28.11.06

Pulse


USA 2006 (Pulse) Regie: Jim Sonzero mit Kristen Bell, Ian Somerhalder, Christina Milian, Rick Gonzalez, Jonathan Tucker 88 Min. FSK: ab 16
 
Wie ein Virus verbreiten sich Stoffe und Stile des J-Horrors, des japanischen Horror-Films, auf der ganzen Welt. Entsprechend dem Import-Rezept von Ring & Co wurde das Original von Kiyoshi Kurosawa ("Kairo", 2001) auch hier simplifiziert und amerikanisiert. Am neuen Drehbuch wirkte der Altmeister des Horrors Wes Craven mit, doch er stieg irgendwann aus, was dem Film sicherlich nicht gut getan hat.
 
Aus dem Internet schleichen sich schauerliche Figuren (von Interferenzen gestört!) in die Studentenwelt eines amerikanischen Campus und treiben die jungen Leute in den Selbstmord. Nur rotes Klebeband hilft - eine Weile. Dass die unfassbare Wirkung des World Wide Web etwas Bedrohliches, Geheimnisvolles hat, ist verständlich. Dass daraus gleich Monster erwachsen müssen, wohl eher dem florierenden Geschäft des Horror-Films geschuldet. So wiederholt sich wenig originell die Dramaturgie der Hauptfiguren, das Rätsel entschlüsseln zu müssen, um überleben zu können.
 
Für Nachschub ist übrigens gesorgt und man kann nur schaudern, wenn man an die Möglichkeiten von Triple-Play denkt: Internet, Telefonie und Fernsehen über eine Leitung. Das wird eine Party für das Übersinnliche im Kabel!

Little Miss Sunshine


USA 2005 (Little Miss Sunshine) Regie: Jonathan Dayton, Valerie Faris mit Greg Kinnear, Toni Collette, Steve Carell 103 Min. FSK: ab 6
 
Familie kann so herrlich sein: Wenn man den Onkel beim Essen fragen kann, weshalb er sich umbringen wollte und in der Psychiatrie gelandet ist. Wenn der Bruder ein Gelübde abgelegt hat und kein Wort spricht, bis er bei den Marines aufgenommen wird. Dann kommt auch noch Opa hinzu, weil das Altersheim was gegen seinen Drogenkonsum hatte - Koks nicht Klosterfrau! Papa ist am Rande des Nervenzusammenbruchs, weil er keine Antwort vom Verleger und damit kein Geld bekommt. Mutti hält den ganzen Laden zusammen - wie auch immer.
 
Das ganze Chaos dieser umwerfenden Komödie wird in einen alten VW-Bus gepackt und auf den Highway gesetzt, als die siebenjährige Olive unbedingt "Little Miss Sunshine" werden will. Die pummelige, dick bebrillte Siegerin einer Kinder-Miss-Wahl ist eigentlich ziemlich intelligent, doch möchte sie soooo gerne ihre Performance auf der Bühne zeigen.
 
Vater Richard Hoover (Greg Kinnear) treibt alle mit verzweifeltem Grinsen an: Jeder ist ein Gewinner! Irgendwie ein besonders schöner Hohn in dieser Umgebung. So ahnt man auch direkt, dass Richards Neun-Punkte-Programm zum Erfolg recht erfolglos beim Verleger bleiben wird. Vor allem die Konfrontation mit dem philosophisch bis nihilistischen Schwager, der vor seinem Selbstmord mit allem abgeschlossen hatte, bringt Spannungen. Aber eigentlich nervt der Erfolgs-Guru jeden.
 
Opa nervt auch, aber irgendwie cool und äußerst schamlos. Und so garantieren die fünf ganz speziellen Charaktere einen herrlichen Spaß ohne jemals den warmen Blick der Sympathie von einem zu nehmen. Kollegen verglichen die Hoovers glatt mit der "Addams Family", doch bei ganz seltenen Ausrutschern in den Klamauk, sind die Hoovers nie Abziehfiguren. Der Film verschießt - im Gegensatz zur Disney-Familie - nie die Augen vor den Realitäten und Monstrositäten unserer Zeit. Diese Familie gewinnt die Herzen mit ehrlich herzlichem Lachen.

26.11.06

Happy Feet


Australien 2006 (Happy Feet) Regie: George Miller mit den Originalstimmen von Elijah Wood, Robin Williams, Brittany Murphy, Hugh Jackman, Nicole Kidman 87 Min. FSK: o.A.
 
Steppender Öko-Vogel
 
Happy? Wieso soll so ein Pinguin glücklich sein, wenn ihm die Füße einfrieren und der Fisch ausgeht. Das flotte Frackvogel-Musical bekommt durch Klima- und Katastrophe Mensch ganz schön viel Tiefgang. Wer die größten Hits der letzten Jahrzehnte auf Pinguinesisch erleben will, muss auch durch eine ernste Depression. Was aus dem Spaß einen richtig runden Film mit Schnabel und Fuß macht...
 
"Du brauchst nicht reich zu sein, um mein Mädchen zu werden. Du brauchst nicht cool zu sein, um meine Welt zu regieren. Dein Sternzeichen ist mir egal, ich will nur deine Zeit und deinen ... KUSS!" Es wird nicht der Text gewesen sein, mit dem Memphis seine Norma Jean rumgekriegt hat. Es war sicher der Gesang, mit dem er ihr Prinz wurde. Denn Kaiserpinguine balzen, indem sie reichlich Hitmaterial durchkauen und es dann in flotten Coverversionen aufs Eis bringen.
 
Mal gospelig, mal kitschig. Doch selbst beim dicksten Pathos zum Glück nie so schlimm wie beim Propaganda-Film "Die Reise der Pinguine". Denn das hier ist Trickfilm, das ist das wahre Leben. Alles ist Gesang, alles Musical. Nur mit Mumble, dem Nachwuchs von Memphis, stimmt was nicht. Der Racker kommt mit den Füssen zuerst aus dem Ei und dann macht er so komisch rhythmische Schritte... Das ist definitiv nicht Pingu-Stil, erkennt Alt-Rocker Memphis direkt. In der Schule wird es dramatisch: Jeder Pinguin kann singen, nur der kleine steppende Federknubbel lässt mit seinem Krächzen das Eis gefrieren. Dafür legt er aber zu "Sir Duke" eine genial flotte Sohle hin.
 
Ganz wie bei "Billy Elliot" - der allerdings aus einer anderen Gattung stammte - erlebt Mumble die Geschichte eines Außenseiters. Vom eigenen, ziemlich rassistischen Volk verstoßen, lernt er witzige Latinos kennen, Zwerg-Pingus mit viel Rhythmus im Blut. Hier ist der Kaiser-Pinguin direkt King. Aber Mumble ist neugierig, er will Antworten. Vor allem auf die Frage, wohin der Fisch verschwunden ist. Die Suche führt ihn zu den Menschen, doch dort versteht keiner die Frage "Wieso raubt ihr unseren Fisch?" Und schließlich endet der einst so lebendige Stepper stumpfsinnig hinter einer Aquariumswand, bis ... Bis das Feel Good-Movie doch noch die Kurve bekommt und ein seltsames Happy End herbei getanzt wird.
 
Diese "Happy Feet" lassen überraschend in der zweiten Hälfte noch etwas andere anklingen: Dem umwerfenden Spaß, diese albernen Vögel singend und tanzend zu sehen, den rasanten Rutschereien und den atemberaubenden Taucheinlagen folgt eine schwer betrübliche Öko-Katastrophe. Wenn Mumble mit Peilsender zu seinem Volk heimkehrt und der ganze Haufen steppt, nur damit die Menschen ihnen zusehen, geht das "Happy End" nicht glatt auf. Trotzdem hat dieser computer-animierte Spaß soviel Schwung und Frische, dass er "James Bond" auf dem Weg an die amerikanische Chart-Spitze ausrutschen ließ. Deshalb schnell auf ins weiße "Boogie Wonderland".

