29.6.21

Catweazle

BRD 2021 Regie: Sven Unterwaldt, mit Otto Waalkes (Catweazle) · Julius Weckauf (Benny Lenz) · Katja Riemann, 96 Min. FSK ab 0

Otto Waalkes übernimmt mit seinem bewährten Filmteam die späte Kino-Adaption der 1970er Jahre-Serie „Catweazle" mit Geoffrey Bayldon in der Titelrolle. Vom Original bleibt wenig übrig, trotz Schlabberkostüm ist das die übliche Nummern-Revue aus dem Otto-Katalog. Aus dem Jahr 1022 in die Gegenwart verzaubert, erschrecken moderne Erscheinungen den erbärmlichen Zauberer Catweazle (Otto) und nur die Freundschaft zum zwölfjährigen Benny (Julius Weckauf) gibt etwas Orientierung. Mit viel TV-Prominenz ist das einfältige Filmchen auf unterem Niveau eher ärgerlich als spaßig.

Godzilla vs. Kong


USA 2021 Regie: Adam Wingard, mit Alexander Skarsgård, Millie Bobby Brown, Rebecca Hall 113 Min. FSK ab 12

„Godzilla vs King Kong" ist ein Exemplar des hirnlosen Unterhaltungs-Gigantismus, den man nicht unbedingt vermisst hat: Albernes schein-wissenschaftliches Brimborium und ein paar besorgte Menschlein mit Minimal-Geschichte sind nur Handlungs-Krücken, um die beiden Haupt-Figuren aus dem Computer mit viel Krach und Effekten in Hong Kong aufeinanderprallen zu lassen. Dass ein taubstummes Mädchen King Kongs Freundin gibt und sich richtige Schauspieler für derartigen Schrott hergeben, kann nichts dran ändern, dass dieses Science Fiction-Remake einer japanischen Sonderheit von und für pubertäre Computer-Fans gemacht ist.

A Quiet Place 2


USA 2020 Regie: John Krasinski, Emily Blunt, Cillian Murphy, Millicent Simmonds, Noah Jupe 97 Min. FSK ab 16

Selbst im ansonsten eher problematischen „Teil 2" kann „A Quiet Place" wieder mit der sensationell spannenden Idee begeistern, dass Menschen nur mucksmäuschenstill die Alien-Attacken überleben können. Nach dem Kammerspiel im vertrauten aufgerüsteten Heim geht es diesmal in zwei Parallelhandlungen an neue, gefährliche Orte. Evelyn (Emily Blunt) ist mit ihren Kindern Regan (Millicent Simmonds), Marcus (Noah Jupe) und dem Baby auf sich allein gestellt. Das Haus brennt ab und in einer Industrieruine treffen sie auf den ehemaligen Nachbarn Emmett (Cillian Murphy). Der ausbrechende Egoismus der Überlebenden ist eine Katastrophe in der Alien-Invasion. Während sich Evelyn mit dem schwer verletzten Marcus verschanzt, will die gehörlose Regan auf eigene Faust einen Radiosender finden. Diesmal kann man die riesigen und rasenden Aliens schon früher zeigen, „A Quiet Place 2" bleibt aber trotzdem hochspannend.

Nomadland


USA 2020 Regie: Chloé Zhao, mit Frances McDormand, David Strathairn, Linda May 108 Min. FSK ab 0

Der lang erwartete Oscar- und Festival-Erfolg „Nomadland" ist erneut die gekonnte Mischung von Dokumentation und inszenierten Szenen, die Filmemacherin Chloé Zhao in „Songs My Brother Taught Me" (2015) und „The Rider" (2017) zeigte. Die Vermischung der Genres macht beides stärker und bewegender. Diesmal geht es um Fern (Frances McDormand), die wie viele in den USA nach der großen Rezession 2008 Arbeit und Haus verloren hat. Nun reist sie mit der Schar von Arbeitsnomaden im zum Camper umgebastelten Van von Job zu Job. Bei Amazon kümmert sich das Unternehmen um einen Parkplatz für die Nacht. Ansonsten müssen Raststätten und Campingplätze als Kurzzeit-Heimat herhalten.

In den USA müssen große Teile der Bevölkerung in Wohnwagen leben. Diesen „Ausschuss" der kapitalistischen Gesellschaft erleben wir aus der Innenperspektive. Mit Fern nehmen wir an Überlebenskursen für Arme teil, spüren berührende Solidarität. So wird eine immer hilfsbereite, krebskranke „Nachbarin" auf den vielen offiziellen und wilden Camping-Plätzen zur Freundin Ferns. 

Um Fern herum zeigt Zhao wirkliche Menschen, andere „dwellers", die tatsächlich dieses Leben führen. Während Frances McDormand unprätentiös die Peinlichkeit spielt, als ältere Frau irgendwo in freier Landschaft auf Toilette gehen zu müssen, hören wir die wahren und ungemein bewegenden Geschichten der Laiendarsteller. Ferns eigenes Schicksal mit dem Krebs-Tod des Mannes und den Massenentlassungen in der Mine, die einen ganzen Ort auslöschten, tritt dabei zurück. So wie auch der „Star" Frances McDormand angenehm zurückhaltend spielt, oft nur auf die Erlebnisse der anderen reagiert. Trotzdem ein faszinierender Charakter – sie erträgt stoisch die Einsamkeit, verfolgt still ihren Weg. Selten gibt es ein kleines Lächeln, aber auch keinen großen Zusammenbruch. Selbst als ein tollpatschiger Verehrer ihr Geschirr zerbricht, eine letzte Erinnerung an ihr altes Leben.

Bei aller gerechtfertigten Begeisterung für Inszenierung, Spiel und grandiose Kamera darf die stille Musik von Ludovico Einaudi nicht unerwähnt bleiben. Dazu großartige Landschaftsaufnahmen, die doch ein Gefühl von Freiheit erzeugen, das sich in der brutalen Realität als wenig erstrebenswert erweist.

27.6.21

ghj: Der Mauretanier


GB, USA 2021 (The Mauritanian) Regie: Kevin Macdonald, mit Tahar Rahim, Jodie Foster, Benedict Cumberbatch 130 Min. FSK ab 12

Jodie Foster als Menschenrechts-Anwältin und Benedict Cumberbatch als rachsüchtiger Militärjurist haben nur die Nebenrollen bei diesem Kampf gegen himmelschreiende Ungerechtigkeit. Tahar Rahim („Ein Prophet") als Mohamedou Ould Slahi, das Opfer US-amerikanischen Terrors, macht stark den Wahnsinn des Guantanamo-Systems fühlbar.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde der Mauretanier Mohamedou Ould Slahi (Rahim) verhaftet, den US-Geheimdiensten übergeben und nach Guantanamo Bay verschleppt. Wegen eines Telefonates mit jemandem, der mit Bin Laden zu tun hatte, wird er behandelt, als ob er persönlich Flugzeuge in die Twin Tower gesteuert hätte. Die Anwältin Nancy Hollander (Foster) nimmt sich allen Anfeindungen zum Trotz des Falls an, muss aber zuerst juristisch um brauchbare Dokumente kämpfen, die von den Militärs nicht komplett zensiert wurden. Aus den tatsächlichen Verhörprotokollen und Mohamedous Briefen erfährt sie von Folter mit Waterboarding und Schlafentzug, Vergewaltigung, Terror-Musik in eiskalter Zelle und der Drohung, die Mutter Mohamedous nach Guantanamo zu holen, damit sie dort vergewaltigt wird. Das bringt selbst den klaren und intelligenten Mann dazu, ein falsches Geständnis zu unterschreiben. Die Protokolle überzeugen auch den von Hass und Rachsucht erfüllten Militärankläger Lt. Col. Stuart Couch (Benedict Cumberbatch auch als Produzent engagiert), den krassen Fall von Unrechts-Justiz abzugeben.

