31.3.20

Master of Disaster

BRD, Schweiz 2019 Regie: Jürgen Brügger, Jörg Haaßengier 79 Min.

Die Katastrophen-Dokumentation „Master of Disaster" ist wie geschaffen für die Katastrophe Corona, wird aber leider ausgehebelt von eben dieser. Anschläge auf Personenzüge, Störungen der Stromnetze und andere Katastrophen. Allerdings alles nur ausgedacht und simuliert. Dann ein Blick ins Labor, wo gefährliche Stoffe untersucht werden. Anthrax ist dabei, das Coronavirus noch nicht. Zwei lustige Kerle laufen herum und denken sich Katastrophen-Szenarien aus. Wenn sie nicht wie typische deutsche Rentner aussehen würden, wären sie zehnmal verhaftet worden. Der Film startet gleich mit einer deftig blutigen Notfall-Übung - alles selbstverständlich mit Kunstblut.

Was sagt der Rückversicherer Swiss Re dazu? Wenigstens hier wird über den Tellerrand gedacht, Stichworte wie Flucht und Klimawandel tauchen als Kostenfaktoren auf. Erst ganz am Ende wird die bieder montierte „Master of Disaster" mal interessant, wenn warnende Gedanken gegen schauspielende Opfer einer Übung geschnitten werden.

Der Schweizer und deutsche Dokumentarfilm „Master of Disaster" schaute lange vor der aktuellen Katastrophe auf sehr nerdige Menschen, deren Job eine katastrophal pessimistische Weltsicht ist. Tatsächlich wurden „nahezu wöchentlich in Deutschland kleine wie große Katastrophen durchgespielt", wie der Pressetext informiert, das Film sagt das nicht. Die Spannweite reiche „von der örtlichen Feuerwehrübung bis hin zu großangelegten Szenarien mit hunderten von Teilnehmern".

Vielleicht schadet ihm der Perspektivenwechsel durch die Corona-Pandemie mehr, als dass er ihm nutzt. Denn letztlich erfüllt sich eine hämische Vermutung: Die Herren können so viel Katastrophen planen, wie sie wollen. Sie haben im Falle des Falles keine fertigen Antworten und auch der Film liefert keine.

Der Kinostart des Films war für den 26. März vorbereitet. Wegen der nicht geplanten Katastrophe erlebte er die erste digitale Premiere eines deutschen Films zum Starttermin. „Master of Disaster" ist für 9.99€ abrufbar auf „Kino on Demand". Man kann dabei sein Lieblingskino auswählen, dieses erhält dann einen Anteil und man selbst bei Anmeldung einen Kinogutschein.

30.3.20

Tales from the loop / Amazon ab 3.4.

Tales from the loop / Amazon ab 3.4.

Gemälde, die Rollenspieler inspirierten, als Vorlage für eine Serie. Das ist mal ganz was anderes - so wie auch die fantastisch aufgepimpten Landschafts-Zeichnungen des Schweden Simon Stålenhag besonders sind. Großen, futuristische Maschinen und Roboter stehen herum, doch „Tales from the loop" spielt in der näheren Vergangenheit: Die Serie erzählt von den Menschen, die über dem „Loop" leben – einer mysteriösen Maschine, die Unmögliches möglich macht. Die bekannte Physik ist aufgehoben, Steine schweben, Staub fällt nach oben. Im Kern menschelt es heftig, in der ersten Folge verschwindet eine Mutter, im vierten Teil muss sich ein geliebter Großvater verabschieden. Es gibt parallele Welten, Menschen begegnen sich selbst in einer anderen Zeit. Auch wenn die 55 Minuten langen Kurzgeschichten an fantastische Episoden erinnern, die schon Hitchcock und Spielberg als Serien präsentierten, liegt bei „Loop" der Fokus nicht auf den schnellen Effekt. Es sind nicht die originellsten Pointen, dafür wird sorgfältig und sehr gut erzählt. Das erinnert an „Stranger things" hat aber auch einen grauen Hauch von Roy Andersson („Über die Unendlichkeit"). Rebecca Hall („Vicky Cristina Barcelona") und - bis zur vierten Folge - Jonathan Pryce („Die zwei Päpste") gehören zum guten Cast.

24.3.20

Unorthodox / Netflix (ab 26. März)

Regie: Maria Schrader, mit Shira Haas, Jeff Wilbusch, Amit Rahav

Die bewegende Flucht einer jungen Frau aus restriktiver religiöser Parallelgesellschaft packt in dieser außerordentlich klugen Miniserie. Der Ausbruch der 19-jährigen Esther Shapiro aus Unterdrückung ultraorthodoxer Juden im New Yorker Stadtteil Williamsburg nach Berlin verläuft hoch spannend. Esther kam über traditionelle Heiratsvermittlung mit ihrem Mann zusammen, den sie nur wenige Minuten kennenlernen konnte. Weil sie ihre Pflicht als Gebärmaschine nicht erfüllt, will der von Schwiegermutter kontrollierte Mann die Scheidung. Ester versetzt ihren Schmuck und flieht nach Berlin, wo sie fast märchenhaft in der offenen Gemeinschaft einer Musikschule landet.

