26.6.07

Glück im Spiel


USA 2006 (Lucky You) Regie: Curtis Hanson mit Eric Bana, Drew Barrymore, Robert Duvall 124 Min. FSK: ab 6

Pech im Spiel, verliebt in Drew Barrymore. Na, da kann doch keiner klagen! Es sei denn, er ist ein notorischer Spieler wie Huck Cheever (Eric Bana), der mit Leichtigkeit gewinnt, am Ende des Tages aber trotzdem immer pleite ist. Und der frisch zugereisten Loungesängerin Billie (Drew Barrymore) noch in der ersten Nacht ihr Geld klaut. Am Spieltisch kann Huck die Gegner wie kein anderer "lesen", benimmt sich aber immer wieder wie ein großes grünes Monster, wenn seine Emotionen mit ihm durchgehen. Vor allem, wenn er seinem Vater L.C. Cheever (Robert Duvall), dem zweifachen Weltmeister des Spiels, über den Weg läuft oder gar mit ihm am Pokertisch zockt. Und in Vegas kennen sich alle unverbesserlichen Spieler und treffen sich spätestens bei den "World Series of Poker", wenn es um Millionen geht.

Drew Barrymore gibt den naiven, grundehrlichen Neuankömmling fast wie eine Heilige in der Stadt des falschen Scheins. Ebenso so ehrlich die Konstellation zweier einsamer Menschen und ihrer starken Anziehung. Robert Downey Jr. glänzt in einer grandiosen Szene als Ein-Mann-Beratungsbüro. Aber vor allem das exzellent gespielte, schwierige Verhältnis zwischen Vater und Sohn reißt den Glücksspiel-Spielfilm aus dem Einerlei von Erhöhen und Passen. Zu viel Spielzeit wird am Pokertisch verplempert, ohne dass diese Szenen Gewinn bringen packend wären. Vor allem im Finale nervt der durchgehende TV-Kommentar. Dieser akustische Krückstock gleicht inszenatorisches Versagen (Regie: Curtis Hanson, "L.A. Confidential") nicht aus und übertrumpft tatsächlich noch die Pokerszenen aus dem letzten Bond in Sachen Hörmüll. Doch wie gesagt Robert Duvall ist gut wie schon oft und Hulk-Hüne Eric Bana gibt den Sohn als zerrissene Gestalt. Körperlich ein attraktiver Klotz, persönlich schwach, schleppt er eine Menge Wut durchs Leben, weil der spielende Vater die Mutter im Stich und zerbrechen ließ. Dabei ist Huck drauf und dran, die gleichen Fehler zu machen. Doch durchaus gelungen schaffen es die Männer, auf ganz eigene Spieler-Art, ihre Liebe füreinander ausdrücken. Huck siegt auf stille Weise gegen die eigene Schwäche und in diesen wenigen weisen Momenten mag man den Film richtig.

Die Töchter des chinesischen Gärtners


Frankreich/Kanada 2006 (Les filles du botaniste) Regie: Dai Sijie mit Mylène Jampanoi, Li Xiaoran, Wei Dong Wang 98 Min. FSK: ab 12

Schöne Bilder - wer sieht die nicht gerne!? Wenn sie denn nicht zu schön glänzen. Wie die weich gezeichnete Soft-Erotik von "Bilitis". Oder die heile Welt der Hochglanz-Werbung (vor Oliviero Toscanis Benetton-Provokationen). Auch der Nachfolger von "Balzac und die kleine Schneiderin" wirkt lange zu schön, um real und dramatisch zu sein.

Aus einer staubigen, heruntergekommenen Schule zieht die junge Waise Min auf eine paradiesisch grüne Insel. Das Praktikum beim berühmten Botaniker ist bestimmt von Schikane durch den sturen Lehrer. Dessen Tochter An bietet jedoch Trost, Freundschaft und irgendwann auch Liebe. Bei Reisen zu einem idyllischen Bergsee lassen die jungen Frauen auf Empfehlung eines Mönches nach einem Gelübde ganze Käfige von Tauben frei: 64 Vögel für die Ewige Liebe und 108 dafür, immer zusammen zu sein.

