27.2.07

Filmtournee "ueber arbeiten"

"Ueber arbeiten" - unter diesem gewitzten Titel macht sich ein bundesweites Filmfestival Gedanken zu Arbeit, Wirtschaft und Globalisierung. In Düren werden die 15 Kurz- und Langfilme vom 1. - 6.3.2007 im Comet-Cinema gezeigt. Die Eröffnungsveranstaltung heute Abend um 18:30 Uhr im Kreishaus Düren gibt den Startschuss zur einer gelungenen Aktion mit vielen interessanten Filmen.
 
Die Welt der Arbeit ist in Bewegung. Das weite Feld zwischen Heuschrecken, Globalisierung, Billiglohn oder Kinderarbeit mal nicht in politischen Thesen oder Seminaren abzugrasen, sondern in exzellenten Film-Dokumentationen mit Augen und Ohren zu erfahren, ist die überzeugende Idee von "ueber arbeiten". Da erzählt "Abschalten! - Apaga y vámonos" vom Widerstand der chilenischen Mapuche-Pehuenche gegen den zerstörerischen Bau des weltweit drittgrößten Staudamms durch den spanischen Energiekonzern ENDESA. Während "ENRON - The Smartest Guys in the Room" den größten Finanzskandal der US-Wirtschaftsgeschichte durchleuchtet, gewährt "China Blue" Einblicke hinter die geschlossenen Fabriktore chinesischer Billig-Nähereien für westliche Kleidung und gibt den anonymen Arbeiterinnen ein Gesicht.
 
Hinter der Tournee "ueber arbeiten" steht das breite Aktionsbündnis "Die Gesellschaftler" (www.diegesellschaftler.de). Zu ihm gehören unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Caritasverband, die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, der Sozialverband VdK, BUND e.V., Pro Asyl, TransFair und der DGB. Eine starke Gemeinschaft, die ein starkes Programm auf die Reise schickt. Dabei sind die Filme auch in Fachkreisen so anerkannt, dass der "film-dienst" der Tournee "ueber arbeiten" gleich eine mehrteilige Reihe widmete. Das Filmfestival reist seit November 2006 durch 80 deutsche Städte und ist der Auftakt von insgesamt drei Filmtourneen. Bis zum Frühjahr 2007 nehmen Multiplex-, Programm- und kommunale Kinos teil.
 
Zum Prinzip der Festivaltournee gehört, dass lokale Partner den Film begleiten. In Düren sind dies der Caritasverband, der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Eine-Welt-Laden Düren und die Koordinationsstelle Pro Seniorinnen und Senioren im Kreis Düren. Letzterer stellt beispielsweise den Schweizer Film "Herb, mein Herbst?" vor, in dem Rose, Nadine und Jacqueline - zusammen 240 Jahre alt - in ihren Beschäftigungen gezeigt werden, mit der sie der Langeweile des Rentnerdaseins entfliehen wollen. Das Thema dieser Dokumentation ist nicht die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, sondern der Versuch dreier couragierter Damen, trotz vieler Fehlschläge ihrem Leben Selbstständigkeit und Würde zu verleihen.
 
Mit im Programm ist auch ein Beitrag aus der Region: "Die Döner Queen Teil 2" realisierten Ulrike Bartels und Dieter Zeppenfeld von der Aachener Filmproduktion Zinnober. Der Kurzfilm porträtiert Hülya Günes, die in Pirmasens mit nichts als dem Willen zum Erfolg und ein paar Kontakten von die Dönerfabrik Lezzet gegründet haben. Leider nicht in der vom Freiwilligenzentrum Düren e.V. organisierten Auswahl dabei ist der deutsche Film "Behind the Couch - Casting in Hollywood" von Veit Helmer. In die Freude über einen seltenen Filmhöhepunkt in der Region mischt sich der Hunger auf mehr, auf das komplette Programm von "ueber arbeiten".
 
Infos: http://diegesellschafter.de/

Comet-Cinemas
Eintritt 5 Euro
Programmansage: 02421-404044
Kartenreservierung: 02421-404055

26.2.07

Smokin' Aces


USA 2006 (Smokin' Aces) Regie: Joe Carnahan mit Ben Affleck, Andy Garcia, Alicia Keys 109 Min
 
Morde am laufenden Filmmeter, cool gefilmt - das ist spätestens seit Quentin Tarantino ein eigenes Genre mit eigenem Klientel. Und im Rahmen der Genre-Regeln kann die Kritik nur relativ sein: Das übliche Schützenfest, das originell sein will, aber seine explosiven Zielscheiben mit zu wenig Persönlichkeit ausstattet...
 
Ein Kronzeuge des FBI soll ausgeschaltet beziehungsweise geschützt werden. Dass Buddy "Aces" Israel (Jeremy Piven), der Zauberstar von Vegas, als ausgemachtes Ekel seine Hotelzimmer unsicher macht, ist nicht der Grund, dass er verschwinden muss. Ist aber eigentlich auch egal. Zuerst wird langwierig die Armada der Killer filmisch aufgestellt: Das sind die Gesetzes-Vertreter, die Gesetzlosen, die Kopfgeldjäger und die Geheimnisvollen. Hier schon verlässt sich der Film auf seine flotten Schnitte, die schrägen Perspektiven und die lässigen Haltungen. Wobei haufenweise Match Cuts noch keinen Stil machen.
 
Der Overkill an Killern beeindruckt: Als schwarzes Lesbenpärchen (mit Popstar Alicia Keys) oder treue FBI-Partner, als schmierige Kopfgeldjäger oder geniale Verkleidungskünstler, als raffinierte Killer oder völlig durchgeknallte Psychopaten. Die Killerei macht selbst nicht vor Ben Affleck halt, der hier nur ein kurzes Leben hat, einige andere dürfen allerdings auch von den Toten wiederauferstehen.
 
Doch alle, die sich zur Schlacht ums Hotel-Penthouse am Lake Tahoe einfinden, sind im wahrsten Sinne nur Schießbudenfiguren. Was das Morden zu einer witzigen, coolen Angelegenheit machen soll, bremst die emotionale Beteiligung. So gibt es kaum Mitgefühl und auch noch seltsame Stilbrüche: Hier suhlt man sich im Kettensägen-Massaker, dort wendet sich die Kamera gnädig vor dem Erschießen ab.
 
Ansonsten: Schwarze Serie kunterbunt. Die Grenze zwischen Verbrechen und Gesetz sind längst nicht mehr existent, Gut und Böse sind blutverwandt. Aber es gibt immer einen, der reinen Herzens ist. Die herzergreifende Erklärung im recht entspannten Finale interessiert dann schon längst nicht mehr.

21.2.07

Bordertown


Großbritannien, USA 2006 (Bordertown) Regie und Buch: Gregory Nava mit Antonio Banderas, Jennifer Lopez, Sonia Braga, Maya Zapata, George Morgan, Martin Sheen 115 Min
 
Sehen braucht man diesen Film wirklich nicht. Es reicht, wenn drüber berichtet und das Thema weniger ausbeuterisch ins Bewusstsein gerufen wird. Hunderte Morde an Frauen mit Billiglohn-Jobs im mexikanischen Grenzort Juarez blieben ohne diesen Film unter dem Radar der Weltöffentlichkeit. Ohne diesen schlechten und verächtlichen Film.
 
Die karrieregeile amerikanische Journalistin Lauren (Jennifer Lopez) fährt widerwillig nach Juarez, um mit Hilfe ihres ehemaligen Partners Diaz (Antonio Banderas) über die Hintergründe der Morde zu recherchieren. Zufällig trifft sie auf die junge Eva (Maya Zapata), die vergewaltigt und lebendig begraben wurde, aber überlebte. In ziemlich unglaubwürdigen Szenen versucht Lauren, Eva zu schützen, und kann so die Täter identifizieren. Doch ihre Zeitung in Chicago (Chefredakteur Martin Sheen) lässt sich auch von den Betreibern der ausbeuterischen Montagestätten in Billigländern bestechen, der Artikel erscheint nicht und Lauren kämpft vor Ort für die richtige Sachen, nachdem sie sich an ihre mexikanischen Wurzeln erinnert hat.
 
"Gut gemeint" ist das positivste, was man zu "Bordertown" schreiben kann. Die Verquickung von Ausbeutung, Unterdrückung und Vergewaltigung mit Freiem Welthandel, Globalisierung und Unterhaltung bringt so den Opfern und Angehörigen weltweite Aufmerksamkeit und Lopez einen 'Artists For Amnesty'-Award. Regisseur Gregory Nava versuchte übrigens auch schon mit "Frida" die Karriere Salma Hayek aufzupolieren. Nun verpulvert er die Wirkung des Films anfangs mit bedrohlichen Effekten, mit unnötigem Theater, das immer wichtiger bleibt als die Geschichte der ermordeten Frauen.