Das Maß des Verbrechens eines angeblich demokratischen Staates macht nicht nur der Fall von Mohamedou Ould Slahi deutlich, der über 14 Jahre unschuldig in Einzelhaft verbrachte, sieben davon, als er bereits freigesprochen war! Insgesamt gab es 779 Gefangene im immer noch existierenden Guantanamo. Nur acht von ihnen wurden verurteilt, drei dieser Urteile wurden später aufgehoben. Ein derartiges Ausmaß von Inhaftierung ohne Urteil ist nur in übelsten Diktaturen oder aktuell in der Türkei zu finden. Ein anklagender Film zu staatlichen Verbrechen ist immer lohnenswert. Doch ausgerechnet Regisseur Kevin Macdonald, der sich dem Diktator Idi Amin in „Der letzte König von Schottland" etwa über dessen schottischen Leibarzt näherte, bleibt in „Der Mauretanier" konventionell. Weder Jodie Foster noch Benedict Cumberbatch zeigen mehr als Routine, nur die gemeinsame Szene im absurden Souvenir-Shop von Guantanamo stich heraus. Es ist Tahar Rahim („Ein Prophet") zu daken, dass das Drama trotzdem packt. Die Aufnahmen im Abspann mit dem wahren Mohamedou zeigen, wie gut dieser getroffen wurde. Der Schauspieler und der wahre Überlebende, auf dessen Buch „Das Guantanamo-Tagebuch" der Film basiert, gewinnen Sympathien.

25.6.21

Stowaway


USA, BRD 2021 Regie: Joe Penna, mit Toni Collette, Anna Kendrick, Daniel Dae Kim, Shamier Anderson 116 Min.

Deutsche Marsmissionen lassen noch auf sich warten, aber ein deutsches SciFi-Drama mit internationaler Besetzung ist bereits erfolgreich abgehoben. Wenn Anna Kendrick („Pitch Perfect"), Toni Collette („Hereditary") und Daniel Dae Kim („Hawaii Five-O") als Mars-Reisende einen blinden Passagier (Shamier Anderson) entdecken und allen der Sauerstoff ausgeht, will man eigentlich nicht wissen, dass alles im Filmstudio entstanden ist. Genauer stand das Raumschiff in den Münchner Bavaria Studios und alle „Weltraum-Außenaufnahmen" mit Raumanzügen an Drähten für die Ausflüge ins schwerelose All, fanden in den Kölner MMC Studios statt.
Aber trotz dieser Hintergrund-Infos funktioniert das Kammerspiel im All vortrefflich. Von den Gesprächen mit „Huston" hört man nur die Raumschiff-Seite - ein interessanter Effekt! Aber eine Lösung kommt von der Erde sowieso nicht. Deshalb sollen bei einem äußerst spannenden Weltraum-Ausflug Sauerstoffreste aus der Antriebsrakete geborgen werden. Toni Collette gibt eine souveräne und emotionale Kommandantin. Die ruhige Stimmung linearen und reduzierten Geschichte erinnert beim Versuch, mit Algen Sauerstoff zu erzeugen an den Raumfahrt-Klassiker „Lautlos im Weltraum". Leider bekommt Kendrick keine ernsthafte Figur hin, der man eine Reise im Weltall zutraut.

Ich bin dein Mensch

BRD 2021 Regie: Maria Schrader Darsteller: Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, Hans Löw, Wolfgang Hübsch, Annika Meier, Falilou Seck, Jürgen Tarrach, Henriette Richter-Röhl, Monika Oschek Länge: 105 Min.

Der Nachfolger der gefeierten Serie „Unorthodox" von Schauspielerin und Regisseurin Maria Schrader ist eine leichte Komödie: „Ich bin dein Mensch" erzählt von der Wissenschaftlerin Alma (Maren Eggert), die am Pergamonmuseum Poesie in über 5000 Jahre alten sumerischen Keilschriften über Handelsvorgänge finden will. Mit Forschungsgeldern erpresst, lässt sich die Alleinstehende auf einen dreiwöchigen Test mit einem humanoiden Roboter als Partner ein. Der äußerst charmante Tom („Downton Abbey"-Star Dan Stevens) macht die gleichen Probleme wie andere Partner: Mal zu höflich, dann wieder zu phantasielos. „Ich klöne nie" lautet eine ihrer ersten Ansagen. Sprüche wie „Zum Bleistift" oder „Tschö mit ö" werden direkt aus seinem Programm gestrichen. Darin steht auch „Alle Menschen wollen glücklich sein", aber seine Testerin anscheinend nicht. So legt er sich selbst in das Schaumbad mit Rosenblättern, Sekt und Erdbeeren. Doch die eigenwillige Frau findet gegen alle Wahrscheinlichkeits-Rechnung Gefallen an dem perfekt berechneten Gegenstück.

Dass er seine neue „Ordnung" in ihrer Wohnung innerhalb vom elf Minuten wieder in den Ausgangszustand versetzt, ist in diesem romantischen Science Fiction klassisches Filmen ohne große Tricks. Auch der Club der einsamen Herzen und holografischen Liebhaber kommt bodenständig daher. Das Künstlichste ist da auf den ersten Blick das unterkühlte Spiel von Sandra Hüller („Toni Erdmann"), die den Roboter-Test leitet. „Ob diese Dinge in Deutschland heiraten dürfen", soll Almas Resümee für eine Ethikkommission klären. Ob Alma mehr als eine Nacht mit Tom aushält, ist die eigentliche Frage. Und was eine Frau, die fast alles auf ihre Forschungs-Karriere setzt, denn für einen Mann brauchen kann. „Ich bin dein Mensch" ist ganz klar ein Film über eine unabhängige Frau von heute, nicht über ihn oder die Technik. Und auch wenn Gefühle für Maschinen aufkommen, thematisch ist dies kein Klon von „Blade Runner".

„Ich bin dein Mensch" ist nach der Zweig-Biografie „Vor der Morgenröte" und „Unorthodox" wieder eine durchaus gelungene Regie vom Multitalent Maria Schrader. Als Schauspielerin erhielt sie 1999 für „Aimée & Jaguar" auf der Berlinale einen Silbernen Bären. Sie arbeitete mit Margarethe von Trotta, Doris Dörrie, Peter Greenaway, Max Färberböck, Rajko Grlic und Agnieszka Holland. Ihr Regiedebüt gab sie 2007 mit „Liebesleben". „Vor der Morgenröte" wurde auf der Piazza Grande in Locarno uraufgeführt und gewann den Publikumspreis der European Film Awards. 2020 wurde Schrader als erste deutsche Regisseurin mit einem Emmy für die Serie „Unorthodox" ausgezeichnet. Nun mit „Ich bin dein Mensch" ein erneuter Wechsel des Genre und des Tons. Die romantische Komödie ist ein netter, lustiger, auch kluger Film von Schrader und ihrem regelmäßigen Ko-Autoren Jan Schomburg („Vor der Morgenröte").

