5.9.23

Daliland


(USA, Frankreich, Großbritannien 2023) Regie: Mary Harron, mit Ben Kingsley, Barbara Sukowa, Christopher Briney, 97 Min., FSK: ab 12

Ein Dalí-Film ohne einen einzigen originalen Dalí! Nur Ben Kingsley, der die Rolle als alter skurriler Kauz gibt! So misslingt die Künstler-Biografie in der Hand der erfahrenen Regisseurin Mary Harron („American Psycho", „I shot Andy Warhol").

„Was bin ich?", fragt sich Dalí (Ben Kingsley) 1974 in New York. Seit 20 Jahren verbringt er den Winter dort. Mittlerweile ist der 70-jährige spanische Surrealist über den Höhepunkt seines Schaffens hinaus. Sein Ziel für die letzten Lebensjahre lautet, sich mit Schönheit zu umgeben. Mit vielen Partys sowie jungen Frauen und Männern hält er im St. Regis Hotel Hof und versorgt gierige Galeristen mühsam mit neuem Material.

Um Dalís Finanzen kümmert sich seine Frau und Muse Gala (Barbara Sukowa), während sie gleichzeitig eine Affäre mit dem jungen Hauptdarsteller des Broadway-Musicals „Jesus Christ Superstar" hat. Der unerfahrene James (Christopher Briney) gerät als gescheiterter Maler und Dalí-Fan in diese Welt namens Daliland, als ihm sein Chef, der Galerist Christoffe (Alexander Beyer), an den Künstler ausleiht, um die Produktion für die nächste Ausstellung in wenigen Wochen zu überwachen. Dalí selbst, dessen rechte Hand mittlerweile zittert, taucht auf seinen Partys in irren Kostümen auf. Es gibt viel Koks und Sex. Seine aktuelle Begleiterin ist eine noch unbekannte Amanda Lear mit tiefer Stimme und Gerüchten um ihre Transsexualität. Der junge Alice Cooper trinkt eine Dose Bier und redet über Hologramme.

Spät kommen einige Entdeckungen um illegale Kunstgeschäfte wie das Signieren weißer Blätter auf - was dann wieder stimmig ist: So wie limitierte Serien inflationär auf dem Markt auftauchten, so benutzte Dalí die gleichen Namen wie San Sebastián oder Lucy in Serie für immer neue junge Männer und Frauen.

Wie in „Almost Famous - Fast berühmt" von Cameron Crowe taucht ein junger Mensch staunend in die Szene seiner Idole ein, verliert und verliebt sich, entdeckt die Schattenseiten und lernt fürs Leben. Nur das dies in Crowes Meisterwerk von 2000 rund um die Musikszene viel lebendiger passierte. Christopher Briney ist als Dalís Assistent James fast eine Nullnummer. Kingsley („Schindler's List", „Gandhi") spielt meist wieder Kingsley und auch Barbara Sukowa („Gloria Bell", „Hannah Arendt") wirkt mehr wie eine verkleidete Schauspielerin als eine legendäre Muse. Kurze Erinnerungen an die Zeit des Kennenlernens des berühmten Paares wirken geradezu albern. Am stärksten ist noch der Versuch, des alten Dalís Schaffenskraft aus der unzerstörbaren Liebe und der kompensierten Eifersucht zu erklären. 

Es geht in „Daliland" erschreckend wenig um Dalís Kunst. Keines seiner Werke ist zu sehen, höchstens mal eine kurze Animation der berühmten zerfließenden Uhr. Erst am Ende zeigt Regisseurin Mary Harron etwas visionäre Filmkunst, wenn sich die alten und jungen Figuren in mehreren Szenen begegnen. Es ist schade, dass gerade der Surrealist Dalí mit so einer konventionellen Biografie porträtiert werden soll.


7.8.23

Hypnotic

(USA 2023) Regie: Robert Rodriguez, mit Ben Affleck, Alice Braga, William Fichtner, 94 Min., FSK: ab 16

Der anerkannte Regie-Rowdy Roberto Rodriguez („El Mariachi", „From Dusk Till Dawn") wandelt auf den Pfaden von Christopher Nolan: „Hypnotic" ist hochspannende „Inception"-Täuschung mit Ben Affleck anstelle von Leo DiCaprio.

Es beginnt klassisch wie bei anderen Psycho-Spielchen – ein Auge öffnet sich in Großaufnahme, der Held wacht aus einer Träumerei auf. Polizist Danny Rourke (Ben Affleck) erinnert sich während einer Therapiesitzung daran, wie seine kleine Tochter rätselhafterweise vom Spielplatz verschwand. Bevor er sich zu sehr damit beschäftigen kann, was dieses Trauma mit ihm gemacht hat, ruft der nächste Einsatz - der Film wird sehr schnell sehr spannend und geheimnisvoll. Eine Bank soll überfallen werden und so knallig wie die Explosionen sind die sonderbaren Ereignisse. Eine Frau beginnt mitten auf der Straße, sich auszuziehen. Danny findet im begehrten Schließfach ein Polaroid seiner Tochter. Und durchs Zentrum des Chaos wandelt völlig ruhig der vermeintliche Bankräuber (William Fichtner), der mit nur ein paar Worten Menschen sogar dazu bringt, sich gegenseitig zu erschießen.

Auf der Suche nach Antworten trifft Danny die Wahrsagerin und Hypnotiseurin Diana Cruz (Alice Braga). Noch sind wir allerdings auf der ersten Ebene dieses vielschichtigen Thrillers. Wenn der Polizist auf der Flucht zwischen langen Güterzügen plötzlich sieht, wie sich der Horizont krümmt und der Bahnhof über seinem Kopf weitergeht, ist der Hinweis auf Christopher Nolans „Inception" mit seinen frei konstruierten fantastischen Räumen unübersehbar.

„‚Hypnotic' war schon immer meine Lieblingsgeschichte", sagte Autor und Regisseur Robert Rodriguez („El Mariachi", „From Dusk Till Dawn"), „weil sie genau das tut, was wir als Filmemacher zu tun versuchen. Man bringt ein Publikum in einen dunklen Raum und versucht, es glauben zu lassen, dass das, was es sieht, absolut real ist – zumindest real genug, um emotional involviert zu sein. Man erschafft ein hypnotisches Konstrukt aus Bildern, Ton und Musik, um sie glauben zu lassen, dass sie etwas Bestimmtes fühlen."

So ist „Hypnotic" ein im Action-Thriller versteckter Autorenfilm um Manipulation und Täuschung, gleichzeitig Rodriguez' Hitchcock-Hommage zu „Der Mann, der zuviel wusste". Wobei Ben Afflecks Danny gar nicht weiß, was er einst wusste und vergessen hat. Und um an diesen mehrfach verschlossenen Tresor im Inneren seines Kopfes – siehe „Inception" – zu gelangen, hilft selbst die mächtigste Hypnose nicht.

Raffiniert wie die verschachtelte Handlung ist auch die Besetzung von „Hypnotic": Die Action mit doppeltem Boden ist eine typische Geschichte für Ben Affleck, der schon in John Woos Science-Fiction „Paycheck - Die Abrechnung" (2003) – nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick seinen eigenen vergessenen Hinweisen hinterherjagte. Selbstverständlich ist der neue Rodriguez auch verwandt mit Paul Verhoevens trashiger Philip K. Dick-Verfilmung „Total Recall" mit Arnold Schwarzenegger. Sehr eindrucksvoll in der Nebenrolle des mysteriösen Gegenspielers ist William Fichtner („The Dark Knight", „Elysium"). Diesem Gesicht traut man sofort besondere mentale Macht zu und besonders wahnsinnige Gedanken. Auch er macht „Hypnotic" sehenswert – samt Nachklatsch im Abspann, der auf einen zweiten Teil neugierig macht.

18.7.23

Barbie

USA 2023, Regie: Greta Gerwig, mit Margot Robbie & Ryan Gosling, America Ferrera, Kate McKinnon, Michael Cera, Ariana Greenblatt, Issa Rae, Rhea Perlman und Will Ferrell, 115 Min., FSK: ab 6

Barbie wird Greta

Das unübersehbar beworbene Mattel-Marketing für das Produkt Barbie-Puppe erweist sich erfreulicherweise als geniale Mogelpackung von Regisseurin Greta Gerwig („Little Women", „Lady Bird") und Autor Noah Baumbach („Marriage Story", „Der Tintenfisch und der Wal"): Anfangen mit einem herrlichen „2001"-Zitat, bei dem die Erscheinung Barbie die triste Kindersteinzeit nur mit Baby-Puppen beendet. Die heile Barbie-Welt im Barbie-Haus mit den Barbie-Klamotten dauert drei Szenen und zwei Songs, bevor Barbie (Margot Robbie) düstere Gedanken, Selbstzweifel, Zellulitis und - als Höhepunkt des Schreckens – flache Füße bekommt. Um diese Makel auszumerzen, muss sie von Barbie-Land in die Reale Welt reisen und die Barbie-Mutter finden, die gerade mit ihr spielt. Was bei Disney ein kitschiges und mit Harmonie zugekleistertes Märchen geworden wäre, ist bei der großen Greta Gerwig eine zeitweise ziemlich verrückte Bespiegelung von Feminismus und Matriarchat, von Geschlechterrollen und der Produktionsgeschichte von Barbie – samt gecancelter Modelle wie schwangerer Barbie und der mit wachsenden Brüsten. Da gibt es schrägste Tanznummern, D-Day am Malibu-Beach mit Tennis-Schlägern und Frisbee-Scheiben sowie unzählige Details, die ebenso clever wie bescheuert sind. Mattel nimmt sich mit den Firmenregeln und Will Ferrell als Chef selbst auf den Arm. Ken (Ryan Gosling) bleibt trotz einiger Tränchen eine Witzfigur am Rande, nachdem sein Versuch scheitert, das Patriarchat im Barbie-Land einzuführen. Wessen Familie bereits mit dem pinken Virus infiziert ist, muss nun ganz stark sein: Kleine Kinder können mit dieser Satire so gut wie nichts anfangen. Höchstens Wörter aufschnappen, die später schwieriger Erklärungen bedürfen.

Running against the Wind

(Äthiopien, Deutschland 2019) Regie: Jan Philipp Weyl, mit Ashenafi Nigusu, Mikiyas Wolde, Joseph Reta Belay, 120 Min., FSK: ab 12

Abdi und Solomon wachsen in einem abgelegenen Dorf Äthiopiens auf. Als die Zwölfjährigen auf einen weißen Entwicklungshelfer treffen, finden sie ihren Traum: Abdi will ein berühmter Läufer werden - wie das Idol des Landes Haile Gebrselassie. Solomon klaut eine Kamera und haut nach Addis Abeba ab. Als junger Mann kommt auch Abdi (Ashenafi Nigusu) in die große Stadt und findet den alten Freund wieder. Solomon (Mikias Wolde) wird zwar noch „Photo" genannt, arbeitet aber als Müllsammler, um seine kleine Familie im Slum zu ernähren. Sein Fotoapparat hat mittlerweile einen Riss in der Linse. Zudem wird er immer wieder von der Gang des Kriminellen Blondie bedrängt. Auch als er durch Vermittlung zum Fotografen für die äthiopische Laufnationalmannschaft wird.

