Argentinien, Spanien, BRD 2011 (Medianeras) Regie: Gustavo Taretto mit Javier Drolas, Pilar López de Ayala, Inés Efron 96 Min. FSK ab 6
„Medianeras" ist eine großartige, romantische Filmentdeckung, die abseits von den ausgetretenen Wegen und überaus vergnüglich das Zusammenkommen zweier vereinsamter Menschen in Buenos Aires bebildert. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes: Der argentinische Festivalerfolg zeigt erst über fünf Minuten lang beste Architektur-Fotografie, unterlegt mit philosophischen Gedanken über Gebäude und wie sie die Menschen beeinflussen. Bis hin zu Depressionen und Selbstmord. Im Gegensatz zu diesen Außenansichten leben Martín (Javier Drolas) und Mariana (Pilar López de Ayala) isoliert meist innen, in ihren Appartements. Die liegen zwar im gleichen Komplex, doch treffen sich die beiden Suchenden immer gerade nicht.
Martín ist lichtscheu und lebt deshalb komplett im Internet, Sex inklusive. Selbst der kleine Straßenvollscheißer, den er pflegt, übernimmt seine Angst vor dem Draußen und anderen Artgenossen. Mariana, eine Architektin, die Schaufenster dekoriert und sich eine Puppe als Partner zuhause hält, knabbert an ihrer letzten Beziehung. Wie diese scheiterte, zeigt eine witzige Animation mit der abnehmenden Zahl fotografierter Momente in den verfließenden Beziehungsjahren. Überhaupt gelingt es dem argentinischen Regisseur erstaunlich leicht, mit immer neuen Bildideen zu erzählen. Mal verschwinden M&M in witzig verzerrten Webcam-Porträts, mal taucht sie aus einem beschlagenen Spiegel auf, dann wischt sie ihren alten Freund bei einer gegenläufigen Auflösung in einem Foto aus. Der so großartig visuelle Film sprudelt nur so vor schönen Einfällen, ganz wie die Wimmelbilder, in denen Mariana immer auf der Suche nach ihrem Freund Wally ist. Allerdings steckt sie selbst in einem riesigen Suchbild - das der vereinzelnden Stadtarchitektur, hinter der sich das Leben versteckt.
So erleben wir die Ängste der beiden, ihre Ausbruchsversuche, die misslingenden Bemühungen um eine neue Beziehung. Das ganze romantisch-schöne Leiden immer wieder unterbrochen von architektonischen Aufnahmen, die im Zusammenspiel mit den lakonischen Off-Kommentaren kongenial die Gefühlszustände der beiden Figuren spiegeln. Bis ihnen ein Durchbruch gelingt - wieder ist der Wortsinn genau zu nehmen. Ein Hinweis: Der Titel „Medianeras" bezeichnet spanisch die Brandmauern von Häusern, die meist ohne Fenster sind.
Gustavo Taretto inszenierte „Medianeras" voller toller Ideen und mit zwei sehr guten Hauptdarstellern auf Basis eines früheren Kurzfilms. Ein herrliches und herzliches Kino-Erlebnis.