29.12.20

Bridgerton / Netflix


Man nehme von Jane Austen die schönsten Biestigkeiten und Gemeinheiten, tauche das Ganze in ein überbuntes Dekor und fertig ist die unterhaltsame Ballsaison von „Bridgerton": Extrem aufgebrezelt werden die jungen Damen des Hauses Bridgerton und Featherington auf den Heiratsmarkt geworfen. Daphne Bridgerton (Phoebe Dynevor) erwählt die dunkelhäutige Königin (Adjoa Andoh) direkt zum Diamanten der Saison. Doch Daphnes älterer, durchaus lebenslustiger Bruder Anthony (Jonathan Bailey) verwirft alle Kandidaten. Ausgerechnet mit dem rebellischen und heiratsunwilligen Duke of Hastings (Regé-Jean Page) schließt sie einen Pakt: Sie geben das perfekte Paar, um ihre Attraktivität zu erhöhen und um seine Bewerberinnen abzuhalten. Bald gefallen sich die beiden nicht nur in spöttischen Betrachtungen des eitlen Treibens.

Serienschöpfer Chris Van Dusen („Scandal", „Grey's Anatomy") amüsiert sich in „Bridgerton" auf Basis von Julia Quinns Romanen über das London der Regency-Epoche ohne auf Klassenkampf oder Feminismus zu machen. Die achtteilige Serie zeigt witzigerweise ein multiethnisches Paralleluniversum, in dem Hautfarbe keinerlei Rolle spielt! (Das weitere Aussehen, Stand und Vermögen allerdings wohl). Das ist vorzüglich ausgestattet, anständig gespielt und vor allem nett anzusehen. Auf die bonbonfarbenen Süßigkeiten und Intrigen legen sich mit des Dukes Vergangenheit ein paar Schatten, aber mehr interessiert, wer die geheimnisvolle Skandal-Reporterin Lady Whistledown ist.

„Bridgerton", (USA 2020), Regie: Sheree Folkson u.a., mit Phoebe Dynevor, Regé-Jean Page, Jonathan Bailey, acht Folgen á ca. 60 Min., FSK: ab 12

Fosse/Verdon / Joyn

Tanzszenen einer Ehe 

Wo soll man anfangen bei so viel Kreativität, Prominenz und Geschichte? Vielleicht bei der Trophäensammlung: Bob Fosse (1927-1987) ist der einzige Regisseur, der in einem Jahr (1973) die höchste Auszeichnung für den besten Film, das beste Musical und die beste Fernsehsendung erhielt. Einen Regie-Oscar für „Cabaret", einen Tony für Regie und Choreografie bei „Pippin" und drei Emmys für Produktion, Choreografie und Regie von „Liza with a Z". Damit haben wir schon seine langjährige Partnerin Gwen Verdon (1925-2000) vergessen und sind mitten im Film. Denn oft wird Bob Fosse (Sam Rockwell) neben der berühmten Tänzerin und Schauspielerin Verdon (Michelle Williams) als „Möchtegern-Fred Astaire" übersehen. Überhaupt war ihre ganze leidenschaftliche Beziehung über Jahrzehnte auch von einer anhaltenden Konkurrenz bestimmt.

Liebe und Konkurrenz zwischen Fosse und Verdon beginnen beim ersten Vortanzen 1955 für das Musical „Damn Yankees", einer eigenartigen Anmache mit besonderer Chemie. Verdon bekommt 1956 ihren ersten Tony Award als Beste Schauspielerin in einem Musical, 1960 heiraten sie. Mehr als zehn Jahre lang entwickeln sie später das Musical „Chicago", das 1975 Premiere feiert. Es wird allerdings erst ein Erfolg, als Minnelli die erkrankte Verdon ersetzt. Nach einer Herzoperation realisiert Kettenraucher Fosse in einem Jahr gleichzeitig „Chicago" und den Film „Lenny" mit Dustin Hoffman. Mit seinem stark autobiografischen „All That Jazz" gewann das Multitalent 1980 die Goldene Palme in Cannes. Trotz zahlloser Affären auf seiner Seite hilft sich das Paar auch nach der Trennung immer wieder bei ihren Projekten. Bis zu seinem herzzerreißenden Filmtod 1987 wenige Minuten vor einer gemeinsamen Premiere.

Die geniale und berührende Doppelbiografie „Fosse/Verdon" erzählt von der jahrzehntelangen produktiven und Liebes-Beziehung mit virtuosen Zeitsprüngen und oft schmerzhaften Erinnerungen in Tänzen. Die größte Nummer bei vielen bekannten Musical-Songs ist die Montage des Films. Immer wieder gibt es Kompositionen stark emotionaler Momente in Sekundenbruchteilen. Sei es der frühe Stepp-Drill bei Fosse, der als 14-Jähriger auf Varieté-Bühnen von Stripperinnen „entjungfert" wurde (und damit seine notorische Untreue erklären will). Oder Verdons Erinnerung an eine Vergewaltigung als Jugendliche, die ungewollte Schwangerschaft und die Ehe mit dem Vergewaltiger als Start einer Reihe von Erniedrigungen durch Männer.

Bemerkenswert an dieser herausragenden Serie ist der unterschiedliche Charakter der einzelnen Folgen: Erst ist der vierten wird „Cabaret" Thema. Fosses Produzent in München meint 1972, der Regisseur und Choreograph des später berühmten Varieté-Films würde einen „italienischen Neorealisten-Alptraum" drehen und kein Broadway-Musical. Nur durch die herbeigeeilte Ehefrau Gwen gewinnt das Projekt Form und Fahrt. Dabei kommentiert höhnisch der Song „Mein Herr" von Liza Minnelli mit „It was a fine affair" Bobs Affäre mit einer Übersetzerin. Gwen weiß davon und fliegt trotzdem über den Atlantik hin und zurück, um ein Gorilla-Kostüm zu besorgen. Um wiederum enttäuscht zu werden.

Genial, wie Episode sechs Fosses extrem gestresste Situation mit Drogen-, Nikotin- und Sex-Sucht im Stakkato-Stil von „Lenny" beschreibt: Fosse (also Rockwell) sieht und kommentiert sich selbst in der Rolle des provokanten Komikers Lenny Bruce (real gespielt von Dustin Hoffman). Es ist wieder der großartige Schnitt, der die Situation schon beim Zuschauen unerträglich macht.

Die ruhigste, die fünfte Folge spielt fast ohne musikalische Nummer in einem Strandhaus: Kurz nach Fosses erstem Herzinfarkt fällt die Entscheidung, „Lenny" und „Chicago" gleichzeitig zu machen. „Würde dich das nicht umbringen?" „Keine Ahnung, wir werden sehen." Im Kampf „seiner" Frauen haben Gwen und ihr Musical-Projekt leichtes Spiel mit der sehr jungen Ann Reinking (Margaret Qualley, Tochter von Andie MacDowell). Verdons Liebe, die so viel Betrug und Verrat toleriert, ist nach #metoo nicht zeitgemäß, kann aber rühren.

„Fosse/Verdon" brilliert nicht mit schillernder Nummern-Revue, sondern mit einem herzzerreißenden Liebesdrama über acht Episoden. In besten Momenten trennt nur eine dünne Wand Realität und Show wie bei Dennis Potter, dem Schöpfer genial tragischer Film-Musicals wie „The Singing Detective" oder „Pennies from Heaven". Neben dem eindrucksvollen Spiel von vor allem Sam Rockwell ist die Serie auch mit ihren Einblicken in die Geschichte der Pop-Kultur eine Perle. Zu den Freunden von Fosse und Verdon zählten die außerordentlichen Autoren Neil Simon („Ein seltsames Paar", The Odd Couple) und Paddy Chayefsky, der als einer von ganz wenigen sowohl den Oscar in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch („Marty") als auch in der Kategorie Bestes Originaldrehbuch („Hospital", „Network") gewann.

„Fosse/Verdon" (USA 2019), Regie: Thomas Kail u.a., mit Sam Rockwell, Michelle Williams, Norbert Leo Butz, Margaret Qualley, acht Folgen von 41-59 Min., FSK: ohne Angabe


28.12.20

Das Neue Evangelium


Was macht dieser schwarze Jesus in Matera, der europäischen Kulturhauptstadt 2019? Der gebürtige Kameruner Yvan Sagnet engagiert sich seit Jahren gegen die mafiöse Ausbeutung von Immigranten in der Landwirtschaft Süditaliens. Der politische Theatermacher Milo Rau verbindet nun in seiner verblüffend schlüssigen Mischung aus Doku- und Fiktion-Film „Das Neue Evangelium" diesen Kampf mit der Passionsgeschichte. Wobei Matera nicht nur als Kulturhauptstadt einlud, der Ort ist ideal für einen Jesus-Film: Drehte doch Pier Paolo Pasolini hier „Das 1. Evangelium – Matthäus" (1964) und Mel Gibson seinen blutrünstigen „Die Passion Christi" (2004). Der Regisseur Rau erklärt dem Hauptdarsteller im Film selbst: Die Halterungen für die Kreuze sind noch im Stein, man braucht nur - Klick - sein Kreuz aufzustellen.

Für andere ist die Stadt nicht ideal: Von den 30 Euro Lohn für einen Tag Arbeit unter glühender Sonne auf den Tomaten-Feldern werden noch Unkosten abzogen. Tausende Immigranten werden hier ausgebeutet. Was würde Jesus dazu sagen? Mit wem er sich heute umgeben würde, zeigt das Casting: Die ehemalige Prostituierte, die sich jetzt für andere engagiert, spielt die biblische Ehebrecherin – „wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein". Der Bürgermeister will nicht den Pilatus geben, sondern das Kreuz für Jesus tragen. Ein erschreckend brutaler Italiener erzählt beim Auspeitschen rassistische Witze; der alte Darsteller von Pasolini spielt wieder den Täufer.

„Das Neue Evangelium" ist mit seinen verschiedenen Strängen erstaunlich dicht gewoben, die Verbindungen sind vielfältig: Eine Szene mit Jesus und den Fischern auf dem See löst die Erinnerung an dramatische Flucht über das Mittelmeer aus. Nach Stürmung des Konsum-Tempels im Film zeigt der Abspann als Ergebnis des Kampfes die erste faire und Mafia-freie Tomatensoße im Supermarkt.

(www.dasneueevangelium.de - Kinos erhalten 30 Prozent des Ticket-Preises)

„Das Neue Evangelium", (BRD 2020), Regie: Milo Rau, mit Yvan Sagnet, 107 Min., FSK: ab 0

21.12.20

The Midnight Sky / Netflix


Drei Wochen nach dem „Ereignis" lebt nur noch ein Mensch auf der Erde: Ein alter kranker Mann in einer polaren Forschungsstation. Es ist das Jahr 2048. Die Luft ist weltweit verseucht, nur an ein paar Orten können Mensch und Tier überleben. Die Evakuation der Bevölkerung ins All ist abgeschlossen. Der Mann, dem man diese Möglichkeit verdankt, wollte nicht mit: Der bärtige Senior Augustine Lofthouse (George Clooney) hängt an der Flasche und an der Nadel einer Dialyse. Erinnerungen an eine tragische Liebesgeschichte vermischen sich mit Alkohol und Fieberwahn. Da taucht ein mysteriöses stummes Mädchen auf der Station auf. Gleichzeitig ist das Raumschiff Aether ahnungslos im Anflug. Nach einer Jupiter-Mission weiß die Besatzung nichts von der Katastrophe auf der Erde. Sie können nicht nach Hause telefonieren, weil von dort keiner mehr antwortet. Bis Lofthouse sie hört...

