31.8.11

Begeisternde Eröffnungsfilme in Venedig

„Die Iden des März" von Clooney

Venedig. Wäre dieses Filmfestival ein politisches Wettrennen, die Gegner hätten durch den Auftakt von George Clooney eine schmerzliche Niederlage erlitten und würden in den Meinungsumfragen weit hinten liegen. „Die Iden des März", der Eröffnungsfilm der 68. Biennale Venedigs, präsentiert unter der Regie des Hollywood-Stars einen spannenden Politthriller, bei dem am Ende alle verlieren. Auf dem Roten Teppich, der unter all dem anderen Knallrot des Festival-Designs gar nicht richtig auffällt, wurde die komplette Starriege des Film mit George Clooney, Ryan Gosling, Paul Giamatti (Tom Duffy), Philip Seymour Hoffman, Marisa Tomei und Evan Rachel Wood erwartet.

Spannung herrschte bereits vor dem Film, der wie die 65 anderen Venedig-Starter eine Weltpremiere ist! Schon 2008, mit der skurillen Agenten-Komödie „Burn after Reading", durfte Clooney den Eröffnungsfilm in Venedig stellen. Seine vierte Regiearbeit ist moral-politisch, so wie vor sechs Jahren in "Good Night, and Good Luck" medien-politisch war.

Erzählt wird von den Vorwahlen zur US-Präsidentschaft, bei der in Ohio eine Entscheidung unter den beiden letzten demokratischen Kandidaten fallen soll. Es ist aber auch das Duell der Wahlkampf-Manager, die durch Paul Giamatti und Philip Seymour Hoffman wie der ganze Film großartig besetzt sind. Stephen Myers (Ryan Gosling), ein Frischling unter diesen alten Hasen, glaubt ein Idealist zu sein und kämpft voller Engagement für seinen Kandidaten, den fortschrittlichen, toleranten, ja fast grünen Gouverneur Mike Morris (Clooney). Aus der ruhigen Erzählung mit vielen Internas der „War Rooms" entwickelt sich ein moralisches Trauerspiel, als Stephen einerseits ein unmoralisches Angebot der Gegenseite erhält, er aber auch von seiner schmierigen Seite seines Idols hört. Mittendrin steckt die Praktikantin Molly (Evan Rachel Wood).

Als Hauptattraktion holte sich der unfehlbare Überstar Clooney selbst vor die Kamera, hält sich aber bei der Leinwand-Präsenz zurück. Unterstützt haben ihn Clooney als Co-Produzent und Clooney als Co-Drehbuchautor. Wem dies zuviel Stargetue ist, darf sich im Film über einen Tyrannenmord im übertragenen Sinne freuen: Der Titel „Die Iden des März" (The Ides of Mars) referiert auf den 15. März im Jahre 44 - vor Christus. An diesem Tag wurde Julius Cäsar bei einer Senatssitzung ermordet. Wie gut, dass Clooneys Figur des Gouverneurs Mike Morris mit Ryan Gosling junger, aufstrebender Star zur Seite gestellt wurde, der sich für keine Intrige zu schade ist. „Auch du mein Sohn, Stephen!?", könnte ein guter Schlusssatz sein.

„Die Iden des März" basiert auf dem Theaterstück „Farragut North" von Beau Willimon, in dem es um die Präsidentschafts-Vorwahlen des Jahres 2004 geht. Der Film wird in Deutschland am 22. Dezember ins Kino kommen - am Ende des Superwahl-Jahres.

Als zweiter Eröffnungsfilm stellte Festivaldirektor Marco Müller der klugen und für Aufrichtigkeit kämpfenden Unterhaltung von Clooney ein großes Stück Kino-Kunst gegenüber.

An sich ist es ein seltsames Ding mit diesen Filmfestspielen, die sich in sicherer Entfernung vom wuseligen Freizeitpark des touristischen Venedigs am Lido ausbreiten. Von der bildenden Kunst der Biennale - die zwischendurch auch auf Architektur und auf Tanz macht - kommt nichts über die Lagune. Es liegt vielleicht am Preis der Überfahrt (aktuell: € 8,50), dass sich keiner zur anderen Kunst bewegt. Die siebte Kunst bewegt sich selbst und ihr Publikum ja gerade während man äußerlich unbewegt im Kinosessel hängt.

Bewegend war es, wie Victor Kossakovky in seiner Doku „Vivan les Antipodas" die Welt auf den Kopf stellte: Vier Paare exakt gegenüber liegender Orte dieser Erde - Antipoden - porträtierte. Von einer Furt in Argentinien, die von zwei verschrobenen Brüdern gewartet wird, zur wuseligen Metropole Shanghais, von Ameisen auf einem spanischen Fels bis zu einem gestrandeten Wal in Neuseeland - der Saal explodierte fast vor so viel genial antipodisch montierter Welt. Die „Mostra" hat begonnnen!

29.8.11

Roller Girl

USA 2009 (Whip It!) Regie: Drew Barrymore mit Ellen Page, Marcia Gay Harden, Kristen Wiig, Drew Barrymore, Juliette Lewis 110 Min. FSK ab 12

Drew Barrymore spielt selber mit Halskrause oder gebrochener Nase mit und verbreitet mit jeder Pore ihres Films richtig viel Spaß. Bei den rasanten Roller-Runden glaubt man, mittendrin zu sein. Die Emanzipations-Geschichte wird von Ellen Page glaubwürdig und kitsch-frei gespielt. Auch ansonsten stimmt alles, in den Nebenrollen, in der Liebesgeschichte und sogar in den ohne großen Aufwand gespielten Wettkampf-Momenten. Die geistige Fortsetzung von „Little Sunshine" bietet eine in Inszenierung und Roller-Rollen-Modell eine erfreuliche Abwechslung von der Hollywood-Norm.

Venedig 2011 Vorschau

Venedig. Die „Mostra" Venedigs feiert Film und eine ganze Menge guter Bekannter kommen vorbei. Wenn morgen die 68. Filmfestspiele von Venedig auf dem Lido der Lagunenstadt eröffnet werden, startet tatsächlich wieder eine eindrucksvolle Vorstellung des aktuellen Weltkinos. Und ein Tänzchen der Weltstars: George Clooney, Dauergast und mit seinem Anwesen am Comer See fast Nachbar, bringt seine neue Regie-Arbeit „The Ides of March" als Eröffnungsfilm mit. Später werden unter vielen anderen Al Pacino, Madonna und auch Christoph Waltz erwartet. Der Oscar-Sieger aus Österreich spielt im neuen Polanski „Gott des Gemetzels" („Carnage") an der Seite von Kate Winslet, Jodie Foster und John C. Reilly.

Waltz und die anderen Weltstars
Es sind die ältesten Filmfestspiele der Welt, was man ihren Gebäuden auch ansieht. Doch unter starker Konkurrenz von Rom in Italien und Toronto im Terminkalender, kann die „Mostra del Cinema" wieder mit einem Programm aufwarten, dass nur von Cannes in den Schatten gestellt wird. Neben Roman Polanski, der in „Gott des Gemetzels" das (im Hausarrest fertig gestellte) Kammerspiel zweier Elternpaare aufzieht, deren Söhne miteinander gekämpft haben, startet auch der Kanadier David Cronenberg mit der Verfilmung eines Theaterstücks. Sein mit Keira Knightley, Viggo Mortensen und Michael Fassbender prominent besetztes und teilweise in Nordrhein-Westfalen mit Förderung der Filmstiftung entstandenes Historienstück „Eine gefährliche Methode" basiert auf dem Drama „Die Methode" des britischen Autors Christopher Hampton und ist ein Psycho-Drama im wahrsten Sinne des Wortes: Knightley spielt eine Frau zwischen den beiden Psychologen Sigmund Freud und Carl Jung kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges.

22 Filme gehen vom 31. August bis zum 10. September ins Rennen um den Goldenen Löwen von Venedig. Die USA ist mit fünf Filmen stark vertreten, doch die zeigen alles andere als Hollywood-Stil. Auch der asiatische Film wird vom fließend chinesisch parlierenden Festivaldirektor Marco Müller wieder in den Fokus gerückt. Die Herkunft des „Überraschungsfilms" - eine Marotte Müllers - ist logischerweise noch unbekannt.