Doch die asiatische Zahlenlehre muss noch einmal bemüht werden: 28 mal wird Min den Namen einer Person nennen, um ein tiefe Verletzung zu vergessen. Auf Drängen Ans ging Min eine Scheinehe mit dem Sohn des Botanikers ein. Der junge Soldat schlug und folterte sie, weil sie keine Jungfrau mehr war. Denn in der Nacht vor der Hochzeit schenkte Min An "ihre Unschuld". Nach der tränenreichen Heimkehr der Geschlagenen nehmen sich die Frauen ihr Recht, sind nicht mehr demütig gehorsam. Die - patriarchalische - Ordnung im Haus zerfällt. Als der Gärtner die Frauen bei einer erotischen Massage erwischt, schlägt An ihren Vater nieder, der später im Krankenhaus stirbt. Allerdings an seiner Krankheit, nicht durch den Schlag. Trotzdem werden die Frauen zum Tode verurteilt: Das Gericht bestraft die Homosexualität, die durch eine letzte Aussage des Vaters ans Licht kam.

Inspiriert von einer Zeitungsmeldung schrieb und inszenierte Dai Sijie eine stille Liebe mit bitterem Ausgang. Der in Frankreich lebende chinesischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur erlebte selbst die Verfolgung von Intellektuellen während der Kulturrevolution, die er in "Balzac und die kleine Schneiderin" nacherzählt. Schon damals wurde die Brutalität der Geschichte im Rückblick des Schreibers abgefedert. Nun die unmenschliche Unterdrückung von Schwulen und Lesben in China in - zumindest während der ersten Stunde - zu schönen Bildern, mit zu stimmiger Musik. Immer wieder irritiert die anrüchige Ästhetik von Parfümwerbung. Das ist harmlos weit entfernt von der realistischeren Härte des indisches Lesben-Dramas "Fire" (Regie: Deepa Mehta). Oder auch vom kanadischen "When Night is falling" (Regie: Patrizia Rozema), wo Liebes- und der Trapez-Akt sehr ästhetisch unter der Zirkuskuppel schwangen, ohne dass dabei an Werbung denken musste. Politisch ist bei Dai Sijie nur ein alberner Beo, der "Lang lebe Mao Tsetung" plappert.

Stirb langsam 4.0


USA 2007 (Die Hard 4.0) Regie: Len Wiseman mit Bruce Willis, Justin Long, Timothy Olyphant
128 Min. FSK: ab 16

Bruce will es noch mal wissen: Mit dem Polizisten John McLane und drei "Stirb langsam"-Filmen hat ihm die Filmgeschichte ein Stereotyp angehängt, das er schwer los wird. Nur frühe Fans der genialen TV-Serie "Moonlighting" ("Das Model und der Schnüffler") erkennen das spöttische Zucken in den Mundwinkeln bei den allzu coolen Männersprüchen. Doch die fehlen im Alterswerk, digitale Tricksereien nehmen McLane die Action aus der Hand.
 
Zwölf Jahre nach "Stirb langsam 3" schiebt der Polizist John McLane immer noch nüchtern und frustriert seinen Dienst. Als er nach Feierabend routinemäßig den jungen Computer-Hacker Matt Farrell (Mac-Ikone Justin Long) verhaften soll, landet der Held wider Willen selbstverständlich wieder mitten in einem ganz großen Ding. Das wissen wir nicht nur, weil ein Stromausfall schon den Vorspann flackern ließ. Matt war nur ein kleines Rädchen bei einer Cyber-Attacke auf die komplette Infrastruktur der USA. Erst fällt der Strom aus, dann Ampeln, Telekommunikation, öffentliche Versorgung und längst herrscht Chaos auf den Straßen. Dass dieses ganze Szenario nur dazu dient, richtig Kasse zu machen, wirkt einfallslos. Von den Gangstern und den Drehbuchschreibern.
 