Der alte Wissenschaftler Lofthouse ist kein typischer Held, aber er probiert trotzdem, die Aether-Besatzung zu retten. Dafür muss er mit dem kleinen Mädchen zu einer entfernten Funkstation. Gleichzeitig zwingt ein Unfall das Raumschiff auf einen Ausweichkurs durch nicht kartierte Gebiete des Weltalls. Unten wüten Schneestürme, oben drohen Meteoriten-Hagel. Die Erhabenheit intergalaktischer Reisen konkurriert mit polaren Naturspektakeln. Zwei abenteuerliche Trips in unterschiedlichen Dimensionen, doch bei beiden geht es um das Überleben der nächsten Generationen.

Die Verfilmung von Lily Brooks-Daltons Science-Fiction-Roman „Good Morning, Midnight" ist nach Meisterwerken wie „Good Night, and Good Luck", „The Ides of March" oder „Suburbicon" die siebte Regie-Arbeit von George Clooney. Schon die Idee, sich mal nicht krampfhaft jünger zu machen, verdient Applaus. Er kann auch eindrucksvoll Science Fiction, hat reichlich Erfahrung da oben: In Alfonso Cuaróns „Gravity" trudelte er 2013 mit Sandra Bullock im All rum. Im „Solaris"-Remake von Steven Soderbergh spielte Clooney 2002 die menschliche Hauptrolle, die an einer gescheiterten Beziehung oder am hinterhältigen Planeten wahnsinnig wurde.

Doch wie immer geht es dem filmenden Gatten der Menschenrechtsaktivistin Amal Ramzi Alamuddin Clooney um mehr. Um die Lage der Menschheit und der Erde. „Ich befürchte, wir haben nicht anständig auf die Erde aufgepasst, während ihr weg wart", muss Lofthouse der anfliegenden Crew gestehen. Das volle Spannungs-Programm mit Meteoritenschauer und hungrigen Wölfen in der Eiswüste unterbricht starke ruhige Stimmungen zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Dazu ein paar geniale Bilder und Szenen wie das gemeinsame Singen von Neil Diamonds „Sweet Caroline" bei einer Außenreparatur. Zur schwangeren Astronautin wird der Querverweis zu „Alien 3" nahegelegt. Es beeindruckt die Ästhetik von schön vielen Blutstropfen in Schwerelosigkeit.

Bei aller netten Ausstattung dreht sich „Midnight Sky" nicht um Science Fiction-Gimmicks. Die Hauptfigur Lofthouse ist eindrucksvoll tragisch. Wie in Andrei Tarkowskis „Solaris" nach Stanisław Lem führt der weite Weg ins All letztlich nur in Innere des Menschlichen. Der große Film, der auf dem kleinen Schirm gelandet ist, erzählt eine filmische Novelle mit großartiger Pointe, angefüllt von klasse Bildern und Szenen. Wie es sich für die Novelle gehört, brennt sich die tragische Schluss-Note ein. Nicht nur dass der Forscher, der Leben auf fernen Planeten vorantrieb, als einer der letzten auf der Erde zurückbleibt. Das Schicksal hält noch einen besonders bitteren Wermutstropfen für ihn bereit. Und bei all den fantastischen technischen Möglichkeiten der Zukunft wird klar, dass die Erde als Lebensraum ganz schön wichtig ist.

„The Midnight Sky" (USA 2020), Regie: George Clooney, mit George Clooney, Felicity Jones, David Oyelowo, Tiffany Boone, 122 Min., FSK: ab 12

Soul / Disney+


(USA 2020), Regie: Pete Docter, 100 Min., FSK: ab 0

Der Nachfolger vom wunderbar klugen, psychologischen Kinderfilm „Alles steht Kopf" (2015) ist alles andere als ein Kinderfilm: Ein kurz vor seinem Durchbruch verstorbener Soul-Musiker bekommt es in einer himmlischen Zwischenstation mit der widerspenstigen Seele Nummer 22 zu tun. Wie beide zusammen die Schönheit des Lebens entdecken, macht „Soul" zum bunten Nachfolger von Frank Capras Klassiker „Ist das Leben nicht schön?" („It's a Wonderful Life" mit James Stewart).

Pixar, die Zeichentrick-Schmiede auch von „Soul", bleibt das Beste von Disney. Angefangen von der Disney-Melodie, die ganz kläglich von einer Musikklasse herunter gequält wird. Ja, Lehrer Joe Gardner (der Name eines bekannten Jazztrompeters) hat es nicht leicht. Da feiert seine „Ma" die Festanstellung, doch er träumt von einer Karriere als Jazz-Musiker. Dann bietet ihm ein ehemaliger Schüler die Chance seines Lebens am Piano der berühmten Sängerin Dorothea Williams. Doch Joe Gardner stirbt, bevor er am Ziel seiner Träume auftreten kann. Da wundert es nicht, dass Joe von der großen Treppe zum Himmel abspringt. Er landet bei den kleinen unfertigen Seelen, die noch geprägt werden müssen, bevor sie zur Erde schweben. Als angeblicher Mentor bekommt Joe ausgerechnet die Seele Nummer 22 zugeteilt: Ein raffiniertes, zynisches Etwas, das keinesfalls von hier weg will.

Herrlich, der Spaß an Joes wunderbarem Pianosolo. Zynisch komisch der babyblaue Zwerg 22, der nach einem witzigen Unfall bemerkt: „Keine Sorge, man kann eine Seele nicht kaputt machen, das passiert erst auf der Erde." Das hört sich nach einer kommenden Wiedergeburt Woody Allens an. Und spätestens hier wird klar, dass man diese Schwere eines bedeutungslosen und erfolglosen Lebens Kindern nicht unbedingt zutrauen sollte. „Soul" ist ein grandioser erwachsener Zeichentrick. Für jeden Traum-Job hat der Kleine eine ernüchternde Antwort, welche die Blase sofort zerplatzen lässt: Bibliothekar? „Wer träumt nicht davon, einen Job zu haben, der bald weggekürzt wird?"

Selbst die alte Körpertausch-Routine ist in „Soul" umwerfend komisch, wenn der Jazzpianist im Körper einer sehr dicken Katze landet und die Seele, die nie auf die Erde wollte, in seiner Hülle herumstolpert. Zwar verstehen sich die beiden, aber selbstverständlich versteht niemand die Katze. Trotzdem muss sie dem unbeholfenen Menschen sagen, wo es lang geht.

Der Suche nach dem Funken, der die leichtfertig im Vorbeigehen eingeprägten Eigenschaften der neuen Menschen komplettiert, ist eigentlich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Dass sich Regisseur Pete Docter wie schon bei „Oben" (2009) und „Alles steht Kopf" (2015) die Antwort nicht leicht macht, führt zu einem überzeugenden und bewegenden Finale.

Während das jazzige New York recht realistisch gezeichnet wurde, erinnern die Engel, die alle Jerry heißen, an eine Picasso-Skizze. Etwas irritierend läuft hier übrigens Elektro-Musik beim Flug ins Paradies, die Hölle oder das Jenseits.

In „Soul" wird aus dem doch etwas zwangsbehafteten Disney-Auftrag „Lebe deinen Traum!" die entspanntere Erkenntnis „Genieße jede Minute deines Lebens!": „It's alright, have a good time and listen to the beat ... you've got soul" klingt es im Abspann.



Ma Rainey's Black Bottom / Netflix


Der letzte Film des früh verstorbenen Darstellers Chadwick Boseman („Black Panther") spielt 1927, ist aber bei aller beschwingten Blues-Musik (Branford Marsalis!) ein erschreckend aktuelles Drama um Diskriminierung von Afro-Amerikanern. Titelfigur dieses hervorragend umgesetzten Kammerspiels im Tonstudio ist die „Mutter des Blues", die legendäre Ma Rainey (Viola Davis). Während sie ihre weißen Produzenten in Chicago mit deftiger Grandezza zappeln lässt, streiten sich die Studiomusiker um die Richtung des nächsten Stücks. Die uralte Diskussion zwischen etwas Innovativem und dem „Wir haben es schon immer so gemacht". Vor allem der ehrgeizige Kornettist Levee (Chadwick Boseman) will Veränderung. Doch statt seines flotten, tanzbaren Solos soll der stotternde Neffe von Ma ein Intro sprechen. 
Man merkt „Ma Rainey's Black Bottom" schnell das Theater als Ursprung an. Der zweifache Pulitzer-Preisträger August Wilson schrieb es als Teil einer Serie von zehn Stücken, die jeweils einem Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gewidmet sind. 2016 inszenierte Denzel Washington bereits „Fences", ebenfalls mit Viola Davis. Selbstverständlich läuft auch jetzt das Verhältnis von Weißen und Schwarzen mit, das Thema bleibt hochaktuell. Eine der horrenden Geschichten von Gewalt und Unterdrückung ist Bosemans Solonummer, die allein den ganzen Film lohnt. „Ma's" viele weiteren Qualitäten lassen spüren - wie Daniel Kothenschulte in der Frankfurter Rundschau schrieb - dass wir nicht nur das Kino vermissen, sondern auch das Theater.

„Ma Rainey's Black Bottom" (USA 2020), Regie: George C. Wolfe, mit Viola Davis, Chadwick Boseman, Glynn Turman, 95 Min., FSK: keine Angabe

15.12.20

Wolfwalkers / Apple TV+


Bereits „Die Melodie des Meeres" (Europäischer Filmpreis 2015) von Tom Moore war ein Kunstwerk, das weit über das Genre des Kinder-Zeichentrick hinaus schien. Der Nachfolger „Wolfwalkers" erzählt mit einem ähnlich wunderbaren Stil von Naturzerstörung durch Zivilisation und Religion in Cromwells Irland. Ein Meisterwerk und der schönste, klügste und reichste (Animations-) Film des Jahres.

Das verwegene Mädchen Robyn träumt davon, wie der Vater Wölfe zu jagen. Doch der große, üble Boss will sie in eine Industrie-Küche stecken, denn „da gehören Frauen hin". Auch diese Emanzipations-Geschichte erzählt „Wolfwalkers", angesiedelt im Irland des Jahres 1650. Oliver Cromwell erobert die Insel mit seinen englischen Truppen. Damit zwingt er den katholischen Bewohnern nicht nur seine puritanische Religion auf, auch „die Natur" muss kontrolliert werden. Der große, geheimnisvolle Wald vor der Stadt fällt immer mehr den Holzfällern zum Opfer. Die werden allerdings schon in der ersten Szene von Wölfen und einem magischen Wesen verjagt.

Robyns alleinerziehender Vater Bill ist Wolf-Jäger für den mächtigen und bösartigen Lordprotektor. Aus übergroßer Sorge um sein Kind verbietet Bill ihr, die Stadt zu verlassen. Doch das neugierige Mädchen und ihr Raubvogel Merlyn lassen sich nicht fernhalten. Im verwunschenen Gestrüpp lernt sie die wilde Mebh kennen. Das rothaarige Wesen, das mit den Wölfen rennt, ist ein „Wolfwalker" – Wolf, wenn sie schläft, und Mensch, wenn sie wach ist.

„Wolfwalkers" ist ungewöhnlich reich an interessanten und weiterführenden Geschichten. Doch erst einmal fasziniert wieder der atemberaubend schöne Stil von „Die Melodie des Meeres" und „Das Geheimnis von Kells". Jede Szene hat Bilder „zum an die Wand hängen": Inspiriert von irischen Holzschnitten sieht man die graue Stadt im Hintergrund als grafisches Element, als vertikales Raster. Da gibt es ein farbenfrohes Mandala mit der Wolf-Familie und in der Mitte Mutter sowie Tochter Wolfwalker. Dann meint man in einem Blumenmeer Klimt zu entdecken. Dann wieder eine strenge Linienführung mit dem Fachwerk der Häuser. Die Zeichnungen sind grafisch und doch voller Leben. Dabei verspielt, nicht perfekt, wenn nicht bereinigte Linien um die Gesichter kreisen. Trotz der Referenz zu irischen Holzschnitten hat man weniger das Gefühl der „Aneignung" als bei Disney-Filmen („Pocahontas"), wo die indigene Kultur oft nur Dekoration ist.