Madonna macht auf Skandal
Schon am Donnerstag erwartet die Biennale das nächste Kreischgewitter, das die Pfahl-Festen des alten Insel-Staates erschüttern wird: Madonna zeigt außerhalb des Wettbewerbs ihre zweite Regie-Arbeit. „W.E." ist die herrliche Skandalgeschichte um die Bürgerliche Wallis Simpson, die im Jahr 1936 dem englischen König Edward VIII. den Thron kostete.

Der deutsche Film ist gut vertreten, er wird es aber mangels federführend deutsch produzierter Starter im Wettbewerb nicht dem teutonischen Pavillon nachmachen, der in Sichtweite auf der anderen Seite der Lagune liegend, den Goldenen Löwen der (Kunst-) Biennale erhielt. Neben „Gott des Gemetzels" von Polanski und „Eine gefährliche Methode" von Cronenberg sind drei weitere einheimisch Koproduktionen im Wettbewerb. Mit Spannung erwartet wird auch die Premiere von Romuald Karmakars „Die Herde des Herrn" im Wettbewerb der Nebensektion Orizzonti (Horizonte) und Jessica Krummachers „Totem" in der Settimana della Critica.

Beständig halten sich Gerüchte, dass Festivalleiter Marco Müller, dessen Vertrag ausläuft, zum (neu-)reichen, aber weniger kunstgesinnten Festival Roms wechseln wolle. Dass der neue Festivalpalast auf dem Lido nicht wie angekündigt in diesem Jahr fertig wird, ist kein Gerücht und unübersehbar. Eine riesige Baulücke klafft mitten im Festivalgelände, stört jeden und alles. Wann hier jemals was fertig wird, wagt kaum noch jemand zu prognostizieren. Die Aussichtslosigkeit drückt sich noch in der Renovierung des alten Palastes aus. Gleichzeitig sitzt der „Mostra" Toronto im Nacken. Einige Festivalgäste werden schon früher abreisen, da es in Kanada bereits am 8. September losgeht und auch das dortige Programm kann sich sehen lassen. Die alte Dame unter den Filmfestivals wird wieder einmal glänzen, kann aber auch die Vergänglichkeits-Klischees nicht loswerden.

26.8.11

Mein bester Feind

Österreich, Luxemburg 2010 Regie: Wolfgang Murnberger mit Moritz Bleibtreu, Georg Friedrich, Ursula Strauss, Uwe Bohm, Marthe Keller, Udo Samel 109 Min.

Hat es etwas mit den immer häufiger werdenden Kriegseinsätzen der Bundesrepublik (nach Afghanistan, nun Libyen) zu tun, dass Kriegsfilme immer harmloser werden? „4 Tage im Mai" erzählt weitgehend schreckensfrei aus der Perspektive eines Kindes von den letzten Kriegstagen. Regisseur Wolfgang Murnberger (Der Knochenmann, 2009) lässt eine halbe Familie im KZ umkommen und macht sich einen Spaß daraus. Das ist jetzt sehr verkürzt dargestellt, aber genauso grob verfährt ja „Mein bester Feind" selbst.

In „Jud Süss - Film ohne Gewissen" polterte er den Joseph Goebbels. Nun ist Moritz Bleibtreu „der Jude", der Sohn eines reichen Kunsthändlers im Wien der Dreißiger. Unbedarft genießt Viktor Kaufmann das Leben, trotz erster Judensterne im Straßenbild. Der Vater vertraut auf Geld und Beziehungen doch die Schlinge zieht sich zu, als ein verschollener Michelangelo mit einem Moses-Motiv (Bedeutung!) auftaucht. Ausgerechnet Rudi (Georg Friedrich), der wie ein Bruder aufgenommene Sohn der Hausbesorgerin, verfällt auf Neid den Nazis und versucht für einen hinterhältigen deutschen Kunstraub-Offizier (Uwe Bohm) des Bildes habhaft zu werden. Der Jugendfreund schmückt sich nun mit SS-Uniform und rassistischen Sprüchen. Die versprochene freie Ausreise für das Bild, das Hitler dem Duce schenken will, erweist sich als Lüge, die Hoffmanns kommen ins KZ.

Doch auch die Zeichnung erweist sich als Fälschung, da Viktors Vater schon im Lager gestorben ist, behauptet der unwissende Sohn, er könne die Nazis zum Versteck des Originals führen. Wenn sie seine Mutter freilassen. Ausreise und versuchte Flucht in die Schweiz geraten tatsächlich etwas im Stile von Jäger des verlorenen Schätzchens, doch der Flieger wird über Polen abgeschossen. Viktor rettet Rudi, tauscht dann aber seine Häftlings- gegen dessen SS-Uniform und muss nun - mehr schlecht als recht - Kasernenton, Judenhass und Menschenverachtung an den Tag legen. Das wird nicht die letzte Volte des Films gewesen sein, eine Liebesgeschichte kommt auch noch hinzu. Doch selbst Bleibtreu und der in seiner einseitigen Rolle anständige Georg Friedrich können das Interesse an diesen Figuren und dieser Geschichte nicht aufrecht erhalten.

Die Konzentrationslager werden fast komplett ausgeblendet und auch die Komödie bleibt oberflächlich, geht nicht zu tief unter die Haut der Figuren und der Zuschauer. Rudi ist und bleibt dumm. Viktor mal verzweifelt, immer raffinierter, aber auch irgendwie unbeteiligt. Wie - genau: Das Publikum. Die Kostüm-Klamotte um Meisterwerke ist selbst keines. „Mein bester Feind" schafft es, KZs, Holocaust und Weltkrieg fast völlig zu vergessen.

Le Havre

Finnland, Frankreich, BRD 2011 (Le Havre) Regie: Aki Kaurismäki mit André Wilms, Kati Outinen, Blondin Miguel, Jean-Pierre Darroussin, Elina Salo 93 Min.

Der Blick auf die Schuhe der Menschen sagt ihm viel, dem Mann, der lange auf der Straße gelebt hat und nun dort Schuhe putzt. Marcel Marx (André Wilms) ist ein Philosoph, der als Schuhputzer arbeitet. Denn „nirgends anders ist man den Menschen so nah". Nie hat er Geld, wohnt aber in einem freundlichen Viertel, einem alten Märchenbuch-Frankreich, mit einer herzlichen Frau (Kaurismäkis Madonna Kari Outinen), großzügigen Händlern und liebevollen Wirtinnen. Dann bricht aber die Realität von heute in diese Welt mit Citroen DS an der Straße und Plattenspielern in den musealen Wohnzimmern. In einem Container werden schwarzafrikanische Flüchtlinge gefunden. Kaurismäki, der ansonsten keine Sekunde zu lange in der Szene bleibt und keine Szene zuviel im Film hat, lässt diese Gesichter lange in die Kamera schauen. Dann kann, wieder typisch ökonomisch, der junge Idrissa fliehen und bei Marcel Unterschlupf finden. Die Versuche der Gemeinschaft des Viertels, das Kind zu seiner Mutter nach London zu schmuggeln, zeugen von einfacher Solidarität, die keine Fragen stellt. Und einen durchaus tages-politischen Gegensatz zur Europäischen Gemeinschaft darstellt.