Der bekannten Schauspielerin Maria Schrader gelingen als Regisseurin (Vor der Morgenröte) die Szenen des vibrierenden Stadtlebens ebenso wie hoch emotionale, intensive Schauspiel-Momente. Nach Deborah Feldmans gleichnamigem Bestseller wird das Leben der chassidischen Parallelgesellschaft kenntnisreich und detailliert geschildert, ohne platt zu dämonisieren.

Während Rückblenden die Heiratsvermittlung mit Begutachtung der möglichen Schwiegertochter zeigen, erlebt die kleine, unauffällige Frau in Berlin eine intensive Entdeckungs-Reise und das Wiedersehen mit der vor langer Zeit geflohenen Mutter. „Unorthodox" ist innerlich und äußerlich spannend, denn derweil sucht Esthers Mann mit Hilfe eines bedrohlichen Cousins nach ihr. Eine exzellente Miniserie, die Aufmerksamkeit verschlingt, gerade weil sie es sich nicht zu einfach macht.

23.3.20

Freud / Netflix

Freud als „Sherlock" in Wien - Regisseur und Serienverantwortlicher Marvin Kren („Tatort") zeigt nach „4 Blocks" den noch unterschätzten Nervenarzt „Siggi" Freud (Robert Finster) 1886 inmitten krimineller und politischer Machenschaften. Der Begründer der Psychoanalyse erinnert im Wien der Jahrhundertwende nicht nur wegen seiner Kokain-Abhängigkeit an „Sherlock", die BBC-Serie. Auch der düstere Look und die grausamen Taten machen aus der achtteiligen Serie ein „Jack the Ripper" in Wien. So ist „Freud" mit seiner Mischung aus historischem Sozialbild, fantastischer Biografie und Unheimlichen eher ein Ableger von „Berlin Babylon" als von „4 Blocks". Freud verkehrt in Salons mit anderen Außenseitern wie dem Schriftsteller Arthur Schnitzler, ist umgeben von Menschen mit unterdrücktem Unbewußten. Der „jüdische Scharlatan" entdeckt zufällig Dank eines schönen Mediums seine Fähigkeiten und landet mitten in einer grausamen Verbrechens-Serie. Wie seine Zeit steckt auch die Serie „Freud" zwischen erzählter Moderne und erzählerischer Tradition. (ghj)

22.3.20

Star Trek: Picard - Die letzte Episode / Amazon Prime Video

Seit einigen Wochen begeistert Kommandant Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) wieder mit seiner Mission Humanismus im Weltall zu verteidigen. Eine hilfsbedürftige junge Frau kommt zu ihm und bald steckt der legendäre Enterprise-Kapitän mitten in einer galaktischen Verschwörung gegen artifizielle Lebewesen. Mit der kniffligen Frage, ob dieses freundliche Roboter-Gesicht wirklich den Anfang der Apokalypse bedeutet.

Die neueste „Star Trek"-Serie wurde von Fans und anderen begeistert aufgenommen. Es gibt Wiedersehen mit den Romulanern, den Borg, 7 of 9 und Commander Riker. Am Freitag folgt der Abschluss der ersten Staffel. (Die zweite ist abgedreht, Sendetermine stehen noch nicht fest.) Der spannende Science Fiction wirkt sehr gegenwärtig mit mörderischen Religionen, Vorurteilen, Rassismus und Völkermord. Denn während es „Star Wars" immer darum ging, dass Böse zu vernichten, strebten alle Humanisten auf der Brücke der Enterprise danach, die Menschheit zu verbessern. Auch wenn hier wieder ein Kapitän lieber existenzialistische Philosophie liest - dies sind zehn Folgen, die beim Binge Watching mit Lichtgeschwindigkeit vergehen.

20.3.20

Spenser Confidential / Netflix

Mark Wahlberg mit der Action-Lässigkeit eines Bruce Willis? Moment, dafür muss der junge Mann wohl noch mal in die Detective-Schule des Lebens. Wahlbergs ehemaliger Polizist Spencer, der wieder in Boston korrupte Kollegen jagt, ist besser geschrieben und vom Routinier Peter Berg („Mile 22", „Boston") inszeniert als gespielt. Frisch aus der Haft entlassen, weil er den Polizei-Chef zusammenschlug, ermittelt Spenser auf eigene Faust und prügelt sich dazwischen regelmäßig. Nebenbei macht er eine Ausbildung zum LKW-Fahrer und jobbt als Box-Lehrer. Wahlberg spielt also mal einen, der etwas klüger sein sollte, als die anderen Prügelknaben rund um ihn herum. Doch das geht ihm nicht besonders lässig von der Hand. Besser gefallen da die Nebenfiguren, vor allem Alan Arkin glänzt als väterlicher Freund. Action-Routine knapp über dem Mittelmaß.