23.6.21

Lisey's Story / Apple TV+

Der (Dreh-) Buch-Autor Stephen King gehört zu den Gewinnern der Pandemie. Schon immer beliebt auf großen und kleinen Schirmen, sind seine Serien gefragt wie nie. Nach „The Stand: Das letzte Gefecht" und „The Outsider" im letzten Jahr trumpft 2021 die Fantasie-, Thriller- und Liebesgeschichte „Lisey's Story" mit Starensemble vor und hinter der Kamera auf. „Chapelwaite" ist in Vorbereitung.

Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes, des berühmten Autors Scott Landon (Clive Owen), zwingt eine liebevolle posthume Schnitzeljagd Lisey Landon (Julianne Moore) verdrängte Erinnerungen auf. Dabei geht es um die geheimnisvolle Welt „Boo'ya Moon" unter einem roten Mond, in der ein Wasserbassin heilt und Kreative ihre Ideen schöpfen lässt. Eingeweihte wie Landon gelangen dorthin mit Tagträumen, die sie katatonisch in der realen Welt zurücklassen. Gerne mithilfe eines laufenden Wasserhahns. Oder sie verschwinden ganz und gar in das mysteriöse Land, in der das Monster „Longboy" droht.

Was billige Fantasie mit ein paar Schrecken werden könnte, gilt seit der Buchveröffentlichung 2006 (dt. Titel: Love) als einer der besten Romane des generell nicht auf geringem Niveau schreibenden Stephen King. Jetzt begeistert die Verfilmung mit einer exquisiten Besetzung, bei der Joan Allen und Jennifer Jason Leigh als Liseys Schwestern zu sehen sind.

Der chilenische Filmregisseur, Produzent und Drehbuchautor Pablo Larraín, der bisher unterschiedliche Meisterwerke wie den chilenischen Politfilm „No" (2012), die Biographien zu Pablo „Neruda" (2016) und „Jackie" Kennedy (2016) oder das explosive Tanzdrama „Ema" (2019) schuf, sorgt für eine glaubwürdige Umsetzung der fantastischen und tief menschlichen Geschichte eines Trauerprozesses. Sehr stimmungsvolle Bilder schuf Darius Khondji, der Kameramann von unter anderem Woody Allen und Michael Haneke. Stephen King, Julianne Moore und Pablo Larraín fungierten neben J. J. Abrams zusätzlich als Executive Producer.

Geboren aus Kings Angst vor wahnsinnigen Fans, ist „Lisey's Story" mit dem gnadenlosen Mörder Jim Dooley (Dane DeHaan) an mehreren Fronten unheimlich und fantastisch. Manchmal überspannt die Serie den Handlungsfaden, wenn die schwerverletzte Lisey eine drei Episoden dauernde Rückblende lang auf ihre Heilung warten muss. Doch ihre (Liebes-) Geschichte ist umfassender - mit Erinnerungen an eine horrende Kindheit des Autors und einer Wiedervereinigung der drei Schwestern.

„Lisey's Story" (USA 2021), Regie: Pablo Larraín, mit Julianne Moore, Clive Owen, Joan Allen, Jennifer Jason Leigh, 8 Folgen von 47-57 Min., Altersfreigabe: keine Angabe

Ab 4. Juni mit den ersten beiden Episoden, gefolgt von neuen Episoden jeden Freitag.

Physical / AppleTV+


Die klügere Hausfrau Sheila (großartig: Rose Byrne) hinter dem nicht klugen, charmanten oder erfolgreichen Möchtegern-Politiker Danny (Rory Scovel) wird zur Frau hinter ihrem eigenen Erfolg. Doch bevor Sheila mit ihren Aerobic-Videos in den 80er ein Star wird, hat die Serie „Physical" viele Folgen voller Selbsthass, Bulimie und Erniedrigung gesetzt. Wobei die in Buch und Inszenierung sehr sorgfältige Produktion keineswegs ein „Kitchensink"- oder Sozial-Drama ist. Spritzig sind die Gedankengänge, mit denen die intelligente Akademikerin sich selbst und ihren Körper extrem runter macht. Flott die Bildfolgen, wenn sie mit 50 Dollar vom schwindenden Familienkonto Hamburger kauft, die im Motel nackt verschlingt und wieder erbricht. Dazu das Arbeiten für einen selbstüberschätzten und untreuen Idioten, der nach Rauswurf an der Uni politische Karriere machen will. Das alles mag Frauen-Alltag und System unserer westlichen Gesellschaft sein, wirkt aber trotzdem schockierend. Es dauert etwas, bis Sheila den harten Drill von Aerobic als Ventil für Frustrationen entdeckt. In einer schrägen Combo mit Porno-filmendem Surfer und libanesischer Einwanderin wird mit geklauter Videoausrüstung eine Karriere angeschoben. Das macht zunehmend Spaß. Im gleichen historischen Farbton wie die Porno-Geschichte „Boogie Nights" gewinnt „Physical" in den späteren Episoden mit Kindheits-Geschichten und anderen Traumata enorm an vielschichtiger Tiefe.

„Physical" (USA 2021), Regie: Craig Gillespie, Liza Johnson, Stephanie Laing, mit Rose Byrne, Rory Scovel, Dierdre Friel, 10 Folgen à 30 Min., FSK. keine Angabe

Luca / Disney+ ab 18. Juni


Die neueste Pixar-Komödie zeigt eine Meerjungfrau-Geschichte aus anderer Perspektive: Statt kleiner Meerjungfrau nach Andersen oder „Arielle" nach Disney ist Titelheld Luca ein sogenanntes See-Ungeheuer im Teenager-Alter. Gar nicht ungeheuerlich hütet er blökende Fische im Meer und versteckt eine große Neugier nach „dem da oben" vor besorgten Eltern. Denn die betonen, dass die Ungeheuer vom Land sehr gefährlich sind. So bleibt es Luca ein Rätsel, weshalb er sich verstecken soll, wenn wieder so ein lautes Gerät auf der Wasseroberfläche vorbeituckert und Dinge auf den Meeresboden fallen lässt.

Bis eine wirklich erschreckende Gestalt im Tiefsee-Tauchanzug als weiterer Meerjungfrau-Junge - oder wie man das „gendert" - herausstellt. Alberto hat schon viel Erfahrung mit Landgängen und zeigt Luca eine Welt mit Eis und Pasta. Denn sobald sie trocknen, verwandeln sich die Meer-Jungs in italienische Bambinos. Vor allem schwärmt Alberto von der „größten Erfindung der Menschheit", der Vespa: „Vespa ist Freiheit, du kannst damit überall hinfahren wo du willst." So bauen sie an der Küste aus Abfällen haufenweise Vespa-Imitate, die sie dann über eine Sprungschanze im Meer versenken. Der abenteuerlustige, aber nicht so intelligente Alberto lehrt Luca dabei, seine Angst zu überwinden: „Du hast einen Bruno im Kopf, höre nicht auf Bruno!"

