25.1.21

Star Trek Lower Decks / Amazon Original


Nach dem genialen Weltraum-Spaß „The Orville" von und mit Seth MacFarlane startet mit „Star Trek: Lower Decks" die nächste Trekkie-Parodie. Die Geschichten über die unbekannten Crews der Sternenflotte sind zwar animiert, aber da sie von Serienschöpfer Mike McMahan („Rick und Morty") stammen, kein Kinderkram. Im Jahr 2380 dienen Mariner, Boimler, Rutherford und Tendi von der Unterstützungs-Crew an Bord der U.S.S. Cerritos, einem der unwichtigsten Raumschiffe im All. Während die missgelaunte Captain Carol Freeman Familienprobleme bewältigt, rettet vor allem ihre Tochter Beckett Mariner allen den Hintern. Denn während Brad Boimler preußisch auf das Protokoll vertraut, hat sie in vielen Weltraum-Häfen schon eine ganze Menge erlebt. Die coolen Underdogs und die Nerds der unteren Etagen bilden eine nette Truppe, bei der man gerne eine Weile mitfliegt.

„Star Trek: Lower Decks" ist passend zu seiner Besatzung auch in Sachen Zeichnung eher zweit- und drittrangig. Der Humor liegt in den Dialogen und den oft schrägen Figuren. Der „Data" der Serie hat sein erstes Date während eines Zombie-Ausbruchs. Beim „Zweiten Kontakt" mit einer neuen Spezies muss sich Boimler von einem Spinnenwesen erst mal glitschig-feucht durchkauen lassen. Neben Action und Chaos gibt es Absurditäten wie bei „American Dad" (auch Seth MacFarlane), alles immer anspielungsreich vor der Folie von „Enterprise" & Co. Ein netter Spaß nicht nur für Trekkies.

„Star Trek: Lower Decks" (USA 2021), Regie: Juno John Lee, Barry J. Kelly u.a., zehn Folgen à 30 Min., FSK: keine Angaben

Star Trek Lower Decks / Amazon Original

Nach dem genialen Weltraum-Spaß „The Orville" von und mit Seth MacFarlane startet mit „Star Trek: Lower Decks" die nächste Trekkie-Parodie. Die Geschichten über die unbekannten Crews der Sternenflotte sind zwar animiert, aber da sie von Serienschöpfer Mike McMahan („Rick und Morty") stammen, kein Kinderkram. Im Jahr 2380 dienen Mariner, Boimler, Rutherford und Tendi von der Unterstützungs-Crew an Bord der U.S.S. Cerritos, einem der unwichtigsten Raumschiffe im All. Während die missgelaunte Captain Carol Freeman Familienprobleme bewältigt, rettet vor allem ihre Tochter Beckett Mariner allen den Hintern. Denn während Brad Boimler preußisch auf das Protokoll vertraut, hat sie in vielen Weltraum-Häfen schon eine ganze Menge erlebt. Die coolen Underdogs und die Nerds der unteren Etagen bilden eine nette Truppe, bei der man gerne eine Weile mitfliegt.

„Star Trek: Lower Decks" ist passend zu seiner Besatzung auch in Sachen Zeichnung eher zweit- und drittrangig. Der Humor liegt in den Dialogen und den oft schrägen Figuren. Der „Data" der Serie hat sein erstes Date während eines Zombie-Ausbruchs. Beim „Zweiten Kontakt" mit einer neuen Spezies muss sich Boimler von einem Spinnenwesen erst mal glitschig-feucht durchkauen lassen. Neben Action und Chaos gibt es Absurditäten wie bei „American Dad" (auch Seth MacFarlane), alles immer anspielungsreich vor der Folie von „Enterprise" & Co. Ein netter Spaß nicht nur für Trekkies.