Doch McLane lässt sich nicht beirren, haut und schießt sich zum Kopf der Terroristen durch. Der erweist sich ironischerweise als frustrierter US-Geheimdienstler, Prinzip freiwillig zündelnde Feuerwehr. Der späte Nachschlag beginnt noch mit handfester Action, mit der Willis sehr präsent die Teile 1-3 bestimmte und auf eigene Faust die Welt rettete. Zumindest amerikanische Flughäfen und Finanzzentren. Doch der Zyniker des Haudrauf-Genres wirkt lakonisch und müde. Verständlich angesichts völlig abgehobener Action, bei der McLanes Polizeiwagen einen Hubschrauber aus der Luft holt und sein Laster sich erfolgreich (!) mit einem Düsenjäger duelliert.
 
Solche Sprünge auf Senkstarter sah man bereits mit einkopiertem Schwarzenegger in "Last Action Hero" (Regie: John McTiernan) und hoffte schon 1993, dies sei der letzte Action-Held mit so grobklotzigen Mitteln. Danach kam die elegantere, rasantere und in Höhepunkten des Genres auch poetische Action Asiens bei uns an. Diese Epoche haben die Macher von "Stirb Langsam 4" (Produzent: wieder John McTiernan) scheinbar verschlafen. Die Wiederbelebung spielt zwar in den Hauptrollen mit dem Gegensatz aus "Golden Oldie" und jungem Computer-Freak. (Genial besetzt: Long, der in Apples Werbefilmchen immer dem langweiligen PC-Typen die Show stiehlt.) Auch sehr nett die Nebenrolle mit McLanes Tochter: Schlagfertig unnachgiebig, der Apfel haut hier nicht weit vom Stamm rein. Doch die altmodische Handlung begeht Leichenfledderei in Sachen Willis-Filmographie: Die Überführung eines Zeugen aus "16 Blocks", das Chaos aus Explosionen und kopflosen Institutionen aus "Armageddon". Dazu sind die Übergangsszenen zwischen den zugegeben bemerkenswerten Action-Ideen schreiend schlampig geschrieben. Insgesamt herrscht der Eindruck, hier wollte jemand mit unserem guten Bruce schnelle Kasse machen. Und diese Verbrecher scheinen noch damit durchzukommen.

18.6.07

Die Fährte des Grauens


USA 2007 (Primeval) Regie: Michael Katleman mit Dominic Purcell, Orlando Jones, Brooke Langton 94 Min. FSK: k.J.
 
Bei einigen völlig aufgeblasenen Genres ist man schon über nur eine interessante Idee dankbar. Wie beim Horrorfilm. Wer will noch Riesen-Schlangen, Spinnen oder Anakondas sehen? Trotzdem legt im afrikanischen Burundi ein Riesenkrokodil tricktechnisch mehr schlecht als recht eine "Fährte des Grauens". Gustave wird es von seinen üblichen Jägern genannt. Im Busch und auf der Steppe wütet nun allerdings noch ein anderes Monster: Little Gustave. Der Rebellenführer in einem der vielen schmutzigen Bürgerkriege mordet lustvoll mit Machete, entführt Kinder, um sie als völlig entseelte Soldaten einzusetzen. Das ist dann zwar auch noch Horror, aber ganz realer, ähnlich wie in "Blood Diamond" oder schwächer in "Shooting Dogs".
 
Die Mischung macht's und sie macht hier alles kaputt: Weder der erschreckend einfallslos inszenierte Horror noch der Politfilm überzeugen und die Mischung wirkt leider oft albern. Eine Warnung hätte sein müssen, dass ein alter Haudegen wie Jürgen Prochnow den alten Haudegen spielt. Der Rest der Truppe freut sich über eine Nichterwähnung. Vor allem dem Krokodil hätte man nur dieses filmische Unglück zeigen brauchen, es wäre für immer vor Scham versunken.