Zusammen entdecken sie mutig das Dörfchen Portorosso, unverkennbar die echte Touristen-Attraktion Portofino in all ihren bunten Farben. Der ganze Film „Luca" ist voller herrlicher Italien-Klischees. Falls da unten jemand beleidigt sein möchte, gäbe es jetzt haufenweise Gründe, sich über „stereotype Darstellung" dramatischer Gesten und übertriebener Aussprüche („Santa Mozzarella") aufzuregen. Leider kommt dem Film hier nach 30 Minuten ein Rennen als Handlungs-Krücke in die Quere. Mit ihrer neuen Menschen-Freundin, der hyperaktiven Giulia, als Trainerin, wollen Luca und Alberto an einem Triathlon aus Schwimmen, Pasta essen und Radfahren teilnehmen. Letzteres geht steil bergauf und dramatisch bergab. So wie man es bei den von einem Österreicher Brausehersteller angetriebenen Down Hill-Events quer durch Ski-Ressorts und Berg-Dörfer kennt. Das Preisgeld reicht für einen schrottreifen Skooter, doch vor allem gilt es, den ekelhaften Dauersieger Giacomo abzuhängen. Derweil haben Lucas Eltern seine Abwesenheit entdeckt und sind zur Suche an Land gegangen. Wie eine Furie kickt Mama beim Straßen-Fußball alle Kinder in den Brunnen, um den Sohn in unbekanntem Aussehen zu entdecken. Denn sobald die Meer-Ungeheuer nass werden, nehmen sie wieder ihre alte Gestalt an.

Ganz, ganz grob geht es bei „Luca" mit dem „Coming Out" der vermeintlichen Ungeheuer um die Angst vor den Fremden, dem Anderen. Das wird aber für Pixar-Niveau im Vergleich zu „Inside Out" oder zuletzt „Soul" nicht besonders ausgearbeitet und so eher ein bunter Kinder-Spaß mit einer zu klassischen Geschichte und Sport-Finale. Der Fischhirte Luca, der mehr von der Welt hinter dem Meer wissen will, ist eine typische Disney-Figur. Allerdings verliert sich die Sache mit dem Entdeckerdrang etwas in der abenteuerlichen Handlung im Dorf. Wobei reichlich Holterdiepolter für ein sonst so sorgfältiges Pixar-Drehbuch auffällt. Nicht nur bei der rasanten Rad-Fahrt über das Pflaster der Dorfstraßen wird man durchgeschüttelt. Luca entscheidet sich nicht wegen großer Sehnsucht für ein Leben unter den Dörflern für sein Coming out, er macht es, um den Freund zu retten. Es scheint, als hätte sich Pixar hier fast an zu viel gutem Inhalt verhoben und dann schnell noch die Kurve zu leichter und sehr bunter Unterhaltung gewählt.

„Luca" (USA 2021), Regie: Enrico Casarosa, 95 Min., FSK ab 0

Shiva Baby / Mubi


Die orientierungslos junge, bisexuelle und aufgeklärte Jüdin Danielle (Rachel Sennott) ist eingezwängt in ein übervolles Familienfest. Wie es sich für das Alter gehört, trifft sie gleichzeitig verletzt und beleidigend, bestimmend und völlig verloren nicht nur auf die Eltern, die viel zu viel fragen und noch viel mehr empfehlen. Bei der Trauerfeier im Haus von Verwandten weiß „Danny" anfangs nicht mal, wer verstorben ist. Trotzig hält sie ihre Legende eines zielstrebigen Studiums gegen die ebenfalls anwesende und von allen bewunderte Maya (Molly Gordon) aufrecht. Die ist auch noch ehemalige Geliebte. Dem klaustrophobischen Wirrwarr von Menschen und Gefühlen zwischen Küche und Wohnzimmerchen setzt im großen Lästern das unerwartete Auftauchen von Danielles Liebhaber und Finanzier Max (Danny Deferrari) die Krone auf. An seiner Seite die erfolgreiche Geschäftsfrau mit kleinem, schreiendem Baby. Nur mühsam können die beiden heimlich sehr Vertrauten eine Legende für ihre nicht zu übersehenden Reaktionen erfinden. Zwischen Eifersucht und neu aufflammenden Gefühlen für Maya stolpert Danielle von einem Fettnäpfchen ins nächste.

„Shiva Baby" erinnert zeitweise an die besten Szenen Woody Allens, ist bei dieser Komik des Allzumenschlichen aber viel emotionaler und intensiver. Vor allem Rachel Sennott, die schon im gleichnamigen Kurzfilm die Hauptrolle spielte, spiegelt in ihrem expressiven Gesicht all die Vorwürfe, Erwartungen, Enttäuschungen der anderen. Die grandiose Kamera von Maria Rusche macht die Enge um Danielle im Bild körperlich spürbar. Die geniale Musikbegleitung von Ariel Marx vollendet das prall intensive Kammerspiel.

„Shiva Baby" (USA 2020), Regie: Emma Seligman, mit Rachel Sennott, Molly Gordon, Polly Draper, 77 Min., FSK keine Angabe

Solos / Amazon ****


Zuerst sollte Sasha (Uzo Aduba) ihr Haus nicht verlassen. Wegen Virus und tödlicher Pandemie halt. Nach Jahrzehnten will sie jetzt nicht mehr, so sehr das Haus mit seinem integrierten Computer auch drängt… Die nach Aktualität heischende Episode „Sasha" ist eine der schwächeren der „Solos". Weil sie den momentanen Hype den größeren Menschheitsfragen vorzieht. Gleichzeitig ist „Solos" exakt zum Ende der kinolosen Zeit in Deutschland eindeutig ein Kind der Pandemie: Solo-Auftritte von Schauspielern in Kammerspiel-Sets begrenzen kontrollierbar Ansteckungen.

Anne Hathaway gibt als eines der bekanntesten Gesichter in den sieben halbstündigen „Solos" die Wissenschaftlerin Leah, die per Zeitreisen versucht, ihre Mutter zu retten. Genauer per Videochat mit Vergangenheit und Zukunft. Im kleinen Hightech-Labor, das sich als niedliche Studio-Bastelei für die Neufassung von „Raumschiff Orion" bewirbt, sucht Leah mit fast zerrauften Haaren die richtige Funkfrequenz zwischen den eigenen Lebens-Phasen. Dabei arbeiten die vergangene und die zukünftige Leah nicht unbedingt mit. Der Spott über diese Episode zum Auftakt ist bei noch reizvoller Geschichte unvermeidbar: Anne Hathaway ist nicht diejenige, die man bei einem solchen schauspielerischen Parforceritt erwartet. Schon beim Science-Fiction „Stowaway - Blinder Passagier", mit dem einige deutsche Kinos heute starten, war „Astronautin" Hathaway das Glaubwürdigkeits-Leck eines Mars-Fluges.

„Stell dir vor, du triffst dich selber. Wen siehst du?" Das fragt Erzähler Stuart zur zweiten Folge, in der Tom (Anthony Mackie) einer Version seiner selbst gegenübertritt. Dem Original gefällt das Äußere der identischen Kopie nicht, vor allem nicht dessen respektlose Kommentare: „Du bist ein Arschloch." Der in den 24 Minuten Echt- und Netto-Laufzeit getestete allwissende Klon-Roboter weiß allerdings, wie er mit den baldigen Hinterbliebenen des todkranken Tom umgehen soll. Ersatz sein, aber nicht zu perfekt, damit Frau und Kinder nicht das Original vermissen. Der Informationsabgleich wird zum rührseligen Abschied und echot – ausgerechnet mit einer deftigen Furz-Zote - in anderen Episoden weiter.

