30.7.08

Mondkalb DVD


Regie: Sylke Enders

Auch Gutes aus deutschen Landen kann einen Film tragen: Beispielsweise Juliane Köhler und Axel Prahl. Die beiden großartigen Charakterschauspieler überzeugen dadurch, dass sie immer wieder in neuen Rollen überraschen können. Juliane Köhler („Aimée und Jaguar“, „Nirgendwo in Afrika“) spielt ganz unscheinbar die zurückgezogene Alex, die versucht, wieder ins Leben zurückzukommen, nachdem sie ihre Tochter in einem Wutanfall schwer verletzte. Im Haus ihrer verstorbenen Großmutter begegnet Alex dem verstörten zwölfjährigen Nachbarsjungen Tom (Leonard Carow). Alex freundet sich vorsichtig mit ihm und seinem Vater (Axel Prahl, „Halbe Treppe“, „Du bist nicht allein“) an. Doch die unbeherrschte Gewalt taucht wieder auf. Regisseurin Sylke Enders ("Hab mich lieb!") begeisterte mit dem starken, authentischen Jugenddrama "Kroko". In „Mondkalb“ meistert sie gleichzeitig das Trauma des exzellent aufspielenden Jungen wie die psychologischen Altlasten der beiden Alten. Ein gutes und stimmiges Stück Film aus deutschen Landen.

39.90


Frankreich 2007 (99 Francs) Regie: Jan Kounen mit Jean Dujardin, Jocelyn Quivrin, Patrick Mille, Vahina Giocante, Elisa Tovati 104 Min. FSK ab 16

Alles ist käuflich, vor allem: Alle! Der Werbe-Texter Octave (Jean Dujardin) überzieht seine Welt mit einer ätzenden Schicht aus Verachtung. Dieser „French Psycho“ dekoriert wie in der Verfilmung von Bret Easton Ellis’ „American Psycho“ all die tollen Konsumgegenstände mit Labeln und Barcodes. Hypercool rollt Octave mit dem Segway durch die Welt der Eitelkeiten, in der sich die Werbefuzzies an Lächerlichkeit überbieten. Im Kino läuft der legendäre Apple-Werbefilm „1984“, die trendigen Rechner stehen überall im Bild rum. Voller Verachtung haut er die schäbigsten Ideen in ein paar Minuten in die Tasten, immer auf Koks, während der Hamster derweil im Laufrad durchdreht. Selbst seine tragische Liebesgeschichte mit Sophie (Vahina Giocante) sieht aus wie ein Werbefilm – für einen Softporno. Sie verlässt ihn, eine „Schnee“-Lawine reißt ihn mit, er verliert sich im Horrortrip der Werbewelt und springt dem Tod nur knapp von der Schippe. Nach dem Entzug richtet sich Octaves Verachtung ganz auf die eigene Branche. Ein paar – wenige - hässliche Seiten der Konsumwelt blitzen auf, aber ein definitiver Anschlag auf den schönen Schein wird hinterrücks geplant.

Der Film „39,90“ basiert auf dem gleichnamigen Besteller von Frédéric Beigbeder, der mit diesem beißenden Insider-Roman seine eigene Karriere als Star-Werbe aufkündigte. Davon ist noch viel zu sehen: Der Joghurt von Madone – gemeint ist unübersehbar Danone – wird beim Dreh des Spots vom Modell genüsslich wieder ausgewürgt. Octave taucht bei seinem Abschied aus dieser Welt in eine berauschende Bilderflut ein. Styling ist selbst im letzen Moment alles. Das gilt auch für den ästhetisch faszinierenden und satirisch oft treffenden Film mit seinen coolen Songs. Die Vorherrschaft des Äußerlichen überrascht nicht beim Regisseur Jan Kounen: Bei seiner Brutalo-Action „Dobermann“ (1997), beim postmodernen Western „Blueberry und der Fluch der Dämonen“ (2004) und selbst bei der Dokumentation „Darshan - Die Umarmung“ (2005) sah immer alles gut aus. Was „39,90“ fehlt ist die Menschlichkeit, die in „Schmetterling und Taucherglocke“, Jean-Dominique Baubys Abrechnung mit der Modebranche, alles trägt. Dazu verliert sich der anfänglich berauschende Spott zu lange in alternativen Enden.