I Am Not Okay With This / Netflix

Pickel an komischen Stellen sind normal für Teenager und Teenager-Filme. Doch „I Am Not Okay With This" ist ein toller Außenseiter des Genres mit einer tollen Außenseiterin als Superheldin: Die 15-jährige Sydney Novak (klasse: Sophia Lillis) bemerkt seltsame Veränderungen. Als der grinsende Football-Idiot der Schule gegenüber sie nervt, fängt seine Nase an zu bluten, als der tropfende Wasserhahn sie wütend macht, tropft er plötzlich nicht mehr. Und ganz wütend rodet sie mit ihren übernatürlichen Kräften unbeabsichtigt ein kleines Wäldchen. Ein ziemliches Problem für die stille Sydney, deren Leben nach dem Selbstmord des Vaters schon schwer genug ist.

Die exzellent inszenierte Serie mit kurzen Episoden nach Charles Forsmans Graphic Novel macht Spaß und berührt mit unkonventionellen Figuren.

19.3.20

Systemsprenger / DVD, BR, div. Streams

Die neunjährige Benni (Helena Zengel) ist ein „Systemsprenger". Sie fliegt nach kurzer Zeit aus allen Pflegeeinrichtungen, ist aggressiv, hyperaktiv und gewalttätig. Auf den ersten Blick wirkt das blonde und eher zierliche Mädchen in ihrer rosa Jacke nett. Doch immer wieder, vor allem, wenn sie jemand ins Gesicht fasst, verwandelt sie sich zu einer Furie mit Schreien und Tobsuchtsanfällen. Nora Fingscheidt lässt die Zuschauer hochdramatisch um Benni und ihre Opfer bangen. Die junge Regisseurin schrieb nach langer Recherche über einen Zeitraum von vier Jahren das Drehbuch zu ihrem Kino-Erstling. Das bemerkenswerte Spielfilmdebüt gibt es als Stream oder als DVD/BluRay mit viel Bonusmaterial.

Hunters / Amazon Prime

Zu einiger Berühmtheit gelangte die Serie „Hunters" von Amazon Prime, weil Polizisten sie im Dienst vor einer Synagoge schauten. Die Geschichte von Holocaust-Überlebenden rund um einen Anführer (Al Pacino), die 1977 im Stile von Tarantinos „Inglourious Basterds" alte Nazi jagen, rückt mit Action und Spannung Geschichte zurecht. Erinnerungen an die Grauen des Holocaust vermischen sich mit Rächern, die nach modernen Korrektheiten quer durch Geschlechter, Hautfarben und Religionen zusammengesetzt sind. Die von David Weil geschaffene, zehnteilige Serie „Hunters" hat bei allem Comic-Spaß an unkorrekter Rache vielleicht den Strickfehler, dass auch die Faschisten „cool" überzeichnet wurden.

18.3.20

Hayao Miyazaki bei Netflix

In allen Listen mit Streaming-Tips für Kinder sind die Zeichentrickfilme des japanischen Großmeisters Hayao Miyazaki („Heidi"!) am häufigsten zu finden. Netflix bringt in mehreren Chargen eine Reihe von Filmen des Ghibli-Studios für jedes Alter ins Programm. Auch die Kleinsten wird „Mein Nachbar Totoro" mit den niedlichen fantastischen Wesen begeistern, ebenso „Kikis kleiner Lieferservice" um die Emanzipation einer kleinen Hexe. Die großen Erfolge „Prinzessin Mononoke" (1997) und „Chihiros Reise ins Zauberland" (2001, Oscar, Goldener Bär) mit ihren ernsten ökologischen Aspekten sind ebenso erneut zu genießen wie das frühe Anti-Atomkraft-Meisterwerk „Nausicaä aus dem Tal der Winde" (1984) oder die erwachsene Verrücktheit „Porco Rosso" (1992). Leider ist der schönste Film für Vorschulkinder - „Ponyo - Das große Abenteuer am Meer" (2008) - in den Wirren der Streaming-Rechte nicht in Deutschland erhältlich.

The Mandalorian

„The Mandalorian" ködert auf Pro7

Disney+ startet mit sensationellem „Star Wars"-Ableger - erste Folge auf ProSieben

Ein einsamer Kopfgeld-Jäger und ein niedliches Baby. Da denken die Älteren an John Fords „Spuren im Sand" (3 Godfathers, 1948) mit John Wayne als Babysitter im Wilden Westen. Die Jüngeren können es hingegen nicht erwarten, im „Star Wars"-Ableger „The Mandalorian" das bereits kultige „Baby Yoda" zu sehen. Zusammen mit dem neuen Streaming-Dienst Disney+ startet die sensationell gute Mini-Serie von Schöpfer und Showrunner Jon Favreau („Iron Man" am 23. März.

In der Saga angesiedelt nach dem Fall des Empires, zitieren die kurzen Folgen genüsslich Genres und Klassiker wie „Die sieben Samurai". Der deutsche Regisseur Werner Herzog hat einige großartige schauspielerische Auftritte als gnadenloser Auftraggeber. Als Köder wird ProSieben die erste Folge am Sonntag (20.15 Uhr) im Rahmen einer Star Wars-Nacht zeigen. Für die sieben weiteren Episoden muss man Disney+ abonnieren.