Shrek der Dritte


USA 2007 (Shrek the Third) Regie: Chris Miller mit den Stimmen von Mike Myers / Sascha Hehn (Shrek), Eddie Murphy / Dennis Schmidt-Foß (Esel), Cameron Diaz / Esther Schweins (Prinzessin Fiona), Antonio Banderas / Benno Fürmann (Der gestiefelte Kater), Dame Julie Andrews / Marie-Luise Marjan (Königin Lillian), John Cleese (König Harold), Rupert Everett (Prinz Charming), Eric Idle (Merlin), Justin Timberlake (Artie) 93 Min. FSK: o.A.
 
Shrek lässt nach!
 
Einst war er der Schrecken von Disney Mouse, ja gleich der ganzen digitalen Animations-Industrie: Ein großes, grünes Monster machte den alteingesessenen Zeichentricksern lange, beziehungsweise knubbelige Ohren. Shrek, der Oger, stellte alte Märchen auf den Kopf, rülpste, dass ein Waffenschein vonnöten wäre, und zog Hollywood sowie den Rest der (Medien-) Welt durch den Kakao. Na ja, bei Ogern wollen wir nicht genauer wissen, woraus die dickliche, braune Brühe besteht, in der haufenweise populäre Figuren, Filme und Zitate landeten.
 
Nachdem Shrek hinter dem monströsen Äußeren sein schönes Wesen entdeckt und auch noch die holde, ihm sehr ähnliche Oger-Maid Fiona freite, folgt der dritte Teil. Denn ein alter Oger-Spruch lautet: Geld stinkt nicht - bah, wie fies!
 
Das Hofleben im Lande "Weit weit weg" ist mittlerweile Routine geworden, genau wie diese Filmserie. Da stirbt Shreks Frosch-König-Schwiegervater, was fast so komisch ist, wie dessen Begräbnis, bei dem ein Frosch-Chor den Bond-Hit "Live and let die", na ja: singt. Gar nicht witzig finden Shrek und Fiona das, mit nötigem Ungeschick übernimmt der grobe, grüne Klotz die Staatsgeschäfte. Ein Empfang gerät da zwangsläufig zur grünen Umwelt-Katastrophe, die Schiffstaufe zum Untergang.
 
Deshalb macht sich Shrek auf, den anderen legitimen Thron-Erben zu finden. Artie Pendragon darbt in einer mittelalterlichen College-Stadt als verspotteter Schwächling, folgt den Boten zu gerne, dreht aber angesichts drohender Gefahren feige ab. Prinz Charming vereinigt sich derweil mit den Figuren, die das schlechtere Ende der Märchen abgekommen haben, übernimmt "Weit weit weg" die Herrschaft und kerkert Fiona ein.
 
Auf dem College von König Artie reden alle wie ("like") US-Teenager. Ein Setting, das zum infantiler werdenden Zielpublikum von "Shrek 3" passt. Einst besorgten gute Medien-Parodien den Spaß für Groß und Klein. Jetzt lässt auch noch die Frequenz der Gags nach.
 
Man muss immer noch schmunzeln, wenn vier Prinzessinnen, ein gestiefelter Kater und ein Esel als "Charlies Angels" zuschlagen. Oder mittelalterliche Vorläufer von Beavis and Butt-Head herum lümmeln. Auf dem Schulhof von Artie, staucht Lancelot alle zusammen, der Ex-Lehrer Merlin wurde nach seinem Nervenzusammenbruch ein sehr seltsamer Einsiedler. Auf einer viel zu ernst gemeinten Psycho-Ebene hat Shrek Angst vor seiner zukünftigen Vaterschaft und dann reden die beiden Thronfolger mal ganz ernst von ihren Vätern und der Liebe, die sie vermisst haben - und das ist alles nur teilweise satirisch gemeint!
 
Bis auf solche Entgleisungen im Genre bietet der dritte "Shrek" wenig Überraschungen. Wenn dann am Tiefpunkt der Handlung Damien Rice auf der Tonspur seinen Song "9 Crimes" durchleidet, merkt man, dass es nicht nur an Gags mangelt, sondern dass dem Film auch charakterliche Tiefe fehlt.