20.2.07

Pans Labyrinth


Mexiko, Spanien, USA 2006 (El Laberinto Del Fauno) Regie und Buch: Guillermo Del Toromit Ivana Baquer, Doug Jones, Sergi López, Ariadna Gil, Maribel Verdú 119 Min.
 
Der Mexikaner Guillermo del Toro drehte zum zweiten Male einen fantastischen Film zum spanischen Faschismus. Nach dem Horror in "El Espinazo del Diablo" (Das Rückgrad des Teufels) folgt der Terror in Märchenform. In "Pans Labyrinth" treffen sich Fantasien, Realitäten und exzellente Filmkunst.
 
Das junge Mädchen Ofelia (Ivana Baquero) zieht von der Stadt zum Gebirgslager des neuen Mannes ihrer Mutter Carmen, dem Faschisten-Capitan Vidal (Sergi Lopez). Am Wegesrand setzt die neugierige Ofelia das Auge einer mythischen Steinfigur wieder ein, worauf eine Gottesanbeterin erscheint und die Geschichte von nun an fantastisch begleitet.
 
Die Realität Spaniens kurz nach Ende des Bürgerkrieges ist so harsch, dass Fluchten in Märchen verständlich sind. Brutalst jagt Vidal mit seinen Truppen verstreute Republikaner. Gleichzeitig sperrt er seine Gattin Carmen ein, zwingt sie zur Bettruhe, damit das Leben des ungeborenen Stammhalters nicht gefährdet wird. Selbst die Tochter darf ihre Mutter nicht sehen und folgt derweil der Mantis, die sich zu einer Fee verwandelt. Diese führt Ofelia zu Pan (Doug Jones), dem Wärter der Unterwelt. Hier erfährt das Kind, dass es verschollene Erbin eines Königreiches sei, aber drei Prüfungen bestehen muss, um ihre Eltern wieder zu sehen.
 
Schon Pan erweist sich als schauriger Verführer, die Prüfungen fordern das Äußerste vom verzweifelten Mädchen. Aus einer Höhle voller Ungeziefer muss einer Riesenkröte ein Schlüssel entwendet werden. Dann entkommt Ofelia mit knappster Not einem grausigen Menschenfresser, der seine Augen in den Handflächen trägt.
 
Wieder einmal grandios spielt Sergi Lopez ("Western", "Dirty Pretty Things"). Diesmal einen rechten Pedanten, der eigenhändig Folter und Hinrichtung von Verdächtigen durchzieht. Neurotisch, cholerisch, ein gefährlicher Faschist und Macho aus tiefer Überzeugung. Dagegen steht die extrem mutige Haushälterin Mercedes, zusammen mit Ofelia bildet sie die Front der Frauen gegen den Faschismus. Zweimal werden Frauen von bedrohlichen Herrschern umworben. Während die kranke, schwangere Mutter Carmen dem Soldaten anheim fällt, wehrt sich die belesene Ofelia in Fantasie und schließlich auch in der Realität.
 
"Pans Labyrinth" erzählt grandios seine über beide Welten eng verbundene Geschichte. Fantastisch, spannend, aber auch blutig und erschreckend. Die Filme von Guillermo del Toro pendeln zwischen interessanten Genre-Übungen ("Mimic", "Blade 2", "Hellboy") und einzigartigen, filmischen Ausrufezeichen, die Genres klug variieren. Eine Mischung aus Horror und Historie war "El Espinazo del Diablo", der Horrortrip des zwölfjährigen Carlo in einem abgelegenen Waisenhaus während des Bürgerkrieges. Nun vermengen sich das Politische und das Fantastische, wobei Del Toro mit einem sensationellen Schnitt arbeitet, der als ferne Reminiszenz des Kubismus auch ästhetisch die Seite der Republik wählt.

Tagebuch eines Skandals


USA/Großbritannien 2006 (Notes on a Scandal) Regie: Richard Eyre mit Cate Blanchett, Dame Judi Dench, Bill Nighy 92 Min. FSK: ab 12
 
Scharf. Exakt. Treffend. Brillant. Schon die ersten Sätze der zynischen Geschichtslehrerin Barbara Covett (Judi Dench) liefern den Kinogenuss einer Schauspiellegende, die viel mehr ist als nur die Chefin von James Bond. Hier ist sie Urgestein und moralische Distanz in einer Schulgemeinschaft, die - wie der Rest der Gesellschaft - dem kulturellen Verfall rettungslos ausgeliefert ist. Ihre Schüler haben die Wahl, Klempner oder Terrorist zu werden, so kommentiert die bittere Dame Szenen ausgelassenen Blödsinns. Die Kollegen kommen auch nicht besser weg. Ein schöner Einblick ins ach so harte Leben überforderter Lehrkräfte.
 
Alles ändert sich als Sheba Hart (Cate Blanchett) ihre neue Stelle als Kunstlehrerin antritt. Ein fragiles Luftwesen, völlig verloren im rauen Klima des Klassenzimmers. So muss Barbara die wesentlich jüngere Kollegin förmlich aus einer Schlägerei ihrer Schüler herausziehen und retten. Nach diesem Ereignis freunden sich die Frauen an, Sheba lädt die einsame Seniorin zu sich nach Hause ein. Wo Barbara vom älteren Ehemann und den beiden Kindern der gut situierten jungen Frau überrascht ist. Spitze Bemerkungen über das imaginierte Sexualleben der Gastgeber und den geistig behinderten Sohn halten sich die Waage mit Schwärmereien angesichts der schönen Sheba.
 
Die Tagebuchaufzeichnungen Barbaras erzählen uns all dies, aber längst nicht alles. Als Barbara Shebas Verhältnis mit dem 15-jährigen sexy Schüler Steven entdeckt, spielt sie kurz die Moralische, um direkt darauf die Situation für sich auszunutzen. Denn Barbara will mehr als nur Freundschaft von Sheba...
 
Frisch von der Berlinale kommt dieses Gänsehaut-Drama, das dort keinen Preis bekam. Was bedeutet, es muss zu den besseren Filmen gehören! Cate Blanchett brillierte dort in "The Good German" als Marlene Dietrich-Verschnitt und dann ganz anderes diesem "Tagebuch eines Skandals". Regisseur Richard Eyre ist einer dieser unglaublich erfahrenen Leute, die meist im Fernsehen gearbeitet haben. Er faszinierte schon mit dem Bühnen-Drama "Stage Beauty" (2004) und der herzergreifenden Alzheimer-Geschichte "Iris" (2001). Letztere auch mit Judi Dench als Autorin, die ihr Gedächtnis verliert.
 
Die Situation wirkt schnell aussichtslos. Vor allem für Sheba. Wie das Drama trotzdem immer dramatischer wird, gehört zu den gelungenen Kunststücken dieses dichten Strudels der Emotionen. Den Sog ins Verderben treibt auch die sanft serielle Musik von Philip Glas an. Wie die naive Kunstlehrerin mit der neurotisch berechnenden Hexe ihr ungleiches Duell ausfechten, die exakt gezeichneten heftigen Emotionen, das atemberaubende Drama ist britisches Psycho-Kino vom Besten.

19.2.07

Mainstream ist der Sieger



Berlin. Ein Goldener Bär wird die Artenvielfalt der Mongolei bereichern. Mit dem humorvollen Drama "Tuyas Ehe" (Tu ya de hun shi) des Chinesen Wang Quan’an gewann ein reizvoller Film mitten aus dem Mainstream internationaler Wohlfühlproduktionen.

Nicht das Aufsehen erregende, nicht die Publikumsfavoriten, die ganze Säle begeisterten. Nein, auf die ganz netten, die wohltemperierten Filme konnte sich die internationale Jury mit Paul Schrader und Mario Adorf für die Hauptpreise der Berlinale einigen. Den "Goldenen Bären" gewann "Tuyas Ehe", einer von zwei Wettbewerbs-Filmen, die von der Mongolei handelten. In der Folge von "Urga" oder "Die Geschichte vom weinenden Kamel" gerät das traditionelle Leben der Hirten unter die Räder der Veränderungen in Wirtschaft und Natur. Tuya (Yu Nan) hütet in der weitläufigen Steppe Schafe, sie versorgt den Mann Baolier (Peng Hongxian) und zwei Kinder. Der verletzte sich bleibend bei Bau eines neuen Brunnen, nun muss Tuya täglich weite Wege für das Wasser reiten und auch die ferne Quelle versiegt. Da Tuya es nicht mehr schafft, muss ein neuer Mann her. Baolier stimmt in die Scheidung ein, aber der Neue soll auch ihn im Haushalt belassen und nicht in ein Heim abschieben. Von den vielen, meist alten Bewerbern stimmt keiner zu. Nur der unglückliche Nachbar Shenge, selbst von seiner Frau verlassen, bleibt.. Er steht mal hilfreich zur Seite, mal muss er besoffen in der Steppe aufgelesen werden.