15.3.20

Waves

USA 2019 Regie: Trey Edward Shults, mit Sterling K. Brown, Taylor Russel, Kelvin Harrison Jr., Alexa Demie 137 Min. FSK ab 12

Die Geschichte des jungen Highschool-Studenten Tyler Williams (Kelvin Harrison Jr.) zuerst zu erzählen, hieße der unglaublich eindrucksvollen Machart nicht gerecht zu werden. „Waves" ist anfangs ein Bildrausch mit taumelnder, rotierender und fließender Kamerabewegung. Mittendrin das Leben eines erfolgreichen jungen Sportlers aus guter Familie, mit dicken Muskeln und noch dickerem SUV. Das Glück mit der netten Freundin hebt ab, nur der strenge Vater sorgt für Konfrontationen. Dann wird die Schulterverletzung ernster, die Freundin schwanger. Unter immer mehr Drogen, Schmerzmittel und Aufputschmitteln rastet Tyler aus, wird zum ekelhaften Macho und schließlich Mörder.

Die atemberaubende und begeisternde Bildgestaltung, der starke Soundtrack von Atticus Ross & Trent Reznor, das alles reißt einen in den schwer erträglichen Abwärtsstrudel dieses jungen Manns mit. Bis zur Mitte der Films, an dem die bisherige Randfigur von Tylers Schwester Emily (Taylor Russell) die Hauptrolle übernimmt. Eine andere Liebesgeschichte spiegelt die vorherige Entwicklung auch stilistisch in eine positive Richtung.

Dass Trey Edward Shults Filme machen kann, weiß man seit „Krisha" und vor allem seit „It Comes at Night". Er zeigt es in „Waves" auf grandiose Weise. Die auffälligsten Mittel sind eine Beschränkung des Bildrahmens, wenn das Leben sich um die Figuren zuschnürt. Die wechselnde Farbpalette und die langsam eher feststeckende Kamera arbeiten alle an einer gewaltigen Gefühls-Achterbahn für das Publikum.

Das ist gewaltig und stark, nicht im Sinne von unangenehm brutal, wie Tyler nur ausnahmsweise nach der Trennung sein Zimmer zertrümmert. Sondern mit allen Mitteln subtil, aber unausweichlich. Zudem die ganz, ganz starke Schauspielleistung: Kelvin Harrison Jr. zeigt einen Typen, mit dem man Spaß hat, den man bestaunt, den man verabscheut, und mit dem man leidet. Taylor Russell ist mit der Empfindsamkeit, die sie ihrer Emily gibt, eine tolle Entdeckung. So ist es nicht nur Trey Edward Shults, den man für weitere eindrucksvolle Film-Ereignisse im Auge behalten muss.

Der Fall Richard Jewell

USA 2019 (Richard Jewell) Regie: Clint Eastwood, mit Paul Walter Hauser, Sam Rockwell, Kathy Bates, Jon Hamm, Olivia Wilde 129 Min. FSK ab 12

„Richard Jewell" ist der neue Film von dem Mann, der schon mal öffentlich mit Stühlen redet und Waffenbesitz ganz klasse findet. Doch Clint Eastwood ist als exzellenter Regisseur schwer zu packen und gerade die ambivalente Geschichte des fälschlich verdächtigten Wachmanns Richard Jewell lehrt, genauer hinzuschauen.

Richard Jewell (Paul Walter Hauser) ist ein simpler aber irgendwie auch gefährlicher Typ: Als Möchtegern-Polizist auf einem Uni-Campus schikaniert er saufende Studenten und kontrolliert sogar den Verkehr außerhalb des Geländes. Der dicke, von allen belächelte Richard weiß immer, was die Leute brauchen, manchmal noch bevor sie es selber wissen. Noch bevor etwas Großes passiert, ist es schon eine große Freude, diese genauen Menschen-Studien zu sehen.

Während sich die USA 1996 in einer nationalistischen Olympia-Begeisterung befindet, kommt Richard Jewells großer Moment. Bei einem lokalen Volksfest am Rande der Spiele in Atlanta entdeckt der Ordnungshüter eine Bombe und rettet damit viele Menschenleben. Richard ist ein Held - bis das völlig ahnungslose FBI ihn zum Hauptverdächtigen macht.

Kathy Scruggs (Olivia Wilde), eine Journalistin von der übelsten Art, startet mit dieser Information, für die sie mit dem FBI-Agenten Tom Shaw (Jon Hamm) Sex hatte, eine mediale Hexenjagd. Doch zum Glück traf Richard in einem Job als Bürobote den eigenwilligen Anwalt Watson Bryant (Sam Rockwell), der nun die Verteidigung des Unschuldigen übernimmt.