So ergänzen sich wieder Form und Inhalt aufs Reizvollste. Die unmenschliche Strenge des religiösen Eroberers trifft auf freies Leben und freien Stil. Nicht nur mit der Diskussion um Lebensraum für Wölfe hat „Wolfwalkers" dabei hochaktuelle Themen. Durch den raffinierten Perspektivwechsel der verzauberten Robyn erleben wir mit den Sinnen der Wölfe die Zerstörung der Wälder. Soziologisch zeigen die Bilder gar die traurige Menschheitsgeschichte einer Entfremdung von Natur und marxistisch die Entfremdung der eigenen Arbeitskraft im Zuge der Verstädterung.

Eine Geschichtsstunde über die Besetzung Irlands durch England ist dieses Meisterwerk sowieso. Denn mit dem Lordprotektor ist Oliver Cromwell gemeint, der in Irland grausam Kriegsverbrechen beging. Aber auch hier ist „Wolfwalkers" verblüffend modern: Solche Hassprediger führen immer noch bei Christentum, Islam und anderem religiösen Wahnsinn das Wort. 

Ein Kunstwerk, kluge Geschichten und beste Unterhaltung - „Wolfwalkers" begeistert in jeder Hinsicht groß und klein. Das ist relevante Filmkunst auf dem Niveau wie das – wesentlich umfangreichere - Werk von Hayao Miyazaki („Prinzessin Mononoke").

„Wolfwalkers" (Irland, Luxemburg, Frankreich 2020), Regie: Tomm Moore, 103 Min., FSK: ab 6

14.12.20

I'm Your Woman / Amazon Prime Video


Bei den großen Gangster-Filmen sind die Frauen meist Rand-Figuren. Mal schillernd, mal schmerzlich simplifiziert. Der großartig andere Thriller „I'm Your Woman" nimmt konsequent und packend eine Gegen-Perspektive ein: Jean (Rachel Brosnahan) hat nicht viel Ahnung vom Treiben ihres Mannes Eddie. Sie sitzt gut ausgestattet zuhause und bedauert, kein Kind zu haben. Bis Eddie mit einem Baby im Arm zurückkommt - sie dürfe sich einen Namen aussuchen. Eines Nachts muss Jean mit einer Tasche voller Geld und einem Fremden fliehen. Eddie hat sich mit seinem Boss angelegt und wird von dessen Bande gejagt. Selbst wenn die Ehefrau keine Ahnung hat, muss auch sie sich verstecken.

Nur zwischendurch eine knallharte Gangstergeschichte, zeigt „I'm Your Woman" einen Großteil des Films Warten - und das ist richtig interessant. Jean wird immer wieder Fehler machen. So ist selbst der Besuch einer übermäßig fürsorglichen, neuen Nachbarin spannend. Diese Szenen sind besonders gelungen, da eine unbekannte Gefahr droht. 

Die Rolle der Jean ist nicht ganz eine Solonummer, aber Rachel Brosnahan („The Marvelous Mrs. Maisel") trägt den Film hauptsächlich mit ihrem eindrucksvollen Spiel. In den unterschiedlichen Schlupflöchern kommt die junge Frau zur Ruhe und zu sich selbst. Mit dem „Fluchthelfer" Cal (Arinzé Kene) entwickelt sich eine ungewöhnliche Beziehung: Sie dürfen nicht zu persönlich werden, können es aber nicht vermeiden. Im Laufe des Films zeigen sich noch einige überraschende Verbindungen. Auch Cal ist eine äußerst spannende Figur, hat Erfahrung mit Kindern und raucht die Zigarette, die er immer in der Hand hat, nie. Verblüfft stellt man fest, wie wenig es braucht, um einen Menschen zu charakterisieren – wenn es gut gemacht ist.

Bei intensiver Atmosphäre, guten Songs und reizvollem Dekor im Zeitkolorit der 70er gibt es auch äußerst gelungene Momente der Spannung. Das erinnert deshalb nicht nur in der Mode an John Cassavetes' Klassiker „Gloria" mit seiner Frau Gena Rowlands. „I'm Your Woman" stellt in der Karriere von Regisseurin Julia Hart („Fast Color", „Miss Stevens", „Stargirl") einen neuen Höhepunkt dar.

„I'm Your Woman" (USA 2020), Regie: Julia Hart, mit Rachel Brosnahan, Marsha Stephanie Blake, Arinzé Kene, 120 Min., FSK: ab 16

El Cid / Amazon Prime Video ab 18.12.


Ein Gutes hat der Boom der Streaming-Produzenten: Neben Hollywood bekommen jetzt andere Film-Nationen die Chance auf einen Weltmarkt. Serien wie „Dark" und Filme wie „Unorthodox" stoßen auf internationales Interesse. „Spanien" will nun mit seinem Nationalhelden „El Cid" mitmachen. Schon früh inspirierte der sagenhafte Ritter Rodrigo Díaz de Vivar (1045/50 - 1099) aus niederem Adel die Literatur. 1961 gab es den Historienfilm „El Cid" mit Charlton Heston und Sophia Loren. Die neue Serie stellt sich der Legende mit billiger Ausstattung, schwachem Spiel und trivialer Dramaturgie entgegen.

Während der junge Knappe (Jaime Lorente) als Stallbursche und Ritter in Ausbildung mit der schönen Jimena (Lucía Guerrero) flirtet, streiten sich die Kinder von Ferdinand I., ein Bruder, die Ehefrau und andere Konkurrenten um den Thron von León, Kastilien und Galicien. Es gibt Ziegenställe vor der Kathedrale und viele verschwörerische Blicke von mehrheitlich mäßigen Akteuren. Das wirkt wie Mittelalter-Flohmarkt und Laien-Theater. Dass die Kettenhemden schlecht saßen, mag historisch richtig sein, macht aber vor allem in Zeiten von „Game of Thrones" sehr wenig hier. Erst im Finale der ersten Folge bekommt die Sache etwas Schwung. Aber es vergehen lange weitere, bis bei einer großen Schlacht richtig viele Produktionsmitteln rausgehauen werden. Trotz fünf Stunden Laufzeit kommt die Serie in der ersten Staffel nur bis zum Tod Ferdinands 1065. Der eigentliche Aufstieg von El Cid zum Heerführer für Christen und Araber, zum Herrscher über Valencia soll wohl nächste Staffeln füllen. So bleibt der Auftritt von fortschrittlichem Wissen und Toleranz aus dem Orient ein Versprechen, die mythische Ebene um El Cid, „der mit den Vögeln spricht", eine Andeutung. Nur mit ganz viel Willen, sich über historische Details aufzuregen, sollte man diesen simplen Historien-Schinken aussitzen.

„El Cid" (Spanien 2020), Regie: Federico Cueva, mit Jaime Lorente, Alicia Sanz, José Luis García Pérez, fünf Folgen à 60 Min., FSK: keine Angabe

8.12.20

Fatman / VOD


Fast so alt wie die Weihnachtsgeschichte ist die Geschichte der Anti-Weihnachts-Actionfilme: Die Klassiker reichen von Kinderkram wie „Kevin – Allein zu Haus" bis zu Bösem wie „Bad Santa" mit Billy Bob Thornton. Die Rolle des rauen Weihnachtsmannes übernimmt diesmal der ausgewiesene „Dirty Old Man" Mel Gibson. Sein Chris Cringle verzweifelt an der amoralischen Menschheit. Er liefert aber immer, finanziert von der Regierung, mit Hilfe einer Armee von Elfen pünktlich Geschenke aus. Dieses Jahr muss er nicht nur mit Budget-Kürzungen kämpfen. Ein verzogenes reiches Gör hetzt ihm einen Killer auf den Hals, weil es vom Geschenk enttäuscht war.

„Fatman" ist ein Spaß in der Charakterisierung des deprimierten und übermäßig gerechten Weihnachtsmannes sowie des merkwürdigen Killers mit tiefsitzendem Santa-Hass und Hamsterliebe. Dass in modernen Zeiten die Elfen zwischendurch Waffentechnik produzieren, dass die kleinen Leute mit Kohlenhydrat-Diät (Kekse und Kuchen) sowie 60 Minuten Schlaf am Tag die Muskelmänner beeindrucken, gehört zur netten Verzierung der Action-Geschichte. Die zehn Minuten Geballer von „Mad Chris-Max" könnte man sich schenken. Tatsächlich ist „Fatman" bis auf ein paar originelle Einfälle ziemlich banaler Actionkram mit Lametta und Tannenzweigen. Doch Mel Gibson und seine Weihnachts-Frau Marianne Jean-Baptiste reißen die Sache mit ihren nett gezeichneten Figuren raus. (ghj)

(auf allen gängigen Plattformen)

„Fatman" (Großbritannien, Kanada, USA 2020), Regie: Eshom Nelms, mit Mel Gibson, Walton Goggins, Marianne Jean-Baptiste, 100 Min., FSK: ab 16

7.12.20

The Undoing / Sky



Wenn Bridget Jones das gewusst hätte: Ihr Daniel kann ein ganz fieser Kerl sein... Der charmante Hugh Grant zeigt in der Thriller-Miniserie „The Undoing" unter der exzellenten Regie von Oscar-Gewinnerin Susanne Bier („Love is all you need", „Birdbox") andere Seiten.

Zuerst ist alles glänzend in der Welt der unverschämt Reichen am New Yorker Central Park: Die Therapeutin Grace Fraser (Nicole Kidman) und der Chirurg Jonathan (Hugh Grant) führen immer noch eine lebendige Ehe. Mit trockenem Humor begleitet der Brite ihre Bemühungen, als Helikopter- und Charity-Mutter. Dann verhält sich eine andere, jüngere Mutter der Schule seltsam provokativ gegenüber Grace und wird bald ermordet aufgefunden. Ein Schock für die abgeschottete heile Welt, doch zusätzlich ist Jonathan verschwunden. Grace muss neu definieren, wie sie zu ihrem Ehemann steht.

Nach dem Roman „Du hättest es wissen können" von Jean Hanff Korelitz inszeniert die Dänin Bier ihre Miniserie „The Undoing" äußerst raffiniert: Schon die erste Folge endet mit einem atemberaubenden „Cliffhanger". Bei der zweiten rappelt es dann heftigst in der dramaturgischen Kiste – immer wieder Überraschungen und unglaubliche Szenen. Atemberaubend schaut man an, zu was Menschen fähig sind.

Hugh Grant ist eine Traumbesetzung für die Rolle des gutherzigen Kinder-Onkologen Jonathan. „Für wie charmant halten Sie sich eigentlich?", bemerkt die ebenfalls großartige Figur der Anwältin, um in der Folge diesen Charme vor Gericht einzusetzen. Nicole Kidman, die Veronica Ferres des internationalen Films, ist als Ko-Produzentin zwar das Zugpferd für Trailer und andere Werbung, doch ein eher schwächerer Teil des Films. Mit ihrer berühmten Ausdrucksschwäche wird sie in jeder Szene von Hugh Grant an die Wand gespielt. Sein Gesicht zeigt grandiose Abgründe. Und dann erweist sich Kidmans Film-Vater Donald Sutherland andauernd als „Szenen-Stehler". Ob sein Milliardär Reinhardt kontemplativ im Museum sitzt oder dem Schuldirektor kalt lächelnd erzählt, er sei von einer ganz anderen Generation von Schweinhunden, mit der man sich nicht anlegen wolle. Bis auf die enttäuschende letzte Folge eine fies gute Thriller-Serie.