Eine schöne, anrührende Geschichte, die Einblick in den Wandel einer naturverbundenen Lebensweise gewährt, Sympathien für die Figuren gewinnt und gut unterhält. So was kommt international im Arthaus-Kino an. Das weiß man, weil es nicht der erste Film dieser Art, vor diesem Hintergrund ist. Wer im Kino auch mal was Neues, was Anderes sehen möchte, verspürt angesichts dieser Preisvergabe Enttäuschung.

Verdient, aber sehr überraschend war der Silberne Bär für Nina Hoss, die in "Yella" von Christian Petzold zwei Seiten einer Frau spielt. Die gekonnt unterkühlte Darstellung setzte sich gegen international renommierte Leinwandgrößen wie Cate Blanchett, Judi Dench oder auch die umjubelte Marianne Faithfull durch. Bei den Männern siegte Julio Chavez für die Rolle eines erfolgreichen 38-Järigen, der in der Mitte des Lebens beginnt, alles zu überdenken. Für diesen Film, "El Otro" des Argentiniers Ariel Rotter, gab es auch den Jury-Preis, einen Silbernen Bären. Nur der Alfred Bauer Preis für innovative Kinematographie belohnte 2007 den Mut zu frischen Bildern und Geschichten. "Ich bin ein Cyborg, aber das ist Ok" von Park Chan-wook ("Old Boy", "Lady Vengeance") bestätigt Süd-Korea als Jungbrunnen des Kinos.

Auch zwei NRW-Produktionen erhielten Auszeichnungen in Berlin: Der "Gläserne Bär" des Wettbewerbs "Generation 14plus" ging an "Sweet Mud" als bester Spielfilm. Die unter anderem von der Kölner Heimatfilm realisierte israelisch-deutsche Koproduktion ist die Geschichte eines Jungen, der mit seiner psychisch kranken Mutter in einem Kibbuz aufwächst. Die deutsch-türkische, von der Filmstiftung geförderte Koproduktion "Takva" erhielt den FIPRESCI-Preis und erzählt von einem konservativen Moslem, der in Istanbul in einen Konflikt zwischen Tradition und Moderne gerät. So einen Konflikt sah die Internationale Jury erst gar nicht, sie hat sich wohl vor allem am guten, alten Kino erfreut.

16.2.07

Glänzende Leerpackung

Strahlende Enttäuschung: Berlinale-Wettbewerb

Berlin. Das Bild war symptomatisch: Die Frau mit dem weißen Kleid und dem ernsten Gesicht posierte Ewigkeiten in den affigsten Verrenkungen auf dem Roten Teppich. Der Film konnte warten, auf ihn auch mehr als Tausend Zuschauer. Hat Jennifer Lopez nun ein Anliegen oder einen neuen Job als Fotomodell? Engagierte Frau oder absurde Modepuppe? Eine Gesellschaftskrankheit hatte die 57. Berlinale im Griff: Nur schnelle Schlagzeilen, der Star im Blitzlicht zählen und im besseren Falle wird auf diese Weise ein Anliegen transportiert. Stars gab es zahlreich, gute Filme dazu selten.

Nur gut gemeint war nicht nur "Bordertown", in der Lopez als karrieregeile US-Journalistin die Morde an zahllosen mexikanischen Billiglohn-Frauen aufklären will. Die Verquickung von Ausbeutung, Unterdrückung und Vergewaltigung mit Freiem Welthandel, Globalisierung und Unterhaltung brachte den Opfern und Angehörigen weltweite Aufmerksamkeit und Lopez einen 'Artists For Amnesty'-Award.

Grausam gut gemeint
Nur gut gemeint war auch der unsäglich geschichtsklitternde "Goodbye Banfor", in dem ein weißer Wachmann mit seinem großen Herzen (Joseph, der untalentiere Fiennes) die Befreiung Südafrikas herbeigeführt hat. Eine Unverschämtheit von Bille August ("Fräulein Smilla", "Das Geisterhaus"), ausgerechnet am 11.Februar, dem 17. Jahrestag der Befreiung von Nelson Mandela. Die ehrenwerten Legenden Paolo und Vittorio Taviani ließen die Grausamkeiten des türkischen Völkermordes von 1915 auf der Leinwand aufleben. Über eine Millionen Armenier, zwei Drittel der Bevölkerung, wurden massakriert, geköpft, gekreuzigt, vergewaltigt, in Schluchten gestürzt, auf tödliche Hungermärsche gezwungen. "Das Haus der Lerchen" ist ein gut gemeinter, aber grausam schlecht gemachter Botschaftsfilm.

Positive Überraschungen gab es, wenn Themen mit eigentlich unpassenden Genre-Mitteln präsentiert wurden: Der brillante "In memoria di me" von Saverio Constanzo ("Private") zeigt einen jungen Mann, der Mönch werden will. Die Tage und Nächte unter dem Schweigegelübde sind innere Reflektion, aber in Bild und Ton so spannend wie ein Hitchcock. Petzolds "Yella" machte aus kalter Wirtschaftswirklichkeit ein Psycho-Puzzle. Britische Schauspielkunst verführte mit Cate Blanchett und Judie Denche in "Notes on a scandal", dem Drama einer frustrierten, überforderten Kunstlehrerin. Und die alte Rock-Röhre Marianne Faithfull amüsierte im Herzens-Favorit "Irina Palm" als freche Großmutter im Bordell.

Oft haben die Schauspieler wie Jennifer Lopez die Regie übernommen, "Bordertown"-Nebendarsteller Banderas verfilmte seine Jugend in Malaga, Steve Buscemi nach Vorlage des Niederländers Theo Van Gogh so ein absurdes "Interview", wie es hier in Berlin tausendfach ablief. Sarah Polley versuchte sich an einer Krankheitsgeschichte und Julie Delpy schoss mit ihren "2 Jours a Paris" umwerfend komisch den Vogel ab: Witziger und schneller als es Woody Allen je war, lässt sie ein französisch-amerikanisches Pärchen Klischees der Völkermissverständigung durchleben.

Viel Drumherum
Während der Kramladen Panorama die Spezialisten dieser Sektion enttäuschte, erwies sich das mit "Generations" neu benannte Fest des Kinder- und Jungendfilms als dauernder Quell der Freude. Das "Forum" lieferte wie gewohnt Exzellentes abseits des Mainstreams am laufenden Band, etwa das deutsche Wintermärchen "Jagdhunde". Doch passend zu einer extrem breit aufgestellten Berlinale, mit kulinarischem Kino, Ausstellungen und Installationen neben den obligatorischen Partys, Prommis und Premieren fand der Höhepunkt des Festivals außerhalb der Kinos statt. In der Deutschen Oper gab man des Kanadiers Guy Maddin modernen Stummfilm "Brand upon the brain". Zwischen Frankenstein und Vampirismus fesselt die schräge Fantasie mit dem live aufgeführten Soundtrack und der Erzählerin Isabella Rosselini. Großes, bewegtes Kino wie vor hundert Jahren. 2007 herrschte eher Stillstand.

15.2.07

Berlinale - Grausam gut gemeint


Sie schafften sogar die Tagesthemen: Die Brüder Taviani meldeten sich zurück aus der Filmgeschichte und zeigten noch einen Geschichtsfilm, ihre Spezialität. Dass "La masseria delle allodole" (The Lark Farm / Das Haus der Lerchen) allerdings als Berlinale Special lief, musste stutzig machen. So ein typisches Berlinale-Thema, von ehrenwerten Legenden ins Bild gesetzt, das sollte doch Wettbewerbs-Material sein... Ist es nicht. Nicht mal für einen schwachen Wettbewerb. Paolo und Vittorio Taviani lassen die Grausamkeiten des türkischen Völkermordes von 1915 auf der Leinwand aufleben. Eine armenische Familie ignoriert die Warnzeichen, die rassistischen Äußerungen nationalistischer Türken und großtürkischer Militärs. Ein armenisch-türkisches Paar will das Land verlassen. Der Rest ist bekannte Geschichte: Millionen Armenier wurden massakriert, geköpft, gekreuzigt, vergewaltigt, in Schluchten gestürzt, auf tödliche Hungermärsche gezwungen. Eine der ältesten Kulturnationen mit uralter Schriftkultur wurde in alle Welt verstreut. Nachkommen erkennt man oft an der Namensendung "-ian". Und die türkische Regierung tut beleidigt, wenn man diese Wahrheit ausspricht.
 
