22.11.19

The Good Liar - Das alte Böse

USA 2019 Regie Bill Condon, mit Helen Mirren, Ian McKellan, Russell Tovey, Jim Carter 110 Min. FSK ab 12

Regisseur Bill Condon ist seit seinem Drama „Gods and Monsters" um den „Frankenstein"-Regisseur James Whale als einer der besten Regisseure unserer Zeit bekannt. Dabei meistert er ebenso Musicals wie „Chicago", Polit-Thriller wie „Inside WikiLeaks" als auch Teenie-Romanzen wie „Twilight". Nun erfreut er wieder mit einem spannenden Schauspiel-Edelstein um Ian McKellen („Mr. Holmes") und Helen Mirren („Die Frau in Gold").

„Vorsicht, es ist tiefer als es wirkt!" Dieser nebenbei geäußerte Spruch meint selbstverständlich den ganzen Film „The Good Liar" mit seinen Extra-Überraschungen. Die Täuschung beginnt schon beim Online-Dating der beiden Senioren Betty McLeish (Helen Mirren) und Roy Courtnay (Ian McKellen). Beide schummeln ein wenig, aber Roy ist tatsächlich Berufsbetrüger, der für ein paar Hunderttausend auch über Leichen geht. Da die frisch verwitwete Betty einige Millionen besitzt, scheint die Zielrichtung klar, auch wenn sich die Beziehung äußerst positiv entwickelt. So dass der kultivierte Senior sogar bald ins Gästezimmer der ehemaligen Geschichts-Professorin einzieht. Zum Ärgernis und Misstrauen von Bettys Enkel Stephen (Russell Tovey), der nicht nur als Historiker eigene Nachforschungen startet.

Es ist schon überraschend und ein Genuss, Gandalf und Magneto Ian McKellan als tief verdorbenen Schurken zu sehen. Nicht nur eine doppelte Überraschung hat Helen Mirrens Betty in petto. Und selbst wenn die hier nicht verratenen Wendungen nach dem Drehbuch von Jeffrey Hatcher, basierend auf dem Roman von Nicholas Searle, aus der letzten Nazizeit vielleicht zu weit hergeholt erscheinen - dieses Doppelspiel von Giganten der Leinwand sollte man sich nicht entgehen lassen. Es ist ein bitterböses, teilweise dann sogar erschütterndes Drama in best denkbarer Inszenierung.

Als ich mal groß war

BRD 2019 Regie: Philipp Fleischmann, mit Constantin von Jascheroff, Isabell Polak, Sebastian Schwarz 85 Min. FSK ab 6

Jungs träumen davon, später Feuerwehrmann zu werden. Wirklich? Lucas und Marius tun es jedenfalls, als sie neun Jahre alt sind. Und „Als ich mal groß war" ist die Dokumentation, welche die beiden und ihre Freundin Renée über fünf Jahre begleitet, aber auch ihre Zukunftsträume witzig als Spielfilm mit „Erwachsenen" umsetzt. Eine immer nette, flott gedrehte Idee mit ein klein wenig Tiefgang und Melancholie.

„Die beste Zeit unseres Lebens war, als wir so neun, zehn waren." Diese Erkenntnis kommt am Anfang und am Ende noch mal. Dazwischen schauen die Filmemacher Philipp Fleischmann und Lilly Engel genau hin und den drei Kindern vor allem dokumentarisch genau auf den Mund.

Ja, die Feuerwehr ist tatsächlich das Ding von Lucas und Marius, sie machen da spielerisch in Kinderuniformen sogar wirklich mit. Das ist dann auch Steilvorlage für alberne Szenen, in denen die (von den Schauspielern Constantin von Jascheroff und Sebastian Schwarz verkörperten) Erwachsenen eine Katze vom Bau retten müssen. Renée, die schwäbische Freundin des Berliners Marius, ist dabei die kesse Einsatzleiterin (Isabell Polak). Oder in anderen Szenen Anwältin beim Berliner Flughafen BER, der als Running Gag auch in 20 Jahren noch nicht fertig sein wird.

Zur Hälfte des Films gibt es einen Alterssprung, der kleinere Marius ist jetzt 13 und die Freundschaften haben einige Risse bekommen. Besonders die überzeugte und resolute Schwäbin ist reifer und überlegter als die simpleren Jungs. Aber auch hier ist „Als ich mal groß war" noch längst keine „Boyhood" von Richard Linklater. Die nette Idee, Kinder-Geschichten in Spielfilm-Szenen umzusetzen, bleibt immer witzig. Wie zum Beispiel bei den unterschiedlichen Vorstellungen von der zukünftigen gemeinsamen Wohnung: Marius sieht ein kleines Backsteinhäuschen, Renée ein Schloss mit mehreren Flügeln, Kino und Tennishalle. „Als ich mal groß war" bleibt so trotz Heiratsanträgen und Enttäuschungen auch oberflächlich. Und manchmal muss man sogar an eine furchtbar dämliche Gummibären-Werbung denken.

21.11.19

Aretha Franklin: Amazing Grace

USA 2018 (Amazing Grace) Regie: Alan Elliott, Sydney Pollack 87 Min.

Aretha Franklin war 1972 bereits ein Mega-Star, nach zwanzig Studioalben inklusive elf Nummer-eins-Hits gilt sie als „Queen of Soul". Doch der Tochter eines Predigers wurde auch vorgeworfen, die Gospelmusik verraten zu haben. So passte es für alle Beteiligten und auch den Warner-Konzern, in der Missionary Baptist Church von Watts, Los Angeles zusammen mit dem Southern California Community Choir und der Gospellegende Reverend James Cleveland ein Album mit Kirchenmusik aufzunehmen. Das Ergebnis, „Amazing Grace", ist bis heute das meistverkaufte Gospelalbum aller Zeiten. Regie für die begleitenden Filmaufnahmen führte ein großes Team unter der Leitung des damals noch nicht berühmten Sydney Pollack („Jenseits von Afrika"). Allerdings wehrte sich Aretha Franklin ihr Leben lang gegen die Veröffentlichung der Aufnahmen. Erst 47 Jahre später erscheint nun der Film.

„Amazing Grace" ist kein Konzertfilm im heutigen Stil, sondern eine Aufnahme-Session von zwei Abenden. Ohne Schnickschnack marschiert der Gospel-Chor ein, dann stellt der Prediger und Gospelsänger Reverend James Cleveland das Konzept vor. Die vierköpfige Band legt los und Franklin singt „Mary Don't You Weep". Die Begeisterung des Publikums in der Kirche ist mitreißend, auch ganz ohne die religiösen Implikationen, die von den Baptisten in solche Zeremonien gelegt werden. Das Zucken kann einem in die Glieder fahren, selbst wenn man den Heiligen Geist als Aberglauben erkennt. Andere Gospel-Klassiker wie Titelsong „Amazing Grace" oder „What A Friend We Have In Jesus" sind bekannter. Nichts zu hören ist von „Respect", also dem Respekt, den sich Aretha Franklin mit anderen Soul- und Motown-Songs verdient hat.

Wie passend für den Film der nach vielen Jahren rechtlichen Streit endlich ins Kino kommt: Er wurde selbst in einem Kino gedreht, das zur Kirche umfunktioniert wurde. Vor der Leinwand hängt nun ein Jesus-Gemälde.