Peg (Helen Mirren), die als Senior-Astronautin ohne Rückfahrkarte unterwegs ist, liefert im Gespräch mit dem Bordcomputer Lebensbeichte und Erinnerungen an eine verpasste Liebe. Sie muss erst am Mond vorbeifliegen, bevor ihr klar wird, was in ihrem Leben falsch lief. Zu den Klängen von „Space Oddity" (Major Tom) fragt die verpeilte All-Reisende, ob man das Raumschiff umdrehen könne. Nebenbei stellt sich heraus, dass Peg die kleine Tochter von Tom ist. Während auch die Pandemie-Episode von Sasha kein wirkliches Solo ist, sondern auf zukünftige Formen von Siri oder Alexa für den Dialog vertraut, legt Jenny (Constance Wu) in ihrem Gedächtnis-Protokoll quasi ein Geständnis ab: Von lebensgefährlichen Aktionen in Folge eines übersteigerten Mutterwunsches. Nera (Nicole Beharie) hingegen wird in einer stürmischen Nacht ganz allein Mutter, der künstliche gezeugte Sohn altert dann in Minuten um Jahre...

Im großen Finale macht Morgan Freeman (der bei allen Folgen einen Satz zur Einleitung lieferte) als dementer Stuart die qualitativen Unterschiede im auffällig „diversen" Ensemble deutlich: Nachdem ihm ein Pflaster Auffrischung der Erinnerungen gewährte, kann der alte Mann sogar wieder tanzen. Sehenswert! Dabei ist dies nur der erste Teil der Geschichte. Tatsächlich geht es um gestohlene Erinnerungen, die wiederum das Material der anderen Solo-Nummern bilden.

Auf unterschiedlichen Niveaus soll das Talent all dieser Stars bewundert werden, doch oft würde „Solos" als Hörspiel genau so gut funktionieren. Im Stil der „Unglaubliche Geschichten" (Amazing Stories) sind die kleinen Ideen mit leichter Sci-Fi-Zugabe reizvoll, machen aber vor allem neugierig auf mehr Geschichte und Inhalt.

„Solos" (USA 2021), Regie: David Weil,Zach Braff, Tiffany Johnson, Sam Taylor-Johnson, mit Morgan Freeman, Anne Hathaway, Anthony Mackie, 7 Folgen à 24 Min., Altersfreigabe ohne Angabe

Palm Springs / Amazon

Und ewig grüßt die Hochzeitsfeier! Anfangs wundert man sich etwas über Nyles (Andy Samberg), das Hawaii-Hemd unter all den festlich gekleideten Hochzeitsgästen. Nach vielen Dosen seines Billig-Biers so hemmungslos, als ob er niemanden der Feiernden jemals wiedersehen würde. Tatsächlich sieht er alle jeden Tag wieder, denn er durchlebt den gleichen Hochzeitstag der Freundin seiner Freundin wieder und wieder. Siehe „Und täglich grüßt das Murmeltier" - nur deftiger und ausgeflippter. Der lässig sorglose Wiederholung-Täter beeindruckt Sarah (Cristin Milioti), die Schwester der Braut, mit flotten Tanzschritten und akrobatischen Einlagen, welche die Bewegungen aller anderen vorherzusehen scheinen. Er weiß auch, wer den Koks in der Hosentasche hat und mit wem der Bräutigam letzte Nacht fremdgegangen ist. Versehentlich zieht er Sarah mit in seine Zeitschleife. Trotz deutlicher Warnungen versucht sie vergebens, alle naheliegenden Fluchtwege, an denen er bereits gescheitert ist: Selbstmord, einfach wegfahren, gute Taten und was das Genre der Murmeltier-Klone sonst so hervorgebracht hat. „Es war immer ein guter Tag" – selbst die Attacken seines ebenfalls in diesem Tag gefangenen Erzfeindes (grandios: J. K. Simmons) enden im ungemein sympathischen Film in einer anrührend positiven Lebenshaltung. „Palm Springs" gewinnt den ewigen Wiederholungen der Filmidee eines ewig wiederholten Tages mit wilden Einfällen, klasse Schauspiel und gekonnter Inszenierung überraschend viel ab.

„Palm Springs" (USA 2020), Regie: Max Barbakow, mit Andy Samberg , Cristin Milioti , J. K. Simmons, 90 Min., Altersfreigabe ab 16

Für 14,99€ leihen, 17,99 € kaufen.

15.6.21

Katla / Netflix


Der grandiose Regisseur Baltasar Kormákur bewegt sich gekonnt zwischen seiner isländischen Heimat und Hollywood. Mit Keira Knightley, Emily Watson und Jake Gyllenhaal drehte er „Everest" (2015), „2 Guns" (2013) mit Denzel Washington und „Contraband" (2011) mit Mark Wahlberg. Dann faszinierendes Arthouse mit schrägen Beziehungsgeschichten wie „101 Reykjavik" (2000) oder das fast mythologischen Drama eines tiefgekühlten Fischers in „The Deep" (2012). Nun lässt er - wieder in Island - ein Jahr nach dem Ausbruch des vom Gletscher bedeckten Vulkans Katla aus Ascheregen eine Frau auftauchen. Als die Krusten von nackter Haut gewaschen sind, erzählt die angebliche Schwedin, sie arbeite im einzigen Hotel des Ortes und hätte ein Verhältnis mit dem Einheimischen Thor. Der erinnert sich an eine Affäre – vor 20 Jahren. Mitten in der großen Verwirrung tauchen weitere „Wechselbälger" auf, wie der Mythos sie nennt. Zuerst Thors Tochter Asa, seit dem Ausbruch verschollen. Aber auch ein Junge, der eindeutig gestorben war. Mit immer neuen Duplikaten wird „Katla" in zunehmendem Maße verstörender. Bei eindrucksvollen Aufnahmen, immer wieder auch aus der Luft von hellen Autos vor schwarzer Asche, erzeugt die Reihe unerklärlicher Erscheinungen nicht üblichen Horror, sondern spannendes Rätseln rund um ein Naturphänomen, ähnlich wie in der französischen Arte-Serie „The last Wave". Während Asas Schwester Grima den Sinn der Doppelgänger ergründen will, findet sich Thor mit der Gleichzeitigkeit vin junger und älterer Geliebter ab: „Wer bin ich, die Natur der Dinge infrage zu stellen?" In diesem erneut sehr außergewöhnlichen Werk setzt Kormákur menschliche Beziehungen einer extremen Situation aus.

„Katla" (Island 2021), Regie: Baltasar Kormákur, mit Gudrun Ýr Eyfjörd, Íris Tanja Flygenring, Ingvar Sigurdsson, 8 Folgen à 40 Min. Nicht für Kinder unter 14 Jahren geeignet

8.6.21

Kids Run / VoD - alleskino.de und demnächst im Kino


Im aufsehenerregenden Debüt „Kids Run" der Drehbuchautorin und Regisseurin Barbara Ott kümmert sich der überforderte Vater Andi um drei kleine Kinder von zwei Müttern. Die eine zeigt aufgrund psychischer Probleme heftige Aggressionen. Die Mutter vom Baby, die prostituiert wird, sagt hingegen klar, sie käme zurück zu Andi, wenn er mehr Geld hätte. So muss der Ex-Boxer ein Comeback in jungen Jahren starten, für Miete und Kindersachen. Obwohl die erste Karriere mit einem Schädelbasis-Bruch endete. 