„Running against the Wind" war Äthiopiens Oscar-Beitrag 2020 in der Kategorie „Bester Internationaler Film" und folgt dem Traum vieler junger Menschen in diesem Land, durch Sport aufzusteigen. Aber das bildstarke Drama ist nicht nur Sportfilm oder Geschichte vom Aufstieg eines Benachteiligten, es geht vor allem um Freundschaft und die Kraft des authentischen Blicks. Solomon wird mit seinen ehrlichen Fotos über die Menschen im Slum Erfolg haben. Regisseur und Koautor Jan Philipp Weyl spielt sich in seinem Debütfilm selbst als weißer Fotograf und Mentor, der lange in Äthiopien lebt. Weyl selbst war drei Jahre im Land. Das Ergebnis ist eine klassische Geschichte, die immer wieder eindrucksvoll nur mit Bildern (Kamera: Mateusz Smolka) erzählt wird. Das beginnt mit dem Weg eines Jungen durch faszinierende Landschaften und setzt sich fort in den kraftvollen Porträts ausdrucksstarker Gesichter. Auch die guten Darsteller der Kinder- und jugendlichen Figuren machen „Running against the Wind" (Gegen den Wind rennen) sehenswert. Gedreht wurde an Originalschauplätzen sowie mit einem Gastauftritt von Olympia-Legende Haile Gebrselassie.

6.6.23

Nostalgia

Italien 2022, Regie: Mario Martone, mit Pierfrancesco Favino, Tommaso Ragno, Francesco Di Leva, 118 Min., FSK: ab 12

Vierzig Jahre ist es her, seit Felice Lasco (Pierfrancesco Favino) als Teenager seine Heimatstadt Neapel verlassen musste. In Kairo wurde er erfolgreicher Bauunternehmer und lebt glücklich verheiratet. Nun kehrt er erstmals zurück, um seine gebrechliche Mutter zu pflegen. Fürsorglich hebt er sie nackt ins Bad, nachdem er ihr vorher erklärte, dass er immer noch ihr kleiner Junge sei. Dann besorgt er eine bessere Wohnung mit mehr Licht, während er allabendlich durch die Stadt streift. Auch als die Mutter gestorben ist, verliert sich der Heimkehrer mit schwer nachvollziehbarer und gefährlicher Nostalgie im verwinkelten Stadtteil Sanità. Abends verunsichern dort schießende Gangs auf Motorrädern die Gassen, durch die auch er einst mit seinem Jugendfreund Oreste fuhr. Dies zeigen nostalgisch verfärbte Erinnerungs-Filme im quadratischen Bildformat.

Jetzt versucht Felice seinen alten Freund (Tommaso Ragno) wiederzusehen, der mittlerweile zum gefürchtetsten Camorra-Boss aufgestiegen ist. Die Leute werden still, wenn sein Name erwähnt wird. Bei einem umständlich arrangierten Treffen, wie man es von (Film-) Gangstern kennt, ergibt sich eine höchst spannende Aussprache über zwei unterschiedliche Lebenswege und eine alte Schuld. Während der Suche lernt Felice auch Don Luigi Rega (Francesco Di Leva) kennen, einen gegen die Camorra aufbegehrenden Priester. Er verkörpert die Hoffnung, indem er sich um Jugendliche und Immigranten kümmert. Und ihm öffnet sich der mittlerweile zum Islam Konvertierte in einer Art Beichte, bevor viel Wut aus ihm hochkommt: Als der Priester ihm einen Sandsack anbietet und schlägt er wild darauf los.

Regisseur Mario Martone macht aus der gleichnamigen Buchvorlage von Ermanno Rea ein Doppel-Porträt aus Stadt und Flaneur. Immer wieder sieht man Felice bei seinen langen Spaziergängen vor dem Panorama aus Stadt, Gassen und Häuser. Der populäre und auch international bekannte Pierfrancesco Favino („Auf alles, was uns glücklich macht", „Il Traditore - Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra", „Illuminati") ist der ideale Darsteller für diese stille und sensible Hauptfigur. Der verlorene Sohn lernt in Begleitung des Priesters unterschiedliche Menschen in verschiedensten Situationen kennen. Da ist die Familie, in der jeder dealt und der Sohn nicht mehr zum kirchlichen Geigenspielen darf. Und der alte Schneider, der einst seine Mutter liebte und ihn davor warnt, hierzubleiben. „Nostalgia" - nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls in Italien spielende Klassiker „Nostalghia" von Tarkowski aus dem Jahre 1983 – war der italienische Beitrag für den Oscar 2023 und lief im Wettbewerb der Filmfestspiele in Cannes. Er nimmt im ruhigen Rhythmus mit in ein faszinierendes und abgründiges Labyrinth aus Sehnsucht und Erinnerung.

30.5.23

Pearl

USA 2022, Regie: Ti West, mit Mia Goth, David Corenswet, Tandi Wright, 103 Min., FSK: ab 18

In überkandidelten Hollywood-Musicals wie „Der Zauberer von Oz" schlummerte schon immer die Saat des Wahnsinns. So ist es nur konsequent, dass Regisseur Ti West in der Vorgeschichte seines überraschend erfolgreichen Independent-Horrors „X" eine Judy Garland-Figur zum blutrünstigen Monster werden lässt. Im Texas des Jahres 1918 lebt die junge Pearl (Mia Goth) auf einer kleinen Farm mit ihren deutschstämmigen Eltern. Ihr Mann kämpft im fernen europäischen Krieg. Raus aus dem Zwang der puritanischen Mutter (mit einem furchtbar „deutschen" Dialekt) träumt Pearl sich in Rollen von Judy Garland und anderen Kinostars. Die Süßlichkeit dieser Tagträume wird allerdings heftig kontrastiert von ihren Wutausbrüchen. Zuerst wird eine Gans aufgespießt und an Pearls Lieblingskrokodil verfüttert. Später folgen Menschen, die an ihr zweifeln. Große Hoffnung legt die eigenwillige Frau in ein Tanz-Casting in der Stadt, die nicht nur wegen der Spanischen Grippe gefährlich ist. (Corona lässt mit Masken grüßen.) Ein Kinovorführer unterstützt sie, will sie mit nach Europa nehmen, schreckt aber vor Pearls Ausbrüchen zurück.

Mia Goth, die schon in Ti Wests „X" die Hauptrolle spielte, kann hervorragend eine wahnsinnige junge Frau geben. Das bewies sie erst kürzlich mit „Infinity Pool". Sie hat sich die Rolle der Pearl als Koautorin zusammen mit dem Regisseur und als ausführende Produzentin auf den Leib geschrieben. Auch wenn „Pearl" sein „FSK ab 18" mit heftigem Splatter verdient, liegt der Fokus auf einer faszinierend irren Psyche. Pearls „Gothic"-Horror ist ein erschreckendes Vergnügen, wenn die Bestandteile von „Der Zauberer von Oz", die unheimliche Vogelscheuche und die knalligen Technicolor-Farben, zu Szenen voller Sex und Gewalt kippen. Genauso fesselnd ist ein sehr langer Monolog als Geständnis und Seelen-Striptease. Hängen bleiben nicht die Gewalttaten, sondern die Gesichtsausdrücke Mia Goths von ekstatischer Freude und mörderischer Wut. Ganz gegenwärtig wird die alte Geschichte mit ihrem verzweifelten Aufschrei „No, I am a star!" – Nein, ich bin ein Star!

Das Rätsel

Frankreich, Belgien 2019 (Les Traducteurs) Regie: Régis Roinsard, mit Lambert Wilson, Olga Kurylenko, Alex Lawther, 105 Min., FSK: ab 16

Auf der Frankfurter Buchmesse kündigt Verleger Eric Angstrom (Lambert Wilson) „Daedalus" an, den letzten Teil der Erfolgstrilogie des geheimnisvollen Autors Oscar Brach. Von Cover und der Werbe-Kampagne her ein Dan Brown-Nachfolger. Im nächsten Schritt der Vermarktung werden neun Übersetzer für die wichtigsten Märkte in einem Luxus-Bunker unter einer Villa für zwei Monate ohne Internet oder sonstigen Kontakt zur Außenwelt eingeschlossen. Bewaffnete Russen kümmern sich um die „Sicherheit". Jeden Tag erhalten die Lohn-Schreiber nur zwanzig Seiten des französischen Originaltextes, um zu verhindern, dass das Buch vorzeitig veröffentlicht wird. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wird Angstrom bald erpresst: Die ersten zehn Seiten des Werkes wurden ins Netz gestellt, nur mit Zahlung von Millionen kann er vermeiden, dass die nächsten hundert folgen. Die Situation im Bunker eskaliert unter den übergriffigen und brutalen Versuchen des eiskalten Verlegers, den Verräter zu finden. Und auch die „Traducteurs", wie sie im Originaltitel heißen, verdächtigen sich gegenseitig.

Dem griechischen Kapitalismus-Kritiker Konstantinos Kedrinos (Manolis Mavromatakis) ist das ganze Verfahren zuwider. Die Russin Katarina Anisinova (Olga Kurylenko) kleidet und sieht sich als tragische Roman-Heldin Rebecca. Der junge idealistische Brite Alex Goodman (Alex Lawther) hat die beiden ersten Bände illegal übersetzt und veröffentlicht. Die Portugiesin Telma Alves (Maria Leite) sieht schon äußerlich nach Rebellin aus. Und was ist vom Italiener Dario Farelli (Riccardo Scamarcio) zu halten, der sich unkritisch und jovial bei Angstrom anbiedert. Die literaturliebende Sekretärin Rose-Marie (Sara Giraudeau) erfüllt devot die unmenschlichen Anweisungen Angstroms. Wie die Übersetzer im Gespräch untereinander, diskutiert auch der Film über Schundliteratur und den Buchmarkt. Hat „Daedalus" Anleihen bei Proust und Joyce oder ist es nur ein trivialer Krimi?

„Das Rätsel" hat ein reizvolles internationales Ensemble mit Olga Kurylenko („Black Widow", „James Bond: Ein Quantum Trost"), Lambert Wilson („Matrix Resurrections", „Benedetta"), Sidse Babett Knudsen (TV-Serie „Borgen", Dan Browns „Inferno"), Riccardo Scamarcio („John Wick 2", „Im Rausch der Sterne"), Alex Lawther („The Last Duel", „The French Dispatch") und der deutschen Schauspielerin Anna Maria Sturm („Wackersdorf", „Beste Chance").

Die „Whodunit"-Frage nach dem Verräter ist nur eine Ebene dieses Krimis mit einigen Rätseln und noch mehr Überraschungen: Auf einer Schiene erzählt Angstrom selbst aus einem Besuchszimmer im Gefängnis und wir sehen nicht, mit welchem Gegenüber er spricht. Und dann gibt es auch noch die fast schon vergessene brennende Buchhandlung der ersten Szene. Für das Publikum werden Hinweise ausgestreut. Hier eine angebrannte Kopie von „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", dort eine Erwähnung von Agatha Christies „Mord im Orient-Express". So wird „Das Rätsel" zum komplexen Krimi im Stil von „Ocean's 11" mit ein wenig Hochspannung vor dem Hintergrund der Literatur-Diskussion um Kunst oder Kommerz. Der interessante Regisseur und Koautor Régis Roinsard („Mademoiselle Populaire", „Warten auf Bojangles") hat seine Geschichte so raffiniert verschachtelt, dass es manchmal unübersichtlich wird, aber immer packend bleibt.

22.5.23

Renfield

USA 2023, Regie: Chris McKay, mit Nicholas Hoult, Nicolas Cage, Awkwafina, 94 Min., FSK: ab 16

„Renfield" bringt Bram Stokers klassischen Dracula-Stoff als deftige Horrorkomödie, in der Nicolas Cage den Fürst der Finsternis mit vielen spitzen Zähnen wieder grandios trashig spielen darf. Draculas im wahrsten Sinne „abhängig" beschäftigter Diener Renfield versucht mit Hilfe einer Selbsthilfegruppe, den bissigen Boss loszuwerden.