Abgesehen von der exzellenten Performance ist „Amazing Grace" ein kurioser Film: Unter den wenigen Weißhäutigen im 20-30 Köpfe starken Publikum sind Mick Jagger und Charlie Watts kurz zu sehen. Immer wieder läuft Regisseur Sydney Pollack selbst durchs Bild, seine Kameramänner sind ebenfalls weiß. Ein Polizist patrouilliert tatsächlich durch die wenigen Reihen. Die Begeisterung im Publikum ist enorm. Und ganz ernsthaft hält dann noch ein anderer Reverend eine Rede. Da verliert man fast den Spaß an der guten Musik, wenn es nicht Aretha Franklins Vater Clarence LaVaughn Franklin wäre. Doch mag sie selbst diese Lobes-Hymne? Ihr Gesicht ist uneindeutig - die „Queen of Soul" so zurückgesetzt zu sehen, ist jedenfalls noch ein seltsamer Moment in diesem ungewöhnlichen Film.

19.11.19

Der Leuchtturm

USA, Kanada 2019 (The Lighthouse) Regie: Robert Eggers, mit Robert Pattinson, Willem Dafoe, Valeriia Karaman 109 Min.

Robert Pattinsons Karriere nach den „Twilight"-Erfolgen könnte man tragisch als einzigen verzweifelten Schrei nach Anerkennung interpretieren. Selbst diese mit Schnurrbart bestückte, seltsame Rolle in „Der Leuchtturm" muss noch nicht das Extremste sein. Mehr als edel gefilmte Kuriosität ist bei Robert Eggers Schwarzweiß-Vision jedoch nicht zu vermelden.

Einen abgelegenen Leuchtturm an der Küste Neuenglands soll der junge Winslow (Robert Pattinson) zur Zeit der Jahrhundertwende versorgen. Vor Ort ist der alte Seebär Thomas Wake (Willem Dafoe), der den Neuankömmling mit Schikane und Wahnsinn im Gesicht begrüßt. Er sei verheiratet mit der Insel, erzählt er dem linkisch dreinblickenden ehemaligen Holzfäller.

Während zunehmender Alkoholspiegel das hochstilisierte Kammerspiel mit Ausflügen nach draußen auf den einsamen Fels immer abstruser werden lässt, sorgt vor allem ein gespenstiger Soundtrack mit andauerndem Heulen des Nebelhorns für eine unheimliche Stimmung. Ansonsten würde das Ganze mit viel Furzen und komischen Episoden wie Winslows Kampf mit einer Möwe direkt ins Lächerliche abrutschen.

Thomas, der tatsächlich auf seinem Schaukelstuhl strickt, schleudert Winslow teils literarische Texte mit solcher Emphase entgegen, dass nicht nur dem der Mund offen stehen bleibt. Dann dauert es nicht mehr lange, bis auch Pattinson wahnsinnig grimassiert und auf Visionen von Meerjungfrauen masturbiert. Unter vollem Einsatz von Körper und Gesichtsmuskeln tanzen die Männer eng umschlungen, bevor sie sich prügeln. Kraken-Arme greifen nach ihnen - auch ein Traum oder Teil eines Fantasy-Films?

Regisseur Robert Eggers („The Witch") hat großen technischen Aufwand für diese Schwarzweiß-Bilder im alten Stil betrieben. Entstanden ist eine sehr seltsame Darstellung des Wahnsinns, der in der Isolation entsteht. Doch vielleicht ist es auch besser, das ausführliche Saufen, Urinieren und Sich-Übergeben nur in Schwarzweiß zu sehen. Dieser surreale Kino-Alptraum ist mehr Kunstwerk als realistisches Drama. Allerdings hat gerade „Doctor Sleep" an den Wahnsinn von „The Shining" erinnert und daran, dass sich auch das abstruseste Verhalten halbwegs nachvollziehbar darstellen lässt. „Der Leuchtturm" geht hoffnungslos in die andere Richtung.

18.11.19

Hustlers

Hustlers

USA 2019 Regie: Lorene Scafaria, mit Jennifer Lopez, Constance Wu, Keke Palmer, Lili Reinhart, Julia Stiles, 110 Min.

Wollten Sie immer schon mal wissen, wie toll es ist, als Stripperin zu arbeiten? Eventuell auch mal sexuelle Handreichungen als Bonus einzusetzen? Jennifer Lopez macht mit vollem Körpereinsatz Werbung für diesen Beruf. Mit viel Kopfschütteln im Publikum bereitet der völlig aus der emanzipierten Moderne gefallene Film „Hustlers" auf eine Tätigkeit an der Stange vor.

J-Lo wollte sich ihrem letzten Film „Manhattan Love Story" als ganz gewöhnliche Verkäuferin verkaufen. Jetzt führt sie ihre Bühnenpräsenz als Strip-Star Ramona (Jennifer Lopez) auf schmierigem Boden eines Strip-Clubs vor. Aus der Perspektive der unerfahrenen Destiny (Constance Wu) blicken wir in die Garderobe der Stripperinnen und Table Dancer, lernen ihre Tricks kennen und schätzen die enormen Verdienstmöglichkeiten ein. Bis die Banken 2008 mit ihrer unermesslichen Gier eine Bauchlandung machten und auch die Vergnügungsstätten der Wall Street-Zocker Probleme bekamen. Es soll wohl schlimm sein, Destiny und ihre Kolleginnen leiden zu sehen, weil sie keine Tausende mehr pro Abend verdienen. Die schlimmste Vorstellung für die junge Mutter zeichnet sich ab: Vom Minimum-Lohn leben und keine Luxustaschen mehr kaufen können! Da das Geschäft nicht mehr richtig läuft, setzt Ramona nun ihre Kunden unter Drogen, um an die Kreditkarten zu kommen. Das ist für Sekunden amüsant, wenn sich die Frauen über Haushalts-Rezepte unterhalten, während die „Taxi-Uhr" für die ausgeknockten Männer läuft. Es gibt grelle und grobe Partys, nur übertönt vom lauten Lachen der Lopez. Bis die Polizei zugreift...

Als „Goodfellas in a G-string" bezeichnete eine US-Kritik „Hustlers". Es mag sexistisch sein, dass Ramonas räuberisches Treiben nicht so interessant wirkt, wie das Morden und Ausrauben der Mafia-Männer von Scorsese. Oder vielleicht ist „Hustlers" auch einfach ein viel schlechterer Film. Es ist kein Sozialdrama im Milieu der Sex-Arbeiterinnen, auch wenn in einer Szene diese Erniedrigung vorkommt. Und keineswegs schwierig oder besonders raffiniert, wie sie die Männer verführen. Dazu sind die Typen einfach zu simpel gestrickt. Selbst die emotionale geplante Geschichte von der „Freundschaft" zwischen Ramona und Destiny wird erst in der letzten halben Stunde minimal dramatisch. Selbstverständlich zeigt der Film keine Form von Selbst-Ermächtigung - höchstens der zum materialistischen Party-Girl. Mit einem Film, der selbst überhaupt keinen Spaß macht.

Pferde stehlen

Norwegen, Schweden, Dänemark 2019 (Ut og stjæle hester) Regie: Hans Petter Moland, mit Stellan Skarsgård, Bjørn Floberg, Tobias Santelmann, Jon Ranes 122 Min. FSK ab 12

Der in den USA lebende norwegische Regisseur Hans Petter Moland hat mit Stellan Skarsgård und „Einer nach dem Anderen" einen herrlich schwarzen und flotten Gangster-Thriller hingelegt. Bei der Verfilmung von Per Pettersons Roman „Pferde stehlen" legt er - wieder mit Skarsgård - ein ganz anderes Tempo vor und überzeugt erneut.