Eine heftig emotionale, berührende und erschreckende Achterbahn-Fahrt durch die Härte des Lebens mit vielfach unmöglichen Situationen für Kinder. Bei den belgischen Brüdern Jean-Pierre und Luc Dardenne war das 2008 in „Lornas Schweigen" ebenso eindringlich und erschütternd klassisches Sozialdrama. Andi hingegen ist ein schwieriger, stärker gebrochener Charakter: Er rennt die ganze Zeit mit seinen Kindern durch die Gegend, aber die haben auch immer mal wieder Angst vor ihm. Frauen schlagen geht gar nicht, aber beim Freund seiner Ex schlägt er brutal zu. Ein Widerspruch, den Jannis Niewohner („Narziss & Goldmund", „Jugend ohne Gott") mit zurückhaltend intensivem Spiel im rau dreckigen Setting großartig verkörpert. „Kids Run" ist der nächste eindrucksvolle Kino-Start des aus Aachen stammenden Produzenten Martin Heisler („Vergiss mein nicht", „Einzelkämpfer", „Berlin Bouncer").

„Kids Run" (BRD 2020), Regie: Barbara Ott, mit Jannis Niewöhner, Lena Tronina, Eline Doenst, 103 Min., FSK: ab 16

7.6.21

Loki / Disney+ (ab 11.6.2021)


„Loki", die neue Serie von Marvel Studios und Disney, spielt nach den Ereignissen von „Avengers: Endgame" ... Und schon liegen wir ganz falsch, denn der Gott des Schabernacks Loki bekommt in seiner Hauptrolle mächtig und auch komisch mit Zeitreisen zu tun. Alles ist möglich und die beiden ersten Folgen sind richtig gut.

Ein großer Vorteil des größenwahnsinnigen Universums der unzähligen Marvel-Filme ist der Spar-Effekt: Man kann sich immer kostengünstig bei Szenen anderer Filme bedienen. Beispielsweise, wenn man zeigt, wie der gefangene Loki (Tom Hiddleston) in „Avengers: Endgame" (2019) den Tesseract klaut und unfreiwillig in Raum und Zeit herumreist. Nach Ankunft wird er allerdings schnell wie respektlos von Soldaten der TVA einkassiert. Ihre Behörde namens „Time Variance Authority" sorgt dafür, dass die Timeline – der Verlauf der Geschichte – eingehalten wird. Alle parallelen Zeitstränge müssen gestoppt werden.

Nun befindet sich der besonders arrogante und von Natur aus betrügerische Gott in den Händen einer kafkaesken Bürokratie, siehe „Brazil". Ein witziger Werbeclip erklärt den Job der Timeline-Kontrolleure, doch Loki nimmt die Sache erst ernst, als er merkt, dass all seine Zauberkräfte hier nicht funktionieren. Dafür holt ihn ein Hundehalsband der TVA auf Knopfdruck immer wieder zu einem Ausgangszeitpunkt zurück. Dumme Sache.

Und ganz schön spaßig, wie vor allem der TVA-Agent Major Mobius M. Mobius (Owen Wilson hinter biederem Schnurrbart) den eingebildeten Gott mit wissendem Lächeln immer wieder auflaufen lässt. Loki sei „nur eine Schmusekatze gegenüber den echten Verbrechern" und „für jemanden, der zum Herrschen geboren sein soll, verlierst du eine Menge". Schließlich bekommt der gescheiterte Sohn von Asgard doch einen Bürojob und soll helfen, einen besonders hartnäckigen Verbieger der Zeitlinien zu schnappen. Denn der soll eine noch üblere Variante von Loki selbst sein!

Es ist schon mal ein Gewinn für die Marvel-Helden-Filmchen, dass Loki aus dem Schatten seines Bruders heraustritt. Denn der Typ, der immer verneint, der immer lügen und betrügen muss, ist auf jeden Fall interessanter als sein stinklangweiliger großer und starker Bruder, der törichte Muskelberg Thor. Tom Hiddleston machte schon immer in dieser Rolle Spaß. Diesmal wird er erstmal gar nicht ernst genommen. Bei einer Art Psychoanalyse ist das „Best of" seiner bisherigen Szenen nicht gerade schmeichelhaft. Aber auch den ganzen überspannten Marvel-Kladderadatsch nimmt diese Serie (in den zwei zugänglichen Episoden) keineswegs ernst: In einer der nettesten Momente finden sich nebenbei haufenweise Infinity-Steine in einer Schublade. Sie werden von den TVA-Bürohengsten als Briefbeschwerer benutzt. Für Nicht-Eingeweihte: Um diese Glitzersteinchen drehten sich mehrere Filme, die zusammen Milliarden einbringen sollten.

Das relativiert einiges und schafft Platz für Neues. In einer Art Detektivgeschichte wird Loki ab der zweiten Folge auf die Jagd nach sich selbst geschickt. Beziehungsweise auf die Jagd nach einer anderen der vielen Variationen seiner. Wieder einer der kleinen Scherze zwischendurch zeigt, dass eine Variante die Tour de France gewonnen hat - man muss an Lance Armstrong denken. Dass in einem der Akten-Vorgänge die Zerstörung von Asgard, die Ragnarök, verbucht ist, erschüttert den einst von dort Verbannten nur kurz. Bald sucht er darin eine Ausflucht per Zeitreise. Reizvoll bei der inhaltlich und äußerlich sehr vielversprechend angelaufenen Serie ist vor allem der Name von Owen Wilsons Figur Mobius M. Mobius. Bezeichnet doch das nach dem Leipziger Mathematiker August Ferdinand Möbius beschriebene Möbiusband eine Fläche mit überraschend anderen Perspektiven und Seitenwechseln. Die Marvel-Figurchen können durch gute Science Fiction nur gewinnen.

„Loki" (USA 2021), Regie: Kate Herron, mit Tom Hiddleston, Owen Wilson, Gugu Mbatha-Raw, 6 Folgen
mit ca. 60 Min., Altersfreigabe ohne Angabe

Lupin 2 / Netflix ****


Schon vor dem enormen Erfolg der Arsene Lupin-Modernisierungen mit Omar Sy stand eine Fortsetzung fest. Nach dem Cliffhanger an den berühmten Klippen von Étretat geht es in den neuen Folgen hochspannend weiter. Der Meister-Dieb Assane Diop (Sy) ist in der Defensive, als sein Sohn entführt wird. Die erste pure Spannungsfolge lässt jedoch die typischen Tricks des Lupin-Fans Assane vermissen. Ohne große Überraschungen, die gerade die Würze der ersten Staffel darstellten, verfolgen Assane und sein größter Fan aus Polizeikreisen den Entführer. Danach setzt der gekränkte Dieb seinen Rachefeldzug gegen den gnadenlosen Milliardär Hubert Pelligrini (Hervé Pierre) fort, der Schuld am Tod von Assanes Vater trägt. Alles gipfelt im großen Heist-Finale. Nach dem „Collier der Königin" geht es nun darum, das Geld eines Spendenbetrugs während eines Gala-Konzerts abzuschöpfen. Die Freundschaft mit Benjamin (Antoine Gouy), Assanes Spießgeselle seit Schulzeiten, spielt eine größere Rolle.

Omar Sy brilliert erneut als raffinierter Dieb in vielen Verkleidungen. Der Kampf gegen Unrecht und Rassismus hat vor allem das Ziel, die Unschuld von Assanes Vater zu beweisen. So läuft auch zu Vertiefung des Charakters der Titelfigur durchgehend die Rückblende in seine Pubertät. Erste Betrügereien aus Liebe, weitere Erniedrigungen wegen seiner Hautfarbe. Ein großer Plan und der Clou lassen sich erahnen, es wird aber alles erst in der letzten Folge aufgelöst. In der Tradition von BBCs „Sherlock" sind die beiden Staffeln von „Lupin" kleine, in sich abgeschlossene Miniserien. Nicht mehr sensationell wie die erste Staffel, kann der zweite große Beutezug der Lupin-Erneuerer mit Unterhaltung auf hohem Niveau überzeugen.