Wie Kaurismäki das erzählt ist unvergleichlich - im Vergleich zu seinen eigenen Werken erstaunlich sogar leicht und einfach pures Kino-Glück! Der nach Portugal ausgewanderte Finne Aki Kaurismäki bastelt mit bekannten Figuren und Stilen ein Meisterwerk der Reduktion. Trotzdem ist „Le Havre" voller kleiner Preziosen: Seien es die Darsteller, die wie eine Fortsetzung von „La vie de Boheme" (André Wilms) spielen oder von „I hired Contract Killer" (Jean-Pierre Leaud). Ein besonderer Genuss ist der ganz schwarz gekleidete Kommissar Monet (Jean-Pierre Darroussin), scheinbar ein harter Knochen, dann eine tragische Witzfigur, wenn er mit einer Ananas in der Hand bei der Wirtin einkehrt, deren Mann er verhaftete. Doch schließlich zeigt sich hinter dem weiterhin grimmigen Gesicht das gute Herz. Die Namen schwelgen in französischer Kultur, die Lieder vom Tango bis zum französischen Alt-Rocker. Zwischendurch ein passendes Dada-Zitat von Truffaut: „Wer auf Island zischt ein Bier, wird zur Elfe im Geysir." Die Dialoge sind Poesie, die Bilder in ihren reinen Farben herrliche Retro-Orgien, da bleibt sich der wortkarge Finne treu. Was fehlt ist die auch bekannte Melancholie des Finnen, der wie seine Figuren wohl immer ein Glas zuviel trinkt. Sie hat der frische Atlantikwind weggeweht. Es bleibt eine Perle von Film, ein in lakonischer Reduktion erstrahlendes Meisterstück. Obwohl Arletty im Krankenzimmer 13 behandelt wird und Sozial-Pessimismus verströmt - „in meiner Nachbarschaft keine Wunder" - schenkt uns Kaurismäki schließlich auch noch ein Wunder in der Geschichte - zum Wunder dieses Films.

Conan

USA 2011 (Conan the Barbarian) Regie: Marcus Nispel mit Jason Momoa, Rachel Nichols, Stephen Lang 113 Min.

Dass Conan ein aufgewecktes Jüngelchen ist, zeigt sich als er beim Sackhüpfen und Eierlaufen nicht nur mit unbeschadetem Ei zurück kommt, sondern direkt ein paar Köpfe eines gegnerischen Stammes heimbringt. Der rottet allerdings bald die eigenen Anverwandten aus, so dass ein simples und dummes Rache-Filmchen seinen rustikalen Weg gehen kann.

In Kostüm und Erzählung so gotisch wie ein Wohnzimmerschrank „Eiche Massiv" und blutig wie der Putzeimer vom Schlachthof - genau das erwartet man vom deutschen Regie-Export Marcus Nispel. Die Qualitäten des ehemaligen Frankfurters, der sich mit Musikvideos und Horror-Remakes („Freitag der 13.", „Texas Chainsaw Massacre") ein Standing in Hollywood erarbeitet hat, zeigen sich wieder darin, dass er alles brutaler und blutiger macht als in den Originalen. Nur beim Hauptdarsteller könnte man diesmal unmännliche Schwäche vermuten: Jason Momoa, ein hawaiianischer Buddhist auf blutigem Film-Feld, verdingte sich als Modell bevor er in der Fernsehserie „Stargate: Atlantis" mitspielte. Ein männliches Modell oder ein strammer Bodybuilder aus Austria, wie Conan Schwarzenegger im Jahre 1982? Da wird das Ergebnis bei den Wahlen für den nächsten kalifornischen Governator eindeutig sein. Die einzige Entdeckung des Films liefert Wikipedia mit den Begriffen „Genre des Barbarenfilms" und „Low-Fantasy-Film". „Low" - auf deutsch: niedrig - ist so einiges im Barbaren-Gefilde.

Westwind

BRD, Ungarn 2011 Regie: Robert Thalheim mit Friederike Becht, Luise Heyer, Franz Dinda, Volker Bruch 90 Min.

Zwei angehende Leistungssportlerinnen aus der DDR dürfen 1988 zum Sommertraining an den ungarischen Balaton. Die Begegnung mit zwei Urlaubern aus Hamburg entzweit die Zwillingsschwestern. Die eine verliebt sich, angesichts der Kindergarten-Camping-Party ist die Verführung durch ignorante Wessis mit aktueller New Wave-Musik sehr stark.

Robert Thalheim, der 1974 in Westberlin geboren wurde und in den USA zur Schule ging, blickt thematisch erneut zurück. „Westwind" basiert auf den authentischen Erinnerungen der Produzentin Susann Schimk. Sehr schöne und symbolische Aufnahmen, glaubhafte Atmosphäre und das vor allem bei den „Zwillingen" (Friederike Becht, Luise Heyer) bemerkenswerte Schauspiel machen auch diesen Thalheim zu einem der besseren deutschen Filme.

24.8.11

How I ended this summer

Russische Föderation 2010 (Kak ya provel etim letom) Regie: Alexei Popogrebsky mit Grigory Dobrygin, Sergei Puskepalis 124 Min.

Es sieht fast aus wie Urlaub: Irgendwo hinter am Polarkreis steht eine einsame russische Wetterstation an der Küste, mitten in einem Übermaß an Natur. Drinnen läuft das ewige Spiel von jung und alt ab. Der Praktikant Pavel Danilov vergnügt sich mit Ballerspielen, während der mürrische Chef Sergei Gulybin ihn ermahnt, niemals ohne Gewehr raus zu gehen, die Wetterdaten immer mit höchster Sorgfalt abzulesen und regelmäßig per Funk zu übertragen. Das muss auch klappen, weil der Alte sich noch frischen Lachs fangen will, in einer Bucht etwas mehr als einen Tag von der Station entfernt. Jetzt ziehen die Schwärme vorbei. Und während Pavel übermütig in wilder Natur rumturnt, sind die Gefahren mannigfaltig. Irgendwo ist ein Bär da draußen, die radioaktive Energie-Quelle strahlt in extremer Dosis.

Während Sergei unterwegs ist, empfängt der Junge die dringende Nachricht eines schweren Unfalls von Sergeis Frau und Tochter. In Panik weiß er nicht, was er tun soll, scheitert darin, den Chef zu finden und schließlich gibt er die Meldung nicht mal nach dessen Rückkehr weiter. Mit Sabotage des Funkgerätes und hanebüchenen Lügen verhindert er den Kontakt zur Außenwelt, gräbt sich immer tiefer in sein Dilemma. Als die Wahrheit ans Nordlicht kommt, eskalieren die Spannungen zwischen den Männern. Pavel fürchtet um sein Leben, flieht zu einer verlassenen Hütte und kämpft nun gegen mächtige Natur sowie einen schwer einzuschätzenden Gegner. Dabei spielt die Isolation eine starke Rolle und provoziert zu wahnsinnigen Handlungen.

Der russische Polarpsycho „How I ended this summer", der 2010 im Berlinale-Wettbewerb startete, fasziniert vor allem durch seine Landschafts-Szenerien. Alles hier wirkt gewaltig und atemberaubend. Nur die Warnungen Sergeis machen anfangs deutlich, dass dies kein Urlaub ist. Der Sound der Funkstatik zerrt ebenso an den Nerven wie die Einsamkeit. Aus dieser emotionalen Herausforderung entwickelt sich langsam die Spannung des Natur-Thrillers. „Shining" flammt auf, die Bedrohung erwächst hier nicht aus Übersinnlichem, sondern aus den verschlossenen Protagonisten selbst. Die eskalierende Action arbeitet geschickt mit den Extrem-Bedingungen des arktischen Settings. In diesem Wahnsinn des Lagerkollers einer speziellen Männer-WG leidet auch etwas die Logik der Erzählung. Doch viele packende Szenen und eine einzigartige Atmosphäre machen „How I ended this summer" sehenswert.

Die drei Musketiere (2011)

Großbritannien, BRD, Frankreich, USA 2011 Regie: Paul W.S. Anderson mit Logan Lerman, Milla Jovovich, Matthew MacFadyen, Ray Stevenson, Luke Evans ca. 120 Min.

Die alte Geschichte von Dumas revampt, aufgehübscht und in Details radikal modernisiert: „Die drei Musketiere" jetzt neu mit verbesserter Waschkraft! Doch im Gegensatz zu Persil & Co. war dieses Action- und Abenteuer-Paket schon mal besser.

Der junge Heißsporn D'Artagnan (Logan Lerman) stürmt vom Lande nach Paris, um Söldner zu werden. Statt Bewunderung seiner Fechtkunst erntet zuerst sein Gaul einen Strafzettel. Danach peppt D'Artagnan beim Gruppen-Fechten gegen Richelieus Schergen die altersmüden Musketiere Athos, Porthos und Aramis auf. Worauf sie umgehend mitten in einer Intrige um die Juwelen der Königin stecken.