Als sich Trond in ein abgelegnes Dorf im Osten Norwegens zurückzieht, trifft er wider Erwarten einen alten Bekannten aus Jugendtagen. Das weckt Erinnerungen an einen Sommer, den der 15-jährige Trond allein mit seinem Vater beim Holzfällen verbrachte. Ein Sommer des Pferdestehlens und der Entdeckung vieler Geheimnisse. Denn hier in der Hütte der Familie half der Vater in Zeiten deutscher Besatzung einst Flüchtlingen über die Grenze nach Schweden. Zusammen mit der Mutter von Tronds bestem Freund. Die alte Geschichte wird in wilder, freier Natur zum Drama.

Es ist eine große, dramatische Geschichte nach dem Roman von Per Petterson, die in „Pferde stehlen" erzählt wird. Und sie kommt spürbar an einigen Stellen zu kurz. Aber so wie Hans Petter Moland („Ein Mann von Welt", „Erlösung") um die Leerstellen und die meist schweigenden Männer herum erzählt, ist ein großer Genuss. Lakonische beginnt es mit zwei alten Männern und ihren Hunden, gefolgt von einer unbeschwerten Jugend in der Natur. Die Verquickung der Kriegs-Nöte und großer Leidenschaften wird Trond für den Rest seines Lebens prägen. Das Leben am Fluss, die Arbeit auf dem Land und beim Holzmachen sind starke dramaturgische Elemente und atemberaubend expressive Naturbilder. Bei der letzten Berlinale erhielt der sehenswerte „Pferde stehlen" einen Silbernen Bären für eine Herausragende Künstlerische Leistung.

17.11.19

Bernadette (2019)

Drama | USA 2019 (Where'd You Go, Bernadette) Regie: Richard Linklater, mit Cate Blanchett, Kristen Wiig, Billy Crudup, Emma Nelson, Laurence Fishburne 111 Min. FSK ab 6

Die bewegte Geschichte eines Paares, einer Familie. Lebenskrisen und Leidenschaften, die sich nicht unterkriegen lassen. Das klingt bekannt bei Richard Linklater (Boyhood), aber „Bernadette" zeigt nicht das altbekannte, in drei Filmen miterlebte „Before ..."-Paar aus Julie Delpy und Ethan Hawke. Cate Blanchett brilliert als die geniale und skurrile Architektin Bernadette Fox in der Verfilmung von Maria Semples Roman „Wo steckst du, Bernadette".

Alles atmet kreativen Geist in dem alten Gemäuer. Die wuchernde Brombeer-Sprosse unter dem Teppich bekommt von Bernadette Fox (Cate Blanchett) mit dem Messer ein Fenster in den Bodenbelag geschnitten. Derweil beschwert sich die engstirnige Nachbarin Audrey (Kristen Wiig) über das Wuchern an ihrem Hang. Die Architektin Bernadette wurde mit Größen wie Rem Koolhaas in einem Atemzug genannt. Nach einem traumatisch gescheiterten Projekt in Los Angeles zog sie mit ihrem Microsoft-Mann Elgie (Billy Crudup) nach Seattle. Aus der genialen Kreativen wurde die spinnerte Mutter der wunderbaren Tochter Bee (Emma Nelson). Als diese sich zum Schulabschluss eine Reise in die Antarktis wünscht, überstürzen sich die Ereignisse. Inklusive Paar-Therapie, ausländischer Spionage, Erdrutsch und echten Überraschungen.

Wie komplex Maria Semples Roman „Wo steckst du, Bernadette" sein muss, merkt man noch Linklaters Verfilmung an. „Bernadette" hat viele dieser Momente, in denen lebensechte Menschen Dinge aussprechen, die man nie vergessen sollte. Dann aber fühlen sich die Figuren verloren an. Nicht nur zwischen den riesigen Eisbergen der Antarktis. Es beginnt als herrlicher Spaß um die Außenseiterin Bernadette inmitten vom wohl situierten IT-Spießertum von Seattle. Wunderbar, wie diese Frau die Kleingeistigkeit pariert oder ignoriert. Das Verhältnis zur ebenfalls besonders klugen und schlagfertigen Tochter ist eng. Dann sollen die Brombeeren entfernt werden, die Folge ist ein wirkliches Chaos und sogar das FBI macht sich Sorgen. Das lustige Porträt des einzigartigen Menschen Bernadette droht zu einem furchtbaren Drama abzukippen.

„Menschen wie du müssen kreativ sein. Sie sind geboren, Neues zu schaffen, ansonsten werden sie eine Gefahr für die Allgemeinheit." Eine Erkenntnis, die Bernadette auf einem wilden Weg erst gewinnen muss. Diese Flucht macht Spaß, berührt und bereichert. Mit Menschen, die man gerne kennenlernt. Mit Sets, in denen man mehr entdecken möchte, sei es im Seattle Schloss oder in der Antarktis-Forschungsstation. Cate Blanchett („Carol", „Blue Jasmine") gibt die wundersame Bernadette perfekt. Zusammen mit dem wunderschönen und besonderen Finale geht hier selbst eine ansonsten disneyfizierte Weisheit: Das „Sei du selbst" überzeugt mit viel Toleranz und nahe an harschen Realitäten. Nicht der rundeste Linklater, aber immer noch besonders sehenswert.

Doctor Sleep (2019)

USA 2019 Regie: Mike Flanagan, mit Ewan McGregor, Rebecca Ferguson, Kyliegh Curran, Carl Lumbly 152 Min. FSK ab 16

Eine Fortsetzung von Stephen Kings Roman „The Shining" aus dem Jahr 1977 und Stanley Kubricks Verfilmung aus 1980 ist eine knifflige Sache - schon allein weil das unheimliche Overlook-Hotel im Buch abbrannte und im Film nicht. Dem angesagten Mike Flanagan (Serie „Spuk in Hill House") gelingt es als Drehbuch-Autor, Regisseur und Editor auch noch, Kings Fortsetzung „Doctor Sleep" unter einen reizvoll spannenden Zylinderhut zu bringen. An Kubriks epochalen Horror reicht dieses Wi(e)dererwachen trotz Besuchs des alten Hotels allerdings nie.

Ewan McGregor spielt Danny Torrance, den kleinen Jungen, der in „The Shining" das Wüten seines Vaters überlebte. 40 Jahre später hat Danny gelernt, die Gespenster der Vergangenheit einzusperren. Seine besondere Fähigkeit des „Shining" ertrinkt er allerdings im Alkohol, der ihn zu einem furchtbaren Menschen macht. Erst dank der Hilfe des Anonymen Alkoholikers Dick Hallorann (Carl Lumbly) lernt Danny, seine Gabe in einem Hospiz einzusetzen. Gleichzeitig sehen wir, wie die dämonische Rose the Hat (Rebecca Ferguson) mit ihren Anhängern Kinder „aussaugt", die ebenfalls das „Shining" besitzen. Als ein besonders mächtiges Kind Danny kontaktiert, kommt es im Overlook-Hotel zum Kampf um diese Abra (Kyliegh Curran).

„Doctor Sleep" reizt schon beim Plakat-Motiv mit dem wahnsinnigen Blick Jack Nicholsons durch die Badezimmertür - diesmal auf dem harmlosen Gesicht von Ewan McGregor. Ein Nicholson-Nachbau gibt mittlerweile den unheimlichen Barmann im Hotel. Die Aufzüge, aus denen Blut strömt, die Schreibmaschine in der riesigen Lobby, das verschneite Labyrinth, die grüne Leiche aus der Badewanne – alles taucht wieder auf. Als Dekoration und kein bisschen schaurig.