Damit hat er schon seinen Zweck erfüllt, der Film der Tavianis. (Frage an Sprach- und Namesforscher: Steckt in "Taviani" auch ein armenisches "ian" oder ist das rein italienisch?) Da braucht man sich die grob gezeichneten Figuren, Szenen und Handlungen nicht mehr anzutun. Denn "Das Haus der Lerchen" ist ein gut gemeinter, aber grausam schlecht gemachter Botschaftsfilm. Was nichts dran ändert, dass die Grausamkeiten durchaus erschütternd, ihrerseits wieder schwer erträglich sind. Doch so was ist einfach, das hat mit Filmkunst nichts zu tun. Leider.
 
"Das Haus der Lerchen" hat nur das Niveau flacher Abziehbilder, wie es der Kanadier Atom Egoyan in seinem Film im Film "Ararat" (genannt nach dem heiligen Berg der Armenier, auf dem angeblich die Arche Noah strandete) vormachte. Nur dieser filmisch innovative Armenier baute eine komplexe Geschichte um diese platte Historie. Im Gegensatz zu den alten Italienern Taviani.
 
 
Das Haus der Lerchen
(Italien, Spanien, Frankreich, Bulgarien, 2007, 122 Min. mit Paz Vega, Moritz Bleibtreu, Alessandro Preziosi, Angela Molina, Tcheky Karyo, Arsinée Khanjian, André Dussollier)

14.2.07

Die Wirklichkeit ein Traum, die Illusion ein Grauen


Berlin. Der Wettbewerb der 57. Berlinale zeigte sich gestern von zwei gänzlich unterschiedlichen Seiten: Der zweite deutsche Beitrag, "Yella" von Christian Petzold, machte aus nüchterner Wirtschafts-Realität ein fesselndes Psycho-Puzzle. Regisseur Zack Snyder macht aus griechischen Sagen und viel Computertechnik ein abstoßend neo-faschistisches Kriegsgemetzel.
 
Wirtschaftsthriller und Psycho-Trip
 
Yella (Nina Hoss) ist eine junge Frau aus dem Osten, die gerade einen neuen Job fand. Zwar stört ihr latent aggressiver Ex Ben, doch beim vorsichtigen Wesen ist leichte Freude über den Aufbruch erkennbar. Als Ben sie zum Bahnhof bringt, stürzt er beide mit dem roten Land Rover in die Elbe. Doch Yella überlebt, fährt klatschnass nach Hannover, lernt nach der Pleite ihres neuen Arbeitgebers einen Risiko-Finanzier kennen, macht märchenhaft schnell Karriere und verliebt sich. Allerdings verfolgt sie der Ex wie ein Gespenst und auch sonst wirkt einiges nicht ganz real...
 
Kühl und nüchtern porträtiert Petzold nach "Gespenster" und "Die innere Sicherheit" wieder eine Frau. Dabei legt er deutliche Spuren auf die Leinwand, dass die eigentliche Handlung ein Traum oder eine Form von Wahnsinn sein muss. Alle Männer ähneln sich frappant, Typen wiederholen sich wie Farben. Erstaunlich dabei, dass diese Wunsch-Fantasie Yellas in seiner kühlen Klarheit so gar nicht traumhaft wirkt.
 
Die Begeisterung der Berlinale war geteilt, denn "Yella" reißt nicht emotional mit, es ist spannendes Kopf-Kino von einem der intellektuellsten Autoren unserer Zeit. Einhellig vor die Abscheu bei "300". Es dauerte etwas. Aber nun hat auch diese Berlinale ihren Skandal. Und sie hat ihn sich selbst als neo-faschistische Kriegstreiberei (außer Konkurrenz) in den Wettbewerb gesetzt. Das digital stark verfremdete Gemetzel erzählt, wie 300 martialische Spartaner Griechenland gegen persische Horden verteidigen. Dabei ist das Abschlachten von tausenden Menschen ebenso abstoßend wie die gefeierte Geisteshaltung von Blut und Boden, Männern hart wie Stahl und Sterben für die Freiheit. Dass die gepiercten Horden ausgerechnet aus Persien - sprich: Iran - kommen, ist ebenso wenig Zufall wie solche Sprüche: "Freiheit ist nicht umsonst. Man muss für Freiheit zahlen." Wie viel Milliarden, Herr Bush? Die Berlinale preist sich immer wieder mal gerne als Friedensfestival. Doch "300" ist auch ohne diesen Anspruch ein Skandal, eine Unverschämtheit.

"Die Österreichische Methode" in Berlin


Am Rande Programms der Berlinale 2007 lief in den Hackeschen Höfen auch eine Aachener Produktion: "Die Österreichische Methode" verbindet fünf Episoden von fünf jungen Regisseuren, in denen Selbstmord einen Ausweg darstellt. Fünf Frauen wird bewusst, was im Leben wirklich zählt.
 
Treibende Kraft hinter dem Projekt ist Produzent Tobby Holzinger mit seiner Schauspiel-Agentur "Spirit", in der auch Akteure des Theater Aachens vertreten sind. Den Look verantwortete der Top-Kameramann Matthias Schellenberg, der etwa mit Daniel Brühl "Das weiße Rauschen" und "Die fetten Jahre sind vorbei" drehte. Auch "Kroko" nahm er auf. Vor der Kamera standen junge und renommierte Akteure, bekannte und frische Gesichter von Susanne Lothar bis Walter Sprungalla. "Die Österreichische Methode" wurde von der Filmstiftung NRW gefördert, die übrigens am gleichen Tag eine Ecke weiter die Produktionsmittel des überaus erfolgreichen Cannes-Siegers "Cache" zurück erhielt. Eine Premiere von "Die Österreichische Methode" in Aachen wird im Rahmen des Filmfestivals Maastricht-Aachen Ende März geplant. (ghj)

12.2.07

Insel der Quäligen

Gefangen im Obrigkeitswahn aller Welt

Berlin. Insel der Seligen? Nicht bei dieser Berlinale. Zwar landet man bei jedem zweiten Film auf einer Insel, doch die haben sich dem Terror der Obrigkeitsherrschaft hingegeben. Im Südafrika der Apartheid, im Militarismus Japans, in einem Benediktiner-Kloster und in einem frankensteinschen Waisenheim.

Gleich vier Filme der diesjährigen, 57. Berliner Filmfestspiele sorgen dafür, dass man nicht reif für, sondern "von" der Insel ist. Was nicht mehr als eine dieser hilflosen feuilletonistischen Spielereien der Festivalberichterstattung wäre, wenn nicht auch auf allen vier Inseln Schreckensherrschaft Fuß gefasst hätte: Da ist die südafrikanische Gefangeneninsel Robben Island, auf der Nelson Mandela einen großen Teil seiner Haft verbrachte und auf der - nach Ansicht des unsäglich geschichtsklitternden "Goodbye Banfor" ein weißer Wachmann mit seinem großen Herz (Joseph, der untalentiere Fiennes) die Befreiung Südafrikas herbeigeführt hat. Oder war doch seine Frau, eine dusselige Friseuse (Diana Krueger), mit ihrem Wunsch nach Beförderung die treibende Kraft? Wir wollten es nie erfahren, aber auch das musste uns Bille August ("Fräulein Smilla", "Das Geisterhaus") aufs Auge drücken - ausgerechnet am 11.Februar, dem 17. Jahrestag der Befreiung von Nelson Mandela. Eine Unverschämtheit, die wir mit dreimaligem Absingen von "Beko" büßen werden!

Oder vielleicht zur Buße in ein Benediktiner-Kloster auf der venezianischen Insel San Giorgio Maggiore? Keine gute Idee, wie der brillante "In memoria di me" von Saverio Constanzo ("Private") zeigt: Der junge Andrea spürt im weltlichen Leben eine unerträgliche Leere und meldet sich beim Ordensvater (explizit deutsch: André Hennicke) als Novize an. Die Tage und Nächte unter dem Schweigegelübde sind innere Reflektion in Bild und Ton so spannend wie ein Hitchcock. Aber auch hier fordern Oberste blinden Gehorsam im Missionsdienst ein. Auch hier ersetzen Ränge die Achtung von dem nächsten Menschen. Vielleicht verhüllt von der Kutte, aber im Prinzip das gleiche System, dass gefügige Schafe produziert. Ein umjubeltes Meisterwerk.

Und gerne mal in der Katastrophe Krieg endet, wie Clint Eastwood in "Letters from Iwo Jima" zeigt, der japanischen Seite von "Flags of our Fathers". Die extrem mörderische Schlacht um eine Pazifikinsel am Ende des 2.Weltkrieges ist zuerst bestimmt von der Logik des Krieges. Dann stellt uns Eastwood allerdings mehr und mehr "den Gegner" als Mensch vor. Wir sehen und hören im japanischen Original, nicht alle Japaner standen auf Kamikaze und Bonzai. Viele wollten auch einfach nach Hause, zu Frau oder Familie. Wobei das ganze Massaker angeblich doch nicht für die Familien (und den Kaiser) veranstaltet wurde. Erschütternd.