Welche Fäden schneiden im 17. Jahrhundert scharf wie Laserstrahlen? Der laute, aber trotz 3D flache Mantel- und Degen-Epigone „Die drei Musketiere" spielt derartig mit anachronistischen Luftschiffen und anderen Scherzchen rum, dass der Rest des Films seine Bodenhaftung verliert. Da fragt man sich nicht nur, wie fliegenden Fregatten eigentlich gegen jede Windrichtung gesteuert werden, auch ganz einfache Handlungselemente werden verschlampt. Paul W.S. Anderson treibt das Fantastische auf die Spitze. Wortwörtlich, wenn auf dem Höhepunkt des Spektakels sich während einer Luftschlacht über der Kathedrale von Notre-Dame die Kirchturmspitze durch die Schiffe bohrt. Die Schwertkämpfe sind in ihrer Übertreibung eher dem Kung Fu-Film anverwandt als dem Autor Dumas oder den fast ebenso alten Schwert- und Degenfilmen des alten Hollywood. Selbstverständlich ist auch so gut wie nie ein Tropfen Blut zu sehen, hier ist der zeitlose Film mal richtig altmodisch.

Gerade die unbekannten „Hauptdarsteller" der Musketiere bleiben erstaunlich blass und flach. Zu viel Effekthascherei drumherum lässt zu wenig Zeit für echte Figurenzeichnung. Deshalb ein lohnender Blick in die zweite Reihe: Milla Jovovich, Gattin des Regisseurs Paul W.S. Anderson („Resident Evil"), spielt als gerissene Verräterin M'lady de Winter eine Parodie ihrer üblichen Action-Rollen: Die Super-Spionin, Mata Hari in Versailles und London, zeigt nicht nur äußerlichen Reiz, sondern gleichzeitig Geheimagenten-Dress mit Rüschen und albernen Posen. Mads Mikkelsen hat wieder was am Auge (eine Klappe) und wirkt auch auf kleinem Raum in wenigen Szenen als Rochefort eindrucksvoll. Christoph Waltz sticht als Kardinal Richelieu hervor. Vielleicht, weil er wie in „Basterds" den Reiz des Bösen zelebriert, vielleicht aber auch nur, weil er sich selbst synchronisiert und so glaubhafter klingt als die anderen Garagen- und Retorten-Stimmen. Der König als Witzfigur lässt diese Wirkung noch wachsen.

Apropos Lokalpatriotismus: „Die drei Musketiere" von 2011 sind eine deutsche Produktion, was man vor allem merkt, wenn Til Schweiger kurz brüllend durch die Gegend rennt. Venedigs Paläste wurden in Babelsberg geflutet, Bayern spendierte einige Landschaften und alle Steuerzahler ließen sich den Spaß insgesamt über 11 Millionen Euro kosten. Da wird einem das privatwirtschaftlich finanzierte Hollywood gleich wieder sympathisch! Das 3D erfreut wieder mal hauptsächlich die Kinokasse, ebenso wie die völlig dreist angekündigte Fortsetzung. Aber Orlando Bloom (Herzog von Buckingham) braucht ja neue Beschäftigung auf den Schiffsplanken welche die Welt bedeuten, nachdem er bei den Piraten der Karibik ausgemustert wurde.

Kill the Boss

USA 2011 (Horrible Bosses) Regie: Seth Gordon mit Jason Bateman, Charlie Day, Jason Sudeikis, Jennifer Aniston, Colin Farrell, Kevin Spacey, Donald Sutherland, Jamie Foxx 98 Min.

Wenn sich eine schwarze Komödie an Danny DeVitos „Schmeiß' die Mama aus dem Zug!" ranhängt, der seinerseits schon Hitchcocks „Strangers on a train" parodierte, kann man ein Zug-Unglück erwarten, denn das klingt ähnlich albern wie ein Bahnmanager als Chef einer Luftfahrt-Linie. Doch die Komödie, die Hangover-Light sein will, bekommt dank guter Darsteller die meisten Szenen gut über die Runden.

Nick Hendricks (Jason Bateman), Dale Arbus (Charlie Day) und Kurt Buckman (Jason Sudeikis) sind Freunde und haben eines gemeinsam: Unerträgliche Bosse. Nick war schon immer extrem angepasster Bürohengst. Als erster da und als letzter nach Hause, zwischendurch lässt er sich bereitwillig vom gnadenlos zynischen Chef (Kevin Spacey, in „Margin Call" noch ein Bank-Boss mit Gewissen) zusammenstauchen. Dale hat bei seinem Chemie-Unternehmen Donald Sutherland als guten Boss. Bis sich dessen Herz verabschiedet und der ekelhafte Sohn (Colin Farrell) übernimmt. Nun soll Dale Schwangere und Behinderte entlassen, bevor er in der Dritten Welt Tausende vergiftet. Kurt wird als brav verlobter Zahnarzt-Assistent von seiner extrem sexistischen, lüsternen und eifersüchtigen Zahnärztin (Jennifer Aniston - als Witz tatsächlich gut) bedrängt. Weil er mal besoffen nachts auf einem Kinderspielplatz pinkelte, ist er verurteilter „Triebtäter" und erpressbar. Unter Lachgas-Betäubung wurden von ihm zudem obszöne Fotos gemacht.

Da hilft nur eines: Wir bringen uns gegenseitig die Chefs um! Wie bei „Fremder im Zug" - oder hieß der Film von DeVito doch irgendwie anders? „Kill the Boss" braucht sehr lange, bis er zur holperig Sache kommt, derweil ergötzt er sich an wirklich fürchterlichen Vorgesetzten, die gegen Ackermann & Co allerdings Waisenknaben sind. Und amüsiert sich über Weicheier, die plötzlich morden wollen, sich dabei aber genau so unfähig erweisen wie beim Durchsetzen korrekter Arbeitszeiten. Kindisch freuen sich Nick, Dale und Kurt auf das Eintreffen des vermeintlichen Killers Dean Motherfucker Jones (Jamie Foxx), der nur im Gefängnis war, weil er einen Ethan Hawke-Film illegal aufgenommen hat. Er beutet sie erst einmal auch aus. Trotzdem ist nett anzusehen, wie dämlich sich die drei Jammerlappen anstellen. Kurt, der größte Idiot, schafft es tatsächlich, genau einer der gehassten Bosse nach einem allergischen Schock das Leben zu retten.

Das ist mäßig komisch, mit der üblichen sexuellen Deftigkeit und ein paar Ekeleien versetzt, die Handlung wurde im zweiten Teil allerdings nur schlampig fortgeführt. Trotzdem bekommen die drei Hauptdarsteller in ihren Dialogszenen guten Witz hin, die prominent gespielten Typen der zweiten Reihe machen richtig Spaß.

23.8.11

Cowboys & Aliens

USA 2011 (Cowboys & Aliens) Regie: Jon Favreau mit Daniel Craig, Harrison Ford, Olivia Wilde, Sam Rockwell 118 Min.

Ein „Fremder" ohne Namen und Vergangenheit (Daniel Craig) wacht in der Prärie auf - fremd ist das keinem Westernfan, eher ein schönes Klischee. Seltsam höchstens diese schwere Manschette am Handgelenk, die sich nicht öffnen lässt. So was hat man in Western noch nie gesehen, selbst in Michael Crichtons elektrisierter „Westworld" nicht. Schnell bekommt man heraus, dass es der Namenlose leicht mit einer Handvoll Schurken aufnehmen kann. Auch in der naheliegenden Westernstadt sorgt er für Respekt und zeigt dem mit Kugeln pöbelnden Sohn des mörderischen und zynischen Viehbarons Woodrow Dolarhyde (Harrison Ford), wo es langgeht. Selbstverständlich setzt er sich mit seinem Einsatz für Gerechtigkeit in die Nesseln, dazu taucht ein Steckbrief mit seinem Gesicht und dem Namen Jake Lonergan auf. Bald ist alles bereit für einen klassischen Showdown: Lonergan sitzt mit dem Sohn von Dolarhyde im Knast, der Sheriff will die beiden weg haben, der Rancher den einen rausholen und den anderen aufknüpfen. Zeit für das Finale oder was Neues.