„Doctor Sleep" ist trotz vieler bekannter Bestandteile und reizvoll rekonstruierter Kulissen keine wirkliche Fortsetzung. Denn während Kubricks „The Shining" einfach grandios mysteriös war, ist das hier nur eine einfache Geschichte um eine Art von Vampirismus und ewiges Leben. Lebenshauch in der Thermoskanne wirkt so banal wie es klingt. Ganz entfernt von dieser oberflächlichen Dramaturgie sind dagegen Szenen, in denen Danny den Sterbenden Ruhe und Hoffnung gibt. Und wieso bevorzugt Rose ihr „Shining" mit Angst und Schmerz zu trinken? Wer ist das, der sich von Angst und Schmerz ernährt? Die Horror-Literatur? Das Schreckens-Kino?

Dem Mystery-Genre entsprechend, gibt es eine auch dramaturgisch nette Verbindung zwischen Danny und dem mächtigen Mädchen Abra. Allerdings geriet nicht mal das Finale richtig spannend, da die telepathische Kraft des Mädchens viel stärker als die ihrer Gegnerin Rose ist. Abgesehen von reizvollen Lektürevergleichen bringt „Doctor Sleep" an sich nur mittelmäßige Spannung und Unterhaltung.

Official Secrets

Großbritannien, USA 2019 Regie: Gavin Hood, Keira Knightley, Matt Smith, Ralph Fiennes, Matthew Goode, Adam Bakri, Rhys Ifans 112 Min. FSK ab 12

Whistleblower sind mit dem Verschwinden von Edward Snowden und Julian Assange zur Zeit ein umkämpftes Thema: Westliche Gesellschaften kämpfen überall darum, Einsicht und Einspruch in das zu erhalten, was ihre Staaten verbrechen - angeblich „in ihrem Namen". Keira Knightley spielt in dem spannenden und erhellenden Polit-Thriller die reale Katharine Gun, die 2003 unter großen persönlichen Opfern den illegalen Irakkrieg verhindern wollte.

Katharine Gun (Keira Knightley) ist eine sehr intelligente und freche Übersetzerin beim britischen Geheimdienst GCHQ. Gerade weil immer wieder ihre Intelligenz in den Analysen der Weltlage aufblitzt, wirkt ihr Erstaunen etwas naiv, als 2003 eine Anweisung kommt, brisantes Erpressungs-Material gegen kriegs-unwillige UN-Mitglieder zu suchen. Denn die Regierungsführer der USA wollen zusammen mit Großbritannien unbedingt, dass sich eigene Soldaten und Iraker gegenseitig umbringen. Wegen Saddam Husseins „Massenvernichtungswaffen", die es in Wirklichkeit nie gab. Nach einer kurzen Gewissensprüfung gibt Katherine diese Informationen an Freunde beim antimilitaristischen Widerstand weiter, um den Irak-Krieg zu verhindern. Zu spät erreicht die Wahrheit über den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg die Öffentlichkeit und der Geheimdienst startet eine Suche nach dem Whistleblower.

Die immer etwas hysterisch aktierende Keira Knightley („Colette", „Niemandsland – The Aftermath") ist nicht unbedingt das Gesicht, dass man mit mutigem Eintreten für politische Ziele verbindet. Doch gerade dieses Image spiegelt Katharine Guns Angst, erwischt zu werden, und gleichzeitig ihren Willen, dieses völkerrechtswidrige Massenmorden an die Öffentlichkeit zu bringen. Die kluge Frau, die mehr über Außenpolitik und die betreffenden Regionen weiß, als die Politiker, die furchtbare Entscheidungen darüber treffen, liefert auch den Kern-Satz des spannenden und politisch erhellenden Films: Sie arbeite für die britische Bevölkerung und nicht für eine Regierung, die diese Bevölkerung belügt.

„Official Secrects" gelingt wider Erwarten mit Keira Knightley in einer starken Hauptrolle. Sehr gut besetzt sind auch die Journalisten, die um die Wahrheit kämpfen („Doctor Who" Matt Smith), und der Menschenrechtsanwalt Ben Emmerson (Ralph Fiennes), der Katherine Gun verteidigen muss.

Wobei die Spannung nicht so sehr in der Sache an sich liegt, sondern in den Motiven und den Nuancen moralischen Handelns. Immer wieder zeigt „Official Secrects" die bekannten Fernseh-Bilder der dreisten Lügen von George Bush, Tony Blair und Colin Powell über chemische Waffen von Hussein, die mittlerweile widerlegt wurden. Irgendwann schreit Katharine wütend George Bush im Fernseher an. Verständlich - und gleichzeitig bekommt man Sehnsucht nach einer irgendwie besseren Zeit, in der nur die Politiker gelogen haben.

12.11.19

Le Mans 66

USA 2019 Regie: James Mangold, mit Matt Damon, Christian Bale, Caitriona Balfe 153 Min. FSK ab 12

Eigentlich ist dieser neue Film selbst schon ein Relikt - erwachsene Männer spielen mit Autos einer zum Aussterben verurteilten Industrie. Doch das Spiel von Christian Bale und Matt Damon unter der Regie von James Mangold könnte auch Seifenkisten-Rennen oder eine Curling-WM interessant machen. Bis am Ende von „Le Mans 66" doch viel zu lange Autorennen gezeigt wird.

Am Besten erzählt man „Le Mans 66" als Film einer Männerfreundschaft zwischen einem dickköpfigen Automechaniker und einem von ihm begeisterten Rennteam-Chef. Der Sportwagenherstellers Carroll Shelby (Matt Damon) bekommt von Ford den dicken Auftrag für den schwerfälligen Konzern ein bekanntes Autorrennen in Europa zu gewinnen. Dafür baut er auf den in Großbritannien geborenen Rennfahrer Ken Miles (Christian Bale). Der kann, wie schön gezeigt wird, Autos noch schneller machen, aber nicht seinen Mund halten. Damit wäre der zweite Film skizziert, der Geistesunterschied zwischen den buckelnden Bürokraten im Konzern und den bahnbrechenden Freidenkern. Auch wenn Miles 1966 in Le Mans der Schnellste war, sorgen die hinterhältigen Anzugträger von Ford schließlich dafür, dass stattdessen einer der ihren gewinnt.

Wenn „Le Mans 66" gut ist, braucht er kein Rennen zu zeigen. Eine Radioübertragung und die Kommentare von Miles reichen für eine gute Szene. Auch die Gefahr, welcher der Rennfahrer schließlich zum Opfer fallen wird, wird nicht in hoch dramatischen Szenen, sondern still in der Angst des Sohnes vermittelt. Das geht zwei Stunden gut, die restlichen 30 Minuten Finale in Le Mans kommen einem hingegen doppelt so lang vor. Was auch am Problem liegt, die Dramaturgie eines 24 Stunden-Wettbewerbs in wenigen Minuten zu vermitteln. Da drückt dann eben einer noch mehr aufs Gas, fährt plötzlich viel schneller und gewinnt dann. Das ist so lächerlich wie der ganze Autowahn. Doch wie gesagt, Bale und Damon könnten unter der Regie von Mangold („Logan", „Wolverine", „Walk the line") selbst ein Telefonbuch halbwegs mitreißend auf die Leinwand bringen. Das wäre dann vielleicht thematisch auch etwas interessanter.