„The Undoing" (USA 2020), Regie: Susanne Bier, mit Hugh Grant, Nicole Kidman, Donald Sutherland, sechs Folgen à ca. 55 Min., FSK: keine Angabe

The Prom / Netflix ab 11.12.


Hillbillys, Teil 3: Diesmal kommt eine Busladung abgehalfterter Musical-Stars vom Broadway zu den Hinterwäldlern. Es gilt, den Schulball („Prom") von Emma (Jo Ellen Pellman) zu retten, die sich als lesbisch geoutet hat. Die konservative Schulverwaltung kann das zwar nicht verbieten, dafür aber die ganze Party absagen. Ein gefundenes Fressen für Dee Dee Allen (Meryl Streep), Angie Dickinson (Nicole Kidman) und Barry Glickman (James Corden): Die nicht mehr ganz angesagten Broadway-Sänger suchen eine „gute Sache", die ihren Karrieren wieder auf die Sprünge helfen könnte. Selbstrettungs-Maßnahmen wie „We are the world" oder „Band Aid" - nur diesmal mit Lesbierinnen. Wie verzweifelt die Helfer selbst sind, zeigt die Ankunft nach langer Busfahrt: Im wenig glanzvollen Hotel holen sie unerkannt gar ihre Tony-Trophäen aus der Tasche. (Corden bekam ihn 2012 tatsächlich für "One Man, Two Guvnors".) Vergebens – hier gibt es keine Suite, keine Extras.

Als es der weltoffene High-School-Direktor – und Musicalfan - Mr. Hawkins (Keegan-Michael Key) doch eine „diverse" Prom durchboxt, veranstaltet die hinterhältige Elternschulsprecherin (Kerry Washington) heimlich eine Parallel-Party. Jetzt hängen sich die alten Broadway-Schlachtrösser, die erst eigentlich nur ihrem Narzissmus frönen wollten, richtig rein. Nebenbei flirtet Dee Dee mit dem Schuldirektor. Und Barry verarbeitet, dass er nach seinem Coming-out vor Jahrzehnten nicht nur die Prom verpasste, sondern auch von den Eltern rausgeschmissen wurde.

Das Musical „The Prom" macht sich anfangs mit viel Glitzer und Neonfarben über angeblich so weltoffene New Yorker Künstler lustig, die mit großen Solo-Nummern betonen müssen: „Es geht nicht um mich!" Zum Glück ist da auch die bodenständige Emma als wahrer Star. Nach farbenfrohem musikalischem Mobbing in der Turnhalle und munteren Stücken wie „Don't be gay in Indiana" (Sei nicht homo in Indiana) widersetzt sie sich sogar den gängigen Rezepten, mit großen Auftritten Recht zu bekommen. Aber nicht ohne schmissige Einkaufstour mit James Corden und einem Gospel im Einkaufszentrum, um bigotte und homophobe Mitschüler zu bekehren. Das Liebesduett darf nicht fehlen, mit einem ironischen Twist: „Es braucht nur dich und mich - und ein Lied".

Nun ist „The Prom", nach dem gleichnamigen Broadway-Musical von Chad Beguelin, Robert Martin und Matthew Sklar, von der satirischen Bissigkeit her sicher nicht Mel Brooks' „Frühling für Hitler" (The Producers). Aber der Film von Ryan Murphy karikiert das übliche abgehobene und überkandidelte Musical-Theater aufs heftigste, um es dann trefflich und mitreißend wieder anzuwenden. „The Prom" begeistert und macht Spaß, dabei entstehen inmitten aller bunter Banalitäten berührende Geschichtchen, Lieben und Verletzungen. Die Drehbuch-Autoren Ryan Murphy, Bob Martin und Chad Beguelin erklären vor allem über die Figur des Musical-Fans Hawkins den Geist des Genres: Wenn die Gefühle zu groß werden, muss man singen. Um dann nach nur angetäuschter Ignoranz ein herrliches Parade-Beispiel abzuliefern.

Die erstaunliche Newcomerin Jo Ellen Pellman besteht als Emma mit Leichtigkeit und Drew Barrymore-Charme neben James „Carpool-Karaoke" Corden, Oscar-Gewinnerin Meryl Streep und Nicole Kidman, die bei „Moulin Rouge" (2001) das letzte Mal gut gesungen hat. Kidman ist hier allerdings wesentlich besser, weil es mal nicht auf ihre reduzierte Mimik ankommt (siehe „The Undoing"). So schafft es „The Prom", sich bei einer grandios glamourösen Inszenierung wunderbar selbst auf den Arm zu nehmen. Ein großer, bunter Spaß mit viel Herz.

„The Prom" (USA 2020), Regie: Ryan Murphy, mit Meryl Streep, Nicole Kidman, James Corden, Jo Ellen Pellman 126 Min. FSK ab 6

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1.12.20

Uncle Frank / Amazon


Nach „Hillbilly Elegy" schaut sich „Uncle Frank", Publikums-Liebling beim Sundance-Festival, die Gräben zwischen rückständigem Land und offenen Stadtbewohnern an: „Sei wer du sein willst!" Dieser Rat des geliebten Onkel Frank (Paul Bettany) verändert 1969 das Leben der jugendlichen Beth Bledsoe (Sophia Lillis). Vier Jahre später verlässt sie das ländliche Creekville, um in New York zu studieren. Onkel Frank ist dort beliebter Literaturprofessor und lebt zusammen mit seinem langjährigen Partner Wally (Peter Macdissi), wie die etwas unbedarfte Beth langsam entdeckt. Als Franks Vater stirbt, begeben sich die drei auf einen Road Trip in eine noch existente schreckliche Vergangenheit aus Schwulen-Hass, Rassismus und Frauen-Verachtung.

„Uncle Frank" erzählt aus der Perspektive einer jungen Frau mit viel Herz und Verstand, aber ohne Erfahrung. Beth meint tatsächlich, sie hätte noch nie einen Schwulen getroffen, und wird humorvoll über den Gesangslehrer aufgeklärt. Dass ausgerechnet Wally, der Freund aus dem Saudi-Arabien, wo Schwule noch hingerichtet werden, die gefährliche Situation im ländlichen South Carolina nicht ernst nimmt, irritiert etwas. Frank, grandios gespielt von Paul Bettany, zerbricht fast an der testamentarisch festgelegten Verachtung des Vaters und an Resten von Selbsthass. 

Im Happy End der bewegenden, exzellent erzählten Geschichte freut sich die einfältige Schwägerin (Judy Greer) fast hysterisch, dass „Schwule so gut riechen". „Uncle Frank" zeigt sehr viel Verständnis für die zurückgebliebene Familie, aber man will mit den drei anderen Leuten doch schnell wieder nach New York.
 
„Uncle Frank" (USA 2020) Regie: Alan Ball, mit Paul Bettany, Sophia Lillis, Peter Macdissi, 95 Min., FSK: ab 12

30.11.20

Mank / Netflix

Mank

(USA 2020), Regie: David Fincher, mit Gary Oldman, Lily Collins, Charles Dance, Amanda Seyfried, 131 Min., FSK: ab 12

Regisseur David Fincher steht mit großen Erfolgen wie „Gone Girl", „Fight Club", „The Game" sowie mit seiner Serie „Mindhunter" vor allem für Spannung. Dabei übersieht man die Kunstfertigkeit seiner Filme. „Mank" ist nun ein besonderer ästhetischer Genuss, eine stilistisch verspielte Hommage an das alte Hollywood mit gleichzeitiger politischer Abrechnung. Die Filmperle beginnt mit einem reizvollen Trip in die Filmgeschichte, mit vielen bekannten Namen, dem Amüsement über den – im wahrsten Sinne des Wortes - gebrochenen Autoren Herman J. Mankiewicz (1889-1953), der am Oscar-Drehbuch für „Citizen Kane" schreibt. Die Gründe, weshalb das Genie an der Flasche hängt, machen „Mank" später berührend und relevant für heute. 

Zuerst dreht sich alles um den Countdown von 60 Tagen, in denen der abgeschriebene Mankiewicz für das aufsteigende, 24-jährige Genie Orson Welles ein Drehbuch fertigen soll. Mit gebrochenen Beinen liegt „Mank" wegen eines Autounfalls im Bett, von einer deutschen Pflegerin und einer britischen Sekretärin betreut. Alkohol – gibt es nach Fertigstellung des ersten Abschnitts.

„Citizen Kane" erzählt, verkürzt, eine Enthüllungsgeschichte, stellt den einst mächtigen Medienmogul William Randolph Hearst bloß. Der sensationelle erste Film des Wunderkindes Orson Welles (Ko-Autor, Regie und Hauptrolle) aus dem Jahr 1941 wird immer wieder zum „Besten Film aller Zeiten" gewählt. Weshalb Ko-Autor Herman J. Mankiewicz seinen Freund und Mentor Hearst darin ans Messer lieferte, ist Thema von „Mank". Ein Skandal aus dem „Goldenen Zeitalter" des Klassischen Hollywood und das Porträt eines liebenswerten Verlierers, eines linken, intellektuellen Don Quixote.

Das Verhältnis von Herman Mankiewicz – nicht zu verwechseln mit seinem Bruder Joseph L. – und Hearst wird in Rückblenden zu den 30er Jahren erläutert: Da ist die platonische Freundschaft zu Hearsts jüngerer Gespielin, der Schauspielerin Marion Davies (Amanda Seyfried), die der Verleger förderte und dann beruflich zerstörte. Als im Wahlkampf für den Gouverneur Kaliforniens des Moguls Medienmacht mit im Studio MGM produzierten „Fake News" den demokratischen Kandidaten und Schriftsteller Upton Sinclaire verhindert, engagiert sich der Intellektuelle einmal. Vergeblich. In einer großen besoffenen Tirade bringt sich der zynische Schreiberling dann um den Platz als Hofnarr am Tische Hearsts.

Das Porträt der hochinteressanten Figur Herman J. Mankiewicz mit seiner Karriere, die er sich mit Alkohol und Spielsucht verbaut hat, zeigt einen typischen Ostküsten-Intellektuellen. Er lässt sich vom tief verachteten Hollywood verführen und geht an dessen Banalität zugrunde. In einem berühmten Telegramm an den legendären Autor Ben Hecht schrieb er: „Hier sind Millionen zu machen, und deine einzigen Konkurrenten sind Idioten. Lass dir das nicht entgehen." Auf eine spätere Anfrage von Dorothy Parker, der Gewerkschaft „Screen Writers Guild" beizutreten, antwortete er snobistisch, eine Autoren-Vereinigung sollte wissen, dass da ein Apostroph in den Namen rein muss.

David Fincher würdigt mit seinem in sanftem Schwarz-Weiß gehaltenen „Mank" den Journalisten und Kritiker deutscher Abstammung. Mankiewicz wird die Autorenschaft an „Citizen Kane" zugeschrieben - eine These, die Pauline Kael in ihrem Essay „Raising Kane" befestigte. Zentral in der mit einem lachenden Auge erzählten Tragödie steht die Rolle des Gebildeten in der Traumfabrik. Gary Oldman („The Dark Knight", „Harry Potter", „Das fünfte Element") verkörpert Lebens-Lust und -Frust begeisternd. Sein Mankiewicz genießt es, die Deppen stilvoll, höflich und immer treffend vorzuführen. Dabei stammte die Idee, mit den mächtigen Mitteln der Traumfabrik Politik zu machen, von ihm selbst, aber wendet sich gegen ihn. Naheliegend, da an Fincher zu denken, der nach sechs Jahren Pause seinen neuen Film nicht mit den Studios, sondern mit Netflix produzierte.