Tatsächlich wissen wir - Spoiler! - bei dieser wahren Geschichte von Richard Jewell, dass dieser zwar ein seltsamer Spinner und Waffennarr, aber kein Bombenleger war. Mehr als um den typischen unschuldig Verdächtigen geht es um eine zwiespältige Figur. Watson warnt den einfältigen Typen früh: „Werde kein Arschloch, wenn du eine Uniform hast!" Und tatsächlich wird der Möchtegern-Polizist sehr unsympathisch, sobald er etwas Macht hat. Im Drama um seine Verteidigung verhält er sich extrem dämlich, und ganz sicher möchte man mit so einem kleinen, obrigkeitshörigen Mitläufer nichts zu tun haben.

Jewell ist der typische durchgeknallte Durchschnittsamerikaner mit einer Waffensammlung unter dem Bett und einer ziemlich simplen sowie rechten Haltung. Also der ideale Verdächtige für einen extremistischen Anschlag. Wie wahrscheinlich ein Großteil der Trump-Wähler. Doch abseits von allen Etiketten simpler Charakterisierung geht es Eastwood nur darum, ob die Leute das Richtige tun oder nicht.

Das gilt für den typisch heruntergekommenen Anwalt ohne Aufträge. Für den gutaussehenden aber in seiner Unfähigkeit gefährlichen FBI-Agenten. Und vor allem für die gnadenlose Journalistin, die immer einen Knopf am Hemd zuviel geöffnet hat. Die Wende bei Kathy Scruggs ist einer der wenigen Schwachpunkte des durchgehend gelungenen Films. Und Eastwood legt noch eine Schippe drauf, um sie im Gespräch mit ihrem Chef-Redakteur richtig zu dämonisieren. Ist das die typische „Lügenpresse"-Idiotie rechter Clowns?

Eastwood inszeniert mit einer meisterlichen Leichtigkeit, die auch verschmitzten Humor zeigt, wenn zum Beispiel die Wege des Verdächtigen getimet werden und Sprinter Michael Johnson parallel seinen Gold-Lauf ablegt. Watsons osteuropäische Assistentin Nadja hat deftige Sprüche drauf: „Da wo ich herkomme, wenn die Regierung einen für schuldig hält, ist der unschuldig!" „Richard Jewell" ist mit Könnern wie Kathy Bates in allen Rollen sehr, sehr gut besetzt und gespielt. Bis zur wieder leisen und treffenden Klavierbegleitung (Musik: Arturo Sandoval) macht der rechte Waffennarr und Stuhl-Plauderer Eastwood mal wieder alles richtig.

Über die Unendlichkeit

Schweden, BRD, Norwegen 2019 (About Endlessness) Regie: Roy Andersson, mit Jane-Eje Ferling, Martin Serner, Bengt Bergius 78 Min.

Der erste Satz im neuen (Roy) Andersson lautet „Es ist schon September". Nein, September ist es noch lange nicht. Wir müssen noch Monate warten, bis wir den Silbernen Löwen der Filmfestspielen von Venedig im Kino sehen können. Sein Kinostart ist wegen des Corona-Virus verschoben worden.

Der Schwede Roy Andersson setzt in „Über die Unendlichkeit" seinen unvergleichlich blassen Stil aus seiner Trilogie über das Leben ( „Songs from the Second Floor", „Das jüngste Gewitter" und „Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach") fort: Viele Geschichten, reduziert auf kleine Momente mit bleich geschminkten Gestalten und Kulissen.

Ein Mann, dessen Arbeit darin besteht, über Gott zu reden, der als Priester seinen Lebensunterhalt verdient, träumt davon, gekreuzigt zu werden. Ein Mann, der auf eine Mine getreten ist und dessen Beine amputiert sind, spielt in der Untergrundbahn auf einer Balalaika „Oh, sole mio". Ein Liebespaar wie von Chagall schwebt über der völlig zerbombten Stadt Köln. Die Einstellungen in „Über die Unendlichkeit" ergeben eher selten einen einfachen Zusammenhang, durchgehend sehen wir den wankenden Priester: „Oh Vater, warum hast du mich verlassen?"

Diesmal gibt es bei Andersson ebenso wenige Dialoge, aber einen poetischen Off-Text, immer beginnend mit „Ich sah einen Mann" oder „Ich sah eine Frau". Es folgen Beobachtungen über den Geist der Zeit, über die Menschen unserer Zeit. Die Szenen, wie immer mit bewegungsloser Kamera aufgenommen, sind absurd und traurig, oder einfach nur traurig. Wenn es mal einen netten Moment gibt, wie die liebevoll erwartete Ankunft des Vaters an einem Bahnhof, folgt danach aus dem Zug direkt eine Frau, auf die niemand wartet. Dann der weinende Vater, der seine gerade erstochene Tochter nach einem so genannten Ehrenmord noch in den Armen hält. Symptomatisch ist eine Diskussion im vollen Bus, ob man in der Öffentlichkeit traurig sein darf.