„Star Trek: Lower Decks" (USA 2021), Regie: Juno John Lee, Barry J. Kelly u.a., zehn Folgen à 30 Min., FSK: keine Angaben

Stilles Wasser / Apple TV+


Inmitten einer Kinder-Medienwelt voll grell bunter und lauter Ablenkungen sind die Folgen von „Stilles Wasser" wunderbar ruhige Perlen für Klein und Groß. Basierend auf „Zen Shorts" und andere Bilderbücher des US-amerikanischen Zeichners Jon J Muth lernen wir die drei Geschwister Karl, Addy und Michael kennen. Die Kinder leben neben einem gemütlichen und weisen Riesen-Panda namens Stillwater – Stilles Wasser. Ganz spielerisch landen sie immer wieder bei ihm, wenn es mal zu viel regnet, wenn keiner an die Flugkraft der Weltraum-Rakete aus Kartons glaubt oder wenn der kleine Bruder wütend an einem blöden Spiel festhängt. Stillwater hat dann nette Zen-Geschichten parat. Darüber, dass der Regen ja auch gute Seiten hat und Spaß machen kann. Die kleinen, aber feinen Weisheiten dieser sind zwar verblüffend kindgerecht, aber auch große Zuschauer können etwas mitnehmen.

Man muss „Stilles Wasser" von den ersten Bildern an lieben. Mit einer 3D-Brillanz, die man vom ehemaligen Steve Jobs-Studio Pixar kennt, sind Stillwaters japanischer Zen-Garten, Koi-Teich und Kirschbaum gezeichnet. Während Karl seine Karton-Rakete baut, will der Panda mit Tusche und Pinsel malen. Die Kleckser einer Libelle nimmt er aber gerne in Kauf und wir staunen ob dieser Bild-Magie. Der zweidimensionale Zeichenstil der Binnen-Erzählungen, in denen immer andere Tiere zu neuen Erkenntnissen gelangen, wirkt traditionell japanisch. Es gibt pro 30-minütiger Episode zwei Geschichten. Bei so einem wunderbaren Fantasie-Freund muss man selbstverständlich an Miyazakis „Mein Nachbar Totoro" denken.

„Stilles Wasser" (Stillwater, USA 2020), Regie: Jun Falkenstein u.a., sechs Folgen à 30 Min., FSK: keine Angaben

19.1.21

Your Honor / Sky


Zwei junge motorisierte Männer rasen aufeinander zu. Der eine in voller Angst, scheinbar verfolgt von einer territorialen Gang. Ein Asthmaanfall macht alles noch atemberaubender. Auf der anderen Seite viel überhebliche Raserei auf dem Oldtimer-Motorrad, frisch geschenkt vom Vater. Schließlich stirbt nach packender Dramatik der Motorradfahrer elend langsam. Der panische Autofahrer macht sich davon. Man hat etwas Mitleid mit dem gebrechlich wirkenden Jungen, der den Todestag seiner Mutter ehren wollte - aber Fahrerflucht? Während das Opfer noch lebte? 

Vater Michael Desiato (Bryan Cranston) macht seinem Sohn Adam (Hunter Doohan) zuhause direkt klar, dass sie zur Polizei müssen. Für diesen Anstand hätte man den geschätzten Strafrichter nicht vorher als äußerst moralischen und gewissenhaften Menschen zu zeigen brauchen. Für das was dann passiert, allerdings: Schon auf der Polizeistation sieht Desiato, dass Adam den Lieblingssohn des berüchtigten Gangsters Jimmy Baxter (Michael Stuhlbarg), Pate der blutrünstigsten „Familie" von New Orleans, mit dem Auto ermordet hat. Was Folge für Folge in „Your Honor" eskaliert, ist atemberaubend. In den Bemühungen, das Leben seines Sohnes zu retten, verfährt der ehrenwerte Richter ebenso umsichtig und klug, wie vorher für die gerechte Sache. Der Witwer und alleinerziehende Vater lässt erst das Unfallauto klauen. Mit psychologischer Raffinesse manipuliert er die Erinnerungen möglicher Zeugen. Um an die Bilder einer Überwachungskamera zu gelangen, spielt er dem Tankwart einen eifersüchtigen und betrunkenen Ehemann vor. Doch der Versuch, den Tatwagen mithilfe von Beziehungen verschwinden zu lassen, scheitert grandios.