Wir können nicht anders / Netflix

Buck ist wieder da – und das mit Wums. Als einer der vielseitigsten und besten Regisseure Deutschlands legt Detlev Buck noch mal mit Schmackes eine klasse Komödie hin: Edda (Alli Neumann) verführt aus verzweifelter Wohnungslosigkeit und trotz seines furchtbaren Mantels den Junior-Professor für Literatur Sam (Kostja Ullmann, herrlich naiv). Da er sich als ganz nett erweist, nimmt sie ihn sogar mit in ihr Dorf. Doch schon auf dem Weg stolpert Sam mitten im Wald über eine Hinrichtung. Ein paar falsche Entscheidungen später werden er und das gerettete Opfer von einer wilden Horde zu freiwilliger Feuerwehr-Männer verfolgt. Und Edda muss sich bei der Suche nach Sam unangenehmer alter Bekanntschaften entledigen. In einem Dorf, in dem man nicht begraben sein will, ist plötzlich die Hölle los. Und 24 Stunden später zählt es einige Gräber mehr.

Ein Gangster (Sascha Geršak) gibt mit E-Zigarette den Dennis Hopper vom Lande. Tief verwurzelte Frauenfeindlichkeit frustrierter Männer wird zünftig abgestraft. Ihnen bleiben nur Sätze wie: „Ich war doch noch nie woanders. Wo soll ich denn hin? Und was wird aus meiner Mutter?" Das ganze Vergnügen ist toll gespielt, mit feinen Raffinessen sicher inszeniert und setzt inhaltlich Finessen: Hier lassen Flüchtlinge mal deutsche Flüchtende nicht rein.

1993 drehte Buck, die Komödien-Entdeckung aus dem Norden, mit „Wir können auch anders..." seinen dritten Spielfilm (nach „Hopnick" und „Karniggels"). Und wenn er sich mittlerweile als Regisseur und Darsteller von „Knallhart" bis „Bibi & Tina" als Alleskönner erwiesen hat - hier ist er bei seinen Wurzeln: „Auf dem Land haben wir Geduld. Es wird wenig gesprochen." Das mit den sparsamen Worten stimmt noch, dafür gibt es in „Wir können nicht anders" viel sich überstürzende Handlung und Kugeln. Der treffsichere Spaß kann vom Tempo her mit Hollywoods großen Action-Krachern für Weihnachten mithalten.

„Wir können nicht anders" (BRD 2020), Regie: Detlev Buck, mit Alli Neumann, Kostja Ullmann, Sascha Geršak, Sophia Thomalla, 102 Min., FSK ab 16

24.11.20

Aznavour by Charles (Le Regard de Charles)

Der 2018 im Alter von 94 Jahren verstorbenen Charles Aznavour war Frankreichs berühmtester Chansonier, ein gefeierter Schauspieler und engagierter Aktivist für sein armenisches Volk. Zu allem Bekannten über Charles Aznavourian gesellt sich nun diese wunderbare und wundersame Biografie aus eigener Hand. Denn erst 2017 zeigte er dem befreundeten Filmemacher Marc di Domenico Kisten voller Filmaufnahmen aus über fünf Jahrzehnten. Super 8, 16mm und Video-Material, das bisher niemand gesehen hatte.

Der Regisseur di Domenico sichtete 40 Stunden Aufnahmen und montierte sie entlang von 25 Liedern Aznavours, darunter sechs Welthits. Am Anfang des Films gibt es Bilder aus Afrika ohne Ton und Text. Charakteristisch dabei der wache Blick für einfache Menschen und Kinder. Diese Perspektive wird sich bei faszinierenden Aufnahmen aus Peru, Hongkong, Japan, New York oder London wiederholen. Denn der Künstler war ein Mensch mit großem Fernweh, mit einer Neugier auf die ganze Welt. „Emmenez-moi" - Nimm mich mit, erklingt passend dazu einer der vielen Hits des großartigen Sängers. Zu den Bildern von Montmartre, dem Ort seiner Kindheit „La Boheme". 

Da Aznavours Aufnahmen immer privat waren, sieht man bekannte Menschen wie Edith Piaf oder den geistesverwandten Film-Kollegen Lino Ventura unverstellt und offen. Höchstens seine wechselnden Frauen (Song: „She") schauen mal etwas verlegen zurück. Privat ist dieser Film auch in den Erinnerungen. Berührend, wenn Aznavour mit 40 Jahren das erste Mal in die (Sowjetrepublik) Armenien kommt. Das Land, das seine armenischen Eltern nie gesehen haben. Eltern, die Waisen des Genozids durch die Türken waren und die dann im nächsten Weltkrieg Juden versteckt haben. Dass sich der Star mit 180 Millionen verkauften Platten immer als „kleiner Franko-Armenier" sah und eine Nähe zu anderen Immigranten verspürte, zeigt viel Persönlichkeit.

„Aznavour by Charles" ist eine großartige, eine liebevolle Biografie aus ungewöhnlichem, aber doch eigentlich selbstverständlichen Blickwinkel: Dem der porträtierten Person selbst. Als Basis für den Off-Text (Sprecher: Roman Duris) dienten die fünf Biografien Aznavours. (ghj) (Sooner) *****

„Aznavour by Charles" läuft mit anderen aktuellen Filmen im Rahmen der 20. Französischen Filmwoche Berlin vom 26.11. – 2.12. online.

„Aznavour by Charles" (Le Regard de Charles, Fr 2020), Regie: Marc di Domenico, mit Charles Aznavour, Édith Piaf, Lino Ventura, 83 Min., FSK: keine Angabe

The Good Lord Bird / Sky


Ethan Hawke reitet als amerikanischer Michael Kohlhaas gegen die Sklaverei! Die deftige Mini-Serie „The Good Lord Bird" nach dem gleichnamigen Roman von James McBride spielt im Kampf zwischen überzeugten Sklavenhaltern und bibeltreuen Abolitionisten 1858 vor dem Bürgerkrieg.

Der ebenso wahnsinnige wie berüchtigte Prediger John Brown (Ethan Hawke) rettet bei einer Schießerei den schwarzen Jungen Onion (Joshua Caleb Johnson) vor einem grausamen Sklavenhalter. In seinem wirren Zustand meint Brown, Onion sei ein Mädchen, und nimmt es in seine kleine diverse Kampftruppe auf. Trotz bester Beziehungen zu führenden Köpfen der Sklavenbefreiung „Underground Railroad" geht der alttestamentarisch rächende Anführer auf eigene Faust blutig gegen Sklavenhalter vor.

Irgendwer wird sich sicher beschweren, dass hier ein Weißer Schwarze befreit. Aber fast durchgehend kommentiert Begleiter und Erzähler Onion die Solo-Show des wahnsinnigen Priesters selbstbewusst und spöttisch. Er schaut genau auf die Diener bei den Versammlungen der weißen Befreier – sie sind weiterhin schwarz!

Auch wenn Onion in der zweiten Folge als Mädchen in einem Bordell putzt und die im Käfig gehaltenen Sklaven ein erschreckendes Bild weißer Unmenschlichkeit liefern, ist „The Good Lord Bird" weit davon entfernt, „12 Years a Slave" zu sein. Mit dem Wahnsinns-Trip des überspannten Priesters und im poppigen Comic-Stil erinnert die Serie eher an Tarantinos „Django Unchained". Ein manchmal brutaler Spaß mit bitteren Geschichts-Lektionen, immer packend erzählt und inszeniert, mit einem großartigen Ethan Hawke („Before Sunrise", „Juliet, Naked") in der Rolle des allzu gerechten Wüterichs und als Produzent.

„The Good Lord Bird" (USA 2020), Regie: Kevin Hooks, Haifaa Al-Mansour, Albert Hughes u.a., mit Ethan Hawke, Joshua Caleb Johnson, Beau Knapp, Steve Zahn, 7 Episoden, je ca. 60 Min., FSK: ab 16

18.11.20

Du hast das Leben vor dir / Netflix


Aachen. Mit der dritten Adaption des berühmten Romans „Du hast das Leben noch vor dir" von Romain Gary gibt Regisseur Edoardo Ponti seiner 86-jährigen Mutter eine wunderbare Rolle. Die anrührende Figur einer Holocaust-Überlebenden, die sich in Bari um die Kinder von Prostituierten kümmert, macht die Legende Loren zur Kandidatin für einen dritten Oscar.

Madame Rosa (Sophia Loren) verdient ihren Lebensunterhalt mehr schlecht als recht damit, dass sie Kinder von Prostituierten betreut und großzieht. Ausgerechnet der 12-jährige senegalesische Waisenjunge Momo (Ibrahima Gueye) soll nun einziehen, dabei hat er ihr doch kurz vorher auf dem Flohmarkt eine Tasche mit Silberleuchtern geklaut.

Sophia Loren („Hochzeit auf Italienisch" 1964, „Prêt-à-Porter" 1994) strahlt mit ihrem echten Gesicht ohne große Manipulationen immer noch eine enorme Präsenz aus. In „Du hast das Leben vor dir" legt sie sogar eine vorsichtige Tanzeinlage mit dem Transvestiten hin. Auch der heftige Dialekt in der Originalfassung ist ein Vergnügen. Die vor allem rührende Geschichte über das ungewöhnliche Zusammentreffen eines kleinen Flüchtlings, einer traumatisierten Dame und eines arabischen Immigranten ist der aktuelle Netflix-Hit in Italien. Kein Wunder, denn auch im Hintergrund gibt es eine Familiengeschichte: Regisseur Edoardo Ponti ist der Sohn von Loren und ihres langjährigen Partners und legendären Produzenten Carlo Ponti. Dazu für Kenner noch die aufregende Literaturgeschichte um den 1975 unter Pseudonym erschienenen Roman und fertig ist ein Medien-Ereignis. Der reizvoll in der Hafenstadt Bari fotografierte Film lohnt sich mit seinen interessanten Charakteren und guter Besetzung aber auch einfach so. 

„Du hast das Leben vor dir" („La vita davanti a sé", Italien 2020), Regie: Edoardo Ponti, mit Sophia Loren, Ibrahima Gueye, Renato Carpentieri, 94 Min., FSK: keine Angabe

17.11.20

Was wir wollten / Netflix


Alice (Lavinia Wilson) und Niklas (Elyas M'Barek) bauen bis an die Grenze der seelischen und finanziellen Belastbarkeit an ihrem Familienglück. Die Arbeiten zum Einfamilienhaus sind im vollen Gange, aber auch die vierte künstliche Befruchtung hat nicht funktioniert. Beide wohlsituierte Menschen gehen liebevoll, sogar humorvoll mit der Situation um. Ein neuerlicher Urlaub in Sardinien soll Spannungen lösen. Als allerdings im Ferienhäuschen nebenan zwei laute Kinder und ihre ebenso penetranten Eltern stören, lösen sich auch Frustrationen und Aggressionen. Dass der frühere Urlaub, nicht weit entfernt auf dem Camping-Platz, glücklicher war als dieser im Ferien-Häuschen, führt zur Frage, was zum Glück nötig ist: Ein Haus, ein Kind?

Regisseurin Ulrike Kofler gelingen in ihrem einfühlsamen Drama „Was wir wollten" sehr feine Beobachtungen. Etwa auf die leicht laufenden Schubladen und die automatischen Heckklappen, die perfekt funktionieren ... so wie man es sich für's eigene Leben wünscht. Wie es bei Alice und Niklas nicht reibungslos klappt, machen vor allem der unglaublich vielfältige Ausdruck von Lavinia Wilson („Deutschland 89/86") und das exakt passende Spiel von Elyas M'Barek („Fack ju Göhte") interessant. Der ruhige Stil des Spielfilms erinnert zeitweise an die exakte Reduzierung der „Berliner Schule": Es wird nicht übermäßig gesprochen, die Gefahr eines blöden Spruchs ist dabei groß. Aber Kofler, die bislang Cutterin bei einigen bekannten Filmen („Wilde Maus") war, umschifft diese Fallen. Im Problem-Genre des deutschen Urlaubsfilms erzählt sie eine nicht einfache, aber bemerkenswert sichere Geschichte. Mit einem im Gegensatz zur Berliner Schule sehr bewegenden Finale.

