30.4.20

Hollywood / Netflix


„Hollywood" ist eine historisch nicht korrekte Skandalgeschichte um all die, welche nicht in die Traumfabrik der Nachkriegs-USA hinein kamen. Wie Jedermanns Darling Rock Hudson, der hier ein ganz frühes Coming Out haben darf. Die Mini-Serie von Ryan Murphy und Ian Brennan („Glee", „Scream Queens", „The Politician") beginnt und endet mit einem Tankstellen-Chef, der sich für Louis B. Mayer hält und seine knackigen Angestellten prostituiert. Im Bordell für Hetero und Homos treffen aufstrebende Schauspieler, Autoren und Regisseure auf alte Produzenten-Gattinnen, extrem übergriffige Agenten und heimlich schwule Producer. Zusammen werden sie die fiktive Geschichte „Meg" realisieren, den ersten Studio-Film mit Autoren und Hauptdarstellerin aus der afroamerikanischen Gemeinschaft.

Das hat bei sehr nackten Poolpartys etwas von der späteren Skandalgeschichte New Hollywoods „Easy Riders, Raging Bulls", ist eine wichtige Demaskierung von Sexismus und Rassismus in den Nachkriegs-USA, dabei aber auch in all den glücklichen Wendungen gemäß heutiger Freiheits-Standards ziemlich brav und langweilig. Ein paar echte Namen werden gestreut, doch der Oscar-Reigen für das umkämpfte Film-Projekt ist reine Fiktion. Was normalerweise im Abspann abgehandelt wird, breitet sich hier über die gesamte letzte Folge aus. Ja, dramaturgisch geht es in „Hollywood" ziemlich holprig her. Ein paar Figuren sind gut vielschichtig, aber dann viel zu viel Melodram bei der Liebeserklärung, gefolgt von einer Erklärung, Krebs zu haben. Wie immer sieht „Hollywood" sehr gut aus. Charismatische Figuren wie der lebenslustige Tankstellen-Zuhälter Ernie (Dylan McDermott) und der schwule Agent Henry Willson (Jim Parsons aus „Big Bang Theory"), der erst mal die Genitalien seiner Klienten sehen will, sind die Retter vom zu gut gemeinten Mix aus Geschichte und retrospektiver Weltverbesserung.

Tyler Rake Extraction / Netflix


Ein Stuntman darf mit seinen Kumpeln in einem Billig-Filmland mal so richtig den Action-Hammer schwingen. Regisseur Sam Hargrave war bisher nur als Stunt-Verantwortlicher für „Avengers" und anderen lauten Kram bekannt. Joe Russo, dabei Regisseur, schrieb nun das Buch, basierend auf der Graphic Novel „Ciudad".

Wenn Chris Hemsworth als lebensmüder Söldner Tyler Rake den gekidnappten Sohn eines indischen Drogenbosses aus der Hochburg eines bengalischen Drogenbosses rettet, wird viel gutes Handwerk an eine Geschichte verschwendet, die so schon oft gelaufen ist. „Leon, der Profi", um nur einen besseren Vorgänger in Sachen Killer und Kind zu nennen.

Die Story lahmt trotzdem, bis Hemsworth auf- und mit einem 30 Metersprung von einer Klippe eintaucht. Der Thor des Avenger-Gedöns kann Eindruck machen. Er produziert und produzierte sich hier selbst. Beim Gegner muss die dräuende Musik nachhelfen. Die atemlose Jagd mit Plansequenzen und guter Kamera erweist sich letztlich als Action und Geballer mit Nix dahinter.