Bryan Cranston geht hier wieder voll in seiner „Breaking Bad"-Rolle auf: Ein Guter, der Böses tut. Gleich in der ersten Gerichtsszene zeigt sich der passionierte Marathonläufer als strenger Richter mit Herz und ungewöhnlichen Methoden. Dass seine scharfe Beobachtungsgabe ausgerechnet die schwarze Mutter vor falscher Anschuldigung eines weißen Polizisten rettet, deren ältester Sohn bald als Sündenbock für seinen eigenen Sohn Adam hingerichtet wird, klingt mehr als unwahrscheinlich. Dass vor den Augen der ermittelnden Polizistin ein Motorradteil unter dem wiedergefundenen Auto rauspurzelt? Und ein Beweis vom Hund der Familie Desiato ausgegraben wird? Geschenkt angesichts der moralischen Ungeheuerlichkeiten, zu denen sich das anfängliche Dilemma zwischen Recht und Vaterliebe entwickelt.

Autor und Setrunner Peter Moffat („Criminal Justice", 2008) entwickelte „Your Honor" auf der Basis der israelischen Serie „Kvodo". Das Land ist verlässlicher Steinbruch für Dramatisches wie schon bei „Homeland" oder demnächst bei der französischen Serie „In Therapie" auf ARTE. Nach dem ungemein spannend inszenierten und unappetitlich in Blut getränkten Auftakt, erzählt „Your Honor" weiterhin packend und atmosphärisch dicht mit klasse Aufnahmen, toller Kamera und sorgfältigen Bildern. Die Stimmung vom „Big Easy" genannten Brennpunkt New Orleans und der besondere Einfluss der Lebensart auf Justiz und Polizei kennt man aus Spielfilmen wie „The Big Easy – Der große Leichtsinn" mit Dennis Quaid. Regie führte in den ersten drei Folgen der Deutsche Edward Berger („Jack", „Deutschland 83").

Während Bryan Cranston seine ganze Figur trocken aus dem Anzug spielt, gibt es beim Opponenten Michael Stuhlbarg („Call Me by Your Name") Übertreibung in Gestik und Szenen. Doch „Your Honor" lebt von einem großen Figuren-Ensemble, das mit in den Strudel aus Schuld und noch mehr Schuld gezogen wird. Oder immer wieder Anstöße zu neuen Katastrophen gibt: Frankie (Tony Curran), der irische Handlanger von Baxter, startet einen Bandenkrieg. Baxters Frau Gina (Hope Davis) gibt eine herrliche Lady Macbeth. Ob sich diese Dichte von vier gesichteten Episoden halten lässt, steht aus. Doch diese erfüllen alle Bedingungen des kriminellen Spannungs-Genres.

Zehnteilige Serie auf Sky Atlantic sowie auf Sky Ticket und über Sky Q auf Abruf.

„Your Honor" (USA 2020/21), Regie: Edward Berger, Peter Moffat, mit Bryan Cranston, Michael Stuhlbarg, Hunter Doohan, 10 Folgen á 60 Min., FSK: keine Angabe

18.1.21

Pretend It's a City / Netflix


Es ist wie Maschinengewehr-Feuer in New York! Diese Wortkaskaden von Fran Lebowitz, schnell und treffend! Schon die Erklärung des Serien-Titels zeigt ihren bissigen Humor: „Stell' dir doch einfach vor, du wärst in einer Stadt!" will sie all den Menschen sagen, die mit Blick auf ihr Smartphone oder eine Karte mitten in den eilenden Menschenmassen New Yorks stehen bleiben. Da ist es tatsächlich sicherer, wenn die oft lachende, aber nicht immer freundliche ältere Dame einen bei dieser wunderbaren Doku als Stadtführerin an die Hand nimmt. Oder als Erklärerin der Mentalität der New Yorker, die sich alle ihre Wohnung nicht leisten können. Da stimmt ihr Freund, Gesprächspartner und Regisseur Martin Scorsese wieder laut lachend zu. Wie bei der Anekdote, dass sie für ihre über 10.000 Bücher jahrelang kein Appartement in New York fand.
 