„Was wir wollten" (Österreich 2020), Regie: Ulrike Kofler, mit Lavinia Wilson, Elyas M'Barek, 93 Min., FSK: ab 12

The Crown, 4. Staffel / Netflix


„The Crown", die Krönung der aktuellen royalen Serien-Unterhaltung, meldet sich in der vierten Staffel mit zwei weiteren Hauptfiguren zurück: Während der 80er-Jahre hat Queen Elizabeth II. mächtig mit Lady Diana Spencer und Premierministerin Margaret Thatcher zu tun. Die beste Staffel bislang begeistert erneut in vielerlei Hinsicht.

Die jahrzehntelange Karriere der britischen Königin Elizabeth (Olivia Colman) lieferte seit 2016 beständig Dramen im Hause Windsor und nur am Rande die Schicksale von zig Millionen Untertanen. Mit der vierten Staffel sind wir in den 80er-Jahren angelangt. Ohne sich auf Lorbeeren auszuruhen, trumpft „The Crown" in der ersten Folge direkt mit einer filmischen Glanznummer auf. Die mehrfache Parallel-Montage zeigt packend und erschreckend die hemmungslose Jagdlust der Adeligen. Auf dem Höhepunkt werden aber sie gejagt: Lord „Dickie" Mountbatten (Charles Dance), Onkel von Prinz Philip (Tobias Menzies) und väterlicher Freund für Charles (Josh O'Connor), fällt 1979 einem Anschlag der IRA zum Opfer. Doch der nordirische Religionskrieg, später der mörderische Kampf um die Falklandinseln, die extremen sozialen Einschnitte Maggie Thatchers im Land - das alles ist Weltpolitik, von der nur kurze Blitzlichter in die Geschichte des Königshauses dringen.

Intern genießen wir die Auftritte von Prinzessin Diana (Emma Corrin) und Premierministerin Thatcher (Gillian Anderson). Mit ihnen muss sich die Queen kurz die weibliche Hauptrolle teilen. Das könnte Märchen-Kitsch geben oder trockene Polithistorie. Aber den exzellenten „Crown"-Autoren gelingt es, mit vielschichtigen Figuren eine immer fesselnde Geschichte fort zu erzählen.

Selbstverständlich will eine boulevardisierte Medienlandschaft unbedingt erfahren, wie es der netten Kindergärtnerin Diana Spencer im herzlosen Haus der Windsors erging. Serien-Schöpfer Peter Morgan hält sich bei erstaunlicher Ähnlichkeit in Mimik und Maske von bekannten Bildern fern. Wochenlange Einsamkeit der jungen Frau im Buckingham Palace explodiert bei der ironisch „Märchen" genannte Folge 3 in einer euphorischen Rollschuhfahrt mit Kopfhörern und Pop-Musik durch leere Palast-Gänge.

Ebenso unterhaltsam und interessant ist die Figur der „Eisernen Lady" Maggie Thatcher. Sie scherzt zu Beginn des traditionellen Rapports der Regierungschefin bei der Herrscherin, dass es mit zwei Frauen in Menopause ja lustig werden wird. Auch diese geheimen Treffen evozieren die unweigerliche Frage: War das wirklich so? Doch unabhängig davon, was echt ist - die Geschichte von „The Crown" ist echt gut.

Die sorgfältige Kamera bringt Augenschmaus. Ein hervorragendes Drehbuch, die gute Wahl der Darsteller, eine klasse Maske und tolles Spiel machen „The Crown" selbst für eingefleischte Republikaner zu einem Serien-Ereignis. Denn die Scherze bei „Lisbeth" und den Anderen gehen zwar oft auf Kosten der Nicht-Royals. Doch Maggie Thatcher, die strenge Tochter aus dem einfachen Volk, hält dem eigentlich lächerlichen Haufen unnützer Adeliger auch Verschwendung von wertvoller Arbeitszeit vor. 

Elizabeth bleibt in zwischenmenschlichen Dingen eine tragische Witzfigur, die sich vor persönlichen Treffen mit ihren vier Kindern erst Informationen über deren Leben zustellen lässt. Wie es in den beiden schon geplanten Staffeln weitergeht, bleibt trotz bereits geschehener Historie spannend. Aber vielleicht tut die Queen der Serie den Gefallen, zum Finale abzutreten.

 (Netflix) *****

(GB, USA 2020), Regie: Benjamin Caron, Paul Whittington, Julian Jarrold u.a., mit Olivia Colman, Tobias Menzies, Helena Bonham Carter, 10 Folgen à ca. 60 Min., FSK: k.A.


11.11.20

Utopia (2020) / Amazon Prime Video


Aachen. Während einer Pandemie suchen vier Fans der legendären Comic-Geschichte „Dystopia" verzweifelt die Fortsetzung „Utopia", denn diese soll alles erklären und zum Gegenmittel führen. Derweil hat der ebenso charismatische wie dämonische Führer eines Lebensmittel-Konzerns eigene Pläne. Nicht nur die Parallelen zur aktuellen Corona-Situation machen diese außergewöhnlich mutig erzählte Geschichte zum Hingucker.

Ein Film nach einem Comic - wie lahm, schon tausendfach gesehen. Ein Leben nach einem Comic - das ist mal wirklich spannend! Im Zentrum von „Utopia" steht die sagenhafte Jessica Hyde (Sasha Lane). Ihr brutal rücksichtloses Verhalten bei der Suche ist verständlich, denn es ist ihr Leben, das in dem begehrten Comic mit seinen apokalyptischen und fantastischen Szenarien abläuft. Die Grausamkeiten unmenschlichen Handelns einer mörderischen Organisation namens „Harvest" (Ernte) verstören hingegen: Ein Killer erledigt jeden „Utopia"-Leser und Kinder einer Sekte werden reihenweise geopfert, „um ihren Lebens-Zweck zu erfüllen".

Der Science Fiction-Thriller „Utopia" basiert auf einer gleichnamigen britischen Kult-Serie aus 2013. Dabei bleibt es nicht nur bei den Rätseln, welche die nerdigen Ian (Dan Byrd), Becky (Ashleigh LaThrop), Samantha (Jessica Rothe), Wilson Wilson (Desmin Borges) und Grant (Javon „Wanna" Walton) in den Seiten von „Utopia" entschlüsseln. Auch eine große Verschwörung wird alle begeistern, die sich gerne von vielen unerwarteten Wendungen überraschen lassen. Unter den Figuren fasziniert vor allem der infantil wirkende Killer Rod (Michael B. Woods), der immer mit einer speziellen Packung Rosinen belohnt wird. Nachdem er auftaucht, wird aus der albernen Party der verkleideten Comic-Fans blutiger Ernst.

Während Sets, Kulissen und Produktions-Design bis auf die Comic-Einblendungen unauffällig bleiben, trumpft „Utopia" mit Wendungen auf, die so überraschend und so intensiv kaum eine andere Serie hinbekommt. Da muss auch schon mal eine Hauptfigur für herausragende Episoden-Spannung dran glauben. (ghj) (Amazon Prime Video) ****

„Utopia" (USA 2020), Regie: Toby Haynes, mit Sasha Lane, John Cusack, Michael B. Woods, Dan Byrd, acht Folgen, FSK: ab 16


10.11.20

The Trial of the Chicago 7


Mit einer eindrucksvollen Besetzung rund um Sacha Baron Cohen („Borat") rollt der sensationelle Gerichts- und Historienfilm „The Trial of the Chicago 7" den skandalösen Gerichtsprozess gegen die sogenannten „Chicago Seven" während der Nixon-Ära auf. Autor und Regisseur Aaron Sorkin („Molly's Game: Alles auf eine Karte") unterhält bestens, sorgt für Spaß und bezieht Position gegen politische Justiz.

Das Porträt des alten US-Präsidenten Lyndon B. Johnson wird gerade abgehängt und gegen das von Nixon ausgetauscht, als der neue Justizminister dem frisch zum Chefankläger berufenen Richard Schultz (Joseph Gordon-Levitt) seinen ersten Auftrag gibt: An Teilnehmern von Protesten gegen den Vietnamkrieg soll mit Hilfe eines zurechtgebogenen Gesetzes ein Exempel statuiert werden. Schuldig der „Anstiftung zu einem Volksaufstand" sind die Anführer eines gewaltlosen Protestes schon vor Beginn des Prozesses. Der unfassbar voreingenommene Richter Julius Hoffman (Frank Langella) wird in einem der berüchtigtsten Prozesse der US-Geschichte dafür sorgen.

1968 war eine bewegte Zeit auch in den USA: Zehntausende Soldaten mussten in den verbrecherischen Krieg gegen die Menschen in Vietnam ziehen. John F. Kennedy und Martin Luther King wurden in den letzten Jahren ermordet. Eine neue Form des Protests lebt mit „Flower Power" und „Make love not War" auf. Derweil zieht der Hardliner Nixon als rechter Exponent einer polarisierten Gesellschaft ins Weiße Haus ein. In dieser aufgeheizten Situation werden Demonstrationen in Chicago zu Unruhen, bei denen schockierend brutale Polizisten und Militärs ein Massaker unter den Bürgern anrichten. Angeklagt werden allerdings die vermeintlichen Anführer der Proteste.

Aaron Sorkin, Autor von engagierten Polit-Filmen und -Serien wie „The Social Network", „Der Krieg des Charlie Wilson", „The Newsroom" und „The West Wing", begeistert in seiner zweiten Regiearbeit mit einem packenden Aufbau: Nach einem kurzen Medley historischer Aufnahmen springt „The Trial of the Chicago 7" direkt zum Prozess. Die verhandelten Ereignisse in Chicago werden in Rückblenden nachgereicht. Und das durchaus witzig: Wenn Hippie-Anführer Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen) – wie alle anderen Gruppen vergeblich - eine Demonstration im Park beantragt, kündigt er lächelnd Rock-Musik, Drogen und öffentlichen Sex an. 

Die „Oscar-Verleihung des Widerstands", wie einer der Angeklagten zum Prozess bemerkt, bietet ein breites Spektrum interessanter Charaktere: Neben den Hippies, die mit Spaß und Liebe die Welt verändern wollen, ist da Tom Hayden (Eddie Redmayne), der junge Politiker der Demokraten. Er will Veränderung durch Instanzen und Parlamente, was dem realen Tom Hayden, zeitweise Ehemann von Jane Fonda, tatsächlich gelang. Hier ist „The Trial of the Chicago 7" im Nachdenken über Wege des nötigen Widerstands weit mehr als die Anklage gegen ein historisches und nach ein paar Jahren aufgehobenes Fehlurteil.

„The Trial of the Chicago 7" brilliert inhaltlich mit kluger Argumentation, mit spritzigen und witzigen Dialogen sowie mit einer exzellenten Besetzung: Der politische Komiker Sacha Baron Cohen verkörpert den komischen Aktivisten Hoffman kongenial. In einer dritten Ebene kommentiert dieser den Prozess als Stand up-Comedy. Ebenso grandios tritt Michael Keaton kurz als ehemaliger Justizminister Ramsey Clark auf, der offenlegt, dass die Unruhen durch die Polizei ausgelöst wurden. Man muss mehr als einmal an die historischen näheren G20-Unruhen von Hamburg oder die G8-Verbrechen von Genua denken.