Jackass Nummer 2


USA 2006 (Jackass: Number Two) Regie: Jeff Tremaine mit Johnny Knoxville, Bam Margera, Steve-O 91 Min. FSK: k.J.
 
Die Kleinen spielen wieder Ego-Shooter? Gut so! Oder: Immer noch besser, als wenn sie diese Sachen hier nachmachen würden ... Man glaubt es nur vier Jahre nach dem Ende der "Jackass"-Serie und dem ersten Film schon wieder vergessen, oder verdrängt, welche idiotischen Selbstverstümmelungs-Aktionen Johnny Knoxville und seine Truppe da veranstaltet haben. Jetzt wird es noch bescheuerter, gemeingefährlicher und unglaublicher.
 
Sich mit verbundenen Augen und rotem Hemd in eine Stierarena stellen. Harmlos! Im Treppenhaus Skifahren? Kinderkram!!! Völkerball mit großen Medizinbällen - im Dunkeln? Besserer Schulsport! Raketenangetriebene Fahrräder oder Rollstühle auf Sprungschanzen sind nur Pausenfüller für die richtig harten Sachen, die der amerikanische Haufen von Idioten sich selbst und seinen "Freunden" antut. Es ist tatsächlich ein Wunder, dass die noch alle leben. (Leichte Zweifel an der Echtheit der Aufnahmen kommen deshalb auch immer wieder auf.) Da lässt sich einer mit 'nem Fischhaken in der Wange hinter einem Boot herziehen - als Riesenköder für Haie, die tatsächlich zuschnappen!
 
Es gibt auch noch besonders deftige Satire-Einlagen, die selbst Borat die Ausweisung aus Kasachstan beschert hätten. Völlig gleichberechtigt lassen Senioren ihre schlaffen Sexualorgane den prüden Amerikanern vorm Gesicht rumhängen. Genital oder anal, aus welcher Gegend die Ekelszenen stammen ist egal, Hauptsache es wird jemandem schlecht und viele werden sauer. Schön dabei, wenn sich selbst der Kameramann übergeben muss! Da macht auch Skandalnudel John Waters gerne bei einer ganz speziellen Einlage mit.
 
Eigentlich ist Knoxville ja mittlerweile Schauspieler. Und so meinte er es wohl ernst, als er nur das Gesicht kontrolliert, nachdem hunderte Gummigeschoße auf ihn abgeballert wurden und zentimetertiefe Wunden hinterließen. Aber nur an Armen, Beinen und am Bauch! Unfassbar. Und irgendwie paradox, wenn die Infantilität bei Akteuren und Publikum so weit getrieben wird, dass der Film keine Jugendfreigabe erhielt. Wie gesagt, ein Ballerspieler muss nicht das Schlimmste sein...

22.11.06

Thessaloniki ehrt Wim Wenders

Der Prophet in Griechenland
 
Thessaloniki. Eine Woche lang dreht sich in Thessaloniki alles um Wim Wenders und der deutsche Regisseur genießt es sichtlich. Es ist die alte Geschichte vom Propheten, der im eigenen Land nicht wirklich geschätzt wird. Man muss erst ins Ausland gehen, zu den großen internationalen Festivals, um zu erleben, welche Begeisterung Wenders hervorruft. Das 47. Internationale Filmfestival von Thessaloniki (17.-27.11.2006) verlieh Wim Wenders einen Goldenen Alexander für sein Werk. Dazu gibt es alles seine Filme, eine Fotoausstellung und viele spannende Begegnungen.
 
Es war ein bewegter Abend, auch wenn die Nachricht vom Tode Robert Altman die Stimmung trübte: Theo Angelopoulos, der bedeutendste Regisseur der Griechen überreichte Wenders die Goldfigur, die an den großen Mazedonier Alexander erinnert, der aus dieser Region stammte. Wenders war glaubhaft gerührt. Man vermutet es nicht, wenn der kleine, fast kahle Grieche im konservativen Anzug neben der langen, jugend-imitierenden Mähne des großen Deutschen im bemüht modischen Jackett steht: "Der amerikanische Freund" von Wenders und "The Hunters" des späten Quereinsteigers Angelopoulos reüssierten Ende der Siebziger Jahre zur gleichen Zeit international.
 
Neben einer kompletten Retrospektive, die auch die extrem selten gezeigte, fünfstündige Version von "Bis ans Ende der Welt" beinhaltete, konnte man auch Wenders-Fotos bewundern. Im doppelten Sinn: Die Ausstellung stellte Aufnahmen des Regisseurs und die seiner Frau Donata Wenders gegenüber. Während er von den Drehs zu "Buena Vista Social Club" oder "Don't come knocking" perfekt stilisierte "Stills" festhielt, lebt bei Donata der eingefangene Moment. Eine sichtbar gute Kombination. Der Meisterregisseur und die anerkannte Fotografin unterlassen in Thessaloniki keine Gelegenheit, sich ihre Zuneigung und Bewunderung auszudrücken.
 
In einer mit mehreren Hundert Fans völlig überlaufenen Masterclass zusammen mit dem brasilianischen Regisseur Walter Salles, der von den Filmen des Deutschen nachhaltig geprägt wurde, schwärmte Wenders über sein liebstes Genre, die Road-Movies. Zwei Straßen-Künstler durften Asphalt-Cowboys spielen, unterhielten mit Philosophischem und mit Anekdoten. Der Ort war dazu nicht ungeeignet: In Griechenland wurde Odysseus der erste Held eines Road-Movie. Der Urahn aller, die eigentlich nicht ankommen wollen.
 
Auch in Zukunft bleibt Wenders der Straße treu, die Kamera beweglich auf den Horizont ausgerichtet. Er will nach 10 Jahren USA wieder "ein paar deutsche Straßen sehen, um wieder mit Deutschland Kontakt aufzunehmen". Scheinbar wie sein Antiheld Phillip Winter, der 1973 in "Alice in den Städten" mit vielen Bildern im Gepäck aus den USA zurückkam. Der hier aufhörte, Polaroids zu schießen und wieder sehen lernte. Vielleicht lernt man dann auch in Deutschland, Wenders wieder zu sehen.

"On the Road" mit Wim Wenders und Walter Salles

Straßen-Künstler
 
Was bringt Wim Wenders und den brasilianischen Regisseur Walter Salles zusammen auf die Straße nach Thessaloniki? Das Road-Movie selbstverständlich! Es ist so offensichtlich, man sieht die Straßen vor lauter Fahrten nicht: Wie Wenders fast immer und am liebsten, drehte auch Salles mit "Central Station" und "Die Reise des jungen Che" Road-Movies. Das 47. Internationale Filmfestival von Thessaloniki (17.-26.11.2006) ehrte Wenders und das brasilianische Kino, ließ aber vor allem die beiden Straßen-Künstler in einer "Masterclass" zusammen Asphalt-Cowboys spielen.
 
Ein Festival in Griechenland ist dazu gar nicht ungeeignet: Hier fing alles an, hier wurde Odysseus der erste Held eines Road-Movie. Der Urahn all der, die eigentlich nicht ankommen wollen. Homer sang diese Geschichte - "blind wie Ray Charles", wirft Salles ergänzend ein. Leider seien keine Plattenaufnahmen mehr erhalten. Und stieg nicht Travis - was nicht zufällig nach "travel", Reisen, klingt - in "Paris, Texas" im Marathon-Motel ab? Die alten Griechen hatten es schon früh drauf. Bis zu den alten Griechen von heute, weshalb Wenders auch glaubhaft gerührt war, als ihm Theo der Große, mit bürgerlichem Namen Angelopoulos, einen Alexander fürs Lebenswerk überreichte. Man vermutet es nicht, wenn der kleine, fast kahle Grieche im konservativen Anzug neben der langen, jugend-imitierenden Mähne des großen Deutschen im bemüht modischen Jackett steht: "Der amerikanische Freund" und "The Hunters" des späten Quereinsteigers Angelopoulos reüssierten zur gleichen Zeit.
 