„Pretend It's a City" zeigt auch New York im Bild, oft übersehene Besonderheiten oder Gedenkplaketten auf den Bürgersteigen. Und dann diese geniale Begehung des Stadt-Models: Eine Riesin über der Spielzeugstadt, eine intellektuelle Gigantin auf jeden Fall! Das überwiegende Gespräch mit Fran Lebowitz kommentiert vor allem. Auf jede Frage von Scorsese oder ihrem Publikum folgt unausweichlich eine spitzfindige Antwort, immer wieder blitzt ein Aphorismus auf. Über Touristen, Geld, die Metro und den Times Square. Nur weshalb man überhaupt in New York leben will, dazu gibt es keine Antwort. Aber auch keine Alternative. Lebowitz und Scorsese erzählen von alten Zeiten, philosophieren über das Wesen der Metropole. „Frans" Meinungen sind dabei nicht „trendy", aber treffend. Eine Frau, die gerne aneckt, ein eigener Kopf, eine unabhängige Denkerin. Ein seltener Genuss – auch als Film.

„Pretend It's a City", (USA 2020), Regie: Martin Scorsese, mit Fran Lebowitz, sieben Folgen à 30 Min., FSK: keine Angabe

WandaVision / Disney


Eine altmodische Sitcom mit Superhelden von heute? Das muss krachen wie eine Prügelei zwischen Superman und Batman! Bei „WandaVision" geht es allerdings nicht gut aus, wenn Marvel-Figürchen Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen) und Vision (Paul Bettany) trotz ihrer Superkräfte in der Vorstadt-Bürgerlichkeit der 50er Scherze machen: Das Pärchen rätselt darüber, was ein Herz auf dem Küchen-Kalender bedeutet. Als dann Visions Chef Herr Hart (wie Herz) unerwartet zum Essen kommt und Wanda leichtbekleidet ein Ehe-Jubiläum feiern will, wirken die eingespielten Lacher besonders schal. Frau muss den Haushalt und ein mehrgängiges Abendessen schmeißen. Beim Mann hängt der Job davon ab, wie das verläuft. Die rückständige Familiensituation wird mit ein paar Superhelden-Mätzchen aufgefrischt. Wenn die Hausfrauen-Gemeinschaft beim Wohltätigkeits-Fest mit Zaubertricks unterhalten werden soll, ist es eher hinderlich, wenn mann und frau tatsächlich zaubern kann. Folge eins und zwei sind in Schwarzweiß, die dritte springt unlogisch in bunte Hippie-Zeit. Nichts, was Marvel-Fans erwarten.

Da diese zudem wissen, dass Vision in den Kinofilmen schon tot ist, vermutet man, dass alles nur eine Vision von Wanda ist. Sie liegt wahrscheinlich im Koma. Leider befindet sich dort auch der Unterhaltungswert der Serie. Drei Folgen, 90 Minuten vertane Zeit, bevor vielleicht etwas Interessantes beginnt. Denn Bildstörungen zeigen, dass dies nur ein Konstrukt ist. Wie „Pleasantville" oder „Truman Show"? Aber mehr durfte die Presse vorher nicht sehen.

„WandaVision", (USA 2021), Regie: Matt Shakman, mit Elizabeth Olsen, Paul Bettany, neun Folgen à 30 Min., FSK: keine Angabe

12.1.21

Pieces of a Woman (Netflix)


Kein Vergnügen, aber eindrucksvolles emotionales Erlebnis ist diese erste amerikanische Produktion vom gefeierten und preisgekrönten Ungarn Kornél Mundruczó. Martin Scorsese unterstützte „Pieces of a Woman" als ausführender Produzent, doch vor allem Vanessa Kirby („The Crown") in der Hauptrolle macht das Drama um einen frühen Kindstod packend. Sie wurde in Venedig mit dem Preis für die Beste Schauspielerin ausgezeichnet.

Martha und Sean (Vanessa Kirby, Shia LeBeouf) sind ein unkonventionelles, witziges Paar kurz vor der Geburt. Selbst wenn die furchtbar herrische Mutter (Ellen Burstyn) das Familienauto bezahlen muss, eine modische Hausgeburt will „frau" sich doch leisten. Die wird auch für das Publikum eine „schwere Geburt": Über zwanzig Minuten dauert diese ununterbrochene Szene in der Wohnung von Sean und Martha an. Erst die Wehen, dann ist die Hebamme wegen einer anderen Kundin verhindert, der Ersatz (Molly Parker) kommt, das Kind ebenfalls. Alles scheinbar wunderbar, bis das Kind erstickt. Vorspann.