Dieser in jeder Hinsicht gelungene Film über politische Justiz, über das Recht auf Protest und Widerstand sowie über verschiedene Wege des Engagements packt jeden Moment und lässt in erneut bewegten Zeiten nachdenken. (Netflix) *****

„The Trial of the Chicago 7" (USA, Großbritannien, Indien 2019), Regie: Aaron Sorkin, mit Sacha Baron Cohen, Eddie Redmayne, Mark Rylance, 129 Min. FSK ab 16

9.11.20

Und jetzt: Die Muppets / Disney+


Die Muppets sind wieder da und das ist leider kein Grund, kleine Frosch-Ärmchen jubelnd in die Luft zu schmeißen. Während die die ursprüngliche Muppets-Show das alte Format der Varieté-Theater auf (und hinter) großer Bühne feierte, gibt es jetzt eine „improvisierte Streaming-Show" auf kleinem Schirm. Miss Piggy gibt in ihren Blog-Filmchen „Lifesty" (sic!) als Influencerin jedem eins auf die Nase, der sie nicht als schönstes Schwein der Welt anhimmelt. Als weitere harmlose Parodie auf Medienformate muss der schwedische Koch („smörrebröd röm töm töm") in einem Koch-Duell echte Gäste und Rezepte verdauen. Erstere sind bei uns (bis auf den Taco füllenden Dany Trejo) weitgehend unbekannt, also uninteressant. Kermit verrät in einem weiteren lahmen Gag sein geheimes Hobby als Fotobomber. Dr. Bunsenbrenner und sein Assistent Beaker veranstalten wissenschaftliche Tests im Muppet-Labor. Als erster muss allerdings nicht Beaker leiden, sondern ein digitaler Sprach-Assistent in Form von Amazons Echo.

Eine kleine Auswahl der bekannten Muppet-Figuren und -Spleens soll bei „Und jetzt: Die Muppets" also mit „Witz komm raus"-Zwang die heutige digitale Welt gebeamt werden. Ganz banal sieht das „Show-Format" so aus, dass Scooter kleine Clips auf den Bildschirm schiebt. Darin ist Pepe die Riesengarnele der unkontrollierbare Moderator einer chaotischen Spielshow. Das hat weder Witz noch Charme. Es nervt öfter, als dass es Spaß macht. Ausgerechnet wenn Kermit, der degradierte Showmaster von früher, wieder die Gäste vor seinem wilden Team schützen muss, erinnert das schmerzlich an in jeder Hinsicht bessere Original-Muppets.

5.11.20

Truth Seekers / Amazon Prime Video


Gus (Nick Frost) ist das Genie in Sachen Internet-Anschluss, dass man sich immer bei Problemen erhofft. Dabei beseitigt er nicht nur technische Störungen, immer öfter gilt es auch Geistererscheinungen zu vertreiben. Hinter dem massigen Nerd Gus verbirgt sich ein exzellenter „Ghostbuster". Es befreit einen Weltkriegs-Soldaten, dessen Geist in einer Funkmaschine gefangen ist. Kennt eine Masseuse, die nebenbei Exorzismus betreibt. Entdeckt einen verrückten Professor, der die Seele seines Hundes über Jahrzehnte am Leben erhält. Und da ist ein genialer Wissenschaftler mit einem üblen Plan...

Nick Frost und Simon Pegg, das komischste Briten-Paar der neueren Filmgeschichte („Shaun of the Dead", „Hot Fuzz" und „The World's End"), macht sich in acht knackigen Episoden à 30 Minuten einen Spaß mit dem Horror-Genre. Nach ein paar Schreckmomenten schwebt das Grauen in Form eines nervigen Malcolm McDowell als Gus' Vater den Treppenlifter herunter. „Truth Seekers" wird im Laufe der unterhaltsamen Folgen immer mehr zur netten britischen Komödie mit bekannten, liebenswerten Figuranten.

4.11.20

Kino on Demand unterstützt lokale Kinos

 
Zum erneuten Lockdown unterstützt der Kölner Streaming-Anbieter „Kino on Demand" mit seiner Aktion „Lieblingskino-Paket" die geschlossenen Kinos vor Ort. Für jedes Paket erhält der Nutzer einen Gutschein über fünf Euro für sein Lieblingskino und es gehen direkt fünf weitere Euro als Unterstützung ans Kino.
„Kino on Demand" zeigt aktuelle Arthouse-Filme und Erfolge der vergangenen Jahre für anspruchsvolle Cineasten, aber auch Kinderkino. Aktuelle Highlights sind „Lindenberg! Mach Dein Ding", die Mario Adorf-Biografie „Es hätte schlimmer kommen können" oder die Deneuve-Komödie „La Vérité". 

www.kino-on-demand.de

Hausen / Sky


BRD 2020 Regie: Thomas Stuber, mit Charly Hübner, Alexander Scheer, Tristan Göbel, Lilith Stangenberg, 8 Folgen je 60 Min.

Extremes Grau, alles mit Staub bedeckt wie nach einem atomaren Fallout – so zieht das „Haunted House"-Genre bei „Hausen" in einen verlorenen Plattenbau ein. Die hinzukommende traumatisierte Familie geben im Osten des Landes der neue Hausmeister Jaschek (Charly Hübner) und sein 16-jähriger Sohn Juri (Tristan Göbel). Jaschek ist einer, der anpackt, sich direkt an die seit Wochen defekte Heizungsanlage macht. Schnell geht es in den Heizkeller, der nicht nur bei Stephen King ein klassischer Ort des Bösen ist. Eine dunkle Flüssigkeit läuft aus den Rohren und nähert sich einigen Personen bedrohlich. Auch sonst ist viel unheimlich im Argen im kalten Wohnkomplex: Ein Raum voller Drogenabhängiger wärmt sich am selbstgebauten Ofen. Die Jugendgang und ein religiöser Saubermann versuchen die Kontrolle zu erlangen, zwischen Wänden, die zu atmen scheinen und sich organisch öffnen. Als gemeiner „Cliffhanger" verschwindet am Ende der ersten Folge ein Baby, dessen Schreien fortan über die Lüftungsrohre zu hören ist.

Nach „Dark" haben düstere Serien aus Deutschland sogar international einen guten Namen. Und nach dem riesigen Erfolg der Eigenproduktion „Babylon Berlin" traut sich Sky mehr. Der Achtteiler „Hausen" setzt seine gelungenen Horrorbilder in einem ansprechend abschreckenden Stil effektvoll ein. Schon in der zweiten Folge wird es immer unheimlicher und es sind sogar ein paar grandiose Horror-Bilder dabei. Für die zielstrebige Vorstellung der Bewohner und einiger Abgründe des Hauses lassen sich die Headautoren Anna Stoeva und Till Kleinert jedoch Zeit. Das Fundament der Geschichte in Form von Menschen, die uns angehen, wirkt etwas brüchig. Dabei hat der aus Leipzig stammende Regisseur Thomas Stuber so etwas Einfühlsames wie das Stapellager-Drama „In den Gängen" inszeniert. Aber auch atmosphärisch Starkes wie die Studie des todkranken Boxers „Herbert", verkörpert von Peter Kurth. Der exzellente Schauspieler soll hier keinen „Shining" Jack Nicholson ersetzen - die Hauptrolle gibt das unheimliche Haus nicht so einfach ab. „Hausen" gelungen atmosphärischer Horror - manchmal schön schaurig und fies schleimig, dabei fast immer ohne Schockeffekte.

Seit 29. Oktober täglich ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Atlantic sowie als komplette Staffel auf Sky Ticket und über Sky Q auf Abruf.

3.11.20

Borat: Anschluss Moviefilm / Amazon Prime Movie


USA 2020 (Borat Subsequent Moviefilm) Regie: Jason Woliner, mit Sacha Baron Cohen, Maria Bakalova, Dani Popescu 92 Min. FSK ab 16

Borat ist wieder da! 14 Jahre nach seiner provokanten Erfolgskomödie „Borat – Kulturelle Lernung von Amerika, um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen" zieht der kasachische Reporter Borat (Sacha Baron Cohen) mit Schnauzbart und unmöglichem Anzug erneut in die USA. Der Regierungschef holt ihn extra aus dem Steinbruch des Straflagers, um die nationale Schande seines ersten Films wieder gut zu machen und dem mächtigen Führer Trump ein Geschenk zu bringen.

Die Grund-Idee ist die gleiche, der rückständige Depp aus irgendeinem „Drecksloch", wie Trump einst sagte, lockt das wahre Gesicht rechter, rassistischer und sexistischer US-Amerikaner hervor. Nur gibt es 14 Jahre später das Problem, dass jeder auf der Straße Borat erkennt und sich sogar im Kostüm-Shop seinen Dress und seine Maske findet. Deshalb kommt Borats 15-jährige Tochter Tutar (Maria Bakalova) ins Spiel. Statt eines Schimpansen, den sie auf dem US-Flug in ihrer Transport-Kiste aufgegessen hat, soll nun sie das Geschenk für Trump werden. Allerdings emanzipiert sich Tutar schnell und ihr „Handbuch zur Haltung von Töchtern" fliegt irgendwann in den Dreck. Vorher wollte sie allerdings ihren Tierkäfig gegen den Goldenen Käfig von Melania Trump tauschen.

Auch der neue „Borat" ist heftiger und deftiger Komödien-Stoff. Nun muss man vielleicht in diesen Zeiten betonen, wenn Sascha Baron Cohen Sexismus zeigt, dann nicht, weil ihm das gefällt, sondern weil er auf Sexismus in unseren Gesellschaften hinweisen will. Der Produzent und Schauspieler ist als „Ali G.", „Brüno" und mit seinen persönlichen Stellungnahmen über ziemlich viele Zweifel erhaben. So schaut man zwar öfters mit geöffnetem Mund staunend zu, aber tatsächlich führt Sascha Baron Cohen hier erschreckende Dinge vor, die da draußen existieren.

Der Coup des Films ist die Bloßstellung von Trumps Anwalt Rudy Giuliani, der nach einem Interview mit der vermeintlich 15-jährigen Reporterin Tutar zum „Mikrofon abnehmen" ins Schlafzimmer geht und sich auf dem Bett in die Hose greift. Nachdem dieser Skandal schon vor Monaten öffentlich wurde, erklärte der fiese Schleimer, er hätte sich nur das Hemd in die Hose stopfen wollen. Maria Bakalova, die 24-jährige Darstellerin der Tochter, wird übrigens allgemein für ihr Spiel dieser Rolle bejubelt.

Wirklich erschreckend dagegen zwei Hinterwäldler, bei denen Borat in Corona-Zeiten Unterschlupf findet. Da haut der Kasache mit einer Pfanne den Virus auf den Wänden platt, hüpft nackt durch die Hütte und entlockt den bärtigen Typen reichlich Meinungsäußerungen, die einem den Magen umdrehen. Höhe- oder Tiefpunkt ist hier, wie Borat bei einem Festival die Menschen unter Südstaaten-Fahne mit antisemitischen Liedern begeistert. Wenn der simple Provokateur später in albern klischeehafter „Juden"-Verkleidung in einer Synagoge mit alten Jüdinnen spricht, zeigt sich die ganze, schwer zu fassende Doppelbödigkeit der Borat-Satire: Da freut sich jemand, dass der Holocaust doch stattgefunden hat, weil mit der Holocaust-Lüge der Rechten das ganze Konstrukt des nationalen Antisemitismus' von Kasachstan zusammenbrechen würde. Ganz schön verdreht, doch „Borat 2" unterhält vor allem mit frechem Humor.

Selbstverständlich fragt man sich immer, was wirklich von der Realität abgefilmt ist und was nachträglich inszeniert wurde. Einiges wirkt einfach zu unglaublich. Doch führt die „Mockumentary", die Fake-Dokumentation, üble Erscheinungen vor, die ernstere Medien und ebenso spaßige Satiren auch aufzeigen. Und das nicht nur für den schnellen Lacher. Am Ende heißt es im typischen gebrochenen Borat-Englisch: Geht wählen!

On the Rocks / AppleTV+

USA 2020 Regie: Sofia Coppola 101 Min.