Doch zurück zum brasilianischen Freund Salles. Sie verstehen sich gut. Sie schätzen einander sehr. Wenders hat "Die Reise des jungen Che" einige Male gesehen. Salles beschloss Filmemacher zu werden, als er "Im Laufe der Zeit" entdeckte. Und so kramte Wenders aus diesem Frühwerk (schwarz-weiß und Benzinpreise mit Null vor dem Komma) das Seitenwagen-Gespann Vogler/Zischler hervor, ließ sie noch mal von der Elbe an den Rhein knattern, um Salles' zweirädrigen Che-Trip durch Lateinamerika Referenz zu erweisen.
 
Wim und Walter teilen eine Begeisterung für den Asphalt, die Arbeit mit kleinem Team und die Handkamera. Ohne zu wissen, wo der Film hin will, denn "the road is the script"! Kein Script, nur eine Richtung. Und sie schwärmen von den ungeplanten Begegnungen, von den "Hindernissen, die man als Geschenk an den Film annehmen muss" (Wenders). So sah das vielfach abgelehnte Script für "Che" eigentlich "Patagonien, Sommer" vor. Bei der Ankunft schneite es. Worauf das Team eine geniale Rutschpartie aufnahm.
 
 
Salles macht "On the road", Wenders rüber nach Deutschland
 
Bei Salles spiegelt die Reise des Protagonisten auch immer den Zustand des bereisten Landes wieder. Die Krise des Che ist die Krise seines Kontinents. Wenders fuhr "Im Laufe der Zeit" die deutsch-deutsche Narbe Elbe ab, dann setzte er nach Amerika über.
Beide bleiben auch in Zukunft auf der Straße, die ihre Welt bedeutet, die Kamera beweglich auf den Horizont ausgerichtet. Salles wird nach langer Überlegung nun tatsächlich das ultimative Buch zum Road-Movie verfilmen: "On the road" von Beatnic Jack Kerouac. Zur Entscheidungshilfe und als Vorbereitung drehte er eine Doku, in der auch Wenders zu Wort kommt. Schon zehn Minuten daraus machen klar, Kerouacs Zeit mit Eisenhower und McCarthy ist dem aktuellen Terror-Staat USA erstaunlich ähnlich. Und Wenders will nach 10 Jahren USA wieder "ein paar deutsche Straßen sehen", um wieder mit Deutschland Kontakt aufzunehmen. Gab es da nicht mal einen Phillip Winter, der mit vielen Bildern im Gepäck aus den USA zurückkam? Der hier aufhörte, Polaroids zu schießen und wieder sehen lernte? Das hieß 1973 "Alice in den Städten", ist aber wieder der Anfang einer anderen Reise.

21.11.06

Vadim Glowna - Der Geschichtenerzähler

Vadim Glowna gehört zu den wenigen Schauspielern, die persönlich einnehmen - ohne extrovertierte Show. Bei der Vorstellung seiner Autobiographie "Der Geschichtenerzähler" und seines neuen Kinofilms "Das Haus der schlafenden Schönen" durfte das Publikum einen offenen Menschen, einen engagierten Künstler und einen fesselnden Erzähler erleben.

Glowna beschreibt sich selbst als "Bauchmensch", "gebeutelt von Gelüsten und Instinkten". Und so las er nicht einfach, er unterbrach sich beim Lesen immer selbst mit frei erzählten Erinnerungen. "Der Geschichtenerzähler" ist ein erstaunliches Buch. Entstanden mit einer Ghost-Writerin, bietet es keine begnadete Literatur. Dafür hat Glowna unglaublich viel erlebt. Wilde Geschichten vom Krieg, vom Kiez in der Jugend, Ausbrüchen, Fluchten, Abenteuer, atemberaubende teilweise. Vor allem bei dieser Häufung fragt man sich immer wieder, ob dies nicht doch Fiktion ist. Dazu bietet der Band Theater- und Filmgeschichte anfangen bei Gustav Gründgens in Hamburg über eine tiefe Freundschaft mit Sam Peckinpah ("Steiner") bis hin zu Glownas eigenen Regiearbeiten. Allein als Theaterschauspieler mit Vera Tschechowa, einer Großnichte von Anton Tschechow, verheiratet zu sein, ist schon zu schön, um Biographie zu sein. Doch bei Glowna ist es echt, erlebt: Eine Liebe, deren Scheitern er ohne Verstellung zutiefst bedauert.
 
So offen, intelligent und faszinierend erlebte man Glowna bis früh in den Morgen. Eine unvergessliche Begegnung, mit einem stillen Star, der zurzeit wieder vor der Kamera steht und auch einen neuen eigenen Film vorbereitet, der im nächsten Jahr in Nordrhein-Westfalen gedreht werden soll.
 
Vadim Glowna
"Der Geschichtenerzähler"
Gebunden, 288 Seiten
19,95 Euro
Ullstein Verlag

Goyas Geister


Spanien, USA, Frankreich 2006 (Goya's Ghosts) Regie: Milos Forman mit Javier Bardem, Natalie Portman, Stellan Skarsgård 114 Min. FSK: ab 12
 
Der Regisseur von "Amadeus" und "Valmont" (emp)fand bereits vor fünfzig Jahren in einem Bericht über die Inquisition Parallelen zu der kommunistischen Herrschaft. Jetzt zeichnet er ein Historienbild, bei dem der Maler Goya fast zu Nebenfigur wird und die Schrecken der Inquisition Rachel Portmans Figur der schönen Ines brechen. Die Monstrositäten der katholischen Kirche erweisen sich mit den Bildern von Guantanamo als erschreckend zeitgemäß.
 
Im Spanien des Jahres 1792 arbeitet Goya (Stellan Skarsgård) als Hofmaler, der gleichzeitig seine kunstvollen und bloßstellenden Karikaturen überall in Spanien verkauft. Da erhält Ines (Rachel Portman), Muse und Modell für Goya, eine Vorladung der "Heiligen Inquisition", einer eher schweinischen, als heiligen Veranstaltung, die im Land des auserwählten spanischen Volkes besonders aufblühte. Ines geht noch unsicher lächelnd hinter die Mauern der Inquisition, doch bald zerreißen markerschütternde Schreie das opulente Bildervergnügen. Die verschrobenen Sadisten der Kirche foltern wieder für ihre Lust, ihre Ideologie und um weiter mit Angst zu herrschen.
 
Als Goya von der schrecklichen Lage seiner Muse und Modell hört, inspiriert ihn das zu einem Kupferstich. Der Vater von Ines zwingt jedoch den einflussreichen Pater Lorenzo (Javier Bardem) zur Hilfe. Erst bietet man Geld, dann folgen die gleichen Foltern wie bei Ines. (Wobei Bardem die Kleider anlassen darf!) So gesteht Lorenzo absurde Dinge und der Vater versucht zu beweisen, dass unter Folter alles gestanden wird. Doch die Hoffnung auf gesunden Menschenverstand erfüllte sich auch damals nicht, die Kirche entlässt Ines nicht aus ihren Fängen. Lorenzo wird selbst verfolgt, sein Porträt verbrannt.
 