Zu sagen, diese Szenen seien intim, greift viel zu kurz. Sie sind und sie gehen unheimlich nahe. Noch im Schock verfolgen wir danach die fast dokumentarisch nüchternen Versuche Marthas, wieder im Leben Tritt zu fassen. Die Nun-doch-nicht-Mutter will tapfer sein. Wobei jede Begegnung mit einem Kind schmerzt. Die Todesursache bleibt unklar, das Paar macht sich gegenseitig Vorwürfe. Streit gibt es um die Schreibweise des Namens auf dem Grabstein. Aber vor allem um die Frage, ob der kleine Leichnam der Gerichtsmedizin zur Verfügung gestellt werden soll, wie Martha es will. Sean, ein einfacher Bauarbeiter, bricht zusammen. Sein Leid kippt um in Gereiztheit, nach Jahren der Abstinenz trinkt er wieder. Beide werden grob und gemein, haben Affären. Sean ausgerechnet mit Marthas Cousine, die als Rechtsanwältin für das Paar die Hebamme anklagen will.

Der Darstellerpreis für Vanessa Kirby in Venedig verdankt sich wohl dem Leiden ihrer Figur, gestaltet von Mundruczós langjähriger Autorin Kata Wéber. Shia LeBeouf („Transformers", „Lawless") ist hinter dichtem Vollbart in einer sehr guten ernsten Rolle zu erspüren. Während der Gatte vor allem in der eigenen Weinerlichkeit verschwindet, ist die dominante Mutter die interessantere Gegenspielerin Marthas: Elizabeth, die eine brutale Kindheit in Holocaust und Getto erlebte, führt pragmatische Härte ohne Selbstmitleid vor.

Seit vielen Jahren dreht Kornél Mundruczó immer wieder faszinierende Filme. Vor seinem ersten Erfolg, dem betörend poetischen Drama „Delta" (2008), gab es das Musical-Melodram „Johanna" (2005) um eine wundersam mit ihrem Körper heilende Krankenschwester im Stile Lars von Triers. Die Hunde-Oper „Underdog" (White God, 2014) wurde in Cannes mit dem „Prix Un Certain Regard" ausgezeichnet. In „Jupiter's Moon" (2017)  gab es einen erschossenen Flüchtlings-Jungen, der statt zu sterben, plötzlich schweben kann.

Kornél Mundruczós erster Film in Englisch, bei dem Martin Scorsese als ausführender Produzent mitwirkte, fällt überraschend konventionell aus: Nichts wirklich Wunderbares oder Wunderliches geschieht hier. „Pieces of woman" ähnelt in Stil und Stimmungslage Noah Baumbachs beklemmend realer Trennungs-Geschichte „Marriage Story". Nur die über Monate immer wieder gezeigte, im Bau fortschreitende Flussbrücke in Boston macht etwas Hoffnung auf eine Wiedervereinigung des Paares nach frostiger Winterzeit. Martha taut tatsächlich auf und trifft eine folgenreiche Entscheidung. Am Ende wird „Pieces of woman" dann sogar noch Gerichtsfilm, aber nur um zu erkennen, dass Anklagen oder Entschädigungen nicht den Verlust eines Kindes aufwiegen können.

„Pieces of a Woman" (Kanada, Ungarn, USA 2020), Regie: Kornél Mundruczó, mit Vanessa Kirby, Shia LaBeouf, Ellen Burstyn, 126 Min., FSK: keine Angabe

11.1.21

One Night in Miami / Amazon Original (ab 15. Januar)


Was haben Muhammad Ali, Malcolm X, Sam Cooke und der Football-Star Jim Brown gemeinsam? Sie waren alle populäre Afroamerikaner und hätten sich im Februar 1964 in einem Motel in Miami treffen können. Auf der Basis gleichnamigen Theaterstücks von Kemp Powers inszeniert die Schauspielerin Regina King einen fiktiven Abend mit intensiven Gesprächen über den besten Weg, die Unterdrückung der Schwarzen zu beenden. Cassius Clay (Eli Goree), der mit Unterstützung von Malcolm X (Kingsley Ben-Adir) dabei ist, der bekennende Moslem Muhammad Ali zu werden, hat gerade den Schwergewichts-Titel gewonnen. Im Motelzimmer des angefeindeten Politikers gibt es zur Enttäuschung des Hit-Sängers Sam Cooke (Leslie Odom Jr.) keine Party, sondern bald Streit. Der Sport-Superstar Jim Brown (Aldis Hodge) wird von den Freunden verlacht, weil er stolz einen Western-Held spielen will, aber schon nach der Hälfte des Films sterben soll. Cooke prügelt sich mit Malcolm – seine Songs könnten der schwarzen Bürgerrechtsbewegung helfen, bleiben aber belanglos.