Last Christmas

Großbritannien 2019 Regie: Paul Feig, mit Emilia Clarke, Henry Golding, Emma Thompson, Michelle Yeoh 103 Min. FSK ab 0

Zu spät - wieder hängt die fürchterlichste Weihnachts-Dreingabe seit der Erfindung trockener Tannennadeln im Kopf fest - der Ohrwurm „Last Christmas" von „Wham!". Doch die gleichnamige wunderbare Liebeskomödie mit Emilia Clarke wurde von Emma Thompson geschrieben und überrascht mit Geist und Gefühl.

Was für eine Kombination aus dem guten Blödel-Regisseur Paul Feig („Brautalarm") und der in jeder Hinsicht - Schauspiel, Regie, Autorin - Intelligenz-Aristokratin Emma Thompson („Sinn und Sinnlichkeit", „Tatsächlich…Liebe"), die hier als Ko-Autorin fungierte. Und ein wenig wirkt es, als hätten sie sich den Film aufgeteilt: Wenn Kate (Emilia Clarke) anfangs jedes Fettnäpfchen und jeden Typen mitnimmt, könnte die chaotische junge Frau aus einer der typischen Romantischen Blödelkomödien stammen. Die umwerfend witzigen Wortgefechte im Schnellfeuer-Tempo mit der chinesischen Chefin ihres Weihnachtsladens (Michelle Yeoh, herrlich zickig), mit der kroatischen Mutter und dem mysteriösen Fremden allerdings, gespickt mit Ironie und Sarkasmus, sind typisch Thompson. So wie man sie nicht nur in Kates übervorsorglicher Mama, sondern auch in anderen Figuren erkennt.

Nach der Hälfte findet „Last Christmas" sein Herz, beziehungsweise seine Geschichte um ein verlorenes Herz. Denn Kates Zustand ist eine spaßige Tragödie: Seit sie herzkrank wurde und nur durch eine Transplantation überlebte, ist sie nicht mehr sie selbst. Erst der Fahrradbote Tom (Henry Golding), der ihr London mit anderen Augen zeigt („Schau nach oben!"), ändert die egoistische Frau. Das Glück dieser Begegnung bringt sie dazu, auch andere zu sehen und ihnen zu helfen. Was jedoch noch nicht das Happy End des Films ist. Das Buch von Emma Thompson und Bryony Kimmings hält noch eine etwas herbeigezogene, aber herzliche Überraschung in petto.

„Last Christmas" ist zum Glück kein wirklicher Weihnachtsfilm, vielleicht einer über die Menschlichkeit, anderen zu helfen. Ein ausgefeiltes und raffiniertes Drehbuch gibt der gut inszenierten Romantischen Komödie einen ganz besonderen Twist. Emilia Clarke („Game of Thrones") erfreut mit sehr gewinnendem Lächeln als Trumpf des schönen Films. Die Musik des angeblich Georg Michael gewidmeten Werkes bleibt allerdings austauschbar. Bis auf den Titelsong, den man von jetzt anders hören muss: „Last Christmas, I gave you my heart".

Booksmart

USA 2019 Regie: Olivia Wilde, mit Kaitlyn Dever, Beanie Feldstein, Jessica Williams, Will Forte, Lisa Kudrow 102 Min. FSK ab 12

„Booksmart", das überraschend gute Regiedebüt von Olivia Wilde, ist ein etwas anderer Highschool-Film und ein großer Spaß. Dazu die weibliche Variante und veritabler Nachfolger von John Hughes' Klassiker „Ferris macht blau" („Ferris Bueller's Day Off", 1986).

Molly und Amy sind stolze Nerds: Ihr Strebertum an der Highschool zahlt sich nun aus, mit Bestnoten werden sie zu Elite-Unis gehen. Doch am letzten Schultag stellt Molly (Beanie Feldstein) fest, dass die anderen Party-Idioten es auch an die gewünschten Unis geschafft haben. Nun bleibt den beiden, auf ihre verschrobene Art sehr coolen Mädels nur noch eine Chance: Es irgendwie auf die angesagte Abschluss-Party schaffen und vielleicht doch mal mit der großen Liebe reden. Vor allem Amy (Kaitlyn Dever) ist völlig verschossen in ein keckes Skatergirl.

Die Formel von „Booksmart" ist zwar so frisch und originell wie ein über die Ferien vergessenes Pausenbrot. Doch was die bekannte Schauspielerin Olivia Wilde („Cowboys & Aliens", „In Time") in ihrem Regiedebüt draus macht, begeistert total: Die Streberinnen sind alles andere als doof, auch im übertragenen Sinne. Die beiden Freundinnen haben viel Spaß an ihren „Moves" und den seltsamen Ritualen. Und wir mit ihnen. Als dann der Plan geändert wird, um doch noch in der Schulzeit einmal betrunken, bekifft und erfolgreich verliebt gewesen zu sein, checken sie die Möglichkeiten selbstverständlich mit feministischen Theorien ab. Klar, dieser Film versprüht auch, was der Titel verspricht, viel Weisheit aus Büchern.

Das Ganze ist dann exzellent flott inszeniert und bemerkenswert gut besetzt: Kaitlyn Dever und Beanie Feldstein braucht man sich nicht zu merken, man wird sie auf jeden Fall noch oft und gerne wiedersehen. Der ganze Haufen von Nebenfiguren wie der Uber-fahrende Schuldirektor oder das allgegenwärtige „Bin schon da"-Partygirl machen den tollen Spaß rund. So ist „Booksmart" mit Witz und Girlpower der sympathische Streberfilm zwischen all den anderen Schnapsleichen des Genres.

Black and Blue

USA 2019 Regie: Deon Taylor, mit Mike Colter, Naomie Harris, Frank Grillo 108 Min. FSK ab 16

So geht Genre! Einfach gradlinig packend und dann noch was zu sagen haben: Die junge schwarze Polizistin Alicia West (Naomie Harris) fährt mit einem neuen Partner in New Orleans Streife und muss erleben, wie dieser zusammen mit zwei Drogenfahndern einen Menschen umbringt. Sie selbst entkommt der Situation nur knapp und verletzt. Wegen falscher Anschuldigungen sind nun die Gangster-Familie des Ermordeten und die Polizei hinter ihr her. Hinter ihr und der Body-Cam, die den Mord aufgezeichnet hat. Erst wenn sie die verschlüsselten Daten ins Polizei-System einspielen kann, ist sie gerettet.

„Black and Blue" begeistert noch mal mit dem Konzept eines einfachen, klassischen und gradlinigen Krimis. Dank einer eindrucksvollen Hauptfigur, die schnell in eine ziemlich aussichtslose Gefahrenlage gerät, als sie merkt, dass die meisten ihrer Kollegen korrupt sind und selbst vor Mord nicht zurückschrecken.

Dabei spielt die Gewalt der Blauen (Blue) gegen die Schwarze (Black) auch für diese junge schwarze Polizistin eine große Rolle. Alicia West erlebt in der ersten Szene in Zivil selbst, wie brutale Schwarze von Polizisten behandelt werden. Und das kleine technisches Gadget, um das sich alles dreht, die Body-Cam ist hier mehr als der übliche MacGuffin. Sie ist politisch hoch brisant, weil sie eingeführt wurde, um die Gewalt von Polizisten gegen Afroamerikaner einzudämmen.

Deon Taylor, der sich in seinen Filmen auch schon mit US-amerikanischen Neo-Nazis beschäftigte („Supremacy"), überzeugt mit einer gradlinigen Inszenierung bis zum Finale. Dass man an andere hoch spannende Genre-Werke denkt, ist auch Verdienst von Kameramann Dante Spinotti, der schon „The Insider" oder „L.A. Confidential" ins Bild setzte.