Nach Konrad Wolfs exzellentem "Goya", der selbst von Dämonen gequält wurde und den kunstvollen, melancholischen Erinnerungen "Goya in Bordeaux" von Carlos Saura, enthält der Forman-Film am wenigsten Goya. Das Verhältnis von Kunst und Macht behandelt Forman in einzelnen Episoden am Rande, wenn etwa Napoleon durch den Prado geführt wird. Oder wenn die Königin unschön porträtiert wird. Dabei kommt die Nachricht von der Hinrichtung des französischen Königs an. Ein bedeutungsvoller Einschnitt, aber das Handlungsgerüst orientiert sich weiter an Ines. Fünfzehn Jahre später überziehen die Soldaten Napoleons das Land mit Schrecken, die Goya in seinen berühmten und immer wieder zitierten "Schrecken des Krieges" festhält. So wird dem Land kurzzeitig die Kirche ausgetrieben, menschlicher wird es dadurch kaum. Die neue Freiheit entlässt eine geschundene, wahnsinnige Ines aus den Kerkern der Inquisition, während die Täter hinter Gitter kommen. Der taube Goya nimmt sich ihrer an, um ihre Tochter zu suchen. Und sieht sie tatsächlich im Retiro - unter unerwarteten Umständen...
 
Die eigentliche Hauptrolle spielt Javier Bardem ("Das Meer in mir", "Live Flesh") als ambivalenter Pater Lorenzo. Wenn er die Inquisition thematisiert, ist der Film ungemein aktuell, dann zeigt er all die Übel der Vorverurteilung, der Rechtlosigkeit bei heiligen Kriegen, die Übel der Religion und der Dogmen. Ansonsten eine freie Biographie mit dramatischen Ereignissen in unruhigen Zeiten.

19.11.06

Idlewild


USA 2006 (Idlewild) Regie: Bryan Barber mit André Benjamin, Big Boi, Paula Patton 121 Min. FSK: ab 12
 
Hiermit nehmen wir alles zurück, was wir jemals über Videoclip-Regisseure gelästert haben: Outkast-Filmer Bryan Barber drehte das sagenhafte Video für "Hey Yaa" - und der Spielfilm "Idlewild" erfüllt dieses Versprechen über aufregende zwei Stunden. Die "Outkasts" André Benjamin alias "André 3000" und Antwan A. Patton alias "Big Boi" stürzen sich als Musiker und Schauspieler in die wilde Prohibitionszeit der Dreißiger.
 
Der große Outkast-Film erweist sich als genauso quick-lebendig, originell, einfallsreich wie ihre Musik. Und eigentlich waren Alben wie "Speakerboxx/The Love Below" und "Aquemini" ja auch schon Hörspiele. Aber man braucht kein Fan zu sein, um vom opulenten Historien-Gangster-Musik-Film "Idlewild" begeistert zu sein. Der satte Augen- und Ohrschmaus taucht voll ins Leben der Freunde Percival (André Benjamin) und Rooster (Big Boi). Percival, ist Sohn eines Bestattungsunternehmers in der Prohibitionszeit. Schnaps-Schmuggel ist an der Tagesordnung, Kriminalität ein gutes Geschäft. Die Toten landen bei Percival im Präparationszimmer und die Lebendigen gehen abends in die "Kirche". Diese "Church" ist ein wilder Musikschuppen und als ein Emporkömmling ohne Moral den Club-Boss ermordet, setzt er den Kleingangster mit Kleinfamilie Rooster als neuen Chef ein. Doch nur, um noch mehr Geld aus ihm herauszupressen. Der Freizeit-Klavierspieler Percival träumt davon, seine eigenen Stücke zu spielen und das Nest Idlewild zu verlassen. Mit der Liebe zur neuen Sängerin Angel (Paula Patton, "Deja vue") lebt diese Idee auf.
 
Musikerfilme gibt es reihenweise, doch "Idlewild" ist eine anachronistische Sensation, spielt in einer Liga mit Baz Luhrmanns "Moulin Rouge" oder "Under the Cherry Moon" von Prince. Selbstverständlich liefern Big Boi und André Benjamin grandiose Showeinlagen, ebenso elegant coole wie akrobatische Tanzszenen im Club. Schon zum Aufstehen gibt es einen genialen Song mit Chor und Band aus zahllosen Kuckucksuhren, die gleich eine ganze Wand pflastern. Zu den exzellent choreografierten Szenen kommen originelle und witzige Animationen. Da verselbständigen sich die Noten von Percival und hüpfen wild auf dem Blatt herum. Aber vor allem der eingeprägte Hahn auf Roosters Flachmann, der wie ein griechischer Chor die Handlungen seines Herrn kommentiert, spielt eine Hauptrolle. (Rooster heißt im Englischen übrigens Hahn.) Solche Animationen vermengen sich mit Teilen des Realfilms, während ein Liedchen bei einer wilden Verfolgungsjagd mit Schießerei geträllert wird.
 
Mit André Benjamin hat man einen Erzähler (im Original), der mit Melodie spricht, der Rappen kann. Doch die "Outkasts" können auch spielen, André sah schon gut aus in "Revolver", "Be Cool" und besonders in "Four Brothers". So machen sie sich auf dem ersten Tracks des neuen Albums "Idlewild" zu recht über einen eingebildeten Laurence Oliver lustig, der das Schauspielen den Profis vorbehalten will. Die CD ist übrigens nicht der Soundtrack des Films "Idlewild", denn einige der Songs stammen aus dem sensationellen OutKast-Doppelalbum "Speakerboxx/The Love Below" aus dem Jahre 2003. Dabei legen sie nicht die originale Musik der Clubs aufs Parkett - obwohl Leute wie Cab Calloway ebenso rasant waren - sondern ein "Blend" eine Mischung aus heutigem Hiphop, alten Club- und Bigband-Sounds.

17.11.06

Casino Royale


USA 2006 (Casino Royale) Regie: Martin Campbell mit Daniel Craig, Dame Judi Dench, Mads Mikkelsen 144 Min.
 
Sein statt Schein: Bonds Körperwelten
 
Von Günter H. Jekubzik
 
Der neue Bond fängt gleich exzellent an: Mit einem Vorspann-Kunstwerk ohne Frauen! Faszinierend trickreich setzen sich flächige Action-Szenen aus den Karten-Symbolen Kreuz, Pik, Karo und Herz zusammen, dazwischen immer wieder die Körpersilhouette des neuen Bond-Darstellers Daniel Craig. Viel Herz und viel Körper bestimmen einen überraschend guten Bond-Film.
 
"Casino Royale" macht auf "Prequel" und erzählt in der "Fortsetzung nach hinten", wie alles begann: Wie Bond zu seiner Doppelnull kam (ohne jemals undercover als Klofrau gearbeitet zu haben - obwohl, da war was mit dem Klo ...). Und vor allem, wie er zu einem Frauenverbraucher wurde. Denn "Casino Royal" ist auch ein richtiger Liebesfilm. Wie er überhaupt ein richtiger Film ist und nicht so eine Nummern-Revue der Action-Einlagen und gequirlten Kalauer.
 
Die Bond-Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson hatten noch ein As im Ärmel. Oder gleich ein gutes Blatt auf der Hand. Den ersten James Bond-Roman nämlich! Während die letzten Bonds rund um den exzellenten Schauspieler Pierce Brosnan zu Parodie ihrer selbst wurden, erfindet "Casino Royale" die Figur neu. Als "Körperwelten" um einen ebenso maskulin-muskulösen wie zweifelnd und gefährlich sadistisch spielenden Daniel Craig.
 
Der neue Bond geht brutaler zu Werke und wird auch brutaler gefoltert. Gewalt ist hier noch unedles Handwerk. 007 ist keineswegs zimperlich bei der Verhaftung eines Attentäters in Madagaskar oder bei der Exekution eines Kollegen. Der frisch mit staatlicher Lizenz zum Morden ausgestattete Geheimagent räumt gar nicht "secret" ganze Gebäude aus dem Weg und sprengt eine Botschaft in die Luft. Aber das ist ja auch der Stil aktueller britischer Außenpolitik. Während sich Bonds Chefin M (Judi Dench) laut fluchend aufregt, sitzt er längst bei ihr zuhause und knackt dort die Computer-Passwörter.
 