„Dracula" erzählt aus der Perspektive von dessen Diener und Essens-Lieferant Renfield, der im New Orleans von heute eine Selbsthilfegruppe für abhängige Beziehungen aufsucht. Während die anderen berichten, wie sie die Partner, die sie aussaugen, nicht loswerden, verklausuliert Renfield seine „toxic relationship" mit dem Herrscher der Dunkelheit. Ein erster positiver Effekt, quasi ein Beifang der Sitzungen, sind die narzisstischen Übeltäter, von denen er hier hört. Renfield liefert sie als Frisch-Fleisch und -Blut bei seinem Chef ab und löst gleichzeitig einige Beziehungsprobleme. Derweil lungert dieser als lebendige Leiche in sehr schlechtem Zustand in einer Bruchbude rum. Die letzte Begegnung mit dem Vampir-Jäger Van Helsing und zu viel Sonnenlicht sind ihm schlecht bekommen.

Es ist herrlich komisch, wie die Beschreibungen der ungleichen Beziehungen auf das jahrhundertelange ungute Verhältnis zwischen Renfield und dem Über-Narzissten Dracula zutreffen. Richtig überzeugt, endlich für sich selbst einzustehen, wird Renfield erst, als er auf die ruppige Streifenpolizistin Rebecca (Awkwafina) trifft. Mitten in einem Drogenkrieg, den er mit seiner Mahlzeit-Wahl lostrat, kämpft sie als einziger unbestechlicher Cop auf der gleichen Seite. Sie will endlich den Drogenboss und Mörder ihres Vaters der Gerechtigkeit zuführen. Das führt zu flott inszenierter und recht heftiger Action, bei der Gliedmaßen und Köpfe abgerissen werden sowie reichlich Blut spritzt. Denn Renfield ist dank Dracula nicht nur auch unsterblich, er hat immer, wenn er Käfer isst, selbst ein paar Vampir-Superkräfte.

Das liefert „Renfield" eine gute Dosis deftiger Kampfszenen, wobei der Humor immer die Oberhand behält. Auch Nicolas Cage („Leaving Las Vegas", „Ghost Rider"), an dessen unterschiedlich schlechten Zuständen seines Dracula sich die Maske ausgiebig auslebt, gibt einen eindrucksvollen Fürst der Finsternis, der in der Übertreibung immer wieder mal zur Witzfigur kippen kann. Renfield ist dagegen der einfältige Underdog mit dem Herzen am richtigen Fleck, der von der Polizistin Rebecca lernt, für sich selbst und andere einzustehen. Rebecca selbst, mit hoher Stimme wild schreiend und fluchend, wird mit dem komödiantisch großartigen Einsatz von Schauspielerin und Musikerin Awkwafina („Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings", „The Farewell") zur dritten Hauptfigur.

Regisseur Chris McKay („The Lego Batman Movie", „The Tomorrow War") gelingt ein blutiger Spaß mit einer Menge herrlich alberner Wendungen in der Handlung. Dazu viel Spielfreude und fertig ist die sehr unterhaltsame Perle unter vielen schrottigen Remake-Konzepten.

16.5.23

Living - Einmal wirklich leben

Großbritannien, Japan, Schweden 2022, Regie: Oliver Hermanus, mit Bill Nighy, Aimee Lou Wood, Alex Sharp, 103 Min., FSK: ab 6

Bill Nighy brilliert in einer Paraderolle als englischer Gentleman, der sich angesichts des nahen Todes für das Leben öffnet. Frei nach Akira Kurosawas Filmklassiker „Ikiru" schrieb der japanisch-britische Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro („Was vom Tage übrig blieb", „Alles, was wir geben mussten") das Drehbuch für diese zutiefst bewegende Geschichte.

Mit dem Neuling Peter Wakeling (Alex Sharp) nähern wir uns einem extrem verstaubten und steifen Schreibbüro. Den enormen Respekt vor dessen Vorsitzendem Mister Williams (Bill Nighy) erfahren wir schon im morgendlichen Pendlerzug: Die Mitarbeiter fahren zusammen, aber sprechen den abgesonderten Chef niemals an. Im Großbritannien der 1950er-Jahre treten alle uniformiert in Streifenanzug und Melone auf. Auch im engen Amtszimmer wagt niemand ohne Aufforderung von Mister Williams zu sprechen. Doch heute verlässt die Respektsperson seinen erhöhten Platz überraschend vorzeitig. Er sagt keinem, dass er zum Arzt muss, wo er erfährt, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat.

Zuhause, wo die Schwiegertochter ihn nicht leiden kann und den Sohn dauernd rumkommandiert, erzählt der alte Mann niemandem von seinem bevorstehenden Tod. Am nächsten Morgen reist er zum Seebad Bournemouth und stürzt sich in dessen hedonistische Vergnügungen der Bars und Spielhallen. Erstmals deutet er sein Schicksal einem Fremden an, dem er die Schlaftabletten gibt, mit denen er sich eigentlich umbringen wollte. Der ehemals stocksteife Mister Williams geht aus sich heraus, betrunken singt er ein schottisches Lied im Angedenken seiner verstorbenen Frau. Doch auch sein lebenslustiger Begleiter (Tom Burke) gewinnt großen Respekt, als er am blutigen Taschentuch sieht, wie ernst es mit dem bevorstehenden Tod ist. Die Strip-Party wird zum schalen Hintergrund.

Zurück in London trifft Rodney Williams zufällig die junge, ehemalige Mitarbeiterin Margaret Harris (Aimee Lou Wood), lädt sie schick zum Essen ein und lacht erstmals. Am nächsten Tag geht er wieder zur Arbeit und wirbelt die Bürokratie auf, um den ewig verschleppten Vorgang eines Kinderspielplatzes in einem sozialen Brennpunkt endlich umzusetzen.

Mister Williams ist der typische Engländer, den der Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro als Kind bestaunt hatte, als er von Japan kommend nach Großbritannien zog. Immer formvollendet, aber nicht wirklich lebendig. Von der jungen Mitarbeiterin erfährt der Bürovorsitzende schmerzlich seinen Spitznamen: Mister Zombie. Ishiguro wandelt die Geschichte des japanischen Kommunalbeamten aus „Ikiru" leicht ab, sehenswert bleibt das Porträt eines stillen Mannes, der seinem Leben spät einen neuen Sinn gibt. Ebenso zurückhaltend wie die sehr sorgfältige Inszenierung der historischen Bilder und der kitsch-freie Umgang mit Emotionen spielt Bill Nighy seine dankenswerte Rolle, mit der er für einen Oscar nominiert wurde. Er verkörpert die stilvolle Noblesse vergangener Zeiten, die strenge Regel, eigene Befindlichkeiten nicht wichtig zu nehmen. Auch der Ausbruch, die Veränderung kommen mit einem dezenten Lächeln aus und berühren so umso mehr.

Die Linie

Schweiz, Frankreich, Belgien 2022 (La Ligne) Regie: Ursula Meier, mit Stéphanie Blanchoud, Valeria Bruni Tedeschi, Elli Spagnolo, 103 Min., FSK: ab 12

Ein heftiger Wutausbruch bestimmt die ersten Minuten in Zeitlupe zu stiller klassischer Musik: Die 35-jährige Margaret (Stéphanie Blanchoud) attackiert ihre Mutter Christina (Valeria Bruni Tedeschi), kann erst von drei Männern gebändigt und aus dem rausgeschmissen werden. Ein Richter verhängt ein Kontaktverbot für drei Monate. Margaret darf nicht näher als hundert Meter ans Haus ihrer Mutter. Um an der Grenze weiterhin von der Exilierten Gesangsunterricht zu erhalten, markiert die zwölfjährige Schwester Marion (Elli Spagnolo) daraufhin mit blauer Farbe den Bannkreis. Das hundert Meter lange Band wird dabei von der Mutter gehalten - eine verlängerte Nabelschnur.

Margaret bleibt selbst mit einer tiefen Wunde im Gesicht weiterhin aggressiv und übergriffig, verständnislos für die Folgen ihrer Taten. Scheinbar war sie in der Vergangenheit schon öfter gewalttätig und hat Narben von Prügeleien. Doch auch die Mutter ist nicht ohne: Sie mäkelt ständig an der jüngsten Tochter herum und lässt sie für ein paar Tage allein, um mit einem neuen, jungen Lover Urlaub zu machen. Im Verlauf des Films erweist sich Christina als die Unerträgliche. Die ehemals erfolgreiche Pianistin wirft ihren Töchtern theatralisch vor, sie hätte für sie die Karriere opfern müssen. Und jetzt hätte ihr Margaret mit dem Gewaltausbruch auch noch das Gehör zerstört. Bei jeder Gelegenheit muss die unreife Frau im Zentrum stehen.

Die Schweizer Regisseurin Ursula Meier gelingt es wieder, heftige Emotionen in eine klar definierte Raumordnung zu bringen. In „Home" durchschnitt eine Autobahn das Familienleben, in „Winterdieb" trennte ein Skilift arm und reich. Die geniale Idee der Linie bringt nun die emotionale Distanz dieser Familie konkret und sinnbildlich in den Raum. Jeden Tag taucht Margaret an einem Kieshügel außerhalb des Bannkreises auf. Marion setzt die Gesangstunden mit der ausgestoßenen Schwester in der Kälte des Winters fort, obwohl diese an Asthma leidet. Die Kleine ist eigentlicher Dreh- und Angelpunkt, sie sucht Vermittlung zwischen den beiden extremen Charakteren und schließlich verzweifelt Zuflucht im Gottesglauben. Zu Weihnachten treffen sich die Schwestern an der Grenze, aber später wird Blut auf die Linie tropfen. Nur Christina beobachtet alles aus sicherer Entfernung. Dann nähert sich das Ende des Kontaktverbots ...

„Die Linie" ist ein packendes, intensiv gespieltes Familiendrama, das einfache Erklärungen ausspart. Das Dysfunktionale dieser Mutter-Tochter-Beziehung zeigt sich in den getrennten Porträts der beiden Frauen. Der Star Valeria Bruni Tedeschi glänzt als überspannte Egomanin. Stéphanie Blanchoud, die Darstellerin der Margaret, schrieb nicht nur das Drehbuch zusammen mit der Regisseurin. Auch die Musik komponierte sie, unter anderem mit dem bekannten Chansonier Benjamin Biolay, der im Film Margarets Ex-Partner spielt.

7.5.23

Adiós Buenos Aires

Deutschland, Argentinien 2023, Regie: German Kral, mit Diego Cremonesi, Marina Bellati, Manuel Vicente, 93 Min., FSK: ab 12

2001 werden die argentinische Wirtschaftskrise und das politische Chaos unerträglich für Julio Färber (Diego Cremonesi). Der Besitzer eines kleinen Schuhladens in Buenos Aires will nach Deutschland, dem Geburtsland seiner Mutter, auswandern; die Pässe sind schon da. Julio ist noch leidenschaftlicher Bandoneon-Spieler in einem Tangoorchester, doch als Bezahlung gibt es nur mal Empanadas und im Schuhgeschäft holt der Lieferant unbezahlte Ware ab. Die Freunde von der Band wissen nichts von seinen Plänen und komplettieren ihre Truppe mit dem berühmten Sänger Ricardo Tortorella (Mario Alarcón) aus dem Altersheim. Als Julio schließlich seinen Laden verkauft sowie die Wohnung gekündigt hat, werden plötzlich die Bankguthaben eingefroren. Wie soll er nun die Flugtickets für seine Mutter Dorote (Regina Lamm) und die 14-jährige Tochter Paula (Violeta Narvay) bezahlen? Dabei will der frisch verliebte Teenager gar nicht mit und bei ihrer Mutter bleiben. Gleichzeitig zweifelt Julio, ob er das chaotische Leben in Buenos Aires für wirtschaftliche Stabilität in Europa aufgeben soll.

„Adiós Buenos Aires" erzählt rund um den stillen Helden Julio viele kleine Geschichten, stimmungsvoll durch die Tango-Lieder begleitet. Der Pianist wettet, obwohl er arbeitslos ist, und fliegt deswegen zuhause raus. Der Bassist will Julios Auto reparieren, verkauft aber erstmal die Einzelteile. Und dann der Autounfall mit der temperamentvollen wie unversicherten Taxifahrerin Mariela (Marina Bellati). Die alleinerziehende Mutter des gehörlosen Jungen Pablito hat auch kein Geld. Deshalb kutschiert sie fortan Julio mit der Band und findet dabei Gefallen an ihm.