Der Regisseur Jon Favreau („X-Men") lässt nun aus nächtlichem Himmel die Aliens auftauchen und Lonergan entdeckt, dass dies Ding an seiner Hand Ufos abschießen kann. Die gegen futuristischen Flieger ziemlich machtlosen irdischen Streithammel müssen sich zusammenraufen, um ihre entführten Lieben zu retten. Denn die Aliens fangen in schönster Western-Manier Menschen wie Vieh mit Ufo-Lassos ein und rauben irdisches Gold. Später arrangiert sich der Indianer-Hasser Dolarhyde mit den Rothäuten und Lonergan spannt seine ehemaligen Räuberkumpane ein.

Der Komiker („All Inclusive") und Regisseur Favreau erweist sich als veritabler Westernkenner, wenn er ordentlich die Typen und Landschaften des Genres zitiert. Daniel Craig überzeugt als stoischer Cowboy zwischen Gut und Böse, der einen Bußgang antreten muss. Harrison Ford wurde - mit gewisser Zeitverzögerung - von seiner Western-Rolle als Han Solo in „Star Wars" wieder in den ursprünglichen Rahmen seine Typus zurückversetzt, hat mit dem Reiten mehr Probleme als mit seiner grimmigen Rolle. Olivia Wilde, TV-Zuschauern bekannt aus „Dr. House", spielt die mysteriöse Ella überzeugend mit schön schräg stehenden Augen überzeugend. Dass bei der Comic-Verfilmung insgesamt nur Unterhaltung knapp über dem Durchschnitt entstand, widerspricht Favreaus selbst gesetztem Anspruch, etwas mehr Substanz in das Popcorn-Kino von heute zu schmuggeln. Große Szenen wie in einem an Land geschleuderten Raddampfer sind selten. Der Western wirkt wie Abglanz, da knirscht nirgendwo der Sand zwischen den Szenen, John Ford und selbst Sergio Leone reiten in einem anderen Universum.

22.8.11

Prom

USA 2011 (Prom) Regie: Joe Nussbaum mit Aimee Teegarden, Thomas McDonell 104 Min.

Eines der letzten Mysterien der Menschheit - neben dem Verschwinden der Neandertaler - ist die nordamerikanische Aufregung um deren Prom-Night. Das ist in Ansätzen vergleichbar mit deutschen Abi-Feiern. Doch selbst wenn dank der entsprechenden Industrie unreife aber scheinbar überreiche junge Menschen mittlerweile Zehntausende Euro beim Abi-Ball verschleudern, Prom ist einmalig - verlogen. Selbst die Mehrzahl der Schüler, die Schule begründet gehasst haben, putzt sich für diese letzte große Lüge heraus und verleugnet sich für ein elitäres, brutales Ritual.

Nova, Streberin und langweiliges Mäuschen mit rosa Jackett in Personalunion, organisiert brav die Prom-Party, bekommt aber gerechterweise auch nur einen Spießer ab, der sie noch nicht mal richtig hofiert. Als die Ausstattungsrequisiten abbrennen, verdonnert der Film aus heiterem Himmel den Schul-Rebellen zur Mithilfe bei der Rekonstruktion. Was hier passiert, ist ebenso vorhersehbar wie bei den weiteren Romanzen. Das lebensfremde Retorten-Teil „Prom" setzt sich aus Stereotypen und asexuellen, aseptischen Jugendlichen zusammen. Und ist dabei so langweilig wie seine Hauptfigur, da hilft auch nicht das Johnny Depp-Double als Klischee des Rebellen. Hier kann noch nicht mal der Soziologe Erkenntnisse über dies verlogene Ritual der sozialen Ausgrenzung gewinnen. Erstaunlich, dass ein Filmchen mit vergleichbarer regionalen Relevanz wie niederbayrische Schützenfeste es in deutsche Kinos schafft.

20.8.11

Final Destination 5

USA 2011 (Final Destination 5) Regie: Steven Quale mit Emma Bell, Nicholas D'Agosto, Miles Fisher, Arlen Escarpeta 92 Min.

Der fieseste Ausbeuter von 3D schlägt wieder zu. Genauer: Sticht, sägt, flammt, zerschmettert wieder. Schon der Vorspann fliegt einem mit Glasscherben ins Gesicht. „Final Destination" ist die sadistische Mikroskop-Aufnahme tödlicher Unfälle. Ausführlich präsentierte, mehr oder weniger glaubwürdige Versuchsanordnungen, die zwar nur immer kurz auf die Folter spannen - dies ist kein „Saw" - aber das mit ermüdender Zuverlässigkeit. Diesmal gibt es 80 Tote beim unoriginell ausführlichen Einsturz einer Brücke. (3D - das muss es tief hinab gehen!) Acht Mitarbeiter einer Firma, deren Tätigkeit unwesentlich bleibt wie alles andere außerhalb des Mord-Konstrukts, überleben, weil einer von ihnen eine Vorahnung hatte. (Oder sollte man generell aus ästhetischen Gründen einen Reisebus oder einen Flieger verlassen, wenn „Dust in the wind" gespielt wird?) Nun holt der Tod sich nacheinander die zurück, die ihm von der routiniert aber nicht sensationell verfilmten Schippe gesprungen sind. Es dauert eine Weile, bis die blassen Figuren kapieren, wo es lang geht. Sie werden kongenial von blassen Darstellern verkörpert, solange die Körper noch intakt sind. Minimal modernisiert schrieb man noch einen Anschlagsverdacht ins Drehbuch, der Rest ist simpel wie Abzählreime. Schließlich führt „Final Destination 5" in dem einzigen überraschenden Moment seine Überlebenden mit einem Zeitsprung zurück in den explodierenden Flieger der 2000er-Episode. Ätsch - oder auf Englisch: Life is a bitch! Zumindest in solchen von Sadismus überquellenden Filmen.

17.8.11

Crazy, Stupid, Love

USA 2011 (Crazy, Stupid, Love) Regie: Glenn Ficarra, John Requa mit Steve Carell, Ryan Gosling, Julianne Moore, Emma Stone, Jonah Bobo 118 Min. FSK ab 12

Emily (Julianne Moore) eröffnet den Film mit einem Scheidungs-Antrag zum Abendessen. Nach 25 Jahren Ehe jammert der gehörnte Cal (Steve Carell) erst sogar öffentlich rum, bis ihn Super-Verführer Jacob (Ryan Gosling) unter seine Fittiche nimmt. Mit neuen Klamotten schleppt Cal reihenweise Frauen ab, was seinem inneren Wesen und der Rettung der Ehe zuwiderläuft.
Steve Carell zeigt diesmal nicht nur sein komödiantisches Talent, sondern auch schauspielerisches Vermögen. Im Zusammenspiel mit Julianne Moore als untreue Gattin und guten Nebendarstellern ergibt sich der Glücksfall einer wirklich lustigen Komödie, die ihre Figuren als richtige Menschen leben, lieben und lernen lässt.

Captain America

USA, 2011 (Captain America: The First Avenger) Regie: Joe Johnston mit Chris Evans, Hugo Weaving, Tommy Lee Jones, Hayley Atwell, Stanley Tucci 124 Min. FSK ab 12

Flashback in eine gute alte Comic-Zeit, in der Gut und Böse noch klar getrennt waren: Steve Rogers ist ein kleines Männlein, das mehrfach als untauglich fürs Militär eingestuft wurde. Mangelnde Muskeln wiegt er mit Gehirn und Mut auf - wenn andere wegrennen, wirft er sich auf die Handgranate. Per Gen-Doping wird er zum Super-Mann, der statt gegen die Nazis zu kämpfen, in Propaganda-Shows auftritt. Doch irgendwann wird er zum aktiven Helden, der allerdings selbst im nächtlichen Einsatz hinter feindlichen Linien mit einem großen, bunten, sehr unhandlichen Schild rumläuft. Doch einer muss ja den dämonischen Johann Schmidt bekämpfen, der als verunglückte Genmanipulation mit einer Super-Energie die Welt erobern will.