Mit intensiven Dialogen und gutem Schauspiel kann die handlungsarme Theaterverfilmung „One Night in Miami" interessieren. Mehr als im aufgeladenen Keller-Kammerspiel „Ma Rainey's Black Bottom" geht es um heutige Diskussionen statt um historische Einblicke. Will man unauffällig das Geschäft des Weißen Mannes übernehmen (Cooke verkaufte die Rechte zu „It's all over now" an die Rolling Stones) oder öffentlich fordern und damit zum Ziel von Anschlägen werden? In vielen Details und Nuancen spinnt das Spiel seine Gedanken - ein Jahr bevor Malcolm ermordet wird.

„One Night in Miami" (USA 2020), Regie: Regina King, mit Kingsley Ben-Adir, Aldis Hodge, Leslie Odom jr., Eli Goree, 114 Min., FSK: keine Angabe

American Gods – Staffel 3 / Amazon Prime Video


Internet, Facebook, Tinder ... Neue Götter bekommen immer mehr Einfluss in Amerika. Derweil darben Göttin der Liebe, Götterboten und vor allem der alte Gott-Vater Odin. Der Toten- und Kriegsgott bereitet in seiner menschlichen Form Mr. Wednesday (Ian McShane) mit alteingessenen KollegInnen den Kampf gegen die Neureichen vor. Wichtigste Figur dabei sein Sohn Shadow Moon (Ricky Whittle), der nach zwei fantastischen Staffeln zwar das Mythische um ihn herum akzeptiert, aber immer noch nicht mitmachen will.

„American Gods" bleibt in der 3. Staffel eine außergewöhnlich intensive Geschichte. Vom Hardrock-Konzert zu Ehren Odins bis zur Warteschleife von Shadows untoter Frau Laura Moon (Emily Browning) im irre ausgestatteten Fegefeuer sprudeln die Folgen nur so vor ausgefallen Ideen und Umsetzungen. Die Sammlung von alten Göttern der Einwanderer wird um einen indigenen (Graham Greene) erweitert. Der nicht gut auf Wotan zu sprechen ist, weil dessen Wikinger einst Indianer blutig massakrierten.

Neil Gaiman, der Schöpfer dahinter, gehört zu den interessantesten Autoren unserer Zeit: Der vielseitige Schreiber von Kinderbüchern („Coraline") und mysteriösen Geschichten („Good Omens", Amazon Prime) bereitet gerade sein nächstes Riesen-Projekt vor: Die 75-teilige, 2000-seitige Comic-Geschichte „The Sandman" wird endlich verfilmt. Derweil erlebte der Roman „American Gods" bei Staffel 3 einen erneuten Leitungswechsel hinter den Kulissen. Das ist der aufwändigen Produktion mit lebendiger Kamera und hochwertigem Produktions-Design nicht anzusehen. Aber die Geschichte verliert sich auf dem Weg zur vierten Staffel in zu vielen Details.

Die dritte Staffel von American Gods startete am 11. Januar bei Amazon Prime Video mit wöchentlich neuen Episoden.

„American Gods", Staffel 3 (USA 2021), Regie: Jon Amiel u.a., mit Ricky Whittle. Ian McShane, Emily Browning, Pablo Schreiber, zehn Folgen à 55 Min., FSK: keine Angabe