Naomie Harris („Moonlight",„James Bond 007: Spectre") führt ein starkes Ensemble an. Dass die junge Heldin eine ehemalige Afghanistan-Soldatin ist, weist bestimmte Gebiete in den USA als Kriegsschauplätze aus: Nur ausgebildetes Militär kann dort überleben. Bei allem Positiven ist „Black and Blue" auch noch weniger brutal als beispielsweise der ähnlich gelagerte „Training Day".

6.11.19

Midway

Midway

USA 2019 Regie: Roland Emmerich, mit Ed Skrein, Woody Harrelson, Luke Evans, Mandy Moore, Nick Jonas, Patrick Wilson, Aaron Eckhart, Dennis Quaid 138 Min.

Der „schwäbische Spielberg" Roland Emmerich schlachtet die Seeschlacht um die Midway-Inseln von 1942 aus, bei der mehr als 3300 Menschen starben. Während nächste Woche Keira Knightley in „Official Secret" illegale Kriege anklagt, macht Hollywood mal wieder auf Wehrertüchtigung und die Waffenindustrie mit opulentem „Schiffe versenken" glücklich. „Midway" ist einer der uninteressantesten, ödesten und dümmsten Filme seit langem.

Nach dem für die USA traumatischen Angriff auf Pearl Harbor war die mehrtägige Seeschlacht um die abgelegenen Midway-Inseln vor Hawaii ein nächster „entscheidender" Kampf. Die US-Marine war nach Pearl Harbor unterlegen, an diesem massenhaften Sterben kann immer noch die nationale Seele genesen. Diese Zig-Millionen-Produktion dreht sich nur um die eine Pointe, dass diesmal die US-amerikanische Marine die Japaner überrascht. Und Kamikaze können sie auch. Bätsch!

So zeigt „Midway" erst Pearl Harbor mit einer Attacke aus dem Nichts. Das übliche unschuldige kleine Kind, das auf der Wiese spielt, muss schnell gerettet werden. Bei diesem ersten Feuerwerk gibt es schon die paar Identifikationsfiguren, die sich den ganzen Film durchschlagen werden. Vor allem der Kaugummi kauende Hitzkopf Best (Ed Skrein) darf Cowboy spielen und wird die japanische Flotte fast im Alleingang versenken.

Roland Emmerich ist der „schwäbische Spielberg", der vor allem in den 90er- Jahren mit „Godzilla", „Independence Day", „Stargate" oder „Universal Soldier" erfolgreich war. Seine Handschrift auch hier: Groß, laut und noch lauter. Emmerich macht in Hollywood Materialschlacht-Kino, bei dem alles im Spektakel untergeht. Selbst die Handlung. Ganz zu schweigen von Schauspiel oder weiterführenden Gedanken.

„Midway" macht mit beim Einmaleins des übel manipulativen Kriegsfilms, wie man es lange nicht mehr gesehen hat: Wir sehen vor allem die Opfer eines gesichtlosen Aggressors. Dass wir vor lauter Geballer nicht mal „eigenen" Leute kennenlernen können, dass erst nach einer Stunde die Familien auftreten, ist schlicht schlechter Film. Dennis Quaid hält als ruppiger Admiral das immergleiche Heldengesicht in die Kamera. Woody Harrelson ist gerade als Untoten-Jäger in „Zombieland 2" viel sehenswerter als dieser stramme Admiral Chester Nimitz. Ansonsten weit und breit keine wirklich prominenten Schauspieler zu sehen.

Beim Kriegspielen zum Preis einer Kinokarte soll man in die beschränkte Logik des alternativlosen Angriffskrieges hineingezogen werden. Die seelenlose Materialschlacht ist nur spannend, wenn man begeistert Japaner umbringen will, ansonsten mutet das alles entsetzlich an. Und ist dabei auch noch umständlich und langsam inszeniert.

„Midway" macht nie deutlich, was Krieg bedeutet, höchstens wie toll „Siegen" ist. Der widerwärtige Film steht damit in alter Hollywood-Tradition: John Wayne macht 1968 die „Green Berets" (Die grünen Teufel) zu Helden, Tom Cruise ließ sich als Überflieger „Top Gun" vom Militär finanzieren. John Ford hat übrigens einen kurzen, albernen Auftritt - mehr Humor gibt es nicht. Die Dialoge sind von einer schmerzhaften Schlichtheit.

„Midway" ist deutlich etwas anderes als etwa Clint Eastwoods Doppelprojekt mit den zwei Front-Perspektiven „Letters from Iwo Jima" und „Flags of Our Fathers" aus dem gleichen Krieg. „Midway" fällt sogar hinter Spielbergs teilweise erschütternden Kriegsfilm „Saving Private Ryan" zurück. „Midway" lässt sich ohne weiteres als Werbung fürs Militär einsetzen. Kanonenfutter im Kino und Kanonenfutter in einem dieser Kriege für Öl oder in Machtfantasien unserer neuen Despoten von Washington bis Ankara.

5.11.19

Lara (2019)

BRD 2019 Regie: Jan-Ole Gerster, mit Corinna Harfouch, Tom Schilling, André Jung, Volkmar Kleinert, Rainer Bock 98 Min. FSK ab 0

Nach „Oh Boy" nun „Oh Mama": „Lara" ist Jan-Ole Gersters erste Regiearbeit nach seinem sensationellen Debüt „Oh Boy" vor sieben Jahren. Die großartige Corinna Harfouch porträtiert eine frustrierte ehemalige Klavierspielerin am Tag des großen Konzerts ihres Sohnes.

Wieder ein Tag in Berlin, diesmal sehr melancholisch, ganz Herbst-Stimmung. Es ist ein Tag voller Aktivitäten, quasi im Vorübergehen wird die Frau namens Lara (Corinna Harfouch) charakterisiert. Gedeckte Farben im Kleiderschrank und im Film, auch die Musik in diesem Ton. Auf grauer Wand hängen ein paar gerahmte Bleistift-Skizzen. An ihrem Geburtstag muss Lara erst Zeugin einer respektlosen und brutalen Wohnungsdurchsuchung beim Nachbarn sein. Der Hinweis auf die exakt heute erreichten 60 Jahre ist dabei das grobe I-Tüpfelchen.

Danach wird das gesamte Vermögen von der Bank abgehoben. Ihr Sohn Viktor (Tom Schilling aus „Oh Boy") gibt ein Klavierkonzert und Lara kauft alle noch vorhandenen Karten auf, um sie wahllos zu verteilen. Sie besucht ihre alte Arbeitsstätte, wo die Nachfolgerin nun Respekt vermisst. „Hat es Sie nie gestört, dass man Sie nicht ausstehen konnte?" Dann schnappt sich Lara in einer besonders trefflichen Szene einen zufällig herum sitzenden Schüler des Sohns, um mit alter Biestigkeit dessen Pianoübungen runter zu machen. „Vielleicht doch besser Trompete?"

Da wird klar, dass auch Viktor durch diese, ihre Hölle gehen musste. Niemand kann vor ihr bestehen. Man wartet mit einer Mischung aus Angst und Freude darauf, wie sie noch die sowieso schon besorgte Freundin des Sohnes fertig machen wird. Die Freundin des Sohnes, die Lara nur von einem Foto kennt. Doch die junge Frau pariert die fiesen Suggestionen: „Sie sollten an ihren Sohn glauben!" Als Antwort zerbricht Lara den Bogen ihrer vergessenen Violine.