„Lupin 2", Staffel 2 (Fr 2021), Regie: Ludovic Bernard (Episoden 6, 7), Hugo Gélin (8-10), mit Omar Sy, Hervé Pierre, Nicole Garcia, Clotilde Hesme, fünf Folgen à 50 Min., Altersempfehlung ab 14

5.6.21

Neustart Kino bei den Nachbarn - DeNiro, Kate Winslet, David Byrne ....


Während sich in Deutschland die Verbände der Kinobetreiber auf einen (unverbindlichen) gemeinsamen Re-Start am 1. Juli 2021 geeinigt haben, laufen in den Nachbarländern die Projektoren bereits wieder an. Eine kleine Auswahl der Programm-Highlights in den Niederlanden (ab 5.6.) und Belgien (ab 9.6.) macht Laune auf wieder erlaubte cineastische Kurztripps.

Mehr noch als sonst, haben die Filmkunsttheater das reizvollere Angebot. Sie sind nicht so abhängig von den großen Produzenten, die ihre Blockbuster zurückhalten oder per Streaming verheizen.

So hat das Lumiere in Maastricht sogar einen der schönsten deutschen Filme des Vorjahrs zur Wiedereröffnung im Angebot: „Undine", das mysteriöse Liebesdrama von Christian Petzold. Dazu gibt es dort schon den Oscargewinner „Nomadland" mit Frances McDormand. Ganz neu sind „David Byrne's American Utopia", die Aufnahme der Broadwayshow durch Spike Lee (Do The Right Thing, BlacKkKlansman), das historische Liebesdrama „Ammonite" von Francis Lee (God's Own Country) mit Kate Winslet und Saoirse Ronan.

Die Lütticher Arthäuser Sauveniere und Churchill zeigen - wie immer in Originalversion mit französischen Untertiteln - auch „Nomadland", dazu „Drunk" („Der Rausch"), den neuen Spielfilm von Thomas Vinterberg mit Mads Mikkelsen. Der bisher nur bei Disney+ gelaufene Spaß „Cruella" ist hier endlich im Kino zu sehen.

Das Vue in Kerkrade wartet als Multiplex auf lautere Filme aus Hollywood und wartet derweil mit ein bisschen alter Action und sowie angestaubtem Horror auf. Bei den Kinderfilmen ist „Peter Rabbit 2" schon zu sehen, allerdings meist synchronisiert. Wer Zeeland gerade sehr vermisst und Niederländisch versteht, kann Landeskunde mit dem Kriegsfilm „De Slag om de Schelde" nachholen. Middelburg und „deutsche Gäste" mal anders gesehen.

„The Comeback Trail" ist ein übersehener Robert De Niro-Film aus 2020. Er spielt den Filmproduzenten Max mit großen Schulden beim Kriminellen Reggie Fontaine (Morgan Freeman). Unter Lebensgefahr will Max einen Western produzieren und dabei den Hauptdarsteller für eine hohe Versicherungssumme umkommen zu lassen. Doch dieser Duke Montana (Tommy Lee Jones) erweist sich als sehr robust.

https://lumiere.nl/programma
https://www.grignoux.be/fr/agenda
https://www.vuecinemas.nl/films/nu-in-de-bioscoop#tijden

Undine St 2 Jpg Sd High 10663 1604397143

2.6.21

Sweet Tooth / Netflix


Nie war Pandemie aufregender und fantastischer: In der Serie „Sweet Tooth" nach der gleichnamigen DC-Comicreihe von Jeff Lemire stirbt und meuchelt sich ein großer Teil der Menschheit „an oder wegen" dem H5G9-Virus dahin. Zum gleichen Zeitpunkt werden Mischlinge aus Mensch und Tier geboren, aber auch bald gejagt. Man weiß nicht, ob sie Ursache oder Folge des Virus sind.

Gus (Christian Convery) ist ein Junge, der von seinem Vater vor einer chaotischen und gewalttätigen Welt im Wald versteckt aufgezogen wurde. Als Mischwesen hat der Knabe ein zartes Geweih und lustig zappelnde Öhrchen. Dazu kann er im Dunkeln sehen und sehr gut riechen. Die Erziehung zum Überleben betonte immer die Gefahr hinter dem Zaun. Doch mit einem sanften Papa ähnelt alles eher Waldorfschule als dem hartem Survival-Training von „Wer ist Hanna?". Dementsprechend naiv stolpert Gus in eine überwältigende Welt mit eindrucksvollen Landschaften und wieder wilden (Zoo-) Elefanten und Giraffen, als er doch das Gebot des Vaters übertreten muss. Zum Glück hat er den großen, brummigen Einzelgänger Tommy Jepperd (Nonso Anozie) an seiner Seite.

„Sweet Tooth" ist immer besonders stark, wenn die Serie neue, schillernde Figuren einführt. Jepperd ist einer von ihnen: Ehemaliger Football-Star (im kanadischen Comic: Eishockey), ein gutmütiger Berg von einem Kerl. Dann hat er beim Ausbruch der Pandemie Dinge getan, auf die er nicht mehr stolz ist. Und für die ihn noch viele hassen. Wie Bear (Stefania LaVie Owen), die Gründerin der Animal Army. Diese Horde verwaister Kinder stattet sich mit Tier-Attributen aus, um recht selbstgerecht für die Mischlinge und die Natur zu kämpfen. (Ähnlichkeiten mit Klima-Aktivistinnen sind rein zufällig.) Mit VR-Videospielen haben sie für den Ernstfall trainiert. Ausgerechnet dieses Trio macht sich gemeinsam auf die Suche nach Gus' Mama. Immer verfolgt von Mischlings-Wilderern. Was besonders mit der Kombination aus Kind und anfangs unwilligem, alten Einzelgänger ein ausgetretener Pfad sein könnte. Es bleibt mit der herrlich unbeschränkten Fantasie des Comics jedoch immer frisch und überraschend.

Die Mischung aus „Bambi" und „Mad Max" wird angereichert mit der tragisch-komischen Geschichte des indischen Virologen Dr. Aditya Singh (Adeel Akhtar), einem ehemals unglaublich netten Arzt, der zur Heilung seiner Frau ethischen Grenzen überschreitet. Und der vormals unscheinbaren Therapeutin Aimee Eden (Dania Ramirez), die nun in einem Zoo eine Mischlings-Tochter beschützt. Dazu gibt der sonore Erzähler (James Brolin) trocken ironische Kommentare ab. Wobei die postapokalyptischen Landschaften (gefilmt in Neuseeland) und Szenerien eher farbig als wüst im Stile von „Mad Max" daherkommen. Besonders das Violett des Virus' - in plötzlich sprießenden Veilchen und der positiven Testflüssigkeit – lässt tödliche Gefahr schön aussehen.