7.1.21

Asphalt Burning / Netflix

Aus Norwegen kommt mit Geschwindigkeitsüberschreitung und CO2-Verschwendung die Raser-Komödie „Asphalt Burning". Recht übersichtlich angelegt, gibt es bemerkenswert viele Auftritte deutscher Gesichter und Landschaften auf dem Weg zum Nürburgring-Finale. In abgelegenen Fjörd-Tälern herrschen noch seltsame Sitten: Der etwas ältere Autofahrer Roy (Anders Baasmo Christiansen) muss mit seinem gelben Proleten-Mustang ein Rennen gewinnen, um seine Verlobte Sylvia (Kathrine Johansen) heiraten zu können. Der abgemachte Spaß unter Freunden wird problematisch, als die Deutsche Robin (Alexandra Maria Lara) mit ihrem Porsche als Erste ankommt. Zudem hatte sie schon mal was mit Sylvia und mit dem besoffenen Roy am Abend zuvor geknutscht. Der bekommt eine zweite Chance – auf dem Nürburgring. Der Road-Trip dorthin wird aufgelockert von einem Sarg im Leichenwagen des irren Mechanikers, Hamburger Mustang-Killern (Henning Baum, The BossHoss), hilfreichen Schraubern (Kostja Ullmann), der leibhaftigen Schlagersängerin Wencke Myhre und einer rasenden Autobahnpolizei (Milan Peschel, Peter Kurth).

Raserei im öffentlichen Raum - der „Spaß", bei dem immer wieder Unbeteiligte umgebracht werden. Ebenso deplatziert wie Alexandra Maria Lara als Raserin in Lederjacke. Aber bei den anderen deutschen Besetzungen geriet diese komödiantische Fehlzündung so überzogen, dass man lachen muss: Vor allem Milan Peschel gibt derb Humor-Vollgas.

6.1.21

Lupin / Netflix


Omar Sy fegt im Louvre vor der Mona Lisa den Staub der Touristen weg. Der französische Superstar als Reinigungskraft? Bei der fünfteiligen Serie „Lupin" ist nichts, was es scheint. Denn Assane Diop (Omar Sy) war von Kindesbeinen an Fan des Roman-Meisterdiebs und Gentlemans „Arsène Lupin". Nun benutzt er dessen Inspiration und Anagramme des Namens, um das berühmte „Collier de la Reine" zu stehlen. Das Schmuckstück hat eine lange Geschichte, war im Besitz von Königin Marie Antoinette und Napoleons Gattin. In die jüngere Geschichte ist auch Diop verwickelt, denn sein Vater, ein herzensguter Chauffeur, wurde einst des Collier-Diebstahls beschuldigt und erhängte sich im Gefängnis. Nun versucht der neue Meisterdieb, den geliebten Vater zu rächen.

Showrunner George Kay („Killing Eve", „Criminal") und François Uzan legen mit „Lupin" einen „ziemlich besten" Neustart der alten Detektiv-Romane hin. Mit der Aufklärung der Vergangenheit sind in jeder Folge spannende kleine Heist-Geschichten verbunden. Der Raub eines Colliers aus dem Louvre während einer Gala reiht sich in weitere Pariser Sehenswürdigkeiten wie Eiffelturm, Seine und Omar Sy. Sein Assane kann gewinnendes Lächeln und Taschenspielertricks oft einsetzen, nutzt aber vor allem immer wieder die Verkleidung kleiner, mieser Jobs, um ungesehen zu bleiben. Denn, durchaus kritisch auf Rassismus hinweisend, betont „Lupin", dass farbige Putzkräfte oder Fahrrad-Boten, die Essen ausfahren, immer übersehen werden. So ist die Serie mit durchgehender Geschichte und mehreren Raub-Episoden auch durch die Hauptfigur des klugen Meisterdiebes und Wohltäters eine positive Erscheinung.

„Lupin" (Frankreich 2021), Regie: Louis Leterrier, Marcela Said, mit Omar Sy, Ludivine Sagnier, Hervé Pierre, Nicole Garcia, fünf Folgen à 45 Min., FSK: keine Angabe

5.1.21

The Stand / Amazon Prime Video


 
„Up and running - If that is what got us here, I think it's high time we try 'down and standing still'"

Wer noch nicht genug Pandemie hat, kann das Ganze in der Serie „The Stand" mit einer deftigen Portion Stephen King genießen: Ein leichtes Husten, ein Niesen und das Ende ist nah! Innerhalb weniger Tage hat ein Virus fast die ganze Menschheit hingerafft. Das letzte Prozent ist damit beschäftigt, die Leichen mit den massiv aufgequollenen Hälsen zu begraben. Im besten Falle. Andere irren plündernd durch New York oder wollen sexuelle Perversionen an legendären Sportstätten ausleben. Und um es den Verschwörungs-Paranoikern noch mal zu geben, stammt das Virus namens „Captain Trips" selbstverständlich aus einer militärischen Forschungseinrichtung.