29.4.20

Noch nie in meinem Leben / Netflix


Wieso erzählt John McEnroe diese Geschichte eines indisch-stämmigen Teenagers in den USA? Weil das den bekannten Highschool-Erlebnissen der sonderbaren Devi (Entdeckung: Maitreyi Ramakrishnan) mit ersten Küssen, Verrat von Freundschaft und indischen Familien-Konflikten eines weitere witzige Ebene hinzufügt. Die zu intelligente Außenseiterin Devi will auch mal populär sein. Und nicht nur weil sie durch Herzinfarkt des Vaters bei einer Schulaufführung und durch folgende kurzzeitige psychosomatische Lähmung der Beine sowieso schon als sonderbar gilt. Die Teenager-Serie von Mindy Kaling und Lang Fisher („The Mindy Project") erzählt auch vom Coming out der einen Freundin und den sozialen Probleme der anderen. Alle haben einen „anderen" ethnographischen Hintergrund, was leicht und nebenbei mitläuft. Dass aber McEnroe Devis Wutanfälle mit seinen vergleicht und auch immer wieder zu seinen größten Erfolgen und Niederlagen verweist, das macht diese leicht-lustige Serie wirklich bemerkenswert.

28.4.20

The Orville, 2 Staffel / Amazon ab 30.5.


Quarantäne mit einem nicht mehr ganz Liebsten kann sehr hart sein. Mit einer frisch Getrennten auf der Brücke eines Raumschiffs aber auch! Ed ist Kapitän des erkennbaren Enterprise-Nachbaus „The Orville", und Ex-Frau Kelly seine erste Offizierin. In diesem Spannungsfeld und mit einer weiteren Besatzung, zu der selbstverständlich ein Roboter, aber auch ein lebendiger Haufen Schleim gehört, werden ebenso fantastische wie verrückte Welten entdeckt. Schöpfer und Käpt'n ist Seth MacFarlane, der Mann hinter den Serien „Family Guy" und „American Dad", den Blödelfilmen „Ted" und der tollen Animation „Sing" (2016). So ist auch die „Orville" prall gefüllt mit schrägem und manchmal deftigem Humor, wenn beispielsweis Bortus vom schwulen und sehr sexistischen Volk der Moclus das jährliche Urinieren feiert! Aber alles ist auch bei Lichtgeschwindigkeit sehr alltäglich, vor allem im Beziehungskram. Und zum Finale wird es noch mal besser, wenn plötzlich zwei Kellys an Bord sind. Dank Zeitschleife kommt wieder Romantik und noch mehr Eifersucht in die Beziehung. Da führt sogar mal Ironman-Macher Jon Favreau die Regie. Auch die zweite Staffel, die schon im Free TV lief, ist zum Abheben!

26.4.20

Sorry we missed you / ab 27. April als digitaler Download


Ein Film wie bestellt für diese Zeit in der PflegerInnen und Paketfahrer endlich Wertschätzung bekommen: Weil Ricky als  (schein-) selbständiger Unternehmer seinen eigenen Transporter mit zur Arbeit beim Paketdienst bringen muss, verkauft seine Frau widerwillig ihr kleines Auto. Nun fährt Abby mit dem Bus zu den Klienten ihres anstrengenden Jobs als Pflegerin. Doch trotz Stress, unverschämten Kunden und Strafzetteln für Falschparken scheint es zu laufen. Der Film, benannt nach dem Spruch auf den Paketboten-Zetteln (Wir haben Sie leider verpasst), verläuft lange undramatisch. Immer spannend dabei jedoch die Angst, dass wieder was schief geht. Und als es dann knallt, sind selbstverständlich die Krankenhäuser überfüllt - auch Teil politischer Deregulierung. Der neue Film des alten Sozialisten Ken Loach packt, klärt auf und erschüttert. Die tatsächlich mörderischen Arbeitsverhältnisse bekommen mit dieser zugrunde gerichteten Familie ein menschliches Gesicht.

24.4.20

After life 2 / Netflix


Nach der sensationellen ersten, eigentlich im Trauerprozess abgeschlossenen Staffel „After life" gibt es nun sechs neue, 30-minüte Folgen dieser tragikomischen Ausnahme-Serie: Ricky Gervais ist als Hauptdarsteller, Regisseur und Entwickler wieder der lebensmüde und grimmige Witwer Tony, der sich immer noch alte Videos von seiner verstorbenen Frau ansieht. Der Zyniker, der zu viel trinkt, sagt zwar, dass er mehr Zen sein will, aber eigentlich vermisst er den Spaß, zu blöden Leuten fies zu sein. Dass der Herausgeber Tonys kleines Lokalblatt verkaufen will, ist Gelegenheit für herrlich banale und sehr menschelnde Lokalzeitungs-Geschichten und die knappe Zusammenfassung: „Wir sind der größte Haufen von Verlierern, den Sie jemals gesehen haben. Aber ein netter Haufen!". Während Tony vor allem damit beschäftigt ist, sich selbst zu bemitleiden, kocht er ein furchtbares Abendessen für die befreundete Prostituierte, lässt den obdachlosen Postboten bei sich baden und kümmert sich trotz der scheinbar menschenfeindlichen Grundhaltung mit zu großem Herz um die Menschen um ihn herum. Das ist angefangen bei den täglichen Besuchen beim dementen Vater Szene für Szene gleichzeitig bewegend und umwerfend komisch. Aber vor allem wohltuend bodenständig.