Hitler im Führerbunker, eine Zahnarzt-Behandlung mit Problemen. „Über die Unendlichkeit" ist eine geballte Dosis Traurigkeit, kunstvoll wie beige Senioren-Kleidung in einem vergessenen Kurort präsentiert. Insgesamt ist es sehr verständlich, dass dieser Film in Corona-Zeiten nicht gezeigt wird. Ob aber der melancholische Herbst ein besserer Zeitpunkt ist?

8.3.20

Die perfekte Kandidatin

Saudi-Arabien, BRD 2019 (The Perfect Candidate) Regie: Haifaa Al-Mansour, mit Mila Al Zahrani, Dhay, Khalid Abdulrhim, Shafi Al Harthy 101 Min. FSK ab 0

Nach „Das Mädchen Wadjda", dem Meisterwerk und ersten Film aus Saudi-Arabien, erzählt Regisseurin Haifaa al Mansour („Mary Shelley", „The Society") nun differenziert vom Emanzipations-Versuch einer privilegierten Ärztin. „Die perfekte Kandidatin" gewährt Einsichten in eine komplizierte Gesellschaft, hat aber nicht die künstlerische und emotionale Kraft des Vorgängers.

Nach wenigen Minuten hat „Die perfekte Kandidatin" alles klar situiert: Die miserablen Arbeitsbedingungen der Ärztin Maryam (Mila Al Zahrani), die Diskriminierung durch Patienten und selbst Kollegen. Dann noch die Situation in einem liberalen Haushalt, mit der älteren Schwester, die von Hochzeits-Unterhaltung lebt, und dem Vater, der als Musiker tourt. Die selbstbewusste Maryam darf immerhin mit ihrem neuen, teuren Auto alleine durch die Gegend fahren. Bis auch das im tiefen Schlamm vor ihrem Krankenhaus stecken bleibt. Genau wie die Krankenwagen und Rollstühle. Als sie auf dem Weg zu einem Kongress von Ausreisebeschränkungen gehindert wird, meldet sie sich eher zufällig als Kandidatin für den Gemeinderat an. Die durchsetzungsfähige Frau braucht eigentlich dringend die Genehmigung für eine Auslandsreise, aber der herablassende Sekretär eines befreundeten Beamten lässt sie nur als Bewerberin für die Wahl vor. Nun folgt mit Hilfe der beiden erst widerstrebenden Schwestern eine Wahlkampf-Kampagne vor allem gegen den Sexismus der saudischen Machos.

„Die perfekte Kandidatin" hält sich als klassischer Kampf- und Emanzipationsfilm angenehm zurück. Die Situation von Maryam und ihren Schwestern zeigt sich differenziert mit gewissen Freiheiten und auch brüskierenden Diskriminierungen. Die Ärztin erfährt meist freundliche Absagen durch freundliche Männer - sobald sie hinter ihrem Hijab erkannt wurde. Auch der Vater, dem in dieser Männer-Gesellschaft viele Aufgaben für die Töchter obliegen, meint es gut. Aber er ist zu sehr mit Trauer um die verstorbene Frau und seiner eigenen, späten Karriere als Musiker beschäftigt. Erst als Maryam etwas mehr fordert, erlebt sie die Konfrontation von rückständigen Machos und einem frauenfeindlichen System.

Im Vergleich zu „Das Mädchen Wadjda", die unbedingt Fahrrad fahren wollte, fehlt in „Die perfekte Kandidatin" eine metaphorische und poetische Ebene. Hier ist alles sehr deutlich, erschreckend deutlich. Dafür erzählen Details viel über das Leben einer Frau in Saudi-Arabien: Wann Verschleierung nötig ist und wann ganz hektisch die Schleier übergelegt werden müssen, weil der Bräutigam ins Hochzeits-Zelt kommt. Auch dass die Konzerte des klassischen arabischen Oud-Orchesters vom Ministerium gefördert und von religiösen Extremisten bedroht werden, differenziert das Bild des schon extremistischen Wahhabisten-Staates. Selbst propagiert der Film die Politik der kleinen Schritte anstelle großer Revolutionen. „Die perfekte Kandidatin" ist thematisch wichtig, politisch interessant, aber als Film leider eher mäßig als perfekt.

Zu weit weg

BRD 2019 Regie: Sarah Winkenstette, mit Yoran Leicher, Sobhi Awad, Anna König, Andreas Nickl, 91 Min. FSK ab 0

Nicht nur die Begeisterung für das Fußballspiel verbindet Ben und Tariq. Beide haben auch ihre Heimat verloren. Der eine wegen der Braunkohlebagger von RWE, die sein Dorf aufgefressen haben, der andere wegen der russischen und syrischen Bomben, die seine Stadt zerstört haben. Der Vergleich ist gewagt, funktioniert aber bestens in diesem gängigen Familienfilm, Coming-of-Age-Drama und dezent politischem Kinderfilm.