„Adiós Buenos Aires" ist das Spielfilmdebüt des argentinischen Regisseurs German Kral, der seit mehr 30 Jahren in Deutschland lebt. Sein herzergreifender Kinodokumentarfilm „Ein letzter Tango" über das Leben des berühmtesten Tangotanzpaars der Geschichte, begeisterte 2016 in den deutschen Kinos. Nun gelingen ihm wieder berührende Szenen, wenn der taube Pablito das Bandoneon über die Vibrationen „hört" oder wenn ein Tango mit einem Besen getanzt wird, während der aus dem Altersheim geworfene Maestro Tortorella in einen Nebenraum der Autowerkstatt einzieht. Solche Momente solidarischer Hilfe unter guten Menschen mischt der Regisseur mit Original-Aufnahmen von Unruhen und Gewalt in Folge der Kontensperrung. Und während die ganze Stadt protestiert, spielt Julio für einen korrupten Politiker.

Aus den Geschichten, der traurigen Mimik des Julio-Darstellers Diego Cremonesi und den melancholischen Tangos entsteht das glaubhafte Stimmungsbild einer Gesellschaft in der Krise. Wir erleben die Probleme mit, fühlen den Zwiespalt um die mögliche Auswanderung. Ein sehr schönes, von der Musik beflügeltes Drama, in dem die langjährige Verbundenheit von German Kral mit dem Tango spürbar ist.

1.5.23

Spoiler Alarm

USA 2023, Regie: Michael Showalter, mit Jim Parsons, Ben Aldridge, Josh Pais, 113 Min., FSK: ab 12

Der Spoiler ist erlaubt: Es geht nicht gut aus! Wie es die autobiografische Vorlage „Spoiler Alert: The Hero Dies" (Spoiler Warnung: Der Held stirbt) von Michael Ausiello schon aufs Cover schrieb, sagt es Michael (Jim Parsons) in der ersten Szene: Mein Freund Kit (Ben Aldridge) wird sterben. Um sich dann an das Treffen in einer Schwulen-Bar zu erinnern, an das Flirten, Dates und großes Glück miteinander. Zur Mitte des Films wird ein aggressiver Krebs bei Kit diagnostiziert. Dabei haben sie nach Jahren des Zusammenseins gerade eine Auszeit mit getrennten Wohnungen genommen.

Das schnelle Aufflammen der Liebe und der lange Abschied in „Spoiler Alert" leben von der angreifenden Geschichte und der sympathischen Ausstrahlung des Hauptdarstellers: Jim Parsons ist bekannt als nerdiger Naturwissenschaftler aus der Serie „The Big Bang Theory" und gibt nun wieder einen schüchternen, unsicheren und spleenigen Typen, dessen Wohnung voller Schlumpf-Figuren ist. In der Rolle des TV-Kritikers Michael Ausiello träumt er sich in den schmerzlichsten Szenen weg zu einer Soap mit ihm als dicken Jungen neben seiner Mutter. Denn der drohende Verlust des Geliebten ist besonders schwer für ihn, weil bereits seine Mutter früh verstarb.

Wie angekündigt hat „Spoiler Alert" kein happy, sondern ein trauriges Ende, aber auch eines voller Harmonie und Liebe. Zusammen mit Kits Eltern wird ein letzter gemeinsamer Urlaub am Meer genossen und der vorsichtige Cola Light-Trinker Michael kifft endlich zusammen mit dem lebensmutigeren Kit. Der darf jetzt offiziell Marihuana gegen seine Schmerzen rauchen. Das Drama lässt eine herzzerreißende Liebesgeschichte in schwierigen und schönen Momenten miterleben. Dabei wirkt das Gefühl nicht abgeschmackt nach Hollywood-Art ausgewalzt, sondern sehr intim und leise. Damit schließt Regisseur Michael Showalter nahtlos an den einfühlsamen Stimmungs-Glücksgriff seiner Romantische Komödie „The Big Sick" (2017) an. Damals musste ein Komiker mit einer Freundin im Koma zurechtkommen.

Oink

Niederlande 2022 (Knor) Regie: Mascha Halberstad, 73 Min., FSK: ab 0

Der enorm erfolgreiche Animationsspaß „Oink" aus den Niederlanden ist jetzt auch in Deutschland zu erleben: Die 8-jährige Babs wünscht sich zum Geburtstag unbedingt einen Hund, doch Papas Allergie macht das unmöglich. So ist sie überglücklich, als Opa Tuitjes ihr ein Ferkel schenkt. Der kehrte kurz vor dem Geburtstag nach Jahren der Abwesenheit aus Amerika zurück und wird nicht nur von Babs bestem Freund Tijn misstrauisch beäugt. Mutter Margreet will Opa Tuitjes lieber nicht im Haus haben und Großtante Christine traut ihm alles Schlechte zu. Doch Babs ist vernarrt in das Oink genannte Schweinchen, baut ihm einen Stall und geht mit ihm zur Hundeschule, damit es Manieren lernt. Aber immer wieder beweist Oink, dass es ein Schwein und nicht stubenrein bleibt. Vor allem eine Feier im Wohnzimmer gerät zur großen Sauerei. Und wie hängt Opas plötzliche Rückkehr mit dem Wurstwettbewerb zusammen, bei dem er schon vor 25 Jahren für einen Skandal sorgte? In einem Koffer versteckt er eine Wurstmaschine...

„Oink" ist besonders schöner Animationsfilm, der im Stop-Motion-Verfahren entstanden ist. Mühsam wurden die Miniatur-Figuren mit ihren Charakterköpfen und die Hintergründe von Hand bewegt und mehrmals pro Film-Sekunde aufgenommen, damit sich ein lebendiger Fluss ergibt. So zeigt sich eine einfache, nicht fantastische Welt der bekannten kleinbürgerlichen Niederlande mit Reihenhäuschen, Gemüsegärtchen und Bauernhöfen. Die ist sagenhaft gut animiert, wenn Haare und Fell dauernd im Wind wehen, wenn Fahrräder und Autos dynamisch schleudern. Dazu besonders liebevoll in den Details der Einrichtung und des Örtchens.

Die übersichtliche Handlung erzählt von Vegetarismus der Mutter Margreet, von enttäuschtem Vertrauen und von der Sauerei, die das kleine Schwein immer hinter sich lässt. So gibt es Schweinereien beim Metzger, im Garten und Wohnzimmer. Eigentlich dauernd, das ist eine auffällige Fixierung des netten Kinderfilms, allerdings eine auch dramaturgisch wichtige. Nach einer mehr witzigen als spannenden Verfolgungsjagd werden vegetarische Würstchen den Sieg erringen.

25.4.23

Die Gewerkschafterin


Frankreich, Deutschland 2022 (La Syndicaliste) Regie: Jean-Paul Salomé, mit Isabelle Huppert, Gregory Gadebois, Yvan Attal, 121 Min., FSK: ab 16

Wie die Gewerkschafterin Maureen Kearney schwer misshandelt in ihrem Haus aufgefunden wird und man sie später verdächtigt, dies inszeniert zu haben, basiert auf einer wahren Geschichte. Isabelle Huppert spielt „Die Gewerkschafterin" in ihrem Kampf gegen machohafte Vorstände eines Atom- und Energiekonzerns. Vehement setzt sich Maureen Kearney gegen eine Übernahme der Atomsparte und dem folgenden Verlust von Arbeitsplätzen ein. Drohungen scheinen sie nur noch mehr anzustacheln. Den möglichen Ruhestand mit ihrem gutmütigen Mann Gilles (Grégory Gadebois) verschiebt sie resolut nach hinten. Auch nach dem Attentat bleibt Maureen kämpferisch, will sich nicht als Opfer sehen. Doch Kommissar Nicolas Brémont (Pierre Deladonchamps) findet keine Spuren der Täter und verdächtigt die überfallene Frau. So wird sie vor Gericht wegen Vortäuschung einer Straftat verurteilt. Aber selbst dieser Niederschlag stoppt die Kämpferin nicht.

„Die Gewerkschafterin" müht sich nach der Buch-Vorlage „La Syndicaliste" mit vielen Details des Dramas um die Persönlichkeit Maureen Kearney ab. Anfangs gibt es viel Wirtschaft-Wirrwarr, später wird es ganz kurz mal kriminalistisch. Das interessante Zentrum bildet die eigenwillige Hauptfigur. Auch wenn man gute Absichten voraussetzt, stößt ihre Direktheit sogar Gewerkschaftskollegen zurück. Männer um sie herum sind entweder ängstlich im Arbeitskampf oder als Gegner grob sexistisch. Der Kampf einer Frau für ihre Rechte nimmt dann auch eine größere Rolle ein als der abstrakt bleibende Verkauf von Atomkraftwerken.

Schon bei „Die Frau mit berauschenden Talenten" spielte Isabelle Huppert in einem Film von Regisseur Jean-Paul Salomé - als Polizei-Übersetzerin, die in den Drogenhandel einstieg. Was damals übertrieben komisch war, verläuft nun sehr ernst. Zwar gibt „die Huppert" auch der Figur der Gewerkschafterin ihren typischen spröden Touch, doch sie wirkt dabei unterfordert und weit von der Faszination von Verhoevens „Elle" entfernt.

24.4.23

The Whale

USA 2022, Regie: Darren Aronofsky, mit Brendan Fraser, Sadie Sink, Ty Simpkins, 117 Min., FSK: ab 12

Mit zwei Oscars ausgezeichnet berührt das gemeinsame Comeback von Schauspieler Brendan Fraser und Regisseur Darren Aronowsky: Es ist ein schockierender Anblick: Extrem übergewichtig sitzt der Literatur-Dozent Charlie (Brendan Fraser) in seiner düsteren Wohnung. Er kann sich kaum alleine aus seinem Sessel erheben, zur Fortbewegung braucht er eine Gehhilfe. Gegen Panikanfälle rezitiert er immer wieder einen Text über Moby Dick. Der scheint ein letzter Halt im Leben zu sein. Frustriert frisst er auf abstoßende Weise und erstickt fast an einem Sandwich. Wieder einmal rettet ihn seine aufopferungsvolle Pflegerin Liz (Hong Chau), die eine besondere Verbindung zu ihm hat. Sie weiß, dass sein Blutdruck mörderisch hoch ist, trotzdem geht er nicht ins Krankenhaus, obwohl er das Geld dafür auf dem Konto hätte. Doch das hält er heimlich für seine Tochter Ellie (Sadie Sink) zurück, die er nach neun Jahren erstmals wieder sieht. Er schlägt der sehr wütenden und abweisenden den Deal vor, gegen Geld gemeinsam Zeit zu verbringen und ihr mit der Schule zu helfen.

Charlies schwer rührender Versuch, wieder eine Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen, ist das Herz von „The Whale". Doch nur zu sagen, dass er einen letzten Versuch unternimmt, sich nach langer Zeit mit seiner Tochter zu versöhnen, würde den Film reduzieren. Zu komplex ist diese Familiengeschichte. Denn der Dozent verließ damals seine Frau wegen eines jungen Studenten. Die Tochter war acht Jahre alt. Dass der Kontakt zu ihr abbrach, hatte mehrere Gründe. Charlies Mann wiederum kam aus einer extrem religiösen Freikirchen-Familie und brachte sich schwerkrank um. Ein Verlust, den Charlie nur durch seine exzessive Esserei ertragen kann. Und ausgerechnet ein junger Missionar dieser Sekte klopft an seine Tür.