Jenseits aller Kategorie befindet sich wieder der Kanadier Guy Maddin mit seinem modernen Stummfilm "Brand upon the brain". Die Figur Guy Maddin erinnert sich dabei an die Kindheit auf einer Insel mit Waisenheim. Die Mutter kann in die Herzen schauen und der Vater ein Verjüngungselexier aus den Gehirnen der betäubten Kinder saugen. Zwischen Frankenstein und Vampirismus fesselt die schräge Fantasie vor allem mit dem Soundtrack, der am Donnerstag in der Deutschen Oper live zum Film aufgeführt wird. Die Erzählerin ist auch dann wieder Isabella Rosselini, jedoch dann auch live. Ein ganz besonderer Leckerbissen dieser Berlinale.

Die Hollywood-Verschwörung


USA 2006 (Hollywoodland) Regie: Allen Coulter mit Adrien Brody, Ben Affleck, Diane Lane 126 Min.

In seiner Rolle als Superman war er schneller als eine Kugel. Doch im richtigen Leben erwischte ihn eine im Kopf. George Reeves (Ben Affleck), der berühmte Darsteller des Fernseh-Superman ist tot! Selbstmord. Sagt seine Frau, die mit Freunden eine Etage tiefer eine Party gefeiert hat. Selbstmord, bestätigt auch die Polizei. Doch der Privatdetektiv Louis Simo (Adrien Brody) stößt auf Unstimmigkeiten und überredet die Mutter des Toten, Nachforschungen anstellen zu dürfen. Hollywood wird umgekrempelt und vor allem ein Mogul lässt seine Beziehungen spielen.

Es ist das Jahr 1959. Für die Jugend bricht mit der Schlagzeile von Supermans Tod eine Welt zusammen. Wie der Sohn von Louis Simo lassen viele Jungs den Tränen hemmungslos ihren Lauf. Die Ex-Frau Simos verzweifelt darüber so, dass sie den unzuverlässigen Vater doch noch mal um Hilfe bittet. So wie es auch Betrogene und Eifersüchtige tun, denn Simo ist ein Schnüffler der billigen und schmierigen Sorte. Aber von anderen „Private Eye“-Filmen wissen wir, dass hinter der schmuddeligen Fassade ein gutes Herz schlägt. Und das will die Wahrheit wissen ...

Wie bei Superman und Clark Kent gibt es zwei Seiten im Leben von George Reeves. Vor der Kamera und den Fotoapparaten war er der strahlende, klinisch reine Star. Im Privatleben rauchte er und hatte Affären. Diese verlogene Spiel treibt das ganze Showbusiness und vielleicht gibt es auch ein paar Morde auf der dunklen Seite einiger Strahlemänner.

Die Geschichte von George Reeves ist eine wahre. Oder sagen wir, eine von den Varianten, die der Film präsentiert, könnte die Wahrheit sein. Reeves spielte von 1952 bis 1958 den Fernseh-Superman für Warner Bros., vorher hatte er eine kleine Rolle in "Vom Winde verweht". Der Todesgrund Lungenkrebs liegt eigentlich auf der Hand, so wie die zahllosen Zigaretten, die in diesem Film gepafft werden. Doch Simo vermutet eine mordende Ehegattin oder den eifersüchtigen und sehr mächtigen Filmproduzenten Eddie Mannix (Bob Hoskins). Dessen Frau Toni Mannix (Diane Lane) hält sich Reeves nämlich als Geliebten und war für seine Karriere verantwortlich.

Es ist eine schlechte Welt, dieses Hollywood-Land (so der Originaltitel). Die Polizei ist korrupt, der Rest abgrundtief verdorben. Da kann ein verzweifelter Detektiv nur Verlierer werden. Schön, dass in Tradition von „Chinatown“ und anderen strahlend dunklen Thrillern alles so glänzend aussieht. An der Oberfläche. Da halten auch die Schauspieler mit. Allen voran Adrian Brody („Der Pianist“), von dem man so was erwartet. Aber auch Ben Affleck, der vor allem in seiner J-Lo-Zeit Schlimmes zeigte, hält sich super als Superman mit zwei verschiedenen Gesichtern. Dieser Film wird einen nicht enorm im Leben weiter bringen. Die nächsten zwei Stunden überbrückt er allerdings spielend.

Der gute Hirte


USA 2006 (The Good Shepherd) Regie: Robert De Niro mit Matt Damon, Robert De Niro, Angelina Jolie 167 Min. FSK: ab 12
 
Vierzehn Jahre dauerte es, bis Robert DeNiro seine zweite Regiearbeit ablieferte. Und so detailliert und sorgfältig wirkt "Der gute Hirte" auch. Der Lebenslauf eines CIA-Agenten (Matt Damon) zeigt packend und erschütternd, was für Psychopathen in unseren Geheimdiensten das Schicksal der Weltpolitik lenken könnten.
 
"Der gute Hirte" wird als große Rückblende erzählt. Vom Moment an, wo die Invasion Kubas in der Schweinebucht gescheitert ist und die CIA einen Verräter in den eigenen Reihen sucht. Anonym wird Wilson (Damon) ein Umschlag mit Tonband und einem Foto zugesandt. So wie nun die Geheimdienste eine Tonbandaufnahme und ein Foto bis auf das Pixel analysieren, dabei eine unglaubliche Menge an Informationen herausholen, so seziert auch DeNiros Film die unheimliche Figur des Mitläufers Edward Wilson.
 
Wilson tritt zuerst (und akustisch auch am Ende) bei einer Studenten-Travestie in Frauenkleidern auf. So rekrutiert man ihn 1939 als Yale-Student zuerst zur ultra-nationalistischen Vereinigung "Skulls and Bones" (Schädel und Knochen - wie vielversprechend!) dann zum FBI. Als erstes liefert der Student seinen geliebten Englisch-Professor als Nazisympathisanten ans Messer. Dann heiratet er die schwangere Tochter (Angelina Jolie) des Chefs und stößt seine taubstumme Liebe weg. Im Nachkriegsdeutschland schläft er mit der Übersetzerin (Martina Gedeck) um sie dann als russische Spionin liquidieren zu lassen. An der ständigen Abwesenheit gehen seine Frau und seine Ehe zugrunde. Nur der ebenso vernachlässigte Sohn vergöttert den Vater und will auch so ein toller Geheimdienstler werden. Mit tragischen Folgen, denn die mörderische Staatstreue des Schreibtischtäters Wilson macht auch vor der eigenen Familie nicht Halt.
 
Es ist faszinierend, wie DeNiro diese Figur schildert und tief verstörend ihrem Handeln zu folgen. Höchst politisch ist dieser Film darin, dass man sich irgendwann fragen muss, welche Leute, was für Psychopathen in diesen Geheimdiensten stecken. Zu keiner emotionalen Beziehung fähig. Bereit, jeden ans Messer zu liefern. Zu foltern, zu töten. Und diese Menschen machen dann Weltpolitik, stürzen am laufenden Band Regierungen und malen neue Grenzen auf die Landkarten. Dabei ist die sowjetische Bedrohung eine Farce, die nur ernst genommen wird, um die westliche Rüstungsindustrie florieren zu lassen. Das Duell mit dem russischen Widerpart entwickelt sich zum fast freundlichen Verhältnis. Mit Zynismus einigt man sich angesichts der Kuba-Krise, es nicht zum Dritten Weltkrieg kommen zu lassen. Dann wäre man ja arbeitslos. Mit einem alten Mafioso fragt man sich, wofür diese Ur-Amerikaner das eigentlich alles tun.
 
Neben dem von Damon beeindruckend gespielten Wilson wimmelt es von faszinierenden Figuren: Sein ehemaliger Literaturprofessor und erstes Opfer etwa: Trotz des Verrates ein Freund und Warner. DeNiro spielt selbst kurz einen General. William Hurt einen Vorgesetzten Wilsons. Martina Gedeck unauffällig eine Übersetzerin. John Turturro den engsten Mitarbeiter über viele Jahre.

8.2.07

La vie en rose - Kein rosiger Berlinale-Auftakt

Berlin. Ein erschütterndes Leben, eindrucksvolles Schauspiel und etwas zu gewollte Filmkunst bildeten den Rosenstrauß zur Eröffnung der 57.Berlinale. Die Film-Bio zu Edith Piaf sorgt für einen stimmungsvollen Auftakt.
 