Aber im Verlauf des Films wird klar, dass Lara nicht nur gnadenlos harte Lehrerin ist, sondern auch eine durch gleichartige Härte deformierte Schülerin. Desinteressiert an ihren Mitmenschen erledigt sie diesen Tag. Findet Viktor, der sich vor ihr versteckt und macht auch seine neue Komposition, die heute uraufgeführt werden soll, fertig.

Auch ohne übliches Drama ist es fesselnd, wie sich aus diesen Facetten die Figur Lara zusammensetzt. Geschickt legt Regisseur Jan-Ole Gerster die verschiedenen Rollen von Lara als Frau, Mutter, Tochter, Lehrerin und Schülerin in den Stationen des Films an. Bis zur finalen Abrechnung mit Laras eigenem Klavierlehrer, der mit gleicher Härte ein ganzes, auf die Kunst fixiertes Leben wertlos machte.

Trotz der überdeutlichen Herbststimmung sind die Bilder in den exakten Szenen von Kameramann Frank Griebe („25 km/h", „Babylon Berlin", „Das Parfüm") ein Augenschmaus. Man will man keinen Moment, keine Mimik, keine Regung von „Lara" verpassen. Man muss bei „Lara" öfters an Hanekes eisige „Klavierspielerin" denken. Einen Vergleich mit Isabel Huppert sollte man nicht beginnen. Vor allen Dingen nicht, weil Hanecke seinen Film und seine Figur kälter angelegt hat. Die in Drama und Komödie immer wieder sehr eindrucksvolle Darstellerin Corinna Harfouch („Der Fall Bruckner", „Was bleibt", „Der Untergang") schafft ihr eigenes Porträt einer Frau, die sich beim zu frühen Karriere-Ende selbst abhanden kam und seitdem die Mitwelt mit der eigenen Unzufriedenheit quält.

Unsere Lehrerin, die Weihnachtshexe

Italien, Spanien 2018 Regie: Michele Soavi, mit Paola Cortellesi, Stefano Fresi, Fausto Maria Sciarappa 98 Min. FSK ab 6

Ja, ist denn schon wieder Weihnachtsfilm-Zeit? Tatsächlich, aber diese italienische Weihnachtshexe kommt als wildes Kinder-Abenteuer mit Nebenhandlung weitgehend kitschfrei daher. Eindeutig Anti-Weihnachtsmann!

In Italien fliegt nicht der Weihnachtsmann mit dem Schlitten die Geschenke aus, sondern die Weihnachtshexe Befana füllt in der Nacht vor Heilige Drei Könige die Strümpfe der Kinder. Mit langer Nase und kaputten Schuhen berichtet sie von der schweren Arbeit, jede Nacht eine Weihnachtsfee zu sein. Und tagsüber als junge Lehrerin Paola (Paola Cortellesi) mit aktuellen Themen wie Rassismus, Bildungsnotstand und Mobbing kämpfen muss. Als die Weihnachtshexe entführt wird, raufen sich ihre bislang zerstrittenen Schüler für ein tolles Jugendabenteuer zusammen. Dabei basteln sie sich aus ihren Fahrrädern ein fantastisches Schneemobil mit Segel und landen in einer märchenhaften Bergwelt.

Die Perspektive einer sehr alten Erwachsenen, die nicht stirbt und sich deswegen auch nicht verlieben will, wechselt mit einer Verfolgungsjagd der Kinder im voralpinen Bergdorf auf Fahrrädern. Die Hexe Befana beschwert sich nebenbei über den Weihnachtsmann, der von einem klebrigen Süßgetränk gesponsert wird. Dann will ein Hightech-Schurke die Weihnachts-Lieferung der Hexe übernehmen, um damit Weltherrschaft zu erlangen. Diese Doppelbehandlung des Kinderfilms, dem man immer mal wieder die begrenzten Mittel ansieht, ist interessant. Aber letztendlich wirkt alles doch etwas abenteuerlich zusammengeschustert, die Kinderfiguren bleiben flach. Doch vor allem hat diese „Weihnachtshexe" nichts von der üblichen triefenden Weihnachtsseligkeit.

4.11.19

Zombieland: Doppelt hält besser

USA 2019 (Zombieland: Double Tap) Regie: Ruben Fleischer, mit Emma Stone, Woody Harrelson, Jesse Eisenberg, Abigail Breslin 99 Min.

„Zombieland" sorgte 2009 für frischen Wind und viel Spaß im Genre der lebenden Toten. Auch das Wiederauferstehen im gefürchteten Teil Zwei erweist sich als Vergnügen: Schon im Vorspann wehrt die Columbia-Figur der Filmproduktion ein paar Zombies mit ihrer Fackel ab. Emma Stone, Woody Harrelson, Jesse Eisenberg und Abigail Breslin laufen mit spritzigen Dialogen und haufenweise Pop-Referenzen zu großer Form auf.

Eigentlich hat sich nicht viel geändert: Zombies bevölkern die USA, ein paar Überlebende verstecken sich still und leise. Zum Beispiel im Weißen Haus, wo die vier Zombiekiller Tallahassee, Wichita, Columbus und Little Rock trotz der ungemütlichen Außenwelt viel präsidialen Spaß haben. Bei dem der alte Abe Lincoln nicht von seinem Porträt zusehen darf und der legendäre Hope-Diamant für einen Heiratsantrag eingesetzt wird. Das ist dann aber vor allem den Frauen zu viel Harmonie: Wichita (Emma Stone) und Little Rock (Abigail Breslin) hauen heimlich ab. Der sehr intelligente Columbus (Jesse Eisenberg) findet aber im Supermarkt schnell eine Blondine, die auf ihn steht. Was für besonders spitze Dialoge sorgt, als Wichita doch zurückkehrt und ihren Diamanten bei einer anderen findet. Aber irgendwann bläst der rau väterliche Tallahassee (Woody Harrelson) zum Aufbruch.

Doch keine Sorge, auch diese Familienkrisen werden nie wirklich ernst genommen. Bei der Suche nach Little Rock, der Elvis-Verehrung in Graceland und der Rettung einer waffenlosen Hippie-Gemeinschaft wird neben den Zombies auch alles andere durch den satirischen Fleischwolf gedreht. „Zombieland" ist witziges Splatter, im Gegensatz zum üblichen ekligen. Das echte Klischee-Blondchen, das nur überlebt hat, weil Zombies Hirne essen und sie keines hat, erkennt direkt: Ihr seid nicht nett! Ja, wie die Figuren ist auch der Film gemein, sarkastisch und respektlos. Aber auch virtuos und voller Ideen: Zombies werden mittlerweile in Gruppen mit witzigen Namen unterteilt: Ein besonders langsamer und dämlicher heißt Homer, geschrieben mit einem Donut an der Stelle des „O". Aber es gibt auch den „Hawkins", so klug, dass er im Labor die Augen der toten Angestellten nutzt, um Türen mit Iris-Scan zu öffnen. Und dann die T800-Zombies, die wie der Terminator nur schwer kaputt zu kriegen sind.

Dialoge spritzen vor Humor wie das Blut aus den Köpfen. Unter den vielen Referenzen gibt es selbstverständlich auch einen Kommentar über den Comic „The Walking Dead", der total erschreckend, aber auch sehr unrealistisch sei. Zum Glück zeigt „Zombieland Zwei", wie man realistisch mit Spaß überlebt, auch wenn Zombies sogar das Weiße Haus bevölkern.