Regisseur Joe Johnston hat bislang einige interessante Filme gemacht und lässt seinen nett gestalteten Retro-Futurismus von „Rocketeer" wiederaufleben. Die simpel gestrickte Comic-Verfilmung lässt sich viel Zeit mit den Vorbereitungen zur großen Action. Während Chris Evans in der Hauptrolle ebenso unerfahren wirkt wie Captain America in der Liebesgeschichte, sind wenigstens die Nebenrollen substanziell besetzt. Und am Ende ist die Vorbereitung auf weitere Teile mit einem Sprung von fast 70 Jahren originell besetzt.

15.8.11

Midnight in Paris

USA, Spanien 2011 (Midnight in Paris) Regie: Woody Allen mit Owen Wilson, Marion Cotillard, Rachel McAdams, Kathy Bates, Adrien Brody 94 Min. FSK o.A.

Woody Allens romantische Komödie „Midnight in Paris" ist der beste Film des New Yorkers seit sehr langem. Raffiniert verwebt sie Science Fiction und ein wunderbare Kulturgeschichte von Paris. Wie schon bei „Vicky Cristina Barcelona" inspirierte der Ortswechsel Allen. Ein junges Paar gerät kurz vor der Hochzeit auf Abwege, während sich die materialistische Ines in Paris langweilt und shoppt, verfällt der nostalgische Träumer Gil dem Zauber der Stadt - was wortwörtlich zu nehmen ist.

Der recht erfolgreicher Hollywood-Autor Gil Pender (Owen Wilson), lässt in Paris seinen alten Traum, ein richtiger Schriftsteller zu sein, aufleben. Während die Verlobte Ines mit den republikanisch konservativen Eltern lästert und über Shopping-Schnäppchen schwärmt, gerät der Romantiker, der von einer anderen Zeit träumt, genau in diese: Glockenschlag Mitternacht fährt ein Peugeot-Oldtimer vor und bringt Gil in die Goldenen Zwanziger, mitten in das Leben der Boheme, genauer der „Moderns". Ein Festival der Kunstgrößen beginnt: Adrien Brody gibt Dalí, Kathy Bates berät als Gertrude Stein Gil bei seinem Roman, ein herrlich lächerlicher Macho-Hemingway steckt dem Zeitreisenden, das seine Verlobte wohl ein Verhältnis habe. Über das Schreiben und das Sterben spricht man mit Scott Fitzgerald, während Cole Porter „Let's Fall in Love" spielt. Derweil verliebt sich Gil bei seinen allabendlichen Besuchen in der Vergangenheit in Adriana (Marion Cotillard), die Muse für Modigliani wie auch für Braque war und aktuell Pablo Picasso den wirren Kopf verdreht.

Der junge Mann aus Kalifornien ist nachhaltig irritiert von dieser Liebe quer durch die Zeiten, während ihm seine Verlobte ein Haus am See mit Kanu am Steg schmackhaft macht. Das einmalig erstaunte Gesicht Wilsons sorgt für viel Spaß. Allen selbst schwelgt mit „Midnight in Paris" in einer vermeintlich besseren Zeit, der schon Alan Rudolph seinen Film „The Moderns" widmete. Das „Golden Age-Syndrom", das Träumen von (kulturell) besseren Zeiten, bekommt eine überraschende Wendung, als Gil und Adriana während eines romantischen Moments von einer Kutsche in die Belle Epoque entführt werden – ihre Traum-Epoche diesmal. Der Träumer Gil kommt zu der sehr nüchternen Woody Allen-Einsicht, dass die eigene Zeit immer als langweilig betrachtet wird, weil man halt in ihr leben muss. Er wird aber trotzdem mit einem Happy End belohnt – um Mitternacht in Paris.

Der Zuschauer wird mit einem wunderbaren Film belohnt. Der in Cannes noch aufgeregt besprochene Auftritt von Carla Bruni-Sarkozy ist dabei schnell vergessen, ebenso wie ihre kleine Rolle als Führerin im Rodin-Museum angesichts eines, wie bei Allen üblich, hochrangigen Schauspieler-Ensembles. Der echte und ernste „comédien", wie die Franzosen Schauspieler nennen, Owen Wilson ist einfach großartig. In Gils/Wilsons Sprache und Gestik steckt eine Menge Woody Allen. Der sich immer wieder neu erfindende Komödien-Regisseur erzählte denn auch von einer ähnlichen Situation nach dem Dreh von „What's new Pussycat?!" in den Siebzigern, indem er erstmals spielte und auch das Drehbuch schrieb. Einige vom Team blieben nach dem Dreh in Paris, Allen meint im Nachhinein, er hätte nicht den Mut dazu gehabt. Zum Glück für alle, die nun den romantischen Science Fiction „Midnight in Paris" genießen dürfen.

12.8.11

Locarno 2011 - Der Preis der Piazza

Die „Nacht von San Lorenzo" sorgte von Freitag auf Samstag für besonders viele Sternschnuppen auch über dem Lago Maggiore. Der Sternen-Re(i)gen des 64. Internationalen Filmfestivals von Locarno (3.-13.8.) setzte sich mit Claudia Cardinale und Bruno Ganz fort, die für ihre Karriere geehrt wurden. Heute endet das Schweizer A-Festival mit der Verleihung der Goldenen Leoparden, für die es in einem interessanten Wettbewerb ohne Sensationen keine klaren Favoriten gibt.

Gar nicht divenhaft und sogar glaubhaft verlegen zeigte sich der 73-jährige Star Claudia Cardinale, als Festivaldirektor Olivier Père sie als die „schönste Schauspielerin der Filmgeschichte" bezeichnete. Die in Tunesien geborene Cardinale, die erst mit 16 italienisch lernte und mit „8 ½" von Federico Fellini und „Spiel mir das Lied vom Tod" von Sergio Leone zur Kinolegende wurde, spielte unter anderem mit David Niven, Burt Lancaster und John Wayne. Der hatte ein anderes Lob für seine Kollegin, die ritt und auch Stunts selbst machte: „Sie sind wie ein Mann!" Viele solcher Anekdoten bot die aufgeweckte „CC" in Locarno zum Besten, aber keine Details zu ihrem Privatleben. „Das ist meine Privatsache - ich will wegen meiner Arbeit beurteilt werden." So hat sie, um die sich einst Visconti und Fellini stritten, auch nie aufgehört zu arbeiten. Heute unterstützt sie auch junge Filmemacher und kleine Projekte, indem sie wie zuletzt gratis arbeitet. Ihr nächster Film wird „El artista y la modelo" von Fernando Trueba und mit Jean Rocheford sein. Vor der Preisverleihung am gestrigen Abend zeigte Locarno Fellinis Klassiker „8 ½".

Stiller verlief einen Abend zuvor die Ehrung von Bruno Ganz. Der Schweizer ist seit Generationen angesehen und beliebt: In Eric Rohmer's „Die Marquise von O...", Wim Wenders' „Der amerikanische Freund" und „Der Himmel über Berlin"oder in „Die Ewigkeit und ein Tag" von Theo Angelopoulos. Als Hitler in „Der Untergang" leistete er sich einen Missgriff, doch mit kleinen Rollen wie „Brot und Tulpen" gewann er die Herzen des Publikums. Festivaldirektor Olivier Père huldigte die „unverwechselbare physikalische und stimmliche Präsenz" des beliebten Darstellers, „die Kombination aus Sanftheit und Gewalt". Auch wenn das Tessin in vielen Dingen so ganz anders funktioniert als die Deutsch-Schweiz war es ein Heimspiel für den Charakterdarsteller. Das Heimspiel für seinen neuesten Film, die deutsch-schweizerische Produktion „Sport de filles" von Patricia Mazuy lud allerdings zum Fremdschämen ein. Bruno Ganz als Reiter-Legende, als ehemaliger Meister-Trainer und -Verführer, als Pferdeflüsterer war der Tiefpunkt dieser Piazza-Edition.