Ein schwer zu kontrollierender, arroganter Rebell. Ungewohnt, fesselnd. So sehr, dass man problemlos die erste Stunde übersteht, ohne zu wissen, warum es eigentlich geht. Nämlich darum, den schmutzigen Börsen-Spekulant Le Chiffre (Mads Mikkelsen) zu erlegen. Diesen Millionen-Zocker will man nicht einfach verhaften, sondern ihm im Poker-Spiel seine Millionen abnehmen. Damit ihn daraufhin seine Geldgeber jagen und er den guten Geheimdiensten mit Geheimnissen dienstbar sein wird. So weit der Plan und so sitzt man im Casino Royale von Montenegro mit jeweils 15 Mio. Spielgeld. Die Amerikaner zocken auch mit. Wahrlich ungewöhnliche Methoden, aber ideal für den risikofreudigen Bond und hochspannend.
 
Dazu trägt ein schön schauerlich wirkender Gegner bei: Le Chiffre ist gefährlich blass, mit blutendem Auge fein kalt lächelnd eine Art Marilyn Manson des Risiko-Kapitals. Überhaupt sind ausgewählt viele gute Gesichter in diesem Bond zu sehen. (Darunter auch deutsche Nasen wie Jürgen Tarrach und Ludger Pistor.) Da wo es bislang aufs Äußere ankam, bei dem "Bond-Girl", erlaubte man sich eine richtige Figur. Vesper Lynd (Eva Green, "The Dreamers"), Beamtin des britischen Schatzamtes, soll eigentlich nur das Spielgeld beisammen halten, wandelt sich aber von kalter Analytikerin Bonds zu dessen heißer Liebe. Ja, genau: Liebe! Nicht schnelles Vernaschen und dann weiter zur Nächsten. Auch hier ist der Bond ein richtiger Film, auch wenn er etwas lang braucht, um seinen Enden zusammen zu bekommen. So eine gelungene Frischzellenkur kann man nur feiern und hoffen, dass die Produzenten nicht zu schnell in die alte Routine zurückfallen.
 

15.11.06

Casino Royale


USA 2006 (Casino Royale) Regie: Martin Campbell mit Daniel Craig, Dame Judi Dench, Mads Mikkelsen 144 Min.
 
Sein statt Schein: Bonds Körperwelten
 
Von Günter H. Jekubzik
 
Der neue Bond fängt gleich exzellent an: Mit einem Vorspann-Kunstwerk ohne Frauen! Faszinierend trickreich setzen sich flächige Action-Szenen aus den Karten-Symbolen Kreuz, Pik, Karo und Herz zusammen, dazwischen immer wieder die Körpersilhouette des neuen Bond-Darstellers Daniel Craig. Viel Herz und viel Körper bestimmen einen überraschend guten Bond-Film.
 
"Casino Royale" macht auf "Prequel" und erzählt in der "Fortsetzung nach hinten", wie alles begann: Wie Bond zu seiner Doppelnull kam (ohne jemals undercover als Klofrau gearbeitet zu haben - obwohl, da war was mit dem Klo ...). Und vor allem, wie er zu einem Frauenverbraucher wurde. Denn "Casino Royal" ist auch ein richtiger Liebesfilm. Wie er überhaupt ein richtiger Film ist und nicht so eine Nummern-Revue der Action-Einlagen und gequirlten Kalauer.
 
Die Bond-Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson hatten noch ein As im Ärmel. Oder gleich ein gutes Blatt auf der Hand. Den ersten James Bond-Roman nämlich! Während die letzten Bonds rund um den exzellenten Schauspieler Pierce Brosnan zu Parodie ihrer selbst wurden, erfindet "Casino Royale" die Figur neu. Als "Körperwelten" um einen ebenso maskulin-muskulösen wie zweifelnd und gefährlich sadistisch spielenden Daniel Craig.
 
Der neue Bond geht brutaler zu Werke und wird auch brutaler gefoltert. Gewalt ist hier noch unedles Handwerk. 007 ist keineswegs zimperlich bei der Verhaftung eines Attentäters in Madagaskar oder bei der Exekution eines Kollegen. Der frisch mit staatlicher Lizenz zum Morden ausgestattete Geheimagent räumt gar nicht "secret" ganze Gebäude aus dem Weg und sprengt eine Botschaft in die Luft. Aber das ist ja auch der Stil aktueller britischer Außenpolitik. Während sich Bonds Chefin M (Judi Dench) laut fluchend aufregt, sitzt er längst bei ihr zuhause und knackt dort die Computer-Passwörter.
 
Ein schwer zu kontrollierender, arroganter Rebell. Ungewohnt, fesselnd. So sehr, dass man problemlos die erste Stunde übersteht, ohne zu wissen, warum es eigentlich geht. Nämlich darum, den schmutzigen Börsen-Spekulant Le Chiffre (Mads Mikkelsen) zu erlegen. Diesen Millionen-Zocker will man nicht einfach verhaften, sondern ihm im Poker-Spiel seine Millionen abnehmen. Damit ihn daraufhin seine Geldgeber jagen und er den guten Geheimdiensten mit Geheimnissen dienstbar sein wird. So weit der Plan und so sitzt man im Casino Royale von Montenegro mit jeweils 15 Mio. Spielgeld. Die Amerikaner zocken auch mit. Wahrlich ungewöhnliche Methoden, aber ideal für den risikofreudigen Bond und hochspannend.
 
Dazu trägt ein schön schauerlich wirkender Gegner bei: Le Chiffre ist gefährlich blass, mit blutendem Auge fein kalt lächelnd eine Art Marilyn Manson des Risiko-Kapitals. Überhaupt sind ausgewählt viele gute Gesichter in diesem Bond zu sehen. (Darunter auch deutsche Nasen wie Jürgen Tarrach und Ludger Pistor.) Da wo es bislang aufs Äußere ankam, bei dem "Bond-Girl", erlaubte man sich eine richtige Figur. Vesper Lynd (Eva Green, "The Dreamers"), Beamtin des britischen Schatzamtes, soll eigentlich nur das Spielgeld beisammen halten, wandelt sich aber von kalter Analytikerin Bonds zu dessen heißer Liebe. Ja, genau: Liebe! Nicht schnelles Vernaschen und dann weiter zur Nächsten. Auch hier ist der Bond ein richtiger Film, auch wenn er etwas lang braucht, um seinen Enden zusammen zu bekommen. So eine gelungene Frischzellenkur kann man nur feiern und hoffen, dass die Produzenten nicht zu schnell in die alte Routine zurückfallen.
 

12.11.06

Alien Autopsy


Großbritannien 2006 (Alien Autopsy) Regie: Jonny Campbell mit Declan Donnelly, Ant McPartlin, Bill Pullman 95 Min. FSK: ab 12
 
Vielleicht hilft der Hintergrund dem Film auf die Sprünge: Die verrückte Geschichte um die Originalaufnahmen einer Autopsie am Außerirdischen hat sich so tatsächlich 1995 ereignet. Angeblich. Ob der Spielfilm über eine gefälschte Dokumentation jetzt auch einer gefälschten Geschichte aufsitzt oder nicht, ändert nichts an dem mäßigen Unterhaltungswert dieses Film-im-Film-im-Film-im...
 