17 Jahre nach „Lost in Translation" dreht Sofia Coppola wieder mit Bill Murray und die stilvolle Vater-Tochter-Geschichte „On the Rocks" lässt als unterhaltsame Spielerei viel Raum für große Murray-Nummern. Erst scheint es, als ob die Autorin und Mutter Laura (Rashida Jones) Probleme mit ihrem Ehemann Dean (Marlon Wayans) hat, der offensichtlich mit seiner Geschäftspartnerin fremdgeht. Gut, dass der exzentrische Papa Felix (Bill Murray) mal wieder – mit Chauffeur – vorbeirauscht. Obwohl er selbst ein extremer, aus der modernen Zeit gefallener Schürzenjäger ist, setzt er sofort alles in Bewegung, um seine Tochter zu schützen. Dazu gehört auch die nächtliche Verfolgung mit einem sehr lauten italienischen Sportwagen. Letztlich zeigt sich, dass der überpräsente Macho-Papa das eigentliche Problem ist.

Die exzellente Regisseurin Sofia Coppola („Marie Antoinette", 2006) legt eine ebenso elegante wie unterhaltsame Familiengeschichte hin. Vorbild für Bill Murrays schillernde Vater-Figur war nicht allein der großartige Francis Ford Coppola („Der Pate") - sagt Sofia selbst.

30.10.20

„The Mandalorian“, Staffel 2


Disney+

Er reitet wieder: Der Mandalorian, gesichtsloser Ritter der Gerechtigkeit aus dem „Star Wars"-Universum, legt auch zum Start der zweiten Staffel eine grandiose Western-Episode hin. Wenn der einsame Kopfgeld-Jäger mit seinem niedlichen Yoda-Baby in die typisch misstrauische Western-Stadt einzieht, fragt man sich, ob da nicht doch John Wayne unter dem geheimnisvollen Helm steckt. Auch das Duell im Saloon wird in dieser erfolgreichen Science Fiction-Serie mit viel Witz variiert, bis mittendrin ein wesentlich größerer Gegner vorbeikommt. Da ist tatsächlich der legendäre Sandwurm aus dem lang erwarteten und wegen Corona verschobenen Epos „Dune"!

Showrunner, Autor und Regisseur Jon Favreau („Iron Man") setzt seine Serie mit einer neuerlich sensationellen Folge fort. Kurze, knackige Episoden, weitere Verbindungen zu den „Star Wars"-Filmen, coole Sprüche, reichlich Zitate von anderen Klassikern („Der weiße Hai") und eine Tricktechnik auf höchstem Niveau sorgen für Gänsehaut und Begeisterung. „The Mandalorian" wird acht Folgen lang jeden Freitag auf Disney+ fortgesetzt.


26.10.20

The Booksellers


USA 2020 Regie: D.W. Young 99 Min.

Der wunderbare Dokumentarfilm „The Booksellers" hat ein großes Problem: Ein Film, der dem Buch eine Hymne singt - das Zielpublik wird also gerade lesen und wird auch dann lesen, wenn es ins Kino gehen sollte. Eine Hymne dem Buch und den Menschen, die Bücher über alles lieben.

Regisseur D.W. Young macht uns mit der Szene der New Yorker Buchsammler und -sammlerinnen bekannt. Die Menschen, die er vorstellt, sind jeder für sich äußerst faszinierend. Mal seltsam, mal skurril, mal verträumt, mal spinnert, aber immer besonders. Einer der vielen Interviewpartner charakterisiert diesen Menschenschlag treffend: Er hätte noch nie einen angeberischen Buchsammler oder -händler kennengelernt. Im Gegensatz zu den Menschen, die teure Gemälde sammeln. Das Verhältnis zum Buch sei ein sehr privates.

Da gibt es die drei – mittlerweile sehr reifen – Schwestern, die das Geschäft vom Vater übernommen haben. Ohne dass dieser sie jemals dazu gedrängt hätte. Während ihr Geschäft floriert, müht sich ein anderer mit großformatigen Folianten ab, schleppt sie immer wieder zu Buchmessen und meist auch wieder zurück. Man ahnt es: Die meisten dieser Sammler möchten ihre Bücher meist selbst behalten. Es sind durchgehend echte Typen, die dieser Leidenschaft fröhnen. Da ist der mit einer der größten privaten Sammlungen der Welt, der nach seinem Tod alle Objekte seiner „Wunderkammer", zu der auch ein lebensgroßer Satellit gehört, wieder dem Kreislauf des Handels zukommen lassen will. Seine mehrere zehntausenden Bücher sind übrigens nur nach Größe sortiert! Eine Sammlerin, die lange Jahre weibliche Autorinnen überhaupt ins Bewusstsein des Antiquarischen brachte, hat jetzt schon Teile ihrer Bibliothek einer Universität überlassen. 

So verschieden die Menschen, so unterschiedlich sind auch ihre Sammelgebiete. Einer spezialisierte sich auf Autographen und Widmungen. Ein anderer will genau das, bei dem die meisten die Nase rümpfen oder irritiert wegschauen. Wir hören von einem legendären Bücher-Scout, der auf allen Wohnungsauflösungen immer schon da war, wenn die anderen kommen. Und, so sehen wir zum Ende hin, es sind nicht nur alte Leute, die mit alten Büchern handeln. So erzählt „The Booksellers" nicht nur anekdotisch, zeigt nicht nur Bilder die selber Lust aufs Stöbern und Blättern machen, diese Dok-Perle ist mit dem größeren Erzählfaden selbst eine Enzyklopädie einer besonderen Leidenschaft.


25.10.20

Hexen hexen (2020)


USA 2020 (The Witches) Regie: Robert Zemeckis, mit Octavia Spencer, Anne Hathaway, Jahzir Bruno, Stanley Tucci 104 Min.

In einer zweiten Verfilmung von Roald Dahls Kinder- und Fantasy-Roman „Hexen hexen" gibt es eine Verlagerung vom kindgerechten Grusel-Spaß zum Effekt-Feuerwerk für Ältere. Eine schrille Anne Hathaway kann als Oberhexe in Robert Zemeckis' Neuauflage ihrer Vorgängerin Anjelica Huston aus der 1990er Verfilmung von Nicolas Roeg nicht das vergiftete Wasser reichen.

Der Waisenjunge muss nicht nur mit dem Verlust der Eltern und dem Umzug zur liebevollen Großmutter fertig werden – er trifft im Dorfladen des ländlichen Alabamas auch noch auf eine Hexe. Die weise Oma und Heilerin flieht sofort in ein Luxushotel, denn „die Hexen schnappen sich nur die armen Kinder", die keiner vermisst und die keine Lobby haben. Doch ausgerecht hier im Seebad treffen sich Hexen gerade für einen großen Kongress. Und der Junge wird in eine sprechende Maus verwandelt...

Wenn Großmutter mit gleich mehreren Mäusen verhindert, dass die Oberhexe mit ihrem Gift aus dem Flacon 86 alle Kinder in Mäuse verwandelt, spielt Anne Hathaway („Les Misérables", „Ocean's 8") das vor allem schrill und überspannt. Der anfängliche Reiz einer ungewöhnlichen Rolle für die populäre Darstellerin verfliegt schnell. Was durchaus funktioniert, ist die Spannung, nachdem der Held in eine Maus verwandelt wurde. Dann nimmt die eigentliche Geschichte Fahrt auf und unterhält ohne weitere besonderen Verdienste.

Zuerst fällt in der Neuverfilmung durch Robert Zemeckis („Forrest Gump") die andere Situierung der Geschichte auf: Erzählt von Chris Rock ist dies eine afro-amerikanische Version des Ronald Dahl-Romans mit einem kleinen Lehrgang in afroamerikanischer Musik. Aus britisch-norwegischen Figuren werden dunkelhäutige US-Amerikaner. Tatsächlich irritierend ist hingegen ein ästhetischer Realismus in der Darstellung, ein Ernst in der Konzentration auf spektakuläre Effekte, die den spielerischen Charme des Originals erstickt. Das Auseinanderklaffen des riesigen Mundes mit den spitzen Zahnreihen bei der Oberhexe ist nicht mehr schauriger Spaß, das ist schon tiefgehender Horror wie von Stephen King. Das passt zu Guillermo del Toro („Shape of Water: Das Flüstern des Wassers"), der am Drehbuch mitschrieb und auch produzierte. Nur dann bitte ein Zemeckis oder ein Del Toro, aber keinen Mischmasch.

23.10.20

Und morgen die ganze Welt


BRD, Frankreich 2020 Regie: Julia von Heinz, mit Mala Emde, Noah Saavedra, Tonio Schneider, Luisa-Céline Gaffron, Andreas Lust 111 Min. FSK ab 12

Hanni & Nanni des Politfilms

Seit der Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig sorgte „Und morgen die ganze Welt" für ein paar Diskussionen. Regisseurin Julia von Heinz („Ich bin dann mal weg", „Hanni & Nanni 2") warf den Medien das Stöckchen „Antifa" vor und die meisten schnappten blind zu. Dabei ist das fleißige Politfilmchen eher eine uninspiriert abgefilmte Ansammlung von aktuellen Neonazi-Verbrechen und Aktivitäten eines jungen, linken Widerstands.

Luisa (Mala Emde) ist junge Jura-Studentin aus gut situiertem Adel mit blutiger Jagd-Tradition. Ihre Rebellion beschränkt sich auf gesteigertes Interesse an neuen Freunden, AktivistInnen, die in einem besetzten Haus wohnen. Dort gibt es diejenigen mit gewaltfreiem Widerstand und guten Aktionen, sowie die anderen, die sich gerne prügeln. Ganz unabhängig von der politischen Richtung. Genauso wie es die Anziehungskraft dieser Gewalt-Menschen gibt. Luisa jedenfalls verfällt ihr in Form beim Kampfsport-Trainer und Alpha-Tier Alfa (Noah Saavedra). Vom „Containern" mit anderen Engagierten dackelt sie hinter Alfa her zu Racheaktionen und Schlägereien mit widerwärtigen Rassisten und Antisemiten. Als die harten Jungs nach einem Sprengstoff-Fund den Schwanz einziehen, muss sich Luisa überlegen, wie weit sie mit ihrem Widerstand gegen die Verfassungsfeinde geht.

Das im Grundgesetz verankerte Recht auf Widerstand wird im Seminar diskutiert. Der Unterschied zwischen Gewalt gegen Sachen und gegen Personen im besetzten Haus. Spekulativ werden Stichworte wie G20 reingeworfen. Die Vegetarierin Luisa gilt zuhause als beste Schützin der Jagdgesellschaft - bald wird sie Neonazis ins Visier nehmen. „Und morgen die ganze Welt" winselt um Anerkennung als politisch aktueller und relevanter Film so wie Luisa vom linken Schläger Alfa gemocht werden will. Ihr mäßig interessanter Konflikt wird klassisch simpel durch zwei Männer – aggressiv und besonnen - verkörpert.

Den Begriff „Antifa" in die Rezeption des Films zu werfen, war überdies dumm kontraproduktiv: Die Protagonisten kämpfen gegen Faschisten. Aber das macht auch die alte Dame, die Hakenkreuz-Schmierereien beseitigt, das machten viele SchriftstellerInnen und das auch die Alliierten, die Deutschland befreiten. Also alles „Antifa".

Angesichts dieses oberflächlich politischen Films muss man hämisch auf das Vorleben von Julia von Heinz mit „Ich bin dann mal weg" und „Hanni & Nanni 2" verweisen. „Und morgen die ganze Welt" mag wie die Protagonistin sehr wohl engagiert sein, aber ästhetisch bleibt es bei purer Bebilderung. Die spannende Frage der Radikalisierung, die bessere RAF-Filme stellen, sollte bis zum halb-offenen Ende packen. Es ist aber wegen schwacher Umsetzung nicht mehr als eine filmische Fehlzündung.