Das Wunder von Marseille

Frankreich 2019 (Fahim) Regie: Pierre-François Martin-Laval, mit Assad Ahmed, Mizanur Rahaman, Gérard Depardieu 108 Min. FSK ab 12

Die „wahre" Geschichte eines Flüchtlingskindes aus Bangladesch, das in Paris französischer Schachmeister wird, langweilt anfangs nur mit gut gemeinten, zu bekannten Erzählschemata. Später ärgert mal nicht Depardieu, sondern ausgerechnet das rührende Happy End mit einem schrägen Verständnis von Mitmenschlichkeit und Asyl.

Der achtjährige Fahim (Assad Ahmed) ist ein Schachgenie. Auf dem Nachhauseweg schlägt er im Vorbeigehen einen Händler, um mit dem gewonnenen Geld die Haushaltskasse der Mutter aufzubessern. Doch den ernsten Vater Nura (Mizanur Rahaman) plagen andere, vorerst unbenannte Sorgen. Deshalb macht er sich mit Fahim auf den mühsamen Weg nach Frankreich. Die Unruhen in Bangladesch, die Härte des Militärs, die Schwierigkeiten, über Indien mit einem Flugzeug nach Frankreich zu kommen - alles zeigt der Film beschaulich anschaulich. Dem Staunen über den führerlosen Flughafen-Shuttle in Paris und den Eiffelturm folgen die Mühen der illegalen Jobsuche und des Asylverfahrens. Ohne Geld landen Nura und Fahim schnell auf der Straße, der dem Sohn versprochene Großmeister ist weit und breit nicht zu sehen. Dafür wieder der typisch grimmige Griesgram als Lehrer: Gérard Depardieu gibt den Schachtrainer Sylvain, der selbst nie Erfolg hatte. Eine Multikulti-Truppe aus Kindern des Pariser Vorortes Créteil bringt die Handlung erwartungsgemäß ins Finale eines nationalen Schachwettbewerbs.

Fahim lernt sehr schnell Französisch, während sein Vater weiterhin wie ein tragischer Clown agiert und schließlich von Abschiebung bedroht ist. Auch wenn Depardieu den Jungen irgendwann im Zeltlager unter den obdachlosen Bangladeschi sucht, sieht man nur die Idee, irgendwas vom Leben am Rande unserer Gesellschaft zu vermitteln. Man fühlt sie nicht. „Das Wunder von Marseille", weniger protzig im Original „Fahim" genannt, ist nur ein mittelmäßiges, nettes Filmchen. Im Vergleich zu „Queen of Katwe", der wahren Geschichte einer jungen Schauspielerin aus Uganda, fällt dieses filmische Engagement aus Frankreich noch mehr ab. Vor allem fragt man sich, weshalb Flüchtlinge erst Schachmeister oder Fußball-Star werden müssen, bevor sie das Recht auf Asyl in Europa in Anspruch nehmen dürfen.

3.11.19

Der letzte Bulle

BRD 2019 Regie: Peter Thorwarth mit Henning Baum, Leonie Brill, Robert Lohr

Als Fernseh-Serie war der komatöse „Letzte Bulle" 2010-14 schon ein Relikt in den Randbereichen der TV-Fernbedienung. Doch das ist ja heutzutage kein Grund, so was nicht auch noch mal ins Kino zu bringen. Hollywood macht es vor. Als wacht Polizist Mick Brisgau (Henning Baum) noch mal aus dem Koma auf. Diesmal - modernisiert! - nach 25 statt 20 Jahren. Aber immer noch ist er mental auf dem Stand der 80er Jahre, auf dem Stand eines rückständigen Machos der 80er.

„Ich hab' alles gegeben, trotzdem ist es ein Mädchen!" Solche Sprüche lässt Mick Brisgau raus, als er während der Geburt der Tochter in der Stammkneipe feiert. Danach kam der Schuss aus dem Hinterhalt. 25 Jahre und ein Koma später ist die Tochter erwachsen und die Frau längst anders verheiratet. Die Idee, jemanden nach Jahren wieder auferstehen zu lassen, ist nicht schlecht und wurde schon oft umgesetzt, siehe „Captain America". Hier geht allerdings erst mal eine Menge Slapstick ab. Seltsamerweise gibt sich der Film am Anfang und dann wieder am Ende am blödesten. Dann baut dieser Schimanski für Arme seine Muskeln wieder auf, eckt er überall an. Selbstverständlich muss der Schütze gefunden werden und auch korrupte Kollegen leben nun nicht mehr sicher.

„Der letzte Bulle" erreicht in den besten Momenten gerade so das Niveau eines TV-Krimis am Nachmittag. Wenn es besonders schlimm kommt, wie im Nachklatsch, sieht es aus wie Siegerehrungen vom Gartenverein. Der Spaß beschränkt sich darauf, dass da einer mal wieder Sexist, Rassist oder sonst wie Idiot und gleichzeitig „cool" sein kann. Mick parkt mit dummem Grinsen auf Behinderten-Parkplätzen - „das waren noch Zeiten!" Wenn der Polizist aus der Steinzeit blöd und rückständig ist, kann das unter Geschmackssache durchgehen. Allerdings klingt da dieses ganze unverbesserlich rechte Mimimi wegen politischer Korrektheit, wegen Anschnallpflicht oder Rauchverbot mit.

Die zwanghafte Ruhrgebiets-Deko „Der letzte Bulle" will Kult sein. Passt irgendwie zu Sonnenbrille und Lederjacke sowie Simpel-Handlung. Das wenig komische Relikt aus dem letzten Jahrhundert disqualifiziert sich auch mit miesem, schlecht nachsynchronisiertem Schauspiel. Ein politisch unkorrekter Neandertaler im schlechten Film - da ist für jeden Nichts dabei.

Happy Ending

Dänemark 2018 Regie: Hella Joof, mit Birthe Neumann, Kurt Ravn, Charlotte Sieling 95 Min. FSK ab 12

Nach 50 Jahren Ehe kommt sein Wunsch nach Trennung sehr überraschend und auch für die Zuschauer unbegründet. Der 70-jährige Ehemann Peter (Kurt Ravn) will zum Ruhestand nichts mehr von seiner Frau Helle (Birthe Neumann) wissen. Zu seinem enormen Wohlstand meint er, er hätte das ja alles verdient und könne es auch alles selbst wieder ausgeben. Peter belästigt nun mit seiner ganzen Selbstbezogenheit die Tochter, um die er sich nie gekümmert hatte. Helle erniedrigt sich derweil völlig. So muss man miterleben, wie sie auf dem Bett mit Selfie-Stick erotische Fotos produziert. Auch die Gespräche sind meistens zäh und eine Qual, vor allem für die Zuschauer. Ein weiterer Grund, das Kino schnell zu verlassen, sind die befreundeten Ehepaare. Derweil betätigt sich die Kundenberaterin von der Bank als Krisen-Betreuerin mit eigener Agenda.

Das dänische Ärgernis „Happy Ending" könnte eine platte Komödie sein, wäre sie komisch. Dafür ist er noch schlimmer als deutsche Fernsehfilme. Es gibt keine einzige starke (Frauen-) Figur. In der letzten halben Stunde machen ein paar Senioren auf sexuelle Revolution. Das lesbische Coming-out ist allerdings das uninteressanteste der ganzen Film-Geschichte. Was die Gesellschaft daraus macht, ist mehr als peinlich, nämlich ärgerlich. Und wenn man am Ende realisiert, das war viel Lärm um nichts, wird einem auch klar: der Film ist nichts. Nur die Musik ist gut – was für eine Verschwendung!