Wer kennt sie nicht, die Bilder eines Außerirdischen auf dem Seziertisch amerikanischer Militärs in Roswell? Dieser Riesenkopf mit den großen Augen und den langen Fingern. Jetzt wird endlich erklärt, wo das legendäre Filmfragment herkommt. Der kreativ chaotische Engländer Ray schleppt seinen widerwilligen Freund Gary mit in die USA, wo sie eigentlich mit altem Elvis-Kram das große Geld machen wollen. Doch ein mysteriöser Typ (Harry Dean Stanton) zeigt ihnen den Militärfilm von Experimenten an einem Außerirdischen. Mit einer gefährlichen Anleihe bei einem wahnsinnigen Dealer (Götz Otto) kaufen sie den Streifen, um zuhause festzustellen, dass nichts mehr auf ihm zu sehen ist. In heller Panik drehen sie mit Freunden und viel Kreativität die Autopsie im Wohnzimmer nach. Ein ziemlich komischer Wahnsinn, der gegen alle Erwartungen und Vernunft funktioniert. Die TV-Sender aller Länder reißen sich um die Rechte und auch das Militär interessiert sich...
 
Eine absurde Geschichte nett verfilmt. Doch wenn man diese "Alien Autopsy" genauer unter die Lupe nimmt, ist da nicht genug Substanz für einen Kinofilm. Es lassen sich Spuren von deftigen britischen Komödien entdecken, im Hirn etwas Verwirrspiel um Original und Fälschung. Das Persönliche um den verantwortungslosen Draufgänger Ray und seinen übervorsichtigen Kumpel Gary hätte irgendwann die Hauptrolle übernehmen sollen, doch so überzeugt nichts richtig. Man nimmt es freundlich hin und bringt das Video wieder zurück.

Die Super-Ex


USA 2006 (My Super Ex-Girlfriend) mit Uma Thurman, Luke Wilson, Anna Faris, Rainn Wilson 96 Min. FSK: ab 6
 
Superhelden-Film trifft auf Romantische Komödie! Kann das gut gehen? Wer erinnert sich noch an Daryl Hannah im "Angriff der 20-Meter-Frau"? Auch damals war eine ziemlich starke Frau ziemlich sauer auf ihren Ex. Doch das war nicht nur B-Picture, sondern sogar TV-Remake eines B-Pictures! Jetzt meint es Hollywood ernst und lässt Uma Thurman als neurotische Superfrau auf das Kino los...
 
Der ziemlich langweilige Ingenieur Matt Saunders (Luke Wilson) lernt die attraktive Jenny (Uma Thurman) kennen. Ganz Mann wundert er sich über nichts, auch nicht als nach dem ersten gemeinsamen Sex Möbelstücke und Körperteile arg ramponiert sind. Bald sind Matt und Jenny ein Paar. Noch ein paar Szenen weiter macht ihm Sorgen, wie einnehmend und eifersüchtig sie ist. Dann erst kapiert Matt, was wir gelangweilt schon lange sahen: Hinter Jenny versteckt sich das Wonder-Woman G-Girl, das regelmäßig die Stadt, die Umgebung oder gleich die ganze Welt rettet. Auf reichlich übertriebene Weise - genau wie ihre Gefühlsausbrüche überzogen sind: Als Matt mit ihr Schluss macht, wirft sie ihm einen Weißen Hai ins Bett. Einen lebenden! (Pferdeköpfe sind ja soooo altmodisch.) Bei so viel Eifersucht ist alles egal, auch eine verirrte Atom-Rakete. Aber zum Glück gibt es ja dem Genre gemäß noch als Gegner - oder Freund? - das böse Superhirn, den beleidigten Highschool-Freund. Nach einer langen Stunde geht der Film jetzt erst richtig los, steuert endlich auf das lieblos rasche Finale zu.
 
Ein Zickenkampf mit Superkräften. Das eigene Auto nicht nur zerkratzt wieder finden, sondern es gleich im Orbit kreisen sehen. "Die Super-Ex" sorgt für ein paar völlig irre Momente. Der Rest ist dünn - sowohl in Frequenz als auch in der Wirkung. Lahme Entwicklung und gemäßigte Effekte verwässern die gute Idee der rasend eifersüchtigen Super-Ex. Uma kann das spielen - keine Frage! Sie kann so ziemlich alles spielen von "Kill Bill" bis zur Patientin auf der Couch von Meryl Streep. Nun ahnt man direkt, dass an Jennys "Liebe" etwas nicht stimmt. Thurman spielt die freundliche Fassade, hinter der die gefährlich neurotische Ziege lauert, exzellent. Und fragt sich den halben Film wohl, was sie sonst noch machen soll. Wieder einmal wurde eine gute Idee schwachen Autoren überlassen, die trotz Komödienroutinier Ivan Reitman ("Ghostbusters") eine schlaffe Ausführungsicherstellten.

Scoop


Großbritannien, USA 2006 (Scoop) Regie: Woody Allen mit Scarlett Johansson, Woody Allen, Hugh Jackman, Ian McShane, 95 Min. FSK: ab 6
 
Joe Strombel (Ian McShane) hat sich in seinem Reporterleben überall rausgewunden. Nun startet er selbst auf dem Totenfluss Styx noch eine letzt Recherche, als er vom letzten Opfer eines Serienmörders mörderisch gute Information aus erster - oder letzter - Hand erhält. So springt Joe dem Sensenmann noch mal kurz vom Schiff und erscheint einer Berufskollegin, die Strombels journalistische Sensation, seinen letzten "Scoop" realisieren soll. Sondra Pransky (Scarlett Johansson) erweist sich aber als dummes Reporterhuhn, das dauernd zuviel quatscht und beim Interviewten direkt im Bett landet. Die amerikanische Studentin schreibt für eine Uni-Zeitung und besucht in London gerade Freunde der Upper Class.
 
Da ihr Joe Strombel erstmals in der Show des mediokren Zauberers Splendini (Woody Allen) erschien, sucht Sandra bei dem Landsmann Unterstützung. Der warnt und winkt ab, um kurz drauf selbst mit in der Sache zu hängen. Sowohl Recherche wie Film verlaufen allerdings etwas schwerfällig, wenn sich zwei Amateur-Journalisten als Detektive versuchen. Sie wissen um ihre Unzulänglichkeiten: "Wenn wir unsere Köpfe zusammenstecken, gibt es ein hohles Geräusch", erkennt Sandra einsichtig. Doch dank einiger Zufälle schleicht sie sich beim Verdächtigen ein. Durch einen vorgespielten Badeunfall lernt sie den Aristokraten Peter Lyman kennen. Die Klassengesellschaft hat in Pool und Bikini keine Erkennungsmerkmale mehr. Allerdings erscheint Lord Lyman viel zu charmant, als dass er der Tarot-Killer sein könnte, der bereits zehn Prostituierte umbrachte. Sandra verfällt ihm undercover und landet bald unter Peters Bettdecke. Nur Splendini, der sich als Sandras Vater ausgeben musste, sucht weiter nach den Spuren eines neuen Jack the Ripper (Sandra: Wie schreibt man das?) ...
 
Nach "Match Point" schleicht sich Woody Allen erneut in die Upper Class ein. Die Frage, was Allen an London findet, ist falsch gestellt. "In" London findet er Geldgeber für seine Filme. Nebenbei machte er sich in "Match Point" über die High Society lustig und moralisierte gleichzeitig. Jetzt ist die moralische Komponente nur noch ein Witz und ein abgegriffener Mordplot auf Kosten der Lords.
 
So wie Splendini die Adeligen mit billigen Kartentricks belustigt, unterhält auch Allen mit den immer gleichen Tricks. Wie wunderbar verzauberte und hypnotisierte Allen noch 2001 "Im Bann des Jade Skorpions". Damals sprühte nicht nur Wort-, sondern auch Situations- und romantischer Witz. Nun darf die gehypte Scarlett Johansson nach ihrem tragisch-dramatischen Auftritt in "Match Point" ihr komödiantisches Talent zeigen, macht das auch ganz gut. Dem Vergleich zu anderen "Allen-Girls" wie Diane Keaton oder Mia Farrow hält sie jedoch (noch?) nicht stand.
 