2. Staffel ab 24.4. auf Netflix

23.4.20

Die Wütenden / online


Regisseur Ladj Ly macht als Debütant aus zwei Tagen im Hexenkessel von Montfermeil eine erschütternde Film-Sensation: Die Polizisten Chris und Gwada gehen mit dem Neuen, Stéphane, um als wenn der ein Häftling wäre. Er wird grob und deftig vorgeführt, bis die Albernheiten in dramatischen Ernst umkippen: Die drei stecken bald mitten drin in diesem drohenden Kleinkrieg. Beim Versuch einen Jungen festzunehmen, müssen sich die Ordnungshüter einer ganzen Schar wütender Jugendlicher erwehren. Ein Schuss mit Gummigeschoss verletzt Issa schwer und eine Drohne hat alles aufgezeichnet.

Viktor Hugos siedelte in Montfermeil seinen Roman „Les misérables" (Die Elenden) an, Regisseur Ladj Ly wuchs dort auf und hier begannen auch 2005 schwere Bevölkerungsunruhen. Während die Drohnen-Aufnahmen einen Überblick des Problem-Viertels verschaffen, zeigt die Handlung dramatische Sozialstrukturen.

Ab 24. April digital zum Kauf, ab 01. Mai digital zum Leihen, ab 08. Mai auf DVD und Blu-ray

21.4.20

Familie Willoughby / Netflix


Der witzigste und auch noch schönste Familienfilm seit langem: Die viel-farbige Animation „Familie Willoughby" erzählt auf Basis des Kinderbuchs von Lois Lowry im schwarzhumorigen Stil der „Rätselhaften Ereignisse" von Lemony Snicket mit einem etwas melancholischen Kater als Erzähler. Die Fast-Waisen rund um den jungen Tim entschließen sich, ihre extrem egoistischen Eltern auf tödliche Weltreise zu schicken, müssen aber auch selbst immer wieder harten Schicksalsschlägen trotzen. Mit viel flottem Slapstick im Bild und dem schwarzen Humor der Addams Family macht die „Familie Willoughby" sehr viel Spaß. Kleine, verspielt bunte Häuser sind eingeklemmt im riesig grauen Einerlei New Yorks, am Ende des Regenbogens liegt eine Süßwaren-Fabrik, die diesmal nicht Willy Wonka gehört. Was ein Baby hier anstellt, steckt wie bei anderen netten Details in den Zeichnungen voller verrückter Fantasie. Der einzige Disney-Familien-Moment endet bei diesem Netflix-Film in einem weiteren herrlich bösen Scherz. Diese perfekt nicht-perfekte Familie verbreitet gute Laune bei Groß und Klein.

19.4.20

Trolls World Tour


Ausgerechnet kleine übermäßig haarige und nervige Kinderfiguren mit schwer erträglichen AHDS-Erscheinungen sollen denn nun die Kino-Welt auf den Kopf stellen: „Trolls World Tour", der zweite Film um knallbunte Kleinkinderfiguren, kam wegen Corona nicht zum weltweiten Kinostart und Produzent Universal schickt die grelle Nichtigkeit direkt zur Verwertung in die digitalen Kanäle.

In einer dauerbeschallten Welt aus Funk, Country, Techno, Klassik, Pop und Hard-Rock will die rockende Königin Queen Barb alle anderen Arten von Musik vernichten und mit Rock die Herrschaft übernehmen. Die naive Pop-Königin Poppy will das mit ihren Freunden verhindern. Das bedeutet vor allem: Dauerndes Geplärre im wahnsinnig machenden Sekundentakt.