Die Story von „The Whale" zeigt die gleiche Gnadenlosigkeit wie der extrem heftige und ergreifende Drogen-Albtraum „Requiem for a Dream" (Regie, Drehbuch, Schnitt und Cameo-Auftritt), Regisseur Darren Aronowskys erstem Erfolg aus dem Jahr 2000, nachdem „Pi - Der Film" (1997) schon eingeweihte Kreise begeisterte. Mit dem esoterischen Historienfilm „The Fountain" (2006) ging es auf der Suche nach dem Quell der Jugend thematisch und vom aufwändigen Stil her in eine ganz andere Richtung. Konstant blieb ein Sonderling im Kern der Geschichte, auch bei „The Wrestler" (2008). Der Wrestling-Film war mit einer persönlichen Tour de Force ein kurzes Comeback für Mickey Rourke. 2010 folgte mit „Black Swan" und Natalie Portman Aronowskys bislang erfolgreichster Film. Die Welle der Popularität brachte ihm den mit Russell Crowe prominent besetzten und wenig interessanten „Noah" (2014) ein. Erst mit dem irre klaustrophobischen „Mother!" (2017) kehrte der Filmemacher wieder zu herausfordernden Stilen und Geschichten zurück. Jennifer Lawrence als Mutter und Javier Bardem als Dichter liefern sich einen horrenden Beziehungskampf bis aufs Blut.

Nach sechs Jahren Pause, in denen Aronowsky hauptsächlich als Produzent arbeitete, steht nun wieder ein extremer Einzelgänger im Zentrum einer Familiengeschichte, die entfernt an die Vater-Tochter-Konstellation aus „The Wrestler" erinnert. Auch das gefeierte Comeback vom ehemaligen Komödianten Brendan Fraser, der in den 90ern seinen Karriere-Höhepunkt mit einfachen und affigen Filmchen wie „Die Mumie" (1999) und „George - Der aus dem Dschungel kam" (1996) hatte, ist ähnlich. Allerdings zeigte Fraser schon in Bill Condons genialem „Gods and Monsters" als Gärtner von James Whale, dem Regisseur des Films „Frankenstein", eine andere Seite. Nun ist er mit wiedererkennbarer Mimik selbst „The Whale", der massive Körper des „Wals" wird öfter nackt gezeigt. Hier ist der Grund für den zweiten Oscar – neben dem für Frasers eindrucksvollem Schauspiel - zu bewundern: Die Maske mit dem immensen „fat suit" ist zu keinem Moment als solche erkennbar. So bleibt der Fokus auf die herzzerreißende Tragödie eines Mannes mit unheilbar gebrochenem Herzen, der verzweifelt einen Weg sucht, der abweisenden Tochter seine Liebe zu zeigen.

„The Whale" ist ein beklemmendes Kammerspiel in dunkler, übervoller Wohnung. Das klassische Normalformat engt alles noch mehr ein. Helles Licht spart sich die Kamera von Matthew Libatique für einen besonderen Moment auf. Ein Moment, der nach einem Strudel der Gefühle, nach schweren Geständnissen, nach Abweisung und Versöhnung niemanden ungerührt lassen wird. Trotz und wegen des typisch abgehobenen Aronowsky-Touches.

Champions

USA 2023, Regie: Bobby Farrelly, mit Woody Harrelson, Kaitlin Olson, Matt Cook, 124 Min., FSK: ab 12

„Verrückt nach Mary", „Dumm und Dümmer", „Schwer verliebt" - die erfolgreichen und deftigen Komödien der Brüder Bobby und Peter Farrelly hätten es heutzutage schwer. Scherze auf Kosten von Minderheiten bieten reichlich Aufreger an. So passt es, dass Regisseur Bobby Farrelly in seinem neuen Film „Champions" Buße tut. Mit seiner Hauptfigur, dem rüpelhaften Basketball-Kotrainer Marcus (Woody Harrelson). Nachdem der zuerst seinen Chef-Trainer vor Kameras zu Boden stößt und dann betrunken ein Polizei-Auto anfährt, verdonnert ihn eine Richterin zu Sozialstunden mit einem Team geistig behinderter junger Spieler. Marcus, der sich als exzellenter Taktiker überhaupt nicht für die Menschen um sich herum interessierte, steht eine steile Lernkurve bevor.

Wir lernen Marcus als arroganten und aufbrausenden Egoisten kennen. Zu sehr von sich selbst überzeugt, um seine Mängel wahrzunehmen. Was sich angesichts des unmöglichen Teams namens „Friends" schnell legt. Statt um seine Spielzüge muss er sich um seine Spieler kümmern, von denen einer nicht duschen will, ein anderer immer arbeiten muss und ausgerechnet der beste jeden Einsatz verweigert. Mit und mit stellt sich der Trainer auf die Individuen ein, deren Hintergründe der Film im Schnelldurchgang präsentierte. So entsteht ein erfolgreiches Team, dass sich tatsächlich für die Paralympics qualifizieren könnte. Parallel zur konventionellen Sportgeschichte darf sich Marcus auch in einer Beziehung bewähren: Seine Bettbekanntschaft Alex (Kaitlin Olson) ist die Schwester einer der behinderten Spieler und immer mehr vom Einsatz des Trainers begeistert.

Basierend auf der spanischen Vorlage „Campeones" („Wir sind Champions") realisierte Bobby Farrelly eine geglättete und nette Hollywood-Geschichte. Der provokative und grenzverletzende Humor der alten Filme ist fast völlig verschwunden, Woody Harrelson („Die Tribute von Panem", „Triangle of Sadness") spielt einer seiner bravsten Rollen. Es sind vor allem die Nebenrollen, die Spaß und den Film sympathisch machen.

17.4.23

Infinity Pool

Kanada, Kroatien, Ungarn 2022, Regie: Brandon Cronenberg, mit Alexander Skarsgård, Mia Goth, Cleopatra Coleman, 118 Min., FSK: ab 18

Brandon Cronenberg, Sohn von Horror-Altmeister David Cronenberg, versucht sich und scheitert an einer obskuren Horror-Geschichte über Tourismus, Fremde und eine äußerst gewalttätige Selbstfindung. Der mittelmäßige Schriftsteller James Forster (Alexander Skarsgård) und seine reiche Frau Em (Cleopatra Coleman) urlauben in einem hermetisch abgeschlossenen Ferienresort der fiktiven Insel Li Tolqa. Als sie mit der verführerischen Gabi (Mia Goth) das Gelände verlassen, kommt es zu einem tragischen Unfall mit Todesfolge. James wird von der lokalen Justiz einem bizarren Ritual ausgesetzt: Die Einheimischen fertigen gegen Zahlung eines hohen Geldbetrages ein lebendiges Double an, das bei einer brutalen Exekution vom Sohn des Opfers erstochen wird. James' Gegenstück wimmert und schreit beim Sterben, aber das Original ist seltsam fasziniert. Danach wird er von einer Gruppe reicher Touristen, die das Gleiche mitgemacht haben und die sich Zombies nennen, aufgenommen. James lässt sich vor allem durch Gabis sexuelle Ansprache zum Mitmachen bei weiteren Verbrechen verführen – und immer stehen Kopien für das Urteil zur Verfügung. Zwar stellt sich die Frage, ob wirklich das Double umgebracht wurde und nicht das Original, doch die reichen Touristen verhalten sich zunehmend entgrenzt und hemmungslos.

Cronenberg Junior inszeniert mit viel Gewalt, „traditionellen" Masken und Drogen-Trips einen wenig subtilen Horror der Konfrontation mit einer anscheinend unterentwickelten Bevölkerung. Das erinnert an John Boormans „Beim Sterben ist jeder der Erste" (Originaltitel: Deliverance) aus dem Jahr 1972, diesmal sind es allerdings die wohlhabenden US-Amerikaner, die jenseits der Zivilisation zu wilden Bestien werden. Ein interessanter Ansatz, der jedoch inszenatorisch sehr banal daherkommt. Auch der ansonsten hervorragende Alexander Skarsgård kann nichts retten.

Roter Himmel

Regie: Christian Petzold, mit Thomas Schubert, Paula Beer, Langston Uibel, Enno Trebs, Matthias Brandt, 102 Min., FSK: ab 12

Eigentlich wollte der junge Schriftsteller Leon (Thomas Schubert) Ruhe finden, um seinen zweiten Roman zu vollenden. Doch der Trip an die Ostsee mit Felix (Langston Uibel), seinem Freund aus Jugendtagen, beginnt schon schlecht mit einer Autopanne. Das alte Ferienhaus am Strand ist dann bereits belegt von Nadja (Paula Beer), einer Bekannten von Felix Mutter. Kurioserweise sehen die jungen Männer ihre Mitbewohnerin die ersten Tage nicht. Sie hören nur nachts lustvolle Geräusche beim Sex. Als Leon Nadja, die am Strand Eis verkauft, dann eines Morgens begegnet, ist er sofort verliebt.

„Roter Himmel" ist ein leichter Sommerfilm nach französischen Vorbildern von Eric Rohmer. Mit einem schweren Bleigewicht als Hauptfigur mittendrin: Der mürrische Leon lehnt jeden Spaß und alles Schöne ab, er müsse arbeiten und eigentlich sollte das Felix auch. So geht Leon nicht baden, sitzt bei den gemeinsamen Abenden meckernd rum, ist uninteressiert am Leben der Anderen. Die Leichtigkeit, mit der diese miteinander umgehen, provoziert ihn nur. Der gut gebaute Rettungsschwimmer Devid (Enno Trebs), nächtlicher Gespiele von Nadja, macht ihn eifersüchtig. Alle Sympathien, die ihm erstaunlicherweise doch noch entgegengebracht werden, stößt der übelgelaunte Leon zurück. Selbst die von Nadja. Christian Petzold („Barbara", „Phoenix", „Transit", „Undine"), einer der klügsten deutschen Regisseure sagt zu Leon, „er schließt sich aus der Welt aus, weil er glaubt, die Distanz gehört zum Schriftstellersein. Er hat noch nicht begriffen, dass das keine Erzählposition ist." Bevor Leon aus seinem Panzer herauskommt, übernimmt das Leben die Regie. Ein großer Waldbrand hat dramatische Folgen und der zweite Roman wird ganz anders als geplant.

„Roter Himmel" gewann bei der Berlinale im Februar den Großen Preis der Jury. Es ist ein gleichzeitig verspielter und schwer durchdachter Film. Die sommerliche Atmosphäre lässt sich selbst vom roten Himmel des nahen Waldbrandes nicht stören. Erst Schicksalsschläge können die Selbstbezogenheit des verkrampften Schriftstellers aufbrechen. Leons Gegenfigur ist sein Verleger Helmut (Matthias Brandt), der zur Textbesprechung vorbeikommt. Voll Interesse nimmt er lebendigen Kontakt zu den jungen Leuten auf, genießt das Abendessen unter freiem Himmel intensiv, obwohl die Zeit begrenzt ist. Dem weisen Mann gehört dann auch die Erzählstimme, wenn am Ende Leons neuer Text im Off gelesen wird. Ein nettes Perspektiven-Spiel, das noch einmal zeigt, weswegen der Blick auf den eigenen Bauchnabel nur schwer interessant sein kann.

Paula Beer, die Darstellerin der Nadja, arbeitete bereits bei „Transit" (2018) und „Undine" (2020) mit Christian Petzold zusammen. Für „Undine" wurde sie mit dem Silbernen Bären der Berlinale und dem Europäischen Filmpreis als Beste Schauspielerin ausgezeichnet. Als Nachfolgerin von Nina Hoss in Petzolds weiblichen Hauptrollen, ist es diesmal Leons Fantasie, die ihrer Figur das Geheimnisvolle und Distanzierte gibt. Hätte er mal gefragt, hätte er erfahren, dass die Eisverkäuferin gerade ihre Doktorarbeit in Literatur schreibt. Es ist vor allem das Spiel von Beer und Brandt, das zusammen mit der Leichtigkeit einfangenden Kamera von Hans Fromm „Rote Sonne" zu einem reizvollen und nachhaltigen Sehvergnügen macht.