Der "Scoop" gelingt Allen vor allem durch seine Dialoge. Als Thriller ist der Film eher selten mal spannend, weil vor allem unbeholfen herum geschnüffelt wird. Der neue Allen ist wieder der alte Allen, der konstant zwischen gut und nicht so gut schwankt.

Wo ist Fred?


BRD 2006 (Wo ist Fred?) Regie: Anno Saul Fred mit Til Schweiger, Jürgen Vogel, Alexandra Maria Lara, Christoph Maria Herbst, Anja Kling 111 Min. FSK: ab 12
 
Der unbewegte Mann
 
Wer so "Manta, Manta" führt, muss irgendwann im Rollstuhl landen. Oder in einer noch blöderen Komödie namens "Wo ist Fred?"! Til Schweiger produziert sich immer mal wieder in ambitionierten Projekten - er kann aber auch ganz anders. So geriet der Nachfolger von Anno Sauls frecher wie origineller "Kebab Connection" zur dummen Klamotte.
 
Fred (Til Schweiger), ein rücksichtsloser Polier, macht der Tochter vom Chef den Hof. Beide passen in ihrer Plattheit gut zusammen, doch Maras (Anja Kling) dickes, verwöhntes Söhnchen Linus erpresst den Stiefvater in Spe: Nur wenn der einen signierten Ball von irgend so einem Sportstar besorgt, kommt es zur Hochzeit. Diese Bälle landen aber immer auf der Behinderten-Tribüne, weil "Behinderte sowieso immer bevorteilt werden" (O-Ton Fred). Fred, gar nicht helle, setzt sich flugs in einen Rollstuhl, kickt den Nebenmann weg und hat den Ball in seinen Händen. Doch wegen der PR-Aktion eines Werbefuzzis muss er jetzt eine Woche lang den Geh-Behinderten weiterspielen. Und Alex (Jürgen Vogel), sein Kumpel vom Bau, schiebt ihn als vorgeblicher Pfleger nur immer tiefer ins Schlamassel rein.
 
Genauso dumm-dreist wie die Leute, die immer auf Behindertenplätzen parken, kommt auch dieser Film daher. Ein paar falsche Annahmen, reihenweise schlampig gezeichnete Figuren und ein unoriginelles Drehbuch mit Gags von Vorvorgestern. Man kann dabei vor allem über Til Schweiger lachen, der in einer selten dämlichen Rolle wieder Unterhemd und Oberarme zeigt. Auch einige andere deutsche "Stars" zeigen sich von ihrer schlechtesten Seite: Alexandra Maria Lara blinkt ihre Rehaugen so nett, so lieblich, so dämlich, wie man sie besonders hasst. Jürgen Vogel spielt das größte Arschloch dieser Geschichte, wird aber als komödiantische Nebenfigur mit der profillosen Nebenfrau belohnt. Ohne eine Lektion, wie sie diese Figur etwa bei Shakespeare erleben müsste. Der gleiche Film auf amerikanisch und auf besser hieß mit Johnny Knoxville übrigens "Dabei sein ist alles". Bleibt zu hoffen, dass die Unbelehrbaren nach möglichst wenigen Wochen an der Kinokasse vergebens fragen: "Wo ist Fred?"

10.11.06

Der Fluch - The Grudge 2


USA 2006 (The Grudge 2) Regie: Takashi Shimizu mit Amber Tamblyn, Arielle Kebbel, Jennifer Beals 101 Min. FSK: ab 16
 
Auch dieser Horror beginnt mit Teenies, aber er ist von einer anderen Kategorie als amerikanische Serienware: In der sechsten - nationalen wie internationalen - Variante dieses Klassikers des J-Horrors von Takashi Shimizu schleicht sich der Schrecken wieder in den, aus einer anderen Kultur stammenden und deshalb wirkungsvolleren Fratzen unter die Haut.
 
"The Grudge 2" baut sich ruhig und satt in drei Strängen auf, die jeweils auf einen schrecklichen Höhepunkt hinauslaufen. Sarah Michelle Gellar hält es nicht mehr aus, sie springt ganz schnell aus dem Fenster. So muss jemand anderes sich gründlich erschrecken lassen und dem Rätsel des verwunschenen Hauses nachgehen. Von dort breitet sich der Horror rasant aus und gebiert sehr schöne Realisierungen der Schreckensfiguren, wenn sich das schwarze Etwas etwa in einem sich gerade entwickelnden Foto bewegt, wächst und die gesamte Entwicklerflüssigkeit färbt, bevor aus dieser Brühe der haarige Kopf auftaucht. Solche Momente gibt es reichlich und so kann man ganz ohne Grimm diesen zweiten, dritten oder sechsten Teil als herausragend für sein Genre genießen.
 
Mit Witz werden die Ikonen dieses eigenen Sub-Genres eingesetzt. Das kleine Kind, das hinkende Wesen im Kittel und mit vor lauter schwarzen Haaren schiefem Kopf. Vielleicht tauchen diese Bekannten schon zu oft auf, dem Inflationären folgt ganz nah die Parodie. Doch die Teenager, die bei Sex-Versuchen vom Grauen verschlungen werden, sind eher augenzwinkerndes Zitat als zu platte Aufgabe an den internationalen US-Geschmack.

9.11.06

"Sommer 04"-Regisseur Krohmer im Gespr ä ch

"Ich muss drehen ..."
 
Aachen. Nach einer sehr positiv beachteten Premiere in Cannes startete das intensive Drama "Sommer 04" mit guten Zahlen in den deutschen Kinos. Doch in der dritten Woche ging die Nachfrage zurück und so machte sich der Regisseur Stefan Krohmer noch mal auf zu einer Kinotour in die "mittelgroßen Städte". Im Apollo reichte es am Mittwoch nur für einen Kurzauftritt vor der Filmvorführung.
 
Neugierige und Fragen waren reichlich vorhanden für den jungen Regisseur des durchgehend begeistert besprochenen Sommerdramas mit Martina Gedeck. Stefan Krohmer erzählte locker und mit Witz von nicht immer einfachen Dreharbeiten. Gleich betonte er die Zusammenarbeit mit Daniel Nocke. Seit 8 Jahren schreibt der eine die Drehbücher, der andere inszeniert den Film. "Sommer 04" ist nach "Sie haben Knut" (2003) der zweite gemeinsame Kinofilm. Dabei ist die Verständigung durchgehend, Nocke schaut sogar auch mal beim Schnitt vorbei. Sein besonderes Talent: "Daniel vermeidet Szenen, die ich nicht hinkriege." So unaufdringlich wie die Ironie in Krohmers Antworten bleiben auch die Charakterisierungen, Vorausdeutungen und dramatischen Schicksalswenden von "Sommer 04", dem Familien- und Segelurlaub an der Schlei, bei dem eine seltsam verklemmte Mutter (Gedeck) in erotische Konkurrenz mit der 12-jährigen Freundin ihres Sohnes tritt.
 
"Nicht der Plot, sondern die Situation hat uns interessiert", schildert Krohmer die selbstbewusst andere Herangehensweise, die das junge deutsche Kino bereichert. Von Anfang an herrscht eine untergründige Spannung im Urlaubsheim an der Schlei. Die Dialoge sind auf dem Punkt, psychologisch genau bis zum überraschenden Ende. Unberechenbar wie die weibliche Hauptfigur waren auch die Aufnahmen der Segeltörns mit zwei Booten in wechselnder Besetzung: Nachdem man eine Stunde raus auf die Ostsee gefahren ist, zwang mehrmals eine Flaute zu Rückkehr. "Und ein Drehtag kostet 25.000 Euro!"
 