Nein, es war nicht rosig, das Leben der Edith Piaf. Von Anfang an melodramatisch gestaltet Olivier Dahan ("Die purpurnen Flüsse 2") seine filmische Biographie zur großartigen Chanson-Göttin. Als Kind schon in Gossennähe und Armut vernachlässigt, landet die kleine Edith im Land-Bordell der Oma. Eine schwache Gesundheit begleitet dieses tragisch gezeichnete Leben, zeitweise taperte das Kind sogar erblindet zwischen den Freudenzimmer seiner anschaffenden Ersatzmütter umher. Dann holt sie der Vater wieder zurück - in den Zirkus. Der noch ein wenig Heim bot, gegenüber der dann folgenden Straßenkunst. Bis der Clubchef Louis Leplée (Gérard Depardieu) die nur 1,42 Meter große Chanteuse mit der gewaltigen Stimme entdeckt. Er nennt sie La Môme Piaf (Kleiner Spatz), bald badet man in Erfolg und Champagner. Doch der nächste Schicksalsschlag lauert schon auf der folgenden Drehbuchseite: Leplée wird ermordet, La Môme stürzt ab, kommt zurück als Edith Piaf. Aus dem groben Straßenmädchen wird wenigstens äußerlich eine Dame, ihre Ausfälle sind weiterhin grob und herrisch. Der Tod der großen Liebe, des Boxers Marcel Cerdan, bricht die zierliche Figur endgültig. Rheuma und Drogen führen zum endgültigen Zusammenbruch im Jahr 1960. Die gerade mal 44-Jährige ist ein Wrack. Dann noch ein letztes Lied, das großartige "Rien de rien". Im Todeskampf wird alles zusammengerafft, die Liebe des Vaters, das Sterben der Tochter. Irgendwie billig, aber die Chansons reißen alles raus.
 
So ein Film hat es auch schwer: Eine Legende ins Bild zu bringen. All diesen unvergesslichen Melodien gerecht zu werden. Marion Cotillard ("Big Fish", "Mathilde - Eine große Liebe", "Ein gutes Jahr") ist immerhin eine sehenswerte Sensation. Mit Hilfe einer Meisterleistung der Maske schafft sie es, in die Haut ganz unterschiedlicher Piafs zu schlüpfen. Die Freche, die Traurige, die Exzessive, die Trotzige - alles kommt aus diesen tiefen Augen und dem lebendigen Mund. Eine schöne Instrumental-Szene lässt allein die Gesten, die Haltung der neuen Piaf wirken. Diese fast zweieinhalb Stunden dornigen Lebens braucht man nicht zu bereuen.

7.2.07

Berlin im Fokus der Berlinale


Berlin. Die Filmwelt schaut auf Berlin, wenn die 57. Internationalen Filmfestspiele Berlins (8. - 18.02.2007) heute Abend im Filmfestspielhaus am Potsdamer Platz eröffnet werden. Und wenn zum Roten Teppich diesmal nicht der rote Schal von Festivaldirektor Dieter Kosslick passt, sondern ein mauve-farbener Nachfolger, soll das kein schlechtes Omen sein. Die Berlinale strahlt und wächst.
 
Stars wie Cate Blanchett, Jennifer Lopez, Clint Eastwood und Robert de Niro Stars erhellen in den nächsten Film-Tagen und Nächten den Himmel über Berlin und vor allem am Potsdamer Platz. Berlin steht im Zentrum der Filmwelt und ist selbst auf der Leinwand sehr präsent. Aber erst geht es im Eröffnungsfilm nach Paris. "La vie en rose" des Franzosen Olivier Dahan ("Die purpurnen Flüsse 2") ist die Biographie der legendären französischen Sängerin Edith Piaf. Von vielen Chansons beschwingt, feiert dann die Kulturwelt Eröffnung, während in zig Kinos rund um den Potsdamer Platz und überall in Berlin die Projektoren für über 500 Festivalfilme anlaufen. Im wie immer hauptsächlich beachteten Wettbewerb konkurrieren 26 Filme um die Wertschätzung der siebenköpfigen Jury unter der Leitung von US-Regisseur Paul Schrader und die goldenen Bären. Die Filmstiftung NRW ist mit 14 Produktionen, die mit Förderung aus NRW entstanden, in den verschiedenen Reihen der Berlinale vertreten.
 
Die Zeit der Bescheidenheit ist wie bei anderen Festivals mal wieder vorbei. Überall sprießen neue Sektionen und Themen im Programm. Während tausende Fans, die schon seit Tagen für Kinokarten Schlange stehen, nur Zeit für einen schnellen Imbiss haben, wird im Martin-Gropius-Bau täglich kulinarisch Kino gemacht. Nach Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen zu kulinarischen Themen gibt es Abendessen und öffentliche Diskussionen im Spiegelzelt "Gropius Mirror". Mit dabei ist auch Doris Dörries und ihre neue Dokumentation "How to Cook Your Life" über den Zen-Koch Edward Brown.
 
Und der Zufall hat es gut gemeint mit den Programm-Machern: Gleich zwei prominente Filme in der Wettbewerbsschiene spielen auch in Berlin. George Clooney gibt unter der Regie seines Kumpels Steven Soderbergh in "The Good German" einen amerikanischen Kriegskorrespondenten, der sich im Jahr 1945 durch das zerstörte Berlin schlagen muss. Wortwörtlich, denn die schwarz-weiße Polit-Romanze zwischen Berlin und "Casablanca" sorgt dafür, dass Clooney in fast jeder Szene einen drüber bekommt. Auch Robert DeNiros zweite Regie "The Good Shepherd" ist politisch und persönlich. Der Lebenslauf eines CIA-Agenten (Matt Damon) zeigt packend und erschütternd, was für Psychopathen in unseren Geheimdiensten das Schicksal der Weltpolitik lenken könnten. Eine Episode Kalter Krieg in Berlin endet dabei für Martina Gedeck tödlich. Genauer, für ihre Figur. Und wer zu all dem Berlinale-Glanz und Party-Glitter noch etwas dunkle Gegenstimmung sucht, schaut sich einfach 15 Stunden Fassbinders "Berlin, Alexanderplatz" an. Freundlicherweise in einer neuen Kopie, die im Vergleich zur Fernsehfassung etwas heller sein soll. Wenn auch immer wieder beklagt wird, dass Sonne und Strand in Berlin fehlen, kann diese Festivalstadt bewegende Filme in einer einzigartig bewegten Umgebung präsentieren.

5.2.07

Schräger als Fiktion


USA 2006 (Stranger Than Fiction) Regie: Marc Forster mit Will Ferrell, Maggie Gyllenhaal, Dustin Hoffman 113 Min. FSK: ab 6

Ein Gag wie aus Zucker-Komödien: Britisch ungerührt kommentiert die weibliche Stimme jeden Schritt des pedantischen Steuerprüfers Harold Crick (Will Ferrell). Bis Harold die 54 Auf-und-Ab-Bewegungen des Zähneputzens unterbricht und sich wundert, ob die Stimme aus seinem Kopf kommt. Fortan stolpert er immer öfter über diesen literarischen Kommentar seines Lebens.

Als dann auch noch seine Uhr stehen bleibt, ist es um den immergleichen Tagesablauf des Pedanten geschehen. Die Begegnungen mit der rebellischen, säumigen Steuerzahlerin Ana Pascal (schillernd: Maggie Gyllenhaal) bringen ihn weiter aus der Bahn und dann verkündet die Stimme den baldigen Tod von Harold Crick!

Als alle Analytiker ratlos bleiben, wendet sich Harold an den Literatur-Professor Dr. Jules Hilbert (Dustin Hoffman, mit einem T-Shirt nicht nur als Schwimm-Lebensretter gekennzeichnet). Wer sonst sollte helfen, wenn man sich als Figur eines Romans erkennt. Der schlägt vor, erst einmal zu klären, in welchem Genre sich Harold bewegt: Komödie oder Tragödie...

"Schräger als Fiktion" des in der Schweiz aufgewachsenen Hollywood-Deutschen Marc Forster ("Monster's Ball", "Wenn Träume fliegen lernen") ist tatsächlich ziemlich schräg und die intelligente Version der "Truman Show". (Wobei die jeweiligen Nachfolger Jim Carrey und Bobby Farrell aus dem gleichen Stall, der Comedy-Show "Saturday Night Live", stammen.) Hochkomplex versucht hier eine literarische Figur ihrem Schicksal zu entkommen. Dabei sehen wir auch die Autorin und ahnen, dass es nicht gut steht um Harold Crick. Kay Eiffel (Emma Thompson) mag sich gottgleich, kommt aber nicht mit Depression und Schreibblockade zurecht. So handelt ihre Assistentin Penny Escher (Queen Latifah) mehr wie eine Aufseherin denn eine Sekretärin im Auftrag des Verlags, der um die Abgabe des neuen Romans von Kay Eiffel bangt.