Empire of Light

Großbritannien, USA 2022, Regie: Sam Mendes, mit Olivia Colman, Micheal Ward, Tom Brooke, 116 Min., FSK: ab 12

In einem englischen Seebad prunkt Anfang der 80er Jahre der herrliche Kinopalast „Empire" am Strandboulevard. Zwei große Säle und ein traumhafter Tanzsaal, der geschlossen und den Tauben überlassen wurde. Im „Empire" arbeitet die einsame Kinomitarbeiterin Hilary (Olivia Colman) an der Kasse und bei den Süßigkeiten. Zwischendurch verrichtet die ältere Frau auch sexuelle Dienstleistungen für den verheirateten Chef (Colin Firth). Das dämpfende Lithium-Medikament gegen die Gefühlsschwankungen ihrer bipolaren Störung macht Hilarys trauriges Leben noch trostloser. Als der junge Schwarze Stephen (Micheal Ward) als neuer Arbeitskollege eingestellt wird, verguckt sich Hilary direkt in ihn und auch er sucht ihre Nähe. Eine Taube mit gebrochenem Flügel, die von Stephen gerettet wird, könnte als Metapher verstanden werden, macht Hilary vielleicht Hoffnung auf Heilung. Sie nimmt ihre Tabletten nicht mehr und entdeckt das Lachen wieder. Doch die entstehende heimliche Beziehung mit großem Altersunterschied leidet unter wachsendem Rassismus in der jungen Bevölkerung ebenso wie unter Hilarys wiederkehrenden Wutausbrüchen.

Es sind die 80er Jahre, im Kino laufen „Blues Brothers" und auf dem Walkman der Jugend Ska-Bands wie „The Specials". Aber es gibt ebenso rechtsradikale Skinheads, die Gesellschaft verhärtet sich unter der Regierung Maggie Thatchers. Bei einem brutalen Überfall von Anhängern der „National Front" wird Stephan zusammengeschlagen. Sein Kommentar im Krankenhaus: „Es ist, wie es immer war. Das ist meiner Mutter passiert, es passiert mir und wird wohl auch noch meinen Kindern passieren."

Auch Sam Mendes, Ex-Mann und Regisseur von Kate Winslet („Zeiten des Aufruhrs" 2008), schwelgt nun in „Empire of Light" in Kino-Erinnerungen wie Spielberg bei „The Fabelmans". Zwar geht der 1965 geborene Engländer zurück in die 80er Jahre, es könnte also seine Jugend sein, doch „Empire of Light" erzählt andere Geschichten. Während das Zeitkolorit zwischen steifer Gesellschaft und jugendlicher Rebellion geschildert wird, macht Mendes klar, dass mit Punk und Ska auch Rassismus daherkam. Zentral ist das gestörte Gefühlsleben der mit ungeheurem expressiven Spiel von Olivia Colman („The Crown", „The Favourite - Intrigen und Irrsinn") dargestellten Hilary. Es ist ihre Tragödie, aus dem das Kino einen Ausweg zeigt. Denn nach Jahren der Arbeit im „Empire" sieht sie sich endlich selbst einen Film an. Das Werk, das ihr eine Flucht anbietet, ist Hal Ashlys wunderbarer „Being There" mit Peter Sellers - die Geschichte eines Mannes, der aus einer selbstgewählten Isolierung heraustritt.

„Empire of Light" ist ein bewegendes Melodram und vielschichtiges Drama mit erlesener Besetzung. Colin Firth („The King's Speech - Die Rede des Königs", „A Single Man") und Tom Brooke („Say Your Prayers", „The Death of Stalin") glänzen in Nebenrollen als Kino-Chef und Vorführer. Die Kamera von Roger Deakins („James Bond 007: Skyfall", „No Country for Old Men") schwelgt in Ansichten des Kinos „Empire" und anderer Architektur. Von außen sieht der kantige Klinker-Prachtbau aus wie ein Hopper-Gemälde, innen sind die Leiden der echten Menschen größer als die auf der Leinwand.

2.4.23

Im Taxi mit Madeleine

Frankreich 2022 (Une Belle Course) Regie: Christian Carion, mit Line Renaud, Dany Boon, Alice Isaaz, 91 Min., FSK: ab 12

Charles (Dany Boon) ist ein Pariser Taxifahrer Chauffeur mit Geldproblemen und zu vielen Punkten in der Verkehrssünderkartei. Heute hat er einen besonderen Fahrgast: Die 92-jährige Madeleine (Line Renaud) nimmt Abschied von ihrem Haus in schöner Villengegend, um in ein Altersheim zu ziehen. Die lange Fahrt zur anderen Seite von Paris wird unterbrochen für Umwege in ihr altes Viertel und weitere wehmütige Erinnerungen. Denn Madeleine hat es nicht eilig, im Heim anzukommen.

Der Ort, wo ihr Vater 1944 von den Nazis erschossen wurde. Ihr erster Kuss als 16-Jährige mit einem amerikanischen Soldaten. Eine kurze Liebe, das Leben im Theater, wo sie Kostüme nähte. Ein romantischer Kinobesuch gefolgt von gewalttätiger Beziehung mit dramatischen Folgen, die Madeleine Keller berühmt machten. So erleben wir im eigentlich undramatischen Setting von Erzählungen und Rückblenden eine heftige Geschichte von Gewalt und frauenfeindlicher Justiz.

Dabei öffnet sich der nicht sehr gesprächige Fahrer Charles langsam und erzählt von seinen Problemen. Immer wenn er wegen des Verkehrs explodiert, bringt Madeleine ihn mit ihrer charmanten und liebenswürdigen Art, mit ihren Geschichten wieder zurück auf den Boden. Zwischendurch rettet sie seinen Führerschein mit einem gut gespielten Lügenmärchen.

Das Spiel zwischen Distanz und Nähe in der engen Fahrgastzelle ergab für den Film immer wieder Gelegenheit für ein besonderes Kammerspiel: Bei „Miss Daisy und ihr Chauffeur" (1989) waren es die alte weiße Frau und ihr schwarzer Fahrer in einem belasteten Verhältnis. Das spezielle Roadmovie „Im Taxi mit Madeleine" wurde trotz der begrenzten Situation im Auto von Regisseur Christian Carion („Merry Christmas") mit viel Paris-Sightseeing flüssig gestaltet. Eine berührende und herzerwärmende Geschichte, die ohne laute Töne hervorragend inszeniert ist. Komödienstar Dany Boon („Willkommen bei den Sch'tis") spielt angenehm zurückhaltend den gebeutelten Taxifahrer. Die französische Schauspiel-Ikone Line Renaud („Call my Agent", „Willkommen bei den Sch'tis") erhält so Raum, sich ein schönes Denkmal zu setzen.

Suzume

Japan 2022 (Suzume No Tojimari) Regie: Makoto Shinkai, 122 Min., FSK: ohne Angabe

Auf dem Weg zur Schule trifft das Mädchen Suzume einen jungen Mann, der auf der Suche nach Ruinen ist. Neugierig entdeckt die 17-Jährige in einer verfallenen Stadt eine magische Tür, hinter der sich eine Landschaft unter leuchtendem Sternenhimmel zeigt, die sie aber nicht betreten kann. Später kriecht durch die offengelassene Tür eine riesige rote Rauchsäule und bedroht den Ort mit einem Erdbeben. Gemeinsam mit dem geheimnisvollen Jungen Souta gelingt es Suzume, das wundersame Portal zu verschließen. Doch bald darauf wird er von einer sprechenden Katze in einen Kinderstuhl verwandelt.

„Suzume" lockt mit seinem atemberaubenden und fantastischen Auftakt direkt ins magische Reich von Filmemacher Makoto Shinkai, der zuletzt mit „Your Name. Gestern, heute und für immer" (2016) und „Weathering With You" (2019) begeisterte. In seiner neuen Animation, die vor allem auf junges Publikum zielt, geht es um die in Japan sehr bedrohlichen Erdbeben, verkörpert durch dämonische Rauchsäulen. Suzume selbst verlor als kleines Kind ihre Mutter durch die Katastrophe von Fukushima. Nun folgt sie mit dem im Stuhl gefangenen Souta der sprechenden Katze, um immer neue Portale für den gefährlichen Wurm zu verschließen. Eine Bedrohung, die nur sie sehen kann, was zu reizvollen Wechseln mit der Perspektive der Ahnungslosen führt.

Auf ihrem Roadtrip durch Japan zu verlassenen Schauplätzen früherer Naturkatastrophen findet die Waise immer wieder freundliche, hilfsbereite Menschen. Was die auf den ersten Blick schematische Konstruktion des Films schnell hinter sympathischer Unterhaltung verschwinden lässt. Dabei ist es auch eine Reise zum Erwachsenwerden für die Heldin, die sich von ihrer Tante emanzipiert, bei der sie aufgewachsen ist.

Als erster Animefilm seit zwei Jahrzehnten feierte „Suzume" seine Premiere im Wettbewerb der Berlinale. Regisseur Makoto Shinkai, der mit seinen Animationen große Erfolge gefeiert hat, versetzt seine Teenager wieder in eine Welt zwischen faszinierend animierten Visionen und existenziellen Bedrohungen. Die rührende Suche der kleinen Suzume nach ihrer Mutter ist ebenso packend wie der spannende Kampf gegen den Erdbeben-Wurm.

31.3.23

Olaf Jagger

Deutschland 2022, Regie: Heike Fink, mit Olaf Schubert, Franz-Jürgen Zigelski, Ursula-Rosamaria Gottert, 100 Min., FSK: ab 6

Die Mockumentary um die Kunstfigur Olaf Schubert führt den Komiker zu der Entdeckung, dass seine Mutter eine kurze Affäre mit Mick Jagger hatte. Was bei einer DDR-Journalistin in den Sechzigern schon abenteuerlich ist. Nun ist in Museen von Rolling Stones-Fans und auch im Stasi-Unterlagen-Archiv zu klären, wie denn Mutter Schubert zu einem Stones-Konzert nach Münster in den Westen kam. Dabei wächst in Olaf Schubert der Gedanke, er könne in Wirklichkeit der Sohn von Jagger sein.

„Olaf Jagger" ist mal wieder die im Grundgesetz verankerte typische TV-Komödie, auf die jeder mittelmäßige Scherzkeks ein Recht hat. Nur diesmal fällt sie besonders wenig komisch aus. Sie erschreckt mit äußerst bescheidener Geschichte sowie lokal beschränktem Humor. Alles wirkt wie aus Fundstücken und wirren Ideen zusammengeschustert. Ein abgewrackter Ost-Sender wird besucht, Ost-Prominente und Musikgeschichte kommen ebenso kurz vor wie ein paar reale Termine des Komikers im Pullunder. Gestellte Doku-Szenen mit mäßig gespielter Aufregung („Jetzt hau ab!") erscheinen ebenso sinnlos wie die ganze Idee. Das ist sehr dünn für einen 90-Minüter.

Die Kairo Verschwörung

Schweden 2022 (Walad Min Al Janna) Regie: Tarik Saleh, mit Tawfeek Barhom, Fares Fares, Mehdi Dehbi, 121 Min., FSK: ab 12

Ein ägyptischer Fischersohn wird wegen seines eifrigen Koran-Studiums an der renommierte al-Azhar-Universität Kairos aufgenommen. Im Kampf um die Nachfolge des Großimams, des Oberhauptes der ältesten und angesehensten Institution des Islams, kommt der neue Student in Kontakt mit dem Geheimdienst. Adam (Tawfeek Barhom) soll die radikalste Gruppierung unterwandern, um letztlich einen staatshörigen Kandidaten durchzusetzen. Dabei verrät er einen Kommilitonen, um bei der Studenten-Gruppe anerkannt zu werden, vor der alle Angst haben.