Der kanadische Comicautor Jeff Lemire („Essex County Trilogy", „The Nobody", „The Underwater Welder") veröffentlichte „Sweet Tooth" in 40 Ausgaben von 2009-14. Die ersten Folgen der Film-Serie auf eine nicht gerade dezente Symbolik für unser Verhältnis zur Natur zu reduzieren, wäre gemein verkürzend. Gerade die launisch präsentierte Vielfalt menschlicher Verhaltensweisen von den braven Bürgerwehren, die infizierte Nachbarn in Frischhaltefolie einwickeln und mit den eigenen Häusern abfackeln, bis zu dem schon „süüüüß" liebenswerten Gut-„Menschen" Gus gibt „Sweet Tooth" eine reizvolle humanistische Tiefe zu den fantastischen Ideen.

Ausführende Produzenten des Projekts sind übrigens Susan Downey und ihr Ehemann Robert Downey Jr. Als Showrunner und Drehbuchautoren prägten Jim Mickle („Vampire Nation" 2010) und Beth Schwartz die herausragende und hoffnungsvolle Pandemie-Serie.


„Sweet Tooth" (USA 2021), Regie: Jim Mickle, Toa Fraser, Robyn Grace, mit Christian Convery, Nonso Anozie, Adeel Akhtar, 8 Folgen von 37-53 Min., Altersfreigabe ohne Angabe

1.6.21

Drei Filme von Abbas Kiarostami / MUBI


Der weltberühmte iranische Regisseur Abbas Kiarostami machte quasi Anti-Netflix: Seine vielen Meisterwerke brauchten Ruhe und Zeit, sich zu entwickeln. In „Wo ist das Haus meines Freundes?", dem Film, der ihn 1988 von Locarno aus bekannt machte (Bronzener Leopard, FIPRESCI-Preis, Preis der Ökumenischen Jury) muss der 8-jährige Ahmed unbedingt immer wieder den staubigen Hügel zum nächsten Dorf hinauflaufen, um seinen Schulnachbarn zu finden. Ahmed hat aus Versehen das Heft seines Freundes Mohamed einsteckt, dem dadurch ein Schulausschluss droht. Die kleine Odyssee wird großes Kino. (ab 4.6.) So viel Zeit für eine so kleine Geschichte würde Netflix heute keinem Film geben.
Bei „Quer durch den Olivenhain" (eigentlich Teil einer anderen, der „Erdbeben"-Trilogie) wird Geduld erst in der letzten Szene im Olivenhain belohnt. Die Film-im-Film-Geschichte ist das Liebesdramas des Maurers Hossein, der beim Dreh im erdbebenzerstörten Norden Irans eine kleine Rolle bekommt und sich in seine Filmehefrau verliebt. Ein bei scheinbarer Einfachheit berührend raffiniertes Spiel mit Form und Gefühl, das 1994 auf den Festivals von Cannes, Toronto und Locarno lief. (ab 12.6.)
1997 gewann dann „Der Geschmack der Kirsche" die Goldene Palme in Cannes. Das Spiel der Filme mündet im bitteren Ernst: Herr Badii ist auf der Suche nach einem Helfer, der ihm nach dem selbstgewählten Tod das Grab mit Erde zudecken soll. Oder, falls Badii es sich anders überlegt, ihn aus dem Grab herausholen. Auch hier sind die schon damals überdurchschnittlich langen Einstellungen in der kargen Landschaft Irans Labsal für von schnellen Schnitten geschundene Seelen.

„Drei Filme von Abbas Kiarostami" (Iran 1989, 1994, 1997), 83 /103 / 99 Min. Regie: Abbas Kiarostami, FSK: ab 0/6/6

MUBI ab 4., 12. und 19. Juni

Halston (2021) / Netflix ****


Von Obi-Wan Kenobi zu „Amerikas Modedesigner Nummer 1" – kein Problem für Ewan McGregor. Er ist die Seele der Serie über Leben und Karriere des legendären Modedesigners Roy Halston Frowick (1932-1990). Der Pillbox-Hut von Jackie Kennedy war sein erster Hit – bis die Leute aufhörten, Hüte zu tragen. Dass die junge Liza Minelli – nett mit einem Lied über die korrekte Aussprache ihres Namens vorgestellt – nach einem persönlichen Kleid-Entwurf beste Freundin wurde, wird sich später auszahlen. In dieser Szene um einen der vielen berühmten Klassiker Halstons erklingt „Sunday Morning" von The Velvet Underground. Die 70er Jahre stehen vor der Tür, der Modedesigner wird die Disco-Mode im Club 52 mitbestimmen. Doch immer begleitet ihn eine tiefe, schmerzende Unsicherheit aus Kindertagen mit gewalttätigem Vater. Diese Ängste bewegten ihn dazu, seinen Namen an einen großen Konzern zu verkaufen, worauf ein Kampf um kreative Unabhängigkeit beginnt.

Solche Betrachtungen über globale Entwicklungen der Modebranche ergänzen ein gelungenes intimes Porträt. Ewan McGregor fesselt als Kreativer, dem der Erfolg zu Kopfe steigt, noch bevor er da ist. Die Arbeit mit einem teilweise ebenso größenwahnsinnigen wie mutigen Halston ist kein Vergnügen. Doch die rührenden Freundschaften mit Liza und sein Verhältnis mit einem Speed-abhängigen jungen Assistenten zeigen einen sehr sensiblen Menschen. Dabei erzählt die Serie angenehm undramatisch bei reizvoller, aber nicht protzender Ausstattung.


„Halston" (USA 2021), Regie: Daniel Minahan, mit Ewan McGregor, Rebecca Daryan, Rory Culkin, fünf Folgen à 45 Min., FSK: keine Angabe

Rebel (2021) / Disney+ ***


Aus Peggy Bundy („Eine schrecklich nette Familie") wird Erin Brockovich! Eine nach zwei Folge nur langsam überzeugende Besetzung. Aber die zehnteilige Serie, inspiriert vom Leben der engagierten Rechtsanwaltsgehilfin, bietet beim Kampf um Gerechtigkeit solide Unterhaltung. Annie „Rebel" Bello (Katey Sagal) ist wie ihr reales Vorbild eine Anwaltsgehilfin ohne Jura-Abschluss. Außerdem gefürchtet wegen ihres Kämpferherzens und unkonventioneller Methoden. Während sie gegen ein Medizin-Unternehmen kämpft, dessen künstliche Herzklappen krank machen, werden sie und die Serie unterstützt von Kindern und Ehemännern. Einer von letzteren sitzt praktischerweise auf der Polizeiwache, wo Rebel wieder mal in der Zelle landet und mit Kaution freigekauft werden muss. In einer Nebenhandlung streitet sich die jähzornige Kämpferin mit dem nächsten Ehemann. Zum Glück kassiert ihre Ex-Schwägerin und Assistentin dabei rechtzeitig Rebels Gewehr ein.

Die ruppige und wenig taktvolle Kämpferin für die gerechten Sachen bekommt Hilfe von ihrem Boss Julian Cruz (Andy Garcia). Wie der von seiner eigenen guten Seite überzeugt werden muss, weil er den Fall aus Trauer um seine Frau nicht anrühren will, gibt den ersten beiden Folgen schauspielerisch und dramatisch mehr Substanz. (Folge zwei durfte man sehen, aber nicht verraten!) Das ist zwar längst nicht die Vielschichtigkeit, die Julia Roberts und Regisseur Steven Soderbergh dieser Figur gegeben haben, aber erbauliche klassische Serien-Kost.

„Rebel" (USA 2021), Regie: Marc Webb, mit Katey Sagal, John Corbett, Lex Scott Davis, 10 Folgen à 50 Min., FSK: ohne Angabe