Dabei hat ein meist unvergesslicher Abend auf der Piazza Grande des Filmfestivals von Locarno seinen Preis. Ganz prosaisch sind es 32 Franken (32 €) für eine Doppelvorstellung. Dafür gibt es eine riesige Leinwand und Dolby-Sound unter Tessiner Nachthimmel. Der andere Preis für einen schönen, sorglosen Filmabend ist eine Zweiteilung des zweitältesten und mit renommiertesten Filmfestival Europas. Im zweiten Jahr unter dem neuen Festivaldirektor Olivier Père setzt sich ein Trend fort, der die Piazza zum populären Open Air-Event macht, während die Filmkunst in den Kinosälen drum herum Platz findet.

Insel der seligen Cineasten
So lief auch der Wettbewerb hauptsächlich für die Cineasten und auch sie wurden kaum mit brennenden Themen oder gewagter Ästhetik gefordert. Eine Doku über Schweizer Abschiebehaft („Vol spécial" von Fernand Melgar), eine Animation über einen beim Hungerstreik in polnischer Haft verstorbenen Rumänen („Crulic", Anca Damian), die universale Ausländerfeindlichkeit auch in Japan („Saudade", Katsuya Tomita) - nichts rüttelte ernsthaft auf. Im Mix aus jungen und erfahrenen Filmemachern gab es komplette Werke wie das berührende Schuld-Drama „Another Earth" (Kinostart 1. Dezember) und das Drei Schwestern-Drama „Abrir puertas y ventanas" der schweizerischen Argentinierin Milagros Mumenthaler. Dazu einige interessante Ansätze bei meist nur einem Thema pro Film. Die Hoffnung, dass Olivier Père seine Kontakte von der immer hervorragend bestückten Quinzaine aus Cannes mitbringt, konnte sich bislang nicht erfüllen. Der Piazza-Unterhaltungswert war hoch, die Entdeckungsreise Wettbewerb eher wenig befriedigend bei der 64. Locarno-Edition.

9.8.11

Die anonymen Romantiker

Frankreich, Belgien 2010 (Les Emotifs anonymes) Regie: Jean-Pierre Améris mit Isabelle Carré, Benoît Poelvoorde, Lorella Cravotta 78 Min.

Bitter-süße Schokolade oder „Eine Insel namens Udo" auf Französisch: Zwei in ihrem sozialen Umgang sehr eigentümliche und ungeschickte Menschen treffen aufeinander und wie beim Chili, den man sich eigentlich schwer mit Schokolade vereint vorstellen kann, ist diese Melange aus Komödie und Romantik von Regisseur Jean-Pierre Améris ein ganz besonderer Genuss.

Die schüchterne Angélique (Isabelle Carré) bereitet sich mit ihrer Selbsthilfegruppe aus anonymen Romantikern auf einen neuen Job in einer Pralinen-Manufaktur vor. Auf Grund einer Verwechslung wird sie nicht als Schokoladenherstellerin sondern als Handelsvertreterin eingestellt. Und Angélique ist nicht der Mensch, der umgehend Einspruch erhebt. Sie komponiert zwar wunderbare Schokoladen, gerät aber vor Menschen in Panik, auch vor begeisterten.

Nun begegnet sie in der Person ihres Chefs Jean-René (Benoît Poelvoorde) einem Seelenverwandten, der regelmäßig zum Psychiater geht. Dessen Hausaufgaben sind dann die Hölle: Jean-René soll mit der neuen Angestellten Essen gehen. Später soll er gar jemanden berühren, dabei bekommt er nicht mal ein Schulterklopfen hin. Doch Angélique gibt er die Hand. Grob und unbehände zwar, doch im Traum wird es sogar ein Kuss.

Das gemeinsame Abendessen im Restaurant ist eine Tortour: Er muss immer wieder seine durchgeschwitzten Hemden wechseln. Sie hat derweil Zeit, die Kärtchen mit den Gesprächsnotizen zu lesen. Im Dunkeln erwischt er dann einmal ein Hemd mit Rüschen. Schrecklich - und furchtbar komisch, wie die beiden leiden. Dabei könnten sie sich über eine Leidenschaft austauschen, wenn sie mehr voneinander wüssten: Die Schokolade! Doch die eigenen Ängste gebären Missverständnisse und das macht diesen Film so trefflich zart-bitter, zu einer feinen Komödie in schöner Balance zwischen Lachen und Mitleiden.

Derweil steht die Schokoladen-Fabrik Jean-Renés kurz vor der Pleite. Keiner will seine Pralinen, aber die von Angéliques verstorbenem väterlichen Meister Mercier. Für den eigentlich sie anonym Leckereien zauberte. Zur Rettung schwingt nun die Schüchterne den Kochlöffel und tut dabei so, als bekäme sie über Videokonferenz Anweisungen eines geheimnisvollen Meisters. Die neuen Kreationen sind selbst auf der Lebensmittelmesse ein großer Erfolg. Das gemeinsame Doppelzimmer - alles andere ausgebucht - den beiden so unheimlich, dass sie lieber stundenlang durch den strömenden Regen spazieren und er aus lauter Verlegenheit mit einer Roma-Band „Oci ciorni" schmettert. Noch eine umwerfende Szene!

Eigentlich ist alles lieblich und wunderbar komisch bei diesen „Anonymen Romantikern". Wie die Mitarbeiter den schüchternen Chef zurecht stoßen, wie sich die beiden innerlich Verklemmten den Schoko-Schmelz gemeinsam auf der Zunge zergehen lassen und dann ihre Küsse zum Nachtisch genießen. Dabei ist die französische Kino-Leckerei längst nicht so überzuckert wie einst „Chocolat" und die emotionalen Probleme sind trotz der Amelie-ähnlichen Atmosphäre ziemlich gut aus dem Leben gegriffen.

Neben der Komikerin Isabelle Carré, die ihre Schokoladenseite zeigt, ist Benoît Poelvoorde („Mann beißt Hund", „Nichts zu verzollen") ein Trumpf in Sachen Besetzung. Der Belgier kann so herrlich trocken schauen und verkörpert perfekt den im wahrsten Sinne herzlichen Humor - herrlich ist er noch dazu!

Toast

Großbritannien 2010 (Toast) Regie: SJ Clarkson mit Helena Bonham Carter, Freddie Highmore, Ken Stott, Victoria Hamilton 95 Min. FSK ab 6

Der Gang eines glücklich schwebenden Jungen durch einen Lebensmittelladen voller „Memories", wie auf einer Verpackung steht, und anderer Artikel mit Namen der beteiligten Schauspieler und anderen Filmemacher. Ok, dies sind also die Erinnerungen von Nigel Slater, der später mal ein zufriedener Koch wird. So viel sei schon verraten. Und es wird ein sehr, sehr lustiger Wohlfühlfilm, auch das verrät die traumhafte Anfangssequenz, die vor einer himmlisch strahlenden Käsevitrine endet.

„Mutter, kaufen wir mal etwas Frisches?", fragt der neunjährige Nigel, der noch nie etwas gegessen hat, was nicht aus der Dose kam. Die Liebe zu seiner Mutter ist trotzdem größer als alles andere. Der Fürsorglichen, die ein Katastrophen-Gebiet in der Küche ist, gesellt sich ein übelgelaunter Vater zu. Ob dessen Stimmung an den verbrannten Konservendosen - tatsächlich! - leidet? Das einzige, was der Mutter gelingt, ist ein Toast zum Abendessen. So ist der Junge auf immer auch begeistert von dieser wunderbaren Mahlzeit. Den Mangel an eigentlich jedem schmackhaften Nahrungsmittel gleicht er nachts aus, indem er stöhnend und heimlich unter der Bettdecke Kochbücher liest. Was den Vater auf schmutzige Gedanken bringt. Auch das ekstatische Spiel mit einem eingebildeten Kaufladen im Garten, lässt dessen Sorgen anwachsen. Doch vor allem nagt selbst an diesem anscheinend völlig gefühllosen und unnahbaren Menschen die schwere Krankheit seiner Frau.