Als nächstes machen Krohmer und Nocke einen Fernsehfilm für die ARD: "Ich muss drehen, sonst werde ich unruhig." So unruhig wie die Begleitung, die zum nächsten Termin drängt und das zu kurze Gespräch beendet.

7.11.06

Children of Men


USA 2006 (Children of Men) Regie: Alfonso Cuarón mit Clive Owen, Julianne Moore, Chiwetel Ejiofor 108 Min. FSK: ab 12
 
Nach dem wunderbaren "Y tu mamá también - Lust for Life!", der verunglückten Romanze "Große Erwartungen" und dem Harry Potter-Film "Harry Potter und der Gefangene von Askaban" nun ein Science Fiction, in dem es um nicht weniger als das Überleben der Menschheit geht. Der mexikanische Regisseur Alfonso Cuarón kann in vielen Sparten beeindrucken. Doch bei "Children of Men" ist er wieder so grandios wie "Y tu mamá". Eine ebenso fantastische wie menschliche Zukunftsvision, die fast an Meisterwerke wie "Brazil" ranreicht.
 
Man muss kurz nachdenken, um den Kern der Medienhype zu verstehen: Der jüngste Mensch der Erde ist gestorben! Na und? Außer ... Außer wenn seit 18 Jahren keine Kinder mehr geboren werden und der Tod dieser Popfigur ein Menetekel für das Aussterben der Menschheit ist.
 
Die Welt ist - wie in vielen Science Fiction und eigentlich auch in der Realität - unterteilt in ein abgeschottetes Paradies für die Reichen und Mächtigen, in eine halbwegs lebbare Zone für den verängstigten Mittelstand und in die rechtlose Wildnis. Abschiebungslager regeln den Abfluss unliebsamer Menschen. Und Großbritannien ist groß im Abschieben. Dadurch bleiben die braven Bürger vom Chaos verschont, in das die restliche Welt wegen der Terrorkriege von Bush und Co versunken ist.
 
Unberühmt von der kollektiven Trauer läuft der desillusionierte, zynische Theo (Clive Owen) durch die Straßen Londons. Selbst eine Bombenexplosion in dem Starbucks, aus dem sein noch heißer Kaffee stammt, hinterlässt nur eine Irritation im Ohr des Journalisten. Doch plötzlich entführen ihn die Rebellen, zu denen sich seine Ex Julian (Julianne Moore) geschlagen hat. Die will sich nicht mehr rächen, nur ein paar Passierscheine soll Theo bei seinem Verwandten in Regierungskreisen besorgen. Der kürze Trip raus aus der halbwegs sicheren Stadt wird zum Fiasko. Mit Verfolgungsjagden, Schießereien sowie Flucht vor dem Staat und den Rebellen. Alles dreht sich um eine junge Frau, die schwanger ist. Eine medizinische Sensation. Ein Wunder, das verschiedene Parteien für ihre Zwecke ausschlachten wollen. So bleibt zuletzt Theo auf einer langen Odyssee an der Seite der neuen Eva. Durch die Wirren von Straßenkampf und Massendeportationen versucht er dieses Wunder zu retten.
 
Das Produktionsdesign schafft mit geschickten Akzenten im chaotischen London gleichzeitig ein Zukunftsgefühl und einen Widererkennungseffekt. Ganz ähnlich wie in den entvölkerten Straßen von "12 Monkeys". Witzig ist, nachzusehen, welches Autodesign die Jahrzehnte überlebt hat und als futuristisch gilt: Selbstverständlich ein Citroen, aber auch der umstrittene Fiat Multipla.
 
"Children of Men" ist in Ausstattung und Dramaturgie ein Meisterwerk, mit einem extrem bewegenden Moment als Höhepunkt: Angesichts des Neugeborenen schweigen alle Waffen, Stille und Frieden zieht in die Gesichter der Kämpfer ... für einen Moment. Diese Zukunft spiegelt aktuelle Themen ebenso wie die Vergangenheit und gibt reichlich Stoff zum Grübeln und Diskutieren.
 

Jagdfieber


USA 2006 (Open Season) Regie: Roger Allers, Jill Culton, Anthony Stacchi 86 Min. FSK: o.A.
 
Endlich kann man eine der beliebtesten Werbefiguren in einem "abendfüllenden" Spielfilm sehen. Der Charmin-Bär, Freund irgendeines Toilettenpapiers, spielt die Hauptrolle in der komischen Tier-Animation "Jagdfieber" und findet in der Wildnis kein anständiges Klo ... oder so ähnlich.
 
Tatsächlich heißt der gutmütige Kerl Boog, ist ein riesiger, handzahmer Grizzly, ein Haus-Bär, der bei der Öko-Pfadfinderin Beth in der Garage lebt. Dort hat er seine eigene Bären-Toilette - selbstverständlich mit eigenem Toilettenpapier. Ein schönes Leben als Zwei-Meter-Schmusetier, bis ein ziemlich verrückter Hirsch ins Leben von Boog eintritt. Na ja, genau gesagt wird Elliot (Stimme von Ashton Kutcher / Jürgen Vogel) auf dem Kühlergrill des Jägers Shaw in die Szene gefahren. Waidgerecht auf der Landstraße erlegt von diesem wahnsinnigen "Naturfreund", der die Herrschaft der Tiere befürchtet und alles niederknallen will, was sich bewegt. Boog befreit Elliot und der hektische Drei-Ender - die Hälfte des Geweihs wurde abgeknickt - begibt sich fortan unter den Schutz des Grizzlys.
 
Das geht ziemlich schnell schief. Der verwöhnte, verweichlichte Bär überwindet seine Ängste und verlässt die heimische Garage für ein paar Süßigkeiten und Konsum-Exzess im Supermarkt. Der Rausschmiss aus dem Paradies folgt sofort: Boog wird von Beth unter Tränen ausgewildert und Elliot schickt man direkt mit in die Wildnis.
 
Jetzt ist die Not groß: Denn Boog kann ohne Schlummer-Liedchen nicht einschlafen, fischen oder jagen schon mal gar nicht. Mit seinem Schmuseteddy tappt er hilflos im Kreis herum. Der riesige Grizzly wird von frechen schottischen Eichhörnchen mit Waldfrüchten bombardiert. Die Biber unterbrechen Arbeit und Brotzeit (lecker mit verschiedenen Sorten Holz) um den albernen Tanzbär zu verlachen. Nur die französischen Enten mit ihren traumatischen Erinnerungen an einen tragischen Luftkampf machen sich nicht über Boog lustig - sie selbst sind noch alberner.
 
Ein grandioses Tierleben präsentiert diese digitale Animation, die zwar "Ice Age", "Madagascar" und Co. ähnelt, aber mehr aus den digitalen Möglichkeiten macht als die Konkurrenz. Das Sony-Team um Roger Allers, dem Regisseur von "König der Löwen", und Jill Culton, der Mitarbeiterin diverser Pixar-Hits wie "Toy Story" und "Die Monster-AG", erlaubt sich etwas wildere Einlagen, bebildert nicht nur brav eine brave Geschichte.
 
Die gibt es allerdings auch, denn Hirsch Elliot weicht Boob nicht von der Seite. Auch wenn er keine große Hilfe ist, als die Jagdsaison beginnt, raufen sich die Tiere des Waldes zusammen und verjagen die Jäger. Dabei steigert sich die Freude über jede neue Tierart noch, wenn Enten mit Stinktieren Luftangriffe fliegen oder Hirschgeweih mit Unterhosen zu Schleudern umfunktioniert werden. Die heimlichen großen Stars sind dabei herrlich dämliche Kaninchen, die mal als Wurfgeschosse mal als ungebetene Klo-Beobachter noch mehr Spaß bringen.