In seiner Verzweiflung weigert sich Harold, zu handeln. Er sitzt nur noch auf seiner Couch. Bis die Handlung dramatisch zurück schlägt - mit einer Abrissbirne mitten ins Wohnzimmer. Die surreale Verbindung zweier Ebenen schreitet bis zum raffinierten Finale fort. Nicht nur durch die Anwesenheit Dustin Hoffmans ergibt sich eine Verwandtschaft mit dem noch mehr verwirrenden "I Love Huckabees", aber auch an "Adaptation" von Charlie Kaufman muss man denken, bei diesem äußerst reizvollen Kopfkino mit einer schönen Liebesgeschichte mittendrin.

Schon die Stimme von Emma Thompson mit dem aufs Exakteste dosierten feinen Spott, der erlesenen Wortwahl, gewährt einen Genuss, der alles außer Originalversion verbietet. Ein paar grafische Spielereien frischen die Bilder auf. (Erstaunlich wie wirkungsvoll nur eine weitere Ebene ist, man muss sich mit Peter Greenaway fragen, weshalb Film immer noch so flach ist.) Dazu ist "Schräger" erlesen besetzt bis zum letzten Psychiater.

Doch das hilft Harold alles nicht: Nach der sagenhaften Begegnung von Autorin und Hauptfigur (auch hier: siehe "Truman Show") entscheidet selbst Literatur-Professor Hilbert vom hohen Bademeister-Stuhl herab: Harald soll für die Kunst sterben. Der Soundtrack kommentiert zynisch mit The Clash "That's Entertainment".

Tenacious D - Kings of Rock


USA 2006 (Tenacious D in: The Pick of Destiny) Regie: Liam Lynch mit Jack Black, Kyle Gass, Jason Reed 94 Min. FSK: ab 12
 
"Dreamgirls" zu kitschig, zu gelackt und mit beschissener Musik? Wer dieser Meinung ist, könnte Gefallen finden an diesem komödiantischen Rock-Musical. Akkustik-Heavy-Metal wird darin endlich als das gewürdigt, was es ist: Eine alberne Idee zweier amerikanischer Komödianten.
 
Jack Black ist nicht nur heftiger Komödiant, nebenbei spielt er auch ganz ernsthaft in der Akkustik-Heavy-Metal-Band namens "Tenacious D". Eigentlich eher ein Duo mit Kyle Gass. Die beiden ziehen die Albernheiten des Hard-Rock durch den Kakao. Oder meinen sie es doch erst? Ein Hinweis bietet die Tatsache, dass "Tenacious D" als Comdedyserie beim Sender HBO entstand. Irgendwelche Leute fanden die unmöglichen Lieder mit den noch schlimmeren Texten toll, und dann geht man halt mit dieser Kunstband auf Tour. Siehe "Die Doofen".
 
"Tenacious D" erzählt von der Karriere des JB (Jack Black). Vom religiös schlagenden und singenden Vater (Meat Loaf) aus dem Haus getrieben, findet er in Hollywood einen Guru, der gleichwertiger Versager ist. Die Band kommt nicht weiter als der erste Song. Doch dann hören sie von einem magischen Gitarrenplektrum, das bereits andere Rocker zum Erfolg führte. Jetzt müssen sie nur noch diesen umfunktionierten Zahn Satans aus dem Rock-Museum stehlen.
 
Jack Black steht für rauen und kruden Humor a la "Nacho Libre". "School of Rock" war da merklich zahm, "Liebe braucht keine Ferien" ein Ausrutscher. Nun folgt der schrägste Film für die deutschen Kinos. In der Heavy-Metal-Komödie setzen die Anti-Helden Mikrophone in Brand und spielen sechshändig. Wer sich weder für diese Musikgattung noch für ihre Parodien begeistern kann, hat nur Freude an einigen schrägen Gastauftritten (Ben Stiller als langhaarigerer Gitarrenverkäufer, Tim Robbins als mysteriöser Humpler). Ansonsten wundert man sich über lange Film-Strecken.

4.2.07

Die Aufschneider


BRD 2006 (Die Aufschneider) Regie: Carsten Strauch mit Christoph Maria Herbst, Carsten Strauch, Rainer Ewerrien, Cosma Shiva Hagen 93 Min. FSK: o.A.
 
Noch eine Idee für die Gesundheitsreform: Jedes 2. Krankenhaus muss weg. Das führt zu einem erbitterten Wettbewerb zwischen den benachbarten Kliniken St. Georg und Eichmann. Zehn Tage haben die Anstalten Zeit, sich von der besten Seite zu zeigen. Leistung ist gefragt.
 
Dabei hat die gemütlich heimelige Eichwald-Klinik von Anfang an keine Chance. Zu altbacken sind die Methoden, zu nett die Mitarbeiter. Auf der anderen Seite gibt Christoph Maria Herbst den Prof. Reinhold Radwanski von St. Georg, den Stromberg der Klinikleiter: Eiskalt wird bei ihm Gewinn maximiert. Für die Patienten interessiert sich keiner mehr. Jung, dynamisch, ästhetisch müssen die Pfleger sein. "Die ist fett und steht rum - die muss weg!" wird nicht der einzige atemberaubende Zynismus dieses kahlköpfigen, aalglatten Ekels sein.
 
In der Eichwald-Klinik ist weit und kein Drachentöter unter den schlaffen Chefärzten zu sehen. Als dann noch aus Versehen eine Spender-Leber mit Kartoffeltaschen verspeist wird, geht die Verwechslung ihren komödiantischen Gang. Ausgerechnet diese Leber wollte sich Radwanski unter den Nagel reißen, um den Chef der Prüfungskommission mit einer kleinen, illegalen Operation zu bestechen. Derweil versucht ein arbeitsloser Animateur (Josef Ostendorf aus "Eden") aus dem alten Schuppen eine Wohlfühl-Klinik mit Mariachi-Band zu machen.
 
Der Diplom-Designer Carsten Strauch steht als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller Dr. Steffen Wesemann für diese Ärzteklamotte. Bitterer blitzt zeitweise wie ein Skalpell auf, dann versumpft der Spaß wieder in Boulevard-Dialogen und -Situationen, bis wieder ein Schenkelklopfer anschlägt. Nur Christoph Maria Herbst ist dabei herausragend, allerdings sollte er nicht zu oft Stromberg unter andern Namen spielen.

Sie sind ein schöner Mann


Frankreich 2005 (Je Vous Trouve Très Beau) Regie: Isabelle Mergault mit Michel Blanc, Medeea Marinescu, Wladimir Yordanoff 97 Min.

Durch einen Kurzschluss an der defekten Melkmaschine hat Bauer Aymé (Michel Blanc) seine Frau verloren. Doch nicht Trauer erdrückt ihn, sondern die Arbeit auf dem Hof, die er alleine kaum schaffen kann. Spätestens als die Katze in der Waschmaschine landet, wird dies klar.

Aymé muss dringend eine neue Frau finden, aber in seinem Dorf ist die Auswahl arg begrenzt. Also wendet er sich an ein Ehevermittlungsinstitut. Die Chefin des Institutes merkt sehr schnell, dass ihn nicht die romantische Sehnsucht treibt, sondern sein zweckorientiertes Denken. Sie schickt ihn nach Rumänien, wo es genügend Frauen geben soll, die zu allem bereit sind, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Den Freunden erzählt der Bauer, es ginge nach Deutschland, zu einer Landwirtschaftsmesse. In Rumänien bekommt er gleich eine ganze Reihe Frauen vorgeführt und alle beherrschen sie mindestens einen Satz: "Je Vous Trouve Très Beau" - Sie sind ein schöner Mann. Nur die Putzfrau Elena (Medeea Marinescu) ist etwas cleverer, sie zieht einen groben Pullover an und erzählt von ihrer Liebe für Tiere und Landwirtschaft. Denn der Franzose will eine Bäuerin keine Frau.

Der anspruchslose Aymé nimmt Elena mit und ahnt nicht, wie sehr sich sein Leben verändern wird. Herzlich und fröhlich bringt ihm Elena Lebensqualität in jeder Hinsicht nahe. So teilt er erstmals einen Nachtisch mit zwei Löffeln. Sie schafft es sogar den bissigen Wachhund ohne Namen zu zähmen. Und plötzlich brechen Selbsterkenntnis und Geständnis in wohl gewählten Worten aus Aymé heraus. Ein Lächeln strahlt auf seinen Lippen. Doch Elena ist aber nicht nur arm und gewillt, sich zu verkaufen. Sie ist auch Mutter mit furchtbarem Heimweh...

Dazu macht Aymé die Sache richtig kompliziert, indem er den Freunden eine Geschichte mit einer entfernten Verwandten aus Rumänien erzählt. Zu ihrem herzzerreißenden Schmerz gesellt sich seine Eifersucht. Die kleine Geschichte eines einfachen Bauern gerät dramatisch, aber nur ein wenig. Immer schwingt eine humorige Note mit, selbst die Traurigkeit ist angenehm sanft.