Die Reise zu einem verregneten britischen Badeort bleibt nicht wegen des in Gelee gebadeten Dosen-Hams beim Strandpicknick in Erinnerung. Hier begreift Nigel, dass seine geliebte Mutter sterben muss. Dieses Jahr gibt es den traditionellen „mince pie" schon vor Weihnachten, weil sie dann bereits nicht mehr leben wird. Und eines Nachts liegt neben dem völlig erstaunten Nigel der heulende Vater im Bett. Doch das bleibt ein seltener Ausbruch von Nähe. Dem tristen Leben von Witwer und Halbwaisen kann Nigel durch erste Kochversuche nicht wirklich Farbe geben. Spaghetti Bolognese bleibt völlig exotisch und schon bald übernimmt die Putzfrau Mrs. Potter (Helena Bonham Carter) immer mehr Aufgaben der verstorbenen Hausfrau. Ironischerweise geht die Liebe diesmal durch den Magen: Mrs. Potter mästet Mr. Slater geradezu und selbst Nigel kann der verhassten Person eine gewisse Achtung nicht verweigern. Sobald der Junge in der schulischen Haushaltsklasse selber kocht, beginnt ein bitter-süßer Konkurrenzkampf im Hause Slater...

Alles an diesem köstlichen „Toast" ist unglaublich detailliert und liebevoll gestylt. Die Möbel, Tapeten und die historischen Kulissen der 60er und der frühen 70er umgibt ein Hauch von pastellfarbener Künstlichkeit. Die tollen Songs wirken als Zeitmaschine und als treffsichere Gefühlsverstärker. Dabei werden die Figuren nicht vergessen. Beispielsweise der maskuline Gärtner Josh, zu dem Nigel sich hingezogen fühlt. Als Gegensatz zur Konservenküche der Mutter, isst er direkt von den Früchten der Natur. SJ Clarkson verfilmte die Buchvorlage von Nigel Slater als Ausstattungs-Orgie und genaue Nachzeichnung der Gefühlslagen eines besonderen jungen Mannes. Dass man sich dabei nie wirklich um Nigel sorgen muss, mag an der gnädigen autobiographischen Rückschau liegen. Es macht diesen sehenswerten Film auch zu einem noch angenehmeren Vergnügen.

7.8.11

Die Europa-Premiere von „Cowboys & Aliens“ in Locarno

Der alte Indiana Jones trifft den neuen James Bond


Locarno. Cowboys und Aliens, Indiana Jones und James Bond, Kultur und Popcorn. Der Mix am ersten Wochenende beim 64. Internationalen Filmfestival von Locarno (3.-13.8.) war perfekt. Das Team des Hollywood-Films „Cowboys & Aliens" mit Regisseur Jon Favreaux sowie den Darstellern Harrison Ford, Daniel Craig und Olivia Wilde beendete seine Europa-Tournee Samstagabend am Lago Maggiore. Bei der abendlichen Open Air-Vorführung auf der Piazza Grande mit mehreren Tausend Zuschauern nahm Harrison Ford in seiner typischen, bescheidenen Art den „Lifetime Achievement Award" des Festivals entgegen.

Die 64. Ausgabe des traditionellen Filmfestivals am Lago Maggiore erlebte bislang selten den Sternenhimmel des Tessins, doch dafür Stars wie nie zuvor: Neben Harrison Ford bekommen auch Abel Ferrara, Isabelle Huppert, Claudia Cardinale, Bruno Ganz und ein paar andere Edelmetall fürs Reisegepäck. Während sich im reizvollen Wettbewerb immer noch Weltkino in vielen kunstvollen Facetten widerspiegelt, hat die Piazza Grande endgültig die Schleusen für den populären Film geöffnet: Gleich zum Auftakt gab es den Science Fiction-Knaller „Super 8". „Freunde mit gewissen Vorzügen" kümmerten sich mit Justin Timberlake und Mila Kunis um Herz und Humor. Aus Cannes kommen das geistlose Action-Gefährt „Drive" und die wunderbare Komödie „Le Havre" von Aki Kaurismäki. Mit dem norwegischen „Headhunters" von Morten Tyldum und dem deutsch-schweizer „Hell", dem Langfilm-Debüt des äußerst talentierten Tim Fehlbaum, gab es bestes Genrekino. Hannah Herzsprung, Lars Eidinger, Stipe Erceg und eine ungewohnte Angela Winkler als Kannibalen-Mutter spielen die Bewohner einer versengten Erden-Hölle ohne Wasser oder Pflanzen und nutzten die Piazza-Bühne für eindrucksvolle Auftritte. Bis - wie aus einer anderen Dimension - Hollywood mit Ford und Favreau einflog.

Wie in „Cowboys & Aliens" selbst, in dem Außerirdische in schönster Western-Kulisse Gold schürfen und Menschen wie Vieh mit futuristischen Lassos einfangen, war der Star-Auftrieb im Alpenland ein Zusammenstoß der Kulturen. Doch schnell fanden sich die Cineasten in Form von Festivaldirektor Olivier Père und „film director" Jon Favreau. Der Regisseur von unter anderem „X-Men" bedankte sich höflich, dass die Europäer die gute alte Western-Tradition noch schätzen würden. (In den USA startete der Film bereits nicht berauschend.) Harrison Ford bedauerte fast glaubhaft, dass er nicht mehr Western drehen konnte. Den Regisseur seines letzten, „Frisco Kid" aus 1979, erinnerte er nicht mehr. Père half mit Robert Aldrich aus. Auf(t)ritte bei der „Shilo Ranch" und bei „Rauchende Colts" wollte keiner mehr erwähnen, bei dem Mann, der in „Star Wars" als Han Solo und als „Indiana Jones" zu Legende wurde. Bescheiden ließ er Raum für den Nachwuchs in Person von James Bond Daniel Craig, nach Favreaus Meinung, der ideale Schauspieler für einen Western: „Ein klassischer Filmstar, den man den Cowboy abnimmt, energisch und nicht besonders beredt."

So sieht sich der Brite auch selbst in der Adaption eines Comics als Mann zwischen Gut und Böse, der einen Bußgang antreten muss. Die Hollywood-Delegation bemühte auf dem europäischen Festival große Worte für einen Unterhaltungsfilm, der damit beginnt, dass Craigs Figur in der Savanne mit einer seltsamen Manschette am Handgelenk aufwacht und sich an nichts erinnern kann. Bis er herausbekommt, dass das Ding die erst einige Zeit später auftauchenden Ufos abschießen kann, darf er sich mit einem mörderischen und zynischen Viehbaron anlegen, der von Ford gespielt wird. Nicht die überzeugendste Besetzung dieser Rolle und auch mit dem Reiten tat sich der Rentner sichtlich schwer. Doch das Publikum war begeistert als ihr - und Olivier Pères - Idol verkündete, das Drehen bereite ihm immer noch viel Spaß und er mache weiter, so lange er kann.


„Regisseure arbeiten viel länger und härter für viel weniger Geld!"
(Harrison Ford auf die Frage, weshalb er nie Regie führte.)

„Ich liebe die gemeinsame Arbeit, ich will nicht kontrollieren."
(Lautes Lachen der Kollegen Daniel Craig und Olivia Wilde.)

1.8.11

Ferien-Verlosungs-Aktion


FILMtabs feiert Ferien mit den SCHLÜMPFEN auf RESTURLAUB:

Zur aktuellen Peyo-Verfilmung DIE SCHLÜMPFE in 3D (Bundesstart 4.8.) gibt es einen Comic, Turnbeutel (blau-weiß) und Trinkbecher (blau-weiß).

 und zur Verfilmung von Tommy Jauds RESTURLAUB (Bundesstart 11.8.) den Roman und eine passende Trinkflasche.

 


Teilnehmen kann jeder, der einen originellen Kommentar zu dem Film seiner Wahl einschickt.

Antworten bitte an leserbrief (äht) jekubzik.de bis zum 18.8.2011