„Trolls World Tour" ist vielfältig irritierend: „Girls just wanna have fun", "One more time" oder "Good times" - altmodischer Pop und Funk für kleine Kinder? Ein jodelnder, vierbeiniger Dolly Parton-Troll aus der Western-Stadt? Farben wie im Drogen-Rausch? Rockzombies? Schon der erste „Trolls" machte vielen Erwachsenen Angst, die Kleinen wollten zwischendurch noch mehr in Form der TV-Serien sehen. Man könnte vermuten, so was würde hyperaktive kleine Kinder auf Zucker-Schock endgültig durchdrehen lassen. Aber scheinbar gefällt es. Die Lerneinheit dazu lautet „Harmonie besteht aus mehreren Stimmen". Wobei Harmonie in diesem Overkill an Farben und Krach nirgendwo existiert. Es ist ironisch, dass ausgerechnet ein AHDS-Filmchen, wie es tausendfach auf allen möglichen Kanälen läuft, das unharmonische Ende des Kinos einläuten soll.

„Ab dem 23. April zum Leihen bei einer Reihe digitaler Anbieter angeboten, wie Sky Store, Amazon Prime Video, Apple TV, Google Play, Videociety u.v.m. Der Nutzer hat 30 Tage, um einen geliehenen Film zu starten und dann 48 Stunden, um ihn beliebig oft anzusehen.

17.4.20

The Peanut Butter Falcon / 17. April digital, ab 24. April DVD, Blu-ray


Weil sich keine Institution für den ziemlich raffinierten und quicklebendigen 22-jährigen Zak (Zack Gottsagen) mit Down-Syndrom zuständig fühlt, vegetiert er in einem Altersheim dahin. Erste Fluchtversuche besorgen ihm in der Buchhaltung die Markierung „gefährlich", doch mit Hilfe seines Zimmernachbarn (Bruce Dern) zwängt er sich durch die Gitter. Draußen landet er ausgerechnet im Boot des aggressiven Diebs und Brandstifters Tyler (Shia LaBeouf). Zwei Flüchtlinge also gegen ihren Willen in der Flusslandschaft im Süden der USA zusammengeworfen. Nicht nur brutale Krabbenfischer sind ihnen auf den Fersen, auch die liebevolle Sozialarbeiterin Eleanor (Dakota Johnson) soll Zak finden, bevor ihr fieser Chef den Flüchtling der Polizei melden muss. „The Peanut Butter Falcon" ist auch optisch mit Südstaaten-Atmosphäre und -Musik sehr sehenswerter Wohlfühlfilm.

Betonrausch / Netflix 17.4.


BRD 2020 Regisseur, Buch: Cüneyt Kaya, mit David Kross, Frederick Lau, Janina Uhse, Sophia Thomalla, Peri Baumeister, Detlev Buck,  Samuel Finzi 90 Min.

Viktor (David Kross), ein Sunnyboy aus der Provinz, erobert Berlin. Mit Lächeln, Lügen und sehr frechen Betrügereien. Selbst wohnungslos, vermietet er Luxus-Schuppen an bulgarische Schwarzarbeiter vom Bau. Dann verkauft er mit Kumpel Gerry (Frederick Lau) und Bankerin Nicole (Janina Uhse) Schrottimmobilien, denn mit seinem Aussehen macht Viktor „aus einer 50 Euro-Uhr eine zu 15.000". Das gefährliche Dreieck will große Saga von Aufstieg und Niedergang wie bei Scorsese sein. Mit junger deutscher Besetzung kommt dies „Kleider machen Leute" von heute etwas platt daher. Luxus und Exzess mit Koks und Prostituierten gehen nicht wirklich ab. Viktor ist trotz Trauma von Trennung der Eltern zu glatt und nicht wirklich skrupellos, während Gerry viel mehr Kanten hat. Auch wenn es die smarten Gangster nach Brecht wie wirkliche Verbrecher machen und eine Bank gründen auf Malta gründen, ist „Betonrausch" gegenüber „Bad Banks" eine Kindergeschichte. Am Ende geht dann alles viel zu schnell, da wäre Drama für eine Mini Serie drin gewesen.