Zwar verspricht die „große Stadt" Düren dem zwölfjährigen Mittelstürmer Ben (Yoran Leicher) einen besseren Verein, doch der Wegzug der Familie aus einem der Kohle-Gier geopfertem Dorf, die neue Klasse und die Versetzung auf die Ersatzbank machen dem Jungen das Leben schwer. Die Situation bessert sich erst, als sich Ben des gleichaltrigen syrischen Flüchtlings Tariq (Sobhi Awad) annimmt und langsam dessen schweres Schicksal, samt Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer, versteht.

„Zu weit weg" - in Düren und am Rande der Braunkohle-Verwüstungen gedreht - legt sich ganz schön viele Themen auf die Schaufel. Das Wegbaggern ganzer Dörfer und Dorfgemeinschaften durch ewig gestrige Konzerne wird eindrucksvoll ins Bild gebraucht und emotional mitfühlbar. Wenn Tariq beim fast therapeutischen Lego-Spielen wie beim Kriegsspiel eine ganze Stadt heftig zertrümmert, ist das eine erschütternde geniale Idee, die furchtbaren Erfahrungen des Kindes vorsichtig anklingen zu lassen. Dass der Vergleich von weggebaggerten Dörfern und zerbombten Städten mit Tausenden von Toten etwas schief ist, bemerkt der Film selbst und relativiert Bens große Probleme. Der kleine kluge Tariq stellt fest „Der Bagger macht alles kaputt, wie bei uns die Bomben. Nee, nicht wie bei euch: Ihr bekommt jeder ein neues Haus, hier ist ja kein Krieg. Trotzdem traurig - keine Heimat mehr."

Das exzellente Buch von Susanne Finken fängt das junge Publikum mit Fußball-Begeisterung, hat aber nicht nur ein Mädchen in der „Mann"-Schaft, auch in der Handlung spielen Bens ältere Schwester und die Mädchen seiner Klasse gute Rollen. Der kleine Held Ben ist einer mit Ecken und Kanten. Der, der sich bisher nur für seinen Fußball interessierte, lernt nach einer harten Zeit im neuen Club, seinen Egoismus zu überwinden. Ben ist einer, der aus Traurigkeit auch dämliche Sachen macht. Doch auch lernfähig und kann seinen Ärger loslassen - ein seltenes Vorbild im Kino. Nebenbei wird er vom begeisterten Bagger-Fan zum Braunkohle-Gegner. Der Film überwindet symbolisch den Egoismus unserer Gesellschaft, da gezeigt wird, wie gut ein unbegleiteter syrischer Flüchtling Aufnahme findet. Der Mut zu einer großen Geschichte wird mit einem tollen Film belohnt.

6.3.20

Lady Business

USA 2020 (Like a boss) Regie: Miguel Arteta, mit Tiffany Haddish, Rose Byrne, Salma Hayek 84 Min. FSK ab 12

Mia und Mel (Tiffany Haddish und Rose Byrne) sind beste Freundinnen, aber eigentlich Teenager mit falschem Körper und Klamotten. Beim Baby Shower lästern sie nicht nur joint-rauchend über ihre anderen Freundinnen, auch das Baby lassen sie mal ziehen. Die anderen haben eigene Häuser, Familien, Kinder - die beiden wohnen im geerbten Haus zusammen und haben Spaß. Dementsprechend sorglos sehen die Finanzen ihrer eigenen kleinen Kosmetikfirma aus, als das lukrative Übernahmeangebot vom Kosmetik-Konzern Claire Lunas (Salma Hayek) hereinplatzt.

In der bewusst ordinär und sexuell explizit scherzenden Komödie „Lady Business" geht es zuerst ein wenig unkorrekt her - auch die Ekelmomente dürfen nicht fehlen - und dann sehr, sehr übersichtlich. Schmerzlich vorhersehbar ist, dass die finanziell herausgeforderten Mia und Mel beim gefährlichen Angebot ihre Freundschaft verteidigen müssen. Jung, verrückt und dämlich wie aus Highschool-Filmen machen Mia und Mel noch etwas Spaß. Doch die Charaktere bleiben erschreckend flach, auf das ungehobelte Wildsein scheint die meiste Mühe verwandt worden sein.

Selma Hayek hat als leicht irre Konzern-Chefin hat ein paar gute Szenen völlig gnadenloser Bösartigkeit. Absurde Momente wie die kurze Feier- und Tanzeinlage zur Vertragsunterzeichnung hätten den Film retten können. Doch zu peinlich ist, wie lange die zu erwartende Entwicklung braucht. Letztlich wirkt der ganze Hintergrund um die Firmen-Übernahme wie im Kindergarten ausgedacht. Es ein Geschichtchen zu nennen, wäre stark übertrieben. Dass der Film dabei dann ganz ernst die Freundschaft als wahre Schönheit verkaufen will, ist ein schlechter Witz.