Unter der kleinen Gruppe Überlebender werden einige in Träumen von der 108-jährigen Mother Abagail (Whoopi Goldberg) mysteriös nach Boulder, Colorado, gerufen. Der etwas unheimlich und peinlich seiner ehemaligen Babysitterin Nadine Cross (Amber Heard) hinterher schwärmende Harold, rettet sie vor dem Selbstmord – nachdem sie ihre ganze Familie beerdigt hat. Zusammen machen sie sich auf die Suche nach einer Siedlung Überlebender, wobei der Möchtegern-Schriftsteller von Horror-Geschichten (ein junger King?) überall dramatische Botschaften an die Wände sprüht. Der Musiker Larry Underwood (Jovan Adepo), der gerade den Durchbruch geschafft hat, muss seine eigene Drogensucht und New York überstehen, bevor er zu Abagail kommt. Der gutmütige Stu Redman (James Marsden) hat das erste Opfer des Virus retten wollen und trotzdem keine Anzeichen von Erkrankung. Deshalb wird er zuerst Versuchskaninchen fürs Militär und dann pragmatischer Anführer der Gruppe um Abagail. In Rückblenden sehen wir, wie Stu es nach Boulder geschafft hat. In der Gegenwart jagt er Rehe, die im Gegensatz zu Hamstern das Virus überlebt haben und organisiert die Neuankömmlinge. Unter denen ist der taubstumme Nick Andros (Henry Zaga), den die weise Anführerin zu ihrem Sprecher macht – was selbstverständlich sehr irritiert. Andere treffen in ihren Träumen auf den dämonischen Randall Flagg (Alexander Skarsgård), den „Dunklen Mann". Diese bekannte King-Figur sammelt ihre Mannschaften in Las Vegas für den Kampf Gut gegen Böse. Er hat auch schon Verräter in Abagails Gemeinschaft platziert.

Wenn die Reinigung-Truppen eine Kirche voller Leichen finden, erinnert das an aktuelle Infektionsherde unter Gläubigen. Sieben Milliarden Tote und kein Strom, also kein Netflix! Das scheint keine ideale Unterhaltung während einer Pandemie zu sein. Doch gut gezeichnete und gespielte Figuren sowie ein geheimnisvoller Hintergrund halten in den ersten Folgen das Interesse hoch. Vom Ende der neuen Serie, das von Stephen King persönlich überarbeitet wurde, lässt sich noch nicht berichten, da die Presse nur einige Folgen sehen durfte. In denen werden erstmal die Figuren gesammelt und die Fronten angedeutet.

Die Verfilmung des 800-Seiten-Schmöckers von King als Horror zu bezeichnen, scheint übertrieben: Grusel und Ekel von „The Stand" leben von viel Maske. Für die gab es schon 1994 einen Emmy bei einer gleichnamigen Miniserie. Die Aufstellung für den Kampf Gut gegen Böse erinnert nicht nur an Neil Gaimans Serie „American Gods", die nächste Woche mit der dritten Staffel fortgesetzt wird. Gegen diese ausbündige Fantasy kommt Kings alter Schinken nicht an. Doch einige gute Songs und vor allem die scheinbar prophetischen Elemente (Suche nach dem Impfstoff!) heben „The Stand" aus der Masse katastrophaler und post-apokalyptischer Filme hervor. Mehr als die paar Schreckmomente schrecken solche Sätze auf: „Die Welt ist jetzt ein weißes Blatt und wenn wir nicht alle zusammenarbeiten, werden wir nicht in der Lage sein, ein neues Kapitel zu schreiben."

„The Stand" läuft seit dem 3. Januar auf Starzplay bei Amazon Prime. Neue Episoden gibt es jeden Sonntag.

„The Stand" (USA 2020), Regie: Josh Boone u.a., mit James Marsden, Whoopi Goldberg, Alexander Skarsgård, Amber Heard, Greg Kinnear, 9 Episoden á 60 Min., FSK: keine Angabe