15.4.20

Sergio / Netflix 17.4.


Eine faszinierende Figur, engagierter Vermittler, Kämpfer für die Menschlichkeit, und das in echt: „Sergio" ist das spannende und Horizont erweiternde Spielfilm-Porträt des charismatischen UN-Diplomaten Sergio Vieira de Mello (Wagner Moura). Nach Missionen in Kambodscha mit den mörderischen Roten Khmer und im Unabhängigkeitskrieg von Ost-Timor landet der Brasilianer in Bagdad, das nach der US-Invasion gerade im Chaos versinkt. „Die UN arbeitet für uns", meint der überhebliche US-Botschafter Paul Bremer dort. De Mello konfrontiert diesen außenpolitischen Cowboy mit klarer Sprache und einem anderen Plan.
„Sergio" erzählt vielschichtig von einem klugen Idealisten, der - das ist ein Clou des Films - durch seinen Optimismus umkommt. In Rückblenden, während er nach einem Bombenanschlag unter Trümmern eingeklemmt ist, bestärkt die Liebesgeschichte mit einer Mitarbeiterin (Ana de Armas) seine Glaubwürdigkeit. Es zeigt sich aber auch, dass de Mello kein guter Vater für seine Söhne aus erster Ehe ist. Der sehr, sehr gut montierte Bilderfluss aus verschiedenen Aspekten und Aufgaben seines Lebens macht dieses Porträt eines Ausnahme-Politikers so herausragend.

12.4.20

Maggie Simpson in ‘Spiel mit dem Schicksal’

„Maggie Simpson in 'Spiel mit dem Schicksal'" / Disney+

Ein großes Liebesdrama für die ganz kleine Maggie Simson ist die aktuelle Neuerscheinung auf Disney+: Wie man sich als Kleinkind schon im Sandkasten verlieben, die große Liebe aus den Augen verlieren und gegen das Schicksal - sowie Homer Simpson - kämpfen kann, zeigt das nette und umwerfend komisch Mini-Drama. Wieso drei Stunden „Titanic" durchsitzen - in „Maggie Simpson in 'Spiel mit dem Schicksal'" (Playdate with destiny) ist alles drin! Selbstverständlich auch der übliche Zitaten-Schatz, den man von den Simpsons kennt.
„Die Simpsons" gehören auch dem Disney-Konzern und sind mit dem Vorgänger-Kurzfilm „Maggie Simpson in 'Der längste Kita-Tag'" sowie „Die Simpsons – Der Film" und 30 Staffeln der ausgezeichneten Fernsehserie auf Disney+ zu finden.

7.4.20

Der Junge und die Wildgänse


Mit den Wildgänsen von Lappland ans Mittelmeer fliegen ... Diese grandiose Reise eines ehemaligen Computer-Kids wird im französischen Familienfilm „Der Junge und die Wildgänse" durch viele Längen verwässert. Thomas soll den Sommer bei seinem Vater Christian in der Camargue verbringen. Bei einem verschrobenen Ornithologen, der sich in die Idee verrannt hat, einer bedrohten Gänse-Art einen sichereren Zugweg beizubringen. Eine schöne Öko-Idee, und auch wie Thomas sich immer mehr für die Arbeit mit den Tieren begeistert, ist bewegend umgesetzt. Nur dauert es mühsame zwanzig Minuten, bis die Eier schlüpfen und das Prinzip der Prägung erklärt wird. Bei einem Abendessen wird überdeutlich erklärt, dass die Flugmaschine, die den Vögeln den Weg zeigen soll, lange in der Luft bleiben kann. Klar, dass Thomas bald alleine zu einer abenteuerlichen Reise losfliegt. Nette Idee, eher eindrucksvolle als spannende Handlung, aber bis es dazu kommt, ist die Hälfte des Sofas eingeschlafen. Statt Kinostart ist der Film bei Amazon und digital verfügbar. Ab 9. April 