Nach der recht behäbigen und wenig inspirierten Einführung legt die spannende Spionage-Geschichte „Die Kairo Verschwörung" moralische Abgründe unter den Gläubigen und zynische Machtspiele bei der Staatssicherheit bloß. Eindrucksvoll dabei der schwedische Schauspieler Fares Fares („Zero Dark Thirty", „Die Verachtung", „Chernobyl") als skrupelloser Geheimdienstler. Zwischen den Intrigen der Mächtigen auf beiden Seiten bleibt Adam ein passiver Spielball. Fast im ganzen Film ist Verwirrung sein bestimmender Gesichtsausdruck. Zunehmend verblüfft er allerdings alle Beteiligten mit einer großen Weisheit im Handeln. So gleicht er die Interessen beider Seiten aus und ist „Die Kairo Verschwörung" der wundersame Weg eines, der rein aus der ganzen Korruption herauskommt.

„Die Kairo Verschwörung" ist weniger spannender Politthriller als eine Anklage des ägyptischen Terrorregimes. Der gekonnt inszenierte Film von Tarik Saleh („The Contractor", „Die Nile Hilton Affäre", „Westworld") wurde selbstverständlich nicht in Ägypten, sondern in der Süleymaniye-Moschee in Istanbul gedreht. Er liefert Innenansichten der extrem Religiösen und der Staatspolizei eines Unterdrücker-Regimes. So eindrucksvoll geordnet die Bilder der Männer unter ihrem rotweißen Fez zwischen den Akademie-Mauern sind, so verrottet zeigt sich die Gesellschaft mit ihren Intrigen dahinter.

30.3.23

Neneh Superstar


Frankreich 2022, Regie: Ramzi Ben Sliman, mit Oumy Bruni Garrel, Maïwenn, Aïssa Maïga, 98 Min., FSK: ab 6

Schreiend vor Glück feiert die 12-jährige Neneh (Oumy Bruni Garrel) die Aufnahme an der renommierten Ballettschule der Pariser Oper. Als einziges schwarzes Mädchen aus der Banlieue unter lauter reichen weißen Kindern. Beim Vortanzen kann sie im Gegensatz zu den weißen Prinzesschen mit ihren vielen Preisen und teuren Lehrern nur das Studium von YouTube-Videos und viel Leidenschaft vorweisen.

Die Auswahl im Kreise der Lehrer ist dann eine heftige Ansammlung von Rassismen: Die dunkle Hautfarbe wäre eine Ablenkung auf der Bühne, Schwäne im Schwanensee seien doch weiß … Dazu pur rassistische Meinungen über „den schwarzen Körper". Vor allem die Direktorin des Balletts Marianne Belage (Maïwenn) erweist sich als Gegnerin Nenehs und als Intrigantin. Doch der Chef der Oper bringt mit seinem letzten Wort das Mädchen auf die Internatsschule. Was Neneh enorm glücklich macht - mitreißend gespielt von der Newcomerin Oumy Bruni Garrel, übrigens adoptierte Tochter der Schauspielstars Valeria Bruni Tedeschi und Louis Garrel.

Das sehr lebendige Mädchen lässt sich von den vielen Vorbehalten und dem ekligen Mobbing ihrer elitären Mitschülerin nicht in ihrer unerschütterlichen Begeisterung bremsen. Aber wenn sie sich gegen die fiesen Aktionen der anderen Tänzerinnen wehrt, bekommt nur sie einen Verweis. Und als sie als beste Tänzerin der Klasse trotzdem nicht die Hauptrolle des Schneewittchens tanzen darf, kommt es zum Eklat mit der Direktorin Belage.

„Neneh Superstar" ist keiner der inflationären Mixfilme aus Hiphop und klassischem Ballett, auch wenn Neneh ihre starken Emotionen immer im modernen Tanz ausdrückt. Es gibt auch nicht die üblichen Drogen- und Kriminalitätsklischees aus den Banlieues, sondern einen rührend starken Rückhalt der Familie. Der ungesunde Körperwahn wird bei der regelmäßigen Vermessung der Körperteile gestreift, ansonsten isst das unbekümmerte Mädchen dauernd und ignoriert Diäten. Während die Erfolgsgeschichte von Neneh mit vorhersehbaren Konflikten verläuft, entwickelt sich ihre Gegnerin Belage zu faszinierend vielschichtigen Figur: Die extrem strenge Direktorin stammt selbst aus den Banlieues und ist nordafrikanischer Herkunft. Sie änderte ihren arabischen Namen Myriam Bel-Hadj in den französischen Marianne Belage, Kontaktlinsen machen ihre braunen Augen blau. Der gleiche Hintergrund führt aber nicht zu Solidarität. Im Gegenteil: So wie Myriam / Marianne ihre eigene Vergangenheit ausgemerzt hat, will sie auch Neneh von der Schule verschwinden lassen. Als eine Journalistin Diversität und soziologische Hintergründe an der Schule untersucht, bricht die Lüge zusammen.  

Diese beiden Schicksale geben in einem nicht überdramatischen und auch für ältere Kinder geeigneten Film eine Ahnung von der Ausgrenzung wegen Hautfarbe und Herkunft. Dank toller Darstellung der komplexen Charaktere und dank der positiven Haltung von Neneh wurde es ein Mut machender Film.

27.3.23

The Ordinaries

Deutschland 2022, Regie: Sophie Linnenbaum, mit Fine Sendel, Sira-Anna Faal, Jule Böwe, 124 Min., FSK: ab 12

Der geniale Abschluss-Film von Regisseurin Sophie Linnenbaum dringt mit einer fantastischen Geschichte ins Räderwerk der „Film-Welt" vor. Die Unterdrückung der „Herausgeschnittenen" in einer Welt aus Haupt- und Nebenfiguren erzählt von Ausgrenzung und dem Erwachsenwerden.

Paula Feinmann (Fine Sendel) steht vor einem großen Schritt in ihrem jungen Leben, bald hat sie an der „Hauptfiguren-Schule" die Prüfung zur Hauptfigur. Sie ist Klassenbeste im Klippenhängen, beherrscht Zeitlupe und panisches Schreien im Schlaf – nur das Erzeugen emotionaler Musik mit dem Herzleser an der Brust will ihr einfach nicht gelingen. Noch lebt sie unter den Nebenfiguren, die wie ihre alleinerziehende Mutter blass aussehen und bekleidet sind, nur wenige Sätze haben und ein eintöniges Leben. Ihre beste Freundin Hannah (Sira-Anna Faal) stammt hingegen aus einer Familie von Hauptfiguren. Dort ist zuhause alles farbig und voller Dialog, dauernd wird gesungen und getanzt.

Paula sucht im Archiv vergeblich nach Flashbacks des verstorbenen Vaters, der eine heldenhafte Hauptfigur gewesen und bei „dem Massaker" gestorben sein soll. Hannahs Hausmädchen Hilde (Henning Peker), als mürrischer Mann eindeutig eine „Fehlbesetzung", zeigt Paula, dass es noch ein anderes Archiv und eine andere Welt gibt: Die Zone der „Outtakes", der Herausgeschnittenen, ist ein Elendsviertel voller fehlerhafter Figuren. Bei einer Wirtin kommen die Lacher vom Band völlig deplatziert, identische Doubles trinken zusammen ein Bier, ein alter Bekannter von Paulas Vater hat einen verpixelten Mund, er wurde zur Sprachlosigkeit zensiert. Schließlich erfährt Paula, dass „das Massaker" hier als Revolution der Outtakes angesehen wird. Sie wehrt sich nun selbst gegen die unmenschliche Klassengesellschaft. Behilflich ist ihr der sympathische junge Simon (Noah Tinwa), der an Filmsprüngen leidet, also nur lückenhaft auftritt, und illegal Geräusche verkauft.

Es ist fantastisch, wie Sophie Linnenbaum in ihrem Abschlussfilm an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf aus dem Gegeneinander von Haupt- und Nebenfiguren eine eigene Welt schafft: Kostüme, Ausstattung und Bildgestaltung brauchen den Vergleich zu großen Hollywood-Produktionen nicht zu scheuen. Tatsächlich muss man immer wieder an den dystopischen „Brazil" oder die Medien-Satire „Die Truman Show" denken und vor allem an „Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein", mit seiner schwarzweißen Scheinwelt im Fernseher.

„The Ordinaries" wirkt dergestalt altmodisch mit Science-Fiction-Einsprengseln. Es ist ein Film voller wunderbarer Details. So trifft man Verabredungen nicht an Adressen, sondern in Szenen wie „Nummer 37, außen Nacht". Der Herzleser auf Paulas Brust macht Störgeräusche statt der üblichen Filmmusik in emotionalen Momenten. Großartig auch, wie Paulas Mutter Elisa Feinmann (Jule Böwe) mit dem einzigen ihr zur Verfügung stehenden Satz „Ich habe mir Sorgen gemacht" ein ganzes Universum der Mutterliebe ausdrückt. Die wahre Hauptfigur Fine Sendel darf mit ihrem prägnanten und nicht durchschnittlichen Gesicht als Entdeckung gelten.

In diese wunderbare Ideen- und ästhetische Vielfalt ihrer „Film-Welt" setzt Regisseurin Linnenbaum das politische Thema der Ausgrenzung durch eine rechtskonservative Elite von farbigen Hauptfiguren. Das passt und ist auf begeisternde Weise gelungen.

26.3.23

Maigret

Frankreich, Belgien 2022, Regie: Patrice Leconte, mit Gérard Depardieu, Jade Labeste, Mélanie Bernier, 88 Min., FSK: ab 12

Eine junge Frau wird erstochen aufgefunden und Kommissar Maigret (Gérard Depardieu) macht es sich zur Obsession, die Identität des namenlosen Mädchens aufzuklären. Während sich kaum jemand an sie erinnert, wird die Suche zu einer soziologischen Studie des frühen 20. Jahrhunderts: Die mittellose Frau kam aus der Provinz in die Stadt, wo sie sich wie viele andere junge Mädchen Freiheit erhofft. Es reicht aber gerade für ein kleines Zimmer und einen Job als Nebendarstellerin beim Film.

Während der gemächlichen Ermittlungen Maigret lässt sich mehr beobachten, wie es in ihm arbeitet, als dass er selbst aktiv ist. Maigret ist ein alter Kommissar im Verfall. Er isst kaum noch und hat sich ein Rauchverbot auferlegt. Obwohl er sich „ohne Pfeife nackt" fühlt, während alle um ihn herum rauchen. Der Kriminalist müht seinen massiven Körper andauernd Treppen hoch, kann seine schwermütige Phase nicht verbergen. Seine Kommentare zeigen eine große Anteilnahme am Schicksal der Unbekannten. Und auch eine herrlich lakonische Einstellung: „Es gibt Fälle, da trinke ich Wein, andere da trinke ich Bier." Dieses Opfer verlangt nach viel Wein. Wie beim Dürrenmatt-Krimi „Das Versprechen" - verfilmt mit Heinz Rühmann (1958) und Jack Nicholson (2001, Regie: Sean Penn) - platziert Maigret einen Lockvogel für die verdächtige Angestellte des Filmstudios.

Der Reiz dieser ruhigen Verfilmung von Georges Simenons Roman „Maigret und die junge Tote" liegt im exzellent zurückhaltenden Spiel Depardieus und der meisterlich feinen Inszenierung Patrice Lecontes. Bekannt wurde der Franzose mit der Simenon-Verfilmung „Die Verlobung des Monsieur Hire" (1989), direkt darauf folgte das Meisterwerk „Der Mann der Friseuse" (1990), ein paar Jahre später wurde „Ridicule - Von der Lächerlichkeit des Scheins" (1996) bejubelt. Mit dem dunklen „Maigret" zieht der 75-Jährige noch einmal die Register seines Könnens und begeistert mit einer auf unaufgeregte Weise enorm intensivem Kriminalfilm.