12.6.07

Hot Fuzz


Großbritannien 2007 (Hot Fuzz) Regie: Edgar Wright mit Simon Pegg, Nick Frost, Jim Broadbent 121 Min. FSK: ab 16
 
"Wie man auf den Bush klopft, so schießt es heraus ..." Diese alte Volksweisheit hat sich auch beim G8-Gipfel wieder bewährt, korrekter: als verkleideter Agent Provocateur mit Steinen bewehrt und gegen die Polizei-Kollegen geschmissen. Fast unpolitisch und äußerst spaßig erzählt "Hot Fuzz" eine ähnliche Geschichte: Wer Verbrechen sucht, wird aktenkundig werden.
 
Londons Polizei hat einen Helden: Sgt. Nicholas Angel (Ko-Autor Simon Pegg) ist allerdings so übereifrig, dass ihn nicht nur seine Frau, sondern auch das komplette Kommissariat versetzt. In die hinterste Provinz, da wo das Verbrechen laut Statistik noch gar nicht angekommen ist, die Zellen genau so leer sind, wie die Aktenordner der ungelösten Fälle. Nun sitzt Angel in Sanford, dem Paradies der heilen Bürgerwelt, nippt immer streng an seinem Cranberry-Saft, und kann einfach nicht den komplizierten Kopf abschalten. Aber trotz einiger verdächtiger Gestalten passiert rein gar nichts, dafür sorgt vor allem das aufgerüstete Sicherheitsnetz des Bürger-Wachvereins. Sowie eine alberne Polizeitruppe, die sich unter Leitung von Frank Butterman (Jim Broadbent) vortrefflich aufs Kuchenessen versteht.
 
Und eigentlich vermisst man auch im Kino das Verbrechen nicht: "Hot Fuzz" erfreut circa ein halbe Stunde lang als in Dialog, Bild und Schnitt umwerfend komischer Film. Wenn dann doch das Verbrechen zuschlägt, bleibt auch der spritzige "Splatter" nicht aus. Klar, Regisseur Edgar Wright zeigte schon in "Shaun of the Dead", wie gerne er mit Blut rummacht. Zwar beherrscht er alle Flüssigkeiten von Ketschup über Bolognese-Soße bis zum echten Filmblut, doch solche Matschereien sind nicht jedermanns / jederfraus Sache.
 
Unser Durchschnittstyp Nicolas Angel bekommt jedenfalls seine Fälle, die erst als Unfälle durchgehen. Wobei nicht nur der zwielichtige Supermarkt-Chef Skinner (Ex-Bond Timothy Dalton) die Morde verdächtig treffend kommentiert. Auch der Musikeinsatz amüsiert sich genau mit den richtigen Titeln: "Fire" zur noch kokelnden Brandleiche und Dire Straits singen vom "lovesstruck Romeo" zum ermordeten Schauspielpärchen, das zuvor eine grandios elende Dorfimitation von Baz Luhrmanns "Romeo und Julia" hinstümperte.
 
Doch vor allem in der letzten halben Stunde wird Nicolas Angel zum Rache-Engel, lässt mit einem Waffenarsenal, das auch Bruce Willis begeistern würde, die Bürgerwehr mit ihren ebenso haarsträubend wie herrlich ausgefallenen Motiven hochgehen. Es schwante einem schon bald, dass Einiges hinter den Dorfkäuzen steckt. Vor allem Nicks Streifen-Partner Danny Buttermann (Komiker Nick Frost) führt ihn zu den Filmen, welche das Nachdenken nachhaltig abstellen. Aber selbstverständlich werden beide im parodistischen Western-Finale die Posen der "Bad Boys" Will Smith und Martin Lawrence imitieren, werden ihre eigenen filmreifen Sprüche beim Knock Out kommentieren. Nicht nur der Prüfungskommission "Unser Dorf soll schöner werden" bleibt dabei die Luft weg. Der Kampf um die Modell-Stadt gerät zum Action-Spaß, sprich: zur Zerstörungsorgie. Die ist - abseits von tödlichen Geschmacksfragen - vor allem hervorragend gemacht. Wie der Spaß auf allen anderen Ebenen.