Von arrangiertem Glück, dass zur Liebe gerät, hört man wirklich nicht zum ersten Male. Auch zeigt sich der Frauenhandel - ob zur Prostitution oder Eheanbahnung - wohl selten nett und herzerwärmend wie in dieser Romanze. Doch in sich ist "Sie sind ein schöner Mann" richtig gut gelungen. Humor und Sentiment finden sich in guter Inszenierung. Michel Blanc ("Monsieur Hire"), ein exzellenter Komödiant, hält seine Figur gekonnt in der Schwebe zwischen Lachnummer und trauriger Gestalt. Zuerst ein unsensibler, grober Klotz, ein liebloser Kerl, der dauernd jammert und quengelt. Dann uneigennützig und still Liebender. Das muss doch mit einem Happy End belohnt werden.

3.2.07

Rocky Balboa


USA 2006 (Rocky Balboa) Regie: Sylvester Stallone mit Sylvester Stallone, Antonio Traver, Burt Young 102 Min. FSK: ab 12
 
Es gibt da in Ein-Euro-Läden so ein witziges Plüsch-Äffchen, mit Box-Helm und Plastik-Boxhandschuhen. Wenn man ihm den Fuß drückt, schlägt es ein paar Haken zur scheppernden Rocky-Melodie. Apropos zum Affen machen: Sylvester Stallone hat noch mal einen Film als Rocky gemacht ...
 
Um den Boxsport sieht es schwarz aus, nicht nur wegen der Hautfarbe des amtierenden Weltmeisters, Mason Dixon (Antonio Traver). Der gewinnt zwar alles, aber zu leicht, so dass er nicht als echter Champion gilt. Man erinnert sich an den Ex-Meister Rocky Balboa (Sylvester Stallone), der einst die unglaublichsten Gegner schlug, und ein Playstation-Kampf der beiden Boxer aus verschiedenen Zeiten im Fernsehen stachelt die Idee des ungleichen Duells an.
 
So könnte man den Inhalt des sechsten Rocky-Films erzählen, der sich tatsächlich noch zu einen Kampf der Kulturen entwickelt - oder deutlicher: der Ethnien. Die Afroamerikaner gegen die Italo-Amerikaner. Aber das ist nur eine Seltsamkeit in der großen Peinlichkeit einer unnötigen Fortsetzung. Seit 1976 schlägt Rocky sich durch und Stallone gewann mit dieser Figur drei Oscars. Nun ist der Regisseur und Hauptdarsteller 60 Jahre alt. Zu der schauspielerisch nicht besondern förderlichen Gesichtslähmung gesellten sich einige andere Unbeweglichkeiten. So sieht man den finalen Kampf auch meist aus der Distanz, jede TV-Klöpperei wird heutzutage interessanter inszeniert. Dem Verantwortlichen ist nichts anderes eingefallen, als einen Schwarz-Weiß-Filter sowie ein knalliges Rot ins Bild zu knallen. Ästhetisch ergibt sich ein Rumgematsche - aber es geht halt auch ums Boxen...
 
Aber das ist ja nur der letzte Akt einer großen Langeweile: Fast eine Stunde dauert ein langes Lamento über Rockys verstorbene Frau, den undankbaren Sohn und darüber, dass sowieso ist alles nicht mehr ist, wie früher. Eine rührende Vater-Sohn-Geschichte wird aufgebaut. Zudem sucht Rocky sich einen neuen Sohn, weil sein alter ja zu weit weg und undankbar ist. Aber wie alle andern persönlichen Geschichten Rockys bleibt dies Fragment. Sylvester Stallone steht hilflos in der Gegend rum und redet viel. Doch das konnte er ja noch nie gut. Volle Unterstützung bekommt er dabei von seinem alten Kumpel Paulie (Burt Young). Das ergibt im Zentrum der Story zwei alte Männer, die eindeutig Probleme mit ihrer Stimme haben.
 
"Rocky Balboa" erweist sich für Sylvester Stallone dramatisch als ebenso eine Lachnummer wie persönlich. Der "Italian Stallion" macht sich mit so was höchstens den eigenen Mythos kaputt. (Und verdient sich vielleicht einen neuen Pool.) Das Beste am Film sind haufenweise Unbekannte, die im Abspann die berühmten Treppen in Philadelphia hochspurten und oben den Rocky machen. Den echten Rocky sollte man sagen. Und wer jetzt schreibt, dies sei endgültig der letzte Teil, vergisst, dass dies schon undenkbar war. Vielleicht braucht Stallone ja bald eine neue Couchgarnitour ...

1.2.07

Film-Schnittchen


Aachen. Großes Kino für die FH Aachen: Die Abteilung Medien-Design des Fachbereichs Design zeigte bereits zum 20.Mal filmische Studien- und Abschlussarbeiten in ihrer "Showtime". 30 Beiträge - Computer-Animationen, Spielfilme, Dokus - führten den "Stand der Dinge" in Sachen Film bei der FH Design vor.
 
Der große Saal im CineKarree war richtig voll. Es gab ja auch Schnittchen. Nicht die, wegen derer man zusammen mit einem Glas Sekt schon mal lauwarme Kultur vorher erträgt. Es gab Kost- und Schnitt-Proben der FH Design Aachen und die sind noch heißer begehrt.
 
Seit 1996 gibt es die Fachrichtung Medien-Design am FB 4 der FH-Aachen. Was dort unter der Leitung von Professor Matthias Knézy-Bohm und Professor Michael ("Prof. M.") audiovisuell produziert wird, ist so vielfältig wie die Filmwelt: Die Animationen kommen aus dem Computer oder sie zeigen noch den ursprünglichen Strich der Zeichnung. Spielfilm amüsiert als Komödie, denkt über Soziales nach. Trailer und TV-Moderation mal ernst, mal parodistisch. Die Dokumentationen trieben sich an Öcher Sozialbrennpunkten rum, lachten sich auf einer Couch mit der Frage "Kennste das?" (Regie Anna Burzywoda) schlapp und begleiteten eine Familie in Brasilien. Eindeutig nur, die Zeit der Musikvideos ist vorbei.
 
Während in den kurzen Arbeiten des Grundstudiums die Nabelschau - begünstigt durch die Themenvorgabe "Was ist Leben?" - oft im Brennpunkt stand, erweiterte sich der Rahmen im Hauptstudium. Wenn auch das Leben arg begrenzt bleiben kann, wie bei "3 Männer" (www.senari.de) von drei Studenten, Christian Bucanac, Derk Ebeling und Daniel Tibi. Ein Seniorentrio verschanzt sich vor den Gefühlsschmerzen des Lebens, das nur akustisch in die gemeinsame Wohnung dringt. Die reife Geschichte mit sicherer Kamera und Ausleuchtung kann auch noch mit drei Bühnenmimen auftrumpfen. Dabei spielt Stéfan Horn den sensiblen Polterer.
 
Recht selten überlagerten sich in dieser Semester-Ernte die verschiedenen Medien. Film ist auch beim gestalterischen Nachwuchs meist noch zweidimensional. Wie reizvoll solch ein Stilmix sein kann, zeigten Daniel Meißner und Katja Strube in "Compulsion": Während einer Psychiatriesitzung redet der Arzt ungebremst auf den Patienten ein, der sich nur in schwarz-weiße Zeichnungen zu flüchten weiß. Die nehmen Bewegung auf und enthüllen gewalttätige Erinnerungen. Etwas wilder schräger als der Rest, mit einem ein Hauch von Provokation fielen die Arbeiten von Kamil Keister auf (http://www.kamilkaze.com/).
 
Die Diplom-Arbeit "Angezählt" (Regie Peter M. Kirch) begibt sich in den Ring mit aktuellen Themen wie Gewalt in der Familie und auf der Straße: Anton, fiktiver Schüler des realen Anne-Frank-Gymnasiums, steht vor dem Schulverweis und der Karriere als Profi-Boxer. Zwischengeschnitten gibt es Interviews zum Wert von Ehre (hoch) und Bildung (na ja), während französischer Hiphop die Vorbilder klar macht.
 
Einige der Filme sind übrigens auf der Website der FH Design
(
http://www2.design.fh-aachen.de/) in einer virtuellen Galerie zu sehen. Das ganze Programm gibt es in kleiner Auflage auf DVD.
 
Wohin die Filmerei bei den Grafikern führen kann, sah, wer einfach im CineKarree 2 sitzen blieb: Dort lief direkt im Anschluss der erste Spielfilm des diplomierten Designers (Hochschule für Gestaltung Offenbach) Carsten Strauch, mit besagtem Gestalter als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller einer Ärzte-Comedy namens "Die Aufschneider" (Start 8.2. mit Christoph Maria Herbst). Und im Vergleich hat der Aachener Nachwuchs gar nicht so schlecht abgeschnitten.