbündete Sowjetunion weiterleitete. Während Judi Dench als ältere, enttarnte Joan Stanley die Verhöre still erleidet, gehen ihre Erinnerungen zurück in die Dreißigerjahre. Joan (Sophie Cookson) landete als Studentin in einer Gruppe von jungen Kommunisten, die sich gegen den Faschismus in Spanien engagieren. Ihr Geliebter Leo (Tom Hughes) ist ein russischer Jude, der zuerst seine Heimat und dann Deutschland fliehen musste. Als Sekretärin angestellt, arbeitet Joan bald entscheidend bei der Entwicklung der Wasserstoffbombe mit. Mit den mörderischen Folgen der Atombomben-Abwürfe auf Japan konfrontiert, entscheidet sie sich dafür, dass alle Großmächte diese Technologie besitzen sollen und nur ein Gleichgewicht des Schreckens einen weiteren Einsatz verhindern kann.

Eine eigentlich spannende Geschichte um eine sehr kluge Frau, die eine dauernde Unterschätzung ihrer Fähigkeiten perfekt zur Spionage einsetzte. Dazu steht sie zwischen zwei Männern, der eine ist dauernd in Moskau, der andere verheiratet. Auch das hat Potential, aber Regisseur Trevor Nunn ist mehr wegen des Textes des Liedchens „Memory" aus „Cats" bekannt als wegen seiner Theater-Verfilmungen. So bleibt die Sache trotz Judi Dench in einer geteilten Hauptrolle recht emotionslos und erschreckend konventionell. Spannend geriet die Spionage-Geschichte nie, rührend sind weder Liebes- noch Mutter-Sohn-Drama.

Tel Aviv on Fire

Luxemburg, Belgien, Israel, Frankreich 2018 Regie: Sameh Zoabi mit Kais Nashif, Lubna Azabal, Yaniv Biton, Maisa Abd Elhadi 101 Min. FSK ab 6

Der etwas schluffige Palästinenser Salam ist zwar nur eine Aushilfe bei der Filmproduktion seines Onkels, aber dem israelischen Kommandeur Assi bei den täglichen, schikanösen Grenzkontrollen erzählt er, dass er der Drehbuchautor der schnulzigen Soap Opera „Tel Aviv on Fire" sei. Die Serie sei antisemitisch, meint jeder. Aber jede sieht sie. Auch Assis Frau. Bald wird nun Salam bei den täglichen Kontrollen zwischen Israel und dem Westjordanland persönlich über Lautsprecher begrüßt. Für guten arabischen Humus bekommt er Nachhilfe Unterricht in Sachen israelisches Militär. Der Besatzer diktiert nun zunehmend die Sätze im Drehbuch.

Das erinnert ganz fern nahöstlich an Ernst Lubitschs „Sein oder nicht sein". Damals spielte der Widerstand Theater, hier schreiben die Unterdrückten an einer romantischen Geschichte, die ausgerechnet 1967 zur Zeit des Sechstagekriegs, also auch ihre Niederlage, spielt.

„Tel Aviv on Fire" ist eine sehr, sehr gemächliche Komödie. Salam wirkt nicht besonders helle oder kreativ. Was er meint zu können, ist den Menschen auf der Straße ihre Gespräche abzulauschen. Dieser Narr ist ein müder Held, der versucht, seine Liebe über verschlüsselte Botschaften im Dialog der Serie zurück zu gewinnen. Aber die Hauptfigur wandelt sich kaum. So ist schwierig zu verstehen, wo die ganze Zeit der begnadete Autor steckte, der nun mit dem Skript Entscheidungen über seine Karriere und sein Leben treffen muss.

Es gibt neben Kleinigkeiten aus dem Leben diesseits und jenseits der Grenze das große Ziel, dass ein Israeli und eine Araberin heiraten. Dafür nimmt der Kommandant Salam den Ausweis ab, den er erst beim Happy End der Serie zurück bekommen soll. Wie es ausgeht, sehen wir in kitschig überstrahlten Film im Film-Szenen. Ganz nett, aber entflammen kann man sich dafür nicht.

Kaviar

Österreich 2019 Regie: Elena Tikhonova, mit Margarita Breitkreiz, Daria Nosik, Sabrina Reiter, Georg Friedrich, Simon Schwarz 93 Min.

Eigentlich müsste man Russisch mittlerweile mit Chinesisch über- und ersetzen, denn wir haben neue Weltmeister der Dreistigkeit bei internationalen Einkäufen. Doch der Humor bei „Kaviar" ist an sich nicht auf dem neuesten Stand und so ist es noch immer ein größenwahnsinniger russischer Oligarch (Mikhael Evlanov), der sein neuestes Haus mitten in Wien auf der belebten Schwedenbrücke bauen will. Das Schmiergeld ist schnell an ein paar eifrige Gewinnler (Georg Friedrich, Simon Schwarz) verteilt, ein Politiker ist auch mit von der korrupten Jagdpartei. Und drei Frauen unter der Führung der Dolmetscherin Nadja (Margarita Breitkreiz) wollen klüger sein, als die hormongesteuerten Urzeit-Machos.

Die bescheidene Krimi-Komödie „Kaviar" ist dabei im Klischee-Festival „witzig" auf die Art der „Russin" Katja Kreml aus der Satiresendung extra 3. Also meist Lacher der Kategorie leichtes Gähnen. Das Personal, mit der die österreichisch-russische Regisseurin Elena Tikhonova ihre unoriginelle Geschichte erzählt, ist erstaunlich gut. Was nicht hilft: „Kaviar" ist ein gut konservierbares Unterhaltungsmittel für den Fall, dass alle anderen Sender gerade Werbung zeigen.