5.6.07

The Namesake - Zwei Welten, eine Reise


USA 2006 (The Namesake) Regie: Mira Nair mit Kal Penn, Irfan Khan, Tabu 122 Min. FSK: ab 6

Schon die erste Szene in den USA schmerzt vor Einsamkeit: Eine leere, dunkle Wohnung, grau verschneite Straßen, ein nicht besonders einfühlsamer Partner. Die junge Bengalin Ashima folgte ihrem Mann Ashoke nach der arrangierten Hochzeit vom sonnenüberfluteten, farbigen und lebendigen Indien an die kalte Ostküste der USA. Das ist der Beginn eines großen Familienepos über die Heimatlosigkeit zwischen zwei Welten.

Über Jahrzehnte und zwei Generationen verfolgt "The Namesake", wie sich erst der Vater und dann der Sohn Gogol assimilieren. In einer Verlegenheit nach dem russischen Autor benannt, hat der junge Mann Gogol nur Probleme mit seinem Namespatron (Namesake) und legt sich deshalb gleich auch einen neuen amerikanischen Nachnamen zu. Dazu eine blonde Freundin aus gänzlich anderem Milieu. Dieser Tief-Punkt der Entfremdung kann auch nach dem Tod des Vaters nicht mit dem anderen Extrem ausgeglichen werden: Die Heirat mit einer schon zu weit emanzipierten Bengali scheitert. Mitten in dieser zusammengerafften Entwicklung leidet die zerrissene Seele Ashimas.

Die Generationen der Männer bilden die handelnden Gegenpole: Ein Vater, dessen Liebe erst spät erkannt wird. Ebenso wie die Bedeutung des Namens "Gogol", der nicht für einen verrückten Russe stand, sondern auch für den Beginn eines neuen Lebens, für den Mantel der Liebe, den Ashoke für seine Kinder ausbreitet.

Die unstillbare Sehnsucht nach der Heimat zeigt sich immer wieder in Bilder aus Indien, die den kalten Straßenzügen, den mit Metall und Stein verbauten Blicken, gegenüber gestellt werden. Die beiden Kinder wirken in Indien schon kurios, bald treibt aber die ganze Familie bei Urlauben dort ängstlich wie Touristen in den Farb- und Menschenmeeren.

Trotz großer Zeitsprünge mit den passenden Wechseln in reizvollen Retro-Kostümen und -Kulissen bleibt Mira Nair liebevoll nah an ihren Figuren. Dass sie auf so vielen Ebenen erzählt, in Landschafts-Stimmungen abdriftet, dann Familien- ebenso wie ganz einsame Szenen meistert, macht "The Namesake" zu einem außergewöhnlich reichen, ebenso üppigen wie dichten Film.

Die aus Indien stammende und in Amerika arbeitende Mira Nair erzählte schon immer gleichzeitig mit guten, dichten Bildern und mit einfachen, klaren Dialogen. Nach dem ersten Erfolg "Salaam Bombay!" (1988) folgten "indische-amerikanische" Filme wie "Mississippi Masala" oder "Monsoon Wedding" aber auch Auftragsarbeiten ohne besondere Handschrift, von denen "Vanity Fair" den Tiefpunkt bildete.

Shooting Dogs


GB/BRD 2005 (Shooting Dogs) R: Michael Caton-Jones mit John Hurt, Hugh Dancy, Dominique Horwitz, Claire-Hope Ashitey, Louis Mahoney, Nicola Walker, Steve Toussaint 114 Min.
 
Der dritte Film, der den Genozid in Ruanda "nachspielt", erweist sich als der umstrittenste. Das brutale Abschlachten von 800.000 Tutsi durch die verfeindete Bevölkerungsgruppe der Hutu im Jahre 1994 zeigt sich in "Shooting Dogs" als Randerscheinung. Die Schuld einer Handvoll Europäer spielt die Hauptrolle...
 