Lara / Studiocanal


„Lara" ist Jan-Ole Gersters erste Regiearbeit nach seinem sensationellen Debüt „Oh Boy". Die großartige Corinna Harfouch porträtiert eine frustrierte ehemalige Klavierspielerin am Tag des großen Konzerts ihres Sohnes. Wieder ein Tag in Berlin, diesmal sehr melancholisch, ganz Herbst-Stimmung. Es ist ein Tag voller Aktivitäten, quasi im Vorübergehen wird die Frau namens Lara (Corinna Harfouch) charakterisiert. Gedeckte Farben im Kleiderschrank und im Film, auch die Musik in diesem Ton. Ihr Sohn Viktor (Tom Schilling aus „Oh Boy") gibt ein Klavierkonzert und Lara kauft alle noch vorhandenen Karten auf, um sie wahllos zu verteilen.

Die sehr eindrucksvolle Darstellerin Corinna Harfouch schafft ihr eigenes Porträt einer Frau, die sich beim zu frühen Karriere-Ende selbst abhanden kam und seitdem die Mitwelt mit der eigenen Unzufriedenheit quält. Ab 9. April digital und ab 23. April als DVD & Blu-ray.

5.4.20

The World According to Jeff Goldblum / Disney+

Jeff Goldblum, der Mann, der „etwas schauspielert und ein wenig Jazz spielt" (große Untertreibung) geht mit seiner kindlichen Neugierde auf Entdeckungsreise. Er findet heraus, weshalb Speiseeis so beliebt ist, Turnschuhe wahnsinnig überteuert sind, und geht der Faszination von Tattoos nach. „The World According to Jeff Goldblum" ist eine Dokumentationsserie, welche die Alltagswelt humorvoll unter die Lupe nimmt. Ein wenig „Sendung mit der Maus", wenn es vom Gummibaum über Herrn Goodyear zu Turnschuhen geht, aber auch beste und höchst unterhaltsame Alltagsphilosophie im Stile von Slavoj Žižek. Nur verständlicher. Die Episode über das Millionen-Geschäft mit den Turnschuhen zeigt Leute, die den Geruch von Schuhen mit dem Geschmack von Wein vergleichen, Schuhe die 33.000 Dollar wert sind und einen Schuhdesigner, der gleich 100.000 verlangt. Goldblum hält sein Image als stylischer Bohemien, der keine zu schicken Dinge mag, genial augenzwinkernd in die Kamera. Die überaus spaßige Texte und Kommentare führen zur Erkenntnis, dass beim Konsum die Erwartung immer besser sein wird, als die Erfüllung. Außer bei dieser Serie!

Delfine, Elefanten und Prinzessinnen / Disney+

Disneynature 

Mit frisch lancierten Titeln wie „Delfine", „Elefanten" oder „Flamingos" greift Disney zurück auf eine ihrer Kernkompetenzen: Die Natur-Dokumentationen. Badende Elefanten-Kinder mit Unterwasserkamera aufgenommen, eine Schlammschlacht und ein paar Informationen darüber, dass der Matsch auch als Sonnencreme fungiert. In der Kalahari beginnt in der Zeit des Wassers für einen kleinen Elefanten eine große Reise, ein großes Abenteuer - darunter geht es bei Disney nicht. Irgendwie muss es immer der Kreislauf des Lebens sein, auch die Musik erinnert an „König der Löwen". Und falls es jemand vergessen haben sollte: Für Disney und „Elefanten ist Familie das Wichtigste". Die eindrucksvollen Qualität der Aufnahmen ist auf der Höhe der Zeit. Leider ist diesen Kinderfilmen die Vermenschlichung der Tierwelt nicht auszutreiben: Die ganze Elefantenfamilie bekommt Namen, Jobs und Rollen. Zumindest ist hier mal die Mutter der Boss, sogar die Ur-Mutter Gaia. Erzählt wird „Elefanten" im Original von Meghan, der britisch-amerikanischen Prinzessin a.D. Man weiß ja, dass Disney so ein Ding mit Prinzessinnen hat.