Sisi & Ich

Deutschland, Österreich, Schweiz 2023, Regie: Frauke Finsterwalder, mit Sandra Hüller, Susanne Wolff, Stefan Kurt, 132 Min., FSK: ab 12

Es hat etwas von Sisi-phos, dieses aktuelles Abarbeiten am Sisi-Mythos: Nach einer Flut von Sisi-Filmen und -Serien zeigt „Sisi & Ich" noch eine „moderne" Kaiserin mit Emanzipationsbestrebungen. Die Perspektive ist diesmal allerdings die der adeligen Kammerzofe Irma Gräfin von Sztáray und ihrer Befreiung vom Gefühlsregime Elisabeths. Sandra Hüller verkörpert Irma mit ihrem eigentümlichen Spiel als zeitlose Figur.

Regisseurin und Ko-Autorin Frauke Finsterwalder wusste während der Arbeit an „Sisi & Ich" nichts von der parallel entwickelten RTL-Serie „Die Kaiserin" und dem anderen Kino-Film „Corsage" von Marie Kreutzer. Doch beginnt ihr ahistorischer Film exakt gleich mit so einer Corsage, die in den Zeiten von Kaiserin Elisabeth von Österreich (1837-1898) einschnürten, bis die Frauen nicht mehr atmen konnten - symbolisch und ganz konkret. Dazu singt Beth Gibbons von Portishead „Wondering Star". Zurechtgemacht für den öffentlichen Auftritt wird hier Irma Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller). Die Tauglichkeitsprüfung für den Job der Kammerzofe Elisabeths ähnelt dann gar einer Viehbeschau mit Abtasten des Körpers und Inspektion des Gebisses. Später kommen ein paar Sprints unter griechischer Sonne als Fitness-Test hinzu.

Dabei lebt Elisabeth von Österreich-Ungarn (Susanne Wolff) zu dieser Zeit gerade maximal ungebunden auf der griechischen Insel Korfu. Das bauschige Gewand Irmas wird direkt verbrannt, schlicht geschnittene Kleider und Wanderschuhe sind hier gefragt. „Dicke Menschen und Männer" dagegen nicht erwünscht, so gebietet die bulimische Herrscherin. Bei einer extremen Diät dünner Suppen und Kokain-Tropfen ist auch Langeweile verboten. So erlebt Irma lange Wanderungen, befreiende Klippen-Sprünge ins Meer, den exzentrischen, schwulen Bruder (Georg Friedrich) von Kaiser Franz (Markus Schleinzer) und einen vom Hasch benebelten Ausflug nach Algier. Bis die Kaiserin wieder an den Hof zurückgerufen und schließlich in Genf erstochen wird.

Mit auffallend moderner Kleidung (Kostüme: Tanja Hausner) und heutigen Popsongs betonen Regisseurin Frauke Finsterwalder und ihr (Schreib-) Partner, der Schriftsteller Christian Kracht („Eurotrash", „Faserland", „Imperium"), die Zeitlosigkeit der Emanzipation von Frauenrollen. Im Gegensatz zu „Corsage" mit Vicky Kriebs als Elisabeth stehen nicht die Freiheitsbestrebungen der Kaiserin zentral. Sie lernen wir zu einem Zeitpunkt größtmöglicher Entfernung vom Hofe kennen. Unter ihrem Diktat leiden jedoch Irma und die eifersüchtigen androgynen Zofen Fritzi (Sophie Hutter) und Marie (Maresi Riegner). Bei „Sisi & Ich" entwickelt sich das erzählende „Ich" Irma von einer erwachsenen Frau, die noch unter der Fuchtel der Mutter steht, zu einer Unabhängigen, die sich jeder Kontrolle entledigt, wie eine gewagte Uminterpretation von Elisabeths Tod zeigt. Das ist auch dank des Spiels von Sandra Hüller („Toni Erdmann") immer wieder komisch und in einigen starken Momenten so besonders atmosphärisch wie die Episoden in Finsterwalders Debüt „Finsterworld" aus dem Jahr 2013. Aber in der Hitparade der emanzipatorischen Sisi-Filme bleibt der verspielte „Sisi & Ich" in Schauspiel und gewagten Bildern deutlich hinter Marie Kreutzers „Corsage" zurück.

21.3.23

Sick of Myself

Norwegen, Schweden 2022 (Syk Pike) Regie: Kristoffer Borgli, mit Kristine Kujath Thorp, Eirik Sæther, 98 Min., FSK: ab 12

Signe (Kristine Kujath Thorp) und Thomas (Eirik Saether) sind krasse Narzissten aus Oslo und führen eine sehr ungesunde Beziehung. Er feiert ihren Geburtstag in einem teuren Restaurant, aber inszeniert sich dabei vor allem selbst auf ziemlich unsympathische Weise. Bei einer Vernissage seiner Kunst aus geklauten Möbeln steht sie nur unbemerkt am Rande. Keiner weiß, dass sie seine Freundin ist. Spontan erfindet Signe da eine Erdnuss-Allergie, um interessanter zu sein. Der Wettkampf um Aufmerksamkeit unter Freunden und untereinander nimmt absurd komische Züge an. Richtig ungesund wird er, als Signe haufenweise dubiose russische Pillen mit heftigen Nebenwirkungen schluckt. Kein Arzt kann die mysteriöse Krankheit einordnen. Mit völlig blutigem und monströs aufgedunsenem Gesicht ist die ungewohnte Sorge von Thomas sogar erotisierend für die junge Frau. Doch der Wettstreit geht weiter: In einer abstrusen Therapiegruppe gibt es Streit, wer die schlimmere Krankheit hat. So wirft das noch nicht genug bemitleidete Opfer mehr der gelben Pillen ein. Glücklich ist sie erst, als ihr entstelltes Gesicht auf der Titelseite eines Boulevard-Blättchens landet.

„Sick of Myself", diese Satire um eine verzweifelte Sucht nach Aufmerksamkeit bis zur Selbstzerstörung, zeigt einen Wahnsinn, der gut zu unserer Zeit passt. Nicht zufällig ähneln Signe und Thomas dem Influencer-Pärchen aus Ruben Östlunds „Triangle of sadness". Signe landet nach immer stärkerem Krankheitserscheinungen schließlich sogar einen Model-Job bei einer speziellen Agentur für Menschen mit Handicaps. Die drastische, aber eindimensionale Steigerung ist eher schwarzhumorig komisch als erschreckend, trotz eines horrenden Verfalls des Körpers. Das ist gut gespielt und flott inszeniert. Auch wenn selten jemand so weit ging für seine 15 Minuten Ruhm gemäß Andy Warhol, es sind schon weiterdenkende Filme zu dem Thema gemacht worden. Ein treffendes Update für die Instagram-Zeit ist „Sick of Myself" auf jeden Fall.

20.3.23

Seneca - Oder: Über die Geburt von Erdbeben

Deutschland, Marokko, Frankreich 2023, Regie: Robert Schwentke, mit John Malkovich, Tom Xander, Geraldine Chaplin, 112 Min., FSK: ab 16

Es ist der beste Witz dieses Films, dass der berühmte römische Philosoph und Tragödiendichter Lucius Annaeus Seneca immer wieder gesagt bekommt, er solle doch endlich mal seinen Mund halten. Ein ironischer Twist für einen, der in der Geschichte als wortgewandter Rhetoriker legendär geworden ist.

Zu Beginn lehrt der Staats-Philosoph Seneca (John Malkovich) dem jungen Nero (Tom Xander) bei einer rhetorischen Übung unwissentlich, wie dieser ihn irgendwann einmal aus der Gesellschaft rausschmeißen und ihm das Todesurteil ausstellen wird. Diese Szene könnte vom Setting in karger Landschaft und antiken Ruinen eine Reminiszenz an das Filmpaar Danièle Huillet und Jean-Marie Straub sein, die immer Originallandschaften in extrem dröge Inszenierungen alter Texte einfließen ließen. Doch der vielseitige deutsche Regisseur Robert Schwentke („Der Hauptmann", „R.I.P.D.") verlässt sehr schnell diesen Pfad zu einer postmodernen, ahistorischen Darstellung mit einem mit „Mom" tätowierten Nero, mit E-Gitarre und Sonnenbrille, Steuerbescheid und Streetart mit Panzern.

Während der grausame Mörder Nero, ein Monster mit rundlich weichen Gesicht, seine Frau und viele andere umbringen lässt, macht Seneca mit monströsen Masken Theater im Theater, geschrieben und vor dekadentem Publikum inszeniert vom Denker selbst. Im Stück werden die Verbrechen Neros nachgespielt, echte Sklavenkinder ermordet und zerstückelt. Das verläuft stellenweise schockierend grausam, wobei beim Spiel im Spiel (-Film) auch gleich der Sinn von Gewalt in der Kunst thematisiert wird. Senecas Freundin und Zuschauerin Lucia (Geraldine Chaplin) meinte zuvor, „Ich hoffe, es wird nicht wieder politisch!" Tödlich wird es, als Nero des Moralisierens seines alten Lehrers überdrüssig ist und einen brutalen Killer zu dessen Land-Villa schickt. Bis zum nächsten Morgen habe Seneca, um sich selbst umzubringen, ansonsten würde es hässlich werden.

Was macht nun ein stoischer Philosoph mit seinen letzten Stunden? Er doziert vor den anwesenden Gästen, bis die letzten von ihnen abhauen und selbst der dienstbare junge Schreiber Lucius, der jedes Wort notierte, meint: „Du hast genug geredet!" Trotz erkennbarer Eheprobleme, die sich jetzt auf keinen Fall mehr lösen lassen, bietet Seneca seiner sehr jungen Frau Paulina (Lilith Stangenberg) einen Doppelselbstmord als „starken Abgang" an. Nach noch ein paar Reden lässt er sich lange Schnitte in jeden Arm applizieren. Während das Blut bei Paulina heftig fließt, tröpfelt es beim alten Mann nicht mal. Der Schierling, das Gift fürs Vorbild Sokrates, führt nur zu wilden Visionen.

Regisseur Robert Schwentke kann gut in Hollywoods Action-Liga mitspielen, wie er mit „Flight Plan", „R.E.D.", „R.I.P.D.", „Die Bestimmung" und zuletzt bei „Snake Eyes: G.I. Joe Origins" bewies. Er kann aber auch politisch und historisch relevante Stoffe wie das Weltkriegsdrama „Der Hauptmann" sehr gut inszenieren. Nun setzt er in „Seneca" einen antiken Philosophen in irre Kulissen, Settings und Szenen. Die Frage, ob der enorm reiche Seneca ein Opportunist, Heuchler und Kollaborateur war oder, seinem Selbstbild entsprechend, ein moralisch aufrechter, weiser Mensch, der dem Tod ohne Angst ins Antlitz schaut, beantwortet er mit viel Komik. Das historische Spiel ist dabei ganz Gegenwart, wenn gefragt wird, ob es sein könne, dass unsere Generation den Kollaps der Erde verdient hat, und Nero immer „Mr. President" heißt.

Die Fast-Solonummer Malkovichs ist eine eindrucksvolle Show, die „Seneca" allein sehenswert macht. Nett dazu die Auftritte deutscher Darsteller: Erstaunlich und eigen Lilith Stangenberg mit ihrer rauen Stimme als junge Frau Pompeia Paulina. Alexander Fehling gibt einen snobistischen Gast und Samuel Finzi den Major Domus Statius.

Wenn zuletzt Senecas Leiche von Baggern verscharrt und der Niedergang Roms angesichts einer heutigen Müllhalde festgestellt wird, wirkt das Ende der Kultur nicht sonderlich tragisch. Was daran liegt, dass sie sich in Person Senecas selbst lächerlich gemacht hat.