Auf dem Gelände einer katholischen Schule finden ein paar Tutsi Unterschlupf. In einer gespannten Situation fühlen sie sich neben den belgischen UN-Soldaten sicherer. Als der ruandische Präsident in seinem Flugzeug abgeschossen wird, starten die hasserfüllten Aufrufe eines Radiosprechers das schon lange geplante Morden der Hutu an den Tutsi. Die Straßen füllen sich mit durch Machetenhiebe grausam niedergemetzelten Körpern. 2500 Tutsi fliehen in die Schule, wo sich eine europäische Dreifaltigkeit aufopferungsvoll kümmert. Der idealistische, junge Lehrer Joe Connor (Hugh Dancy), der englische Pater Christopher (John Hurt) und der belgische UN-Offizier Capitaine Charles Delon (Dominique Horwitz). Obwohl sich die Meuchelhorden um den Zaun der Schule versammeln, bleibt den Soldaten nichts anderes übrig, als die Hunde zu erschießen, die sich über die Leichen hermachen. Die Mörder durfte die UN-Mission gemäß Mandat nicht stoppen! Das meint auch der zynische Filmtitel.
 
Es geht in "Shooting Dogs" nicht um die Hintergründe des Genozids, auch die Mechanismen des gesteuerten Volkszorns werden nur angedeutet. Das Grauen bleibt meist am Rande, das Bangen um die paar weißen Helfer erscheint viel wichtiger. Sie sollen, für "uns" verständlicher, das Ungeheuerliche spiegeln. Aber ist das nicht ähnliche Geringschätzung afrikanischer Figuren oder Schauspieler, die auch letztlich mit der Geringschätzung afrikanischen Lebens Hand in Hand geht? Erst das himmelschreiende Desinteresse der Weltgemeinschaft machte das Schlachten über 100 Tage möglich. Die Europäer wurden evakuiert und auch hier spielen sie die Hauptrolle.
 
"Last King of Scottland" thematisierte noch die eingeschränkte Perspektive des jungen, europäischen Leibarztes des Diktators und Schlächters Idi Amin, dramatisierte einen Erkenntnisprozess. Auch die beiden anderen Ruanda-Filme, Terry Georges "Hotel Ruanda" und Raoul Pecks "Sometimes in April", nehmen die Perspektive der Opfer ein.
 
Was nicht heißt, dass man nicht jedes Mal von Wut, Entsetzen und Abscheu überwältigt wird, wenn die Rassentrennung vor den rettenden Lastern stattfindet. Indem "Shooting Dogs" das Einpacken der Soldaten und den abschließenden Segen des Priesters parallel montiert, höhnt er den einfachen Trost des Glaubens. Allerdings ist Pater Christopher der einzige aufrechte Weiße. Er gibt alles, um seine Kinder zu retten. Im Finale treibt "Shooting Dogs" den real stattgefundenen Zynismus auf die Spitze. Lässt keine Hoffnung überleben.
 
Der weise Priester und Menschenfreund Christopher hat den stärksten Part, was wohl auch an John Hurt liegt, der jeder Rolle etwas Besonderes gibt. Dominique Horwitz wirkt etwas zu weich als belgischer Offizier. In "Hotel Ruanda" konnte Nick Nolte dem harten Soldaten mit den fast depressiven Zügen angesichts der von oben befohlenen Tatenlosigkeit viel mehr Profil geben. Wobei es vielleicht als gute Besetzung erschien, dass die vom jüdischen Horwitz gespielte Figur ihre Motivation aus einer Holocaust-Geschichte gewinnt.
 
Der umstrittene Film wurde an Originalschauplätzen gedreht, mit Hutu, die den Genozid überlebt haben. Erst im Abspann werden ihre Geschichten kurz ausgeleuchtet. Vielleicht der beste Teil des Films.