„Delfine" ist dagegen eine durchweg gelungene Komödie, das gewitzte Drehbuch für Natalie Portmans Kommentare verdient einen Oscar. Diesmal amüsieren wir uns über die Versuche eines jungen Delfins, einen Fisch unter im Sand zu fangen. Und wir lernen: Delfine mögen es nicht, mit Haien verglichen zu werden, die seien viel zu ernst. Heimlicher Star ist ein überaus komisch wirkender Fangschreckenkrebs (Mantis shrimp), der sich mit Reinigungs-Fimmel um das bedrohte Korallen-Riff sorgt. An einer Desinfektions-Pflanze stehen man Schlange und auch bei den Putzer-Fischen. Wieder besteht die Gefahr des Überdramatisierens für kleine Kinder, wenn Orcas ein Walbaby fressen wollen. So perfekt mitreißend diese neuen Disney sind, moderner wirken da doch die Tier – und Naturdokumentation der BBC.

3.4.20

Coffee & Kareem / Netflix

Netflix glänzt zwar als rettende Ablenkung in Zeiten der Quarantäne, dieser neue Film beweist aber, dass nicht alles Gold ist, was so nach Hause streamt.

Der peinlich ungeschickte und gerade zum Verkehr degradierte Polizist James Coffee will seine neue Freundin beeindrucken und holt deren Sohn von der Schule ab. Aber der zwölfjährige Kareem hat es faustdick hinter den Ohren, er hat längst einen Gangster engagiert, um den Freund der Mutter zu verjagen. Während Kareem deftig einen Gangster-Rapper imitiert, ist der Geheuerte ausgerechnet der Drogen-Dealer, den Coffee bei einem Gefangenen-Transport entfliehen ließ. Ganz schnell sind „Coffee & Kareem" inmitten einer lebensgefährlichen Verfolgung um Mord, Drogendeals und Korruption.

Die übliche Schwiegervater-Peinlichkeit ist diesmal mit einem Deppen als Älteren und einem dicken, unverschämten aber effektiven Teenager besetzt. Das muss man nicht noch mal sehen, vor allem weil nicht nur die ganze Idee samt Ausführung (Regie: Michael Dowse) sehr mittelmäßig daherkommt. Vor allem die Hauptdarsteller Ed Helms (Coffee) und Terrence Little Gardenhigh (Kareem) haben nur das Zeug in einer 80er-Jahre TV-Serie zu gefallen. Im Umfeld ausgezeichneter neuer (Netflix-) Produktionen fällt dieser Scherz glatt durch.

1.4.20

Känguru-Chroniken im Streaming

Mit der Begründung, einen Run - oder ein Hüpf – gehabt zu haben, der böse durch Corona gestoppt wurde, erklärt X-Filme, weshalb ihr Erfolgsfilm „Die Känguru-Chroniken" schon ab dem 2. April zum Kauf auf den VoD-Portalen angeboten wird. Die Millionen für die Kinos und aus den Kinos bleiben aus, deshalb holt sich der Verleiher und Koproduzent X-Filme jetzt sein Geld direkt aus dem Streaming. Das hätte dem Känguru selber nicht gefallen, das doch vielen Fans als anarchisch und kommunistisch bekannt ist. Eher ein Freund des kleinen Kinos als größerer Konzerne.

Die gelungene Adaption der Geschichten von Marc-Uwe Kling durch Regisseur Dani Levy beginnt wieder mit dem Känguru, das nervig klingelt und um ein paar Eier bittet, um wenige Momente später gleich ganz einzuziehen. Es folgt ein intellektuell durchaus gehaltvolles, zitatenreiches und links-politisches Gekebbel zwischen neuen WG-Bewohnern und eine Handlung um Gentrifizierung in Berlin. „Die Känguru-Chroniken" sind ein netter Spaß mit Herz am linken Fleck.

X-Filme verkündet, dass der digitale Frühstart in Absprache mit den Kinos passiert und dass das „Die Känguru Chroniken" (mit einer Upgrade-Version) direkt wieder in die Kinos hüpfen, wenn diese erneut öffnen. Man beteiligt sie an den digitalen Erlösen. Der Preis für einen (Kauf-) Stream (16,99 €) sei dadurch etwas teurer als gewohnt. Später wird es auch eine günstigere Leih-Möglichkeit geben.