Der Spion von nebenan

USA 2019 (My Spy) Regie: Peter Segal, mit Dave Bautista, Kristen Schaal, Parisa Fitz-Henley 101 Min. FSK ab 12

Billige Dünnbrettbohrer-Schränke landen irgendwann auf den Müll. Vielleicht gibt es noch eine Zwischenverwertung im Kino-Keller oder Kinderzimmer. So ist es auch mit hohlen Action-Schauspielern: Bevor sie wegen Veralterung den Vergessen anheimfallen, versuchen sie immer wieder, noch in der Kinderabteilung des Kinos zu landen. Wie einst Ex-Bodybuilder Schwarzenegger („Kindergarten Cop") und leider immer noch Ex-Wrestler „The Rock" schlägt sich dessen Ex-Kollege Dave Bautista nun im Kinderzimmer rum.

CIA-Agent JJ (Dave Bautista) soll zusammen mit der verschrobenen Bobbi (Kristen Schaal) in Chicago die Wohnung einer jungen Witwe (Parisa Fitz-Henley) und ihrer neunjährigen Tochter Sophie (Chloe Coleman) überwachen. Die Geheimdienstler stellen sich dabei so dämlich an, dass Sophie schon nach ein paar Stunden die Überwachungskameras entdeckt und ihnen beim Spionieren über die Schulter schaut. Für das Stillschweigen muss JJ nun den Babysitter des einsamen und gemobbten Mädchens machen. Der Kleiderschrank macht sich beim Schlittschuhlaufen lächerlich und erschreckt bei einer Schulstunde Kinder und Eltern mit seinen Geschichten von ermordeten Terroristen.

Nicht nur die gewitzte Figur des Mädchens raubt der Hauptfigur die Aufmerksamkeit, auch die Schauspielerin Chloe Coleman spielt den groben Klotz Bautista („Guardians of the Galaxy") locker an die Wand. Und Sophie arrangiert auch noch ein romantisches Zusammentreffen von JJ und ihrer Mutter. Während man längst weiß, dass der grimmige Agent nach etwas Rumzicken fürsorglicher Freund des französischen Mädchens wird, baut sich die Action- und Buddy-Komödie für Kinder noch mühsam auf. Ob die härteren Sequenzen am Anfang und Ende zu Niedlichkeit des Rests für ein junges Publikum passen, bleibt fraglich.

3.3.20

Für Sama

GB, Syrien 2019 (For Sama) Regie: Waad al-Kateab, Edward Watts, 100 Min.

Der bewegendste Film seit langem und sicher für lange Zeit ist kein Produkt der Traumfabrik Hollywood, sondern eines der Albtraum-Fabrik namens Realität: Die oscar-nominierte Dokumentation „Für Sama" zeigt als poetischer Videobrief einer Filmemacherin an ihre kleine Tochter Sama die erschütternden Zustände im weltweit hingenommenen Syrien-Krieg.

Sterbende und schwer verletzte Kinder, kleine Jungs, die ihren toten Bruder in das letzte funktionierende Krankenhaus Aleppos bringen. Das ist - obwohl nie sensationsheischend aufgenommen - schwer zu ertragen. Doch wie viel schwerer muss es für die junge Mutter hinter der Kamera sein, die immer wieder ihre kleine Tochter Sama in diesen Situationen sieht?

Die Reporterin Waad al-Kateab erzählt in „Für Sama" von den begeisterten Anfängen der Revolution gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad im Studentenviertel von Aleppo. Von den ersten Massenmorden an den Protestlern und dann von jahrelangem, brutalem Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Während Waad ihre bald international verbreiteten Berichte aufnimmt, lernt sie den Arzt Hamza kennen. Er errichtet in den Trümmern der Stadt zweimal ein neues Krankenhaus. Doch diese Rettung für Tausende Menschen wird von den syrischen und russischen Raketen bewusst als Ziel gesucht.

So erleben wir diesen furchtbaren, von der internationalen Politik weitgehend hingenommenen Krieg aus der Innenperspektive, aus dem Inneren eines Krankenhauses. Rührend ist nicht nur der Kampf um jedes Leben, auch die unzerstörbare Hoffnung der Helfer lässt staunen. Selbst im Keller, nach wieder einem Bombenalarm, wird noch gelacht.

Das Wunderbare an diesem Film, den man nie vergessen wird, ist bei allen schockierenden Momenten, die kunstvolle, aber eigentlich zutiefst menschliche Form der Ansprache an die eigene Tochter. Das Material, das Waad, Hamza und ihre Freunde bei der - auch noch sehr spannenden - Evakuierung retteten, wurde in England auf eine exzellente Weise montiert, die gleichzeitig gute Seiten des Lebens und seine Schrecken zeigt. Bei Bildern, die auch ohne voyeuristisch zu sein, viel Grausames zeigen müssen, gibt es immer die kleine lachende Sama und die Geschichte einer Liebe in Zeiten des Krieges.

„Für Sama", diese quasi Live-Übertragung eines andauernden Abschlachtens in Syrien, sollte Pflichtprogramm sein für all jene Idioten, die sich über Flüchtlinge beschweren. Es ist ein Aufschrei auch gegen alle deutschen Waffenproduzenten, alle Soldaten, die an solchen Verbrechen beteiligt sind, alle Politiker, die mit diesen Massenmördern Geschäfte machen.