29.7.08

Die Chroniken von Narnia - Prinz Kaspian von Narnia


USA 2008 (The Chronicles of Narnia: Prince Caspian) Regie: Andrew Adamson mit Ben Barnes, William Moseley, Georgie Henley 144 Min. FSK: ab 12

Fühlst du die Magie auch? Fragt das kleine Mädchen Lucy im Londoner U-Bahnhof als der einfahrende Zug viel Wind macht. Nee! Auch wenn diesmal der Prinz kommt und ganz wie bei Harry Potter ein Zug die vier Geschwister aus dem trüben und zerbombten London ins Kostümland Narnia entführt. Man sieht es wohl, aber es fehlt einem der Glaube. Und damit wären wir beim Kern der Geschichte: Nur wenn ihr glaubt, kommt ein großer Löwe aus dem Wald und hilft euch, die Bösen zu besiegen! An vorderster Front fehlt allerdings dem Filmverleiher Walt Disney der Glaube – dazu später mehr ...

Im zweiten Film der "Narnia"-Reihe verschwinden die vier Pevensie-Kinder Peter, Susan, Edmund und Lucy wieder ins Fabelland Narnia, wo sie große Könige eines sagenhaften Reiches waren. Doch nach einem Jahr ihrer Londoner Zeitrechnung sind dort mehrere Hundert vergangen und Narnia ist zerstört. Es herrschen die Telmarines unter der Fuchtel des intriganten General Miraz (ungewohnt: Sergio Castellitto), der sich gerade den Thron seines Neffen Prinz Kaspian aneignet. Die Pevensie-Kinder vereinigen nun die unterdrückten Fabelkreaturen aus Narnia im Kampf gegen das Terrorregime und bringen den friedensstiftenden Kaspian wieder an die Macht. Das alles kann allerdings nur mit Hilfe des gottgleichen Löwen und Schöpfers Aslan gelingen, doch den sieht mangels Glauben nur die kleine Lucy.

Man muss bei der zügigen Abfahrt ins magische Land an Harry Potter denken, auch wenn der Narnia-Autor C.S. Lewis eine mediale Ewigkeit früher gelebt hat. Die andere Verwandtschaft mit dem „Herrn der Ringe“ seines Freundes Tolkien ist vor allem in den Schlachtszenen unübersehbar.

Der große Unterschied liegt in der heutigen Auswertung: Harry Potter wurde von Warner wie ein Zauberschatz gehütet. Jeder der im Kindergarten einen Zauberlehrling zeichnete, bekam einen Copyright-Anwalt an den Hals. Und der weltweite Starttermin des Films wurde genauso peinlich eingehalten, wie die hochgeheime Veröffentlichung der Bücher. Doch dieser Prinz Kaspian kommt kleckerweise an – oder nicht: Mal hier eine Preview, dann läuft er in einer Sneak ... So geht ein Filmverleih nicht mit Material um, an das er selber glaubt! In den USA hatte der erste Film „Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia“ nach 10 (Weihnachts-) Wochen bereits doppelt so viel Geld eingespielt wie der Nachfolger, dessen Vorlage der vierte Roman von sieben ist.

Für die Details einer weiteren großen Saga-Welt mögen sich etwaige Fan begeistern, nüchtern betrachtet wirken Fabelwesen wie die Minotauren und die Zentauren sehr albern. Man weiß genau, in kurzer Zeit sind diese digitalen Kreationen so verstaubt wie Ray Harryhausens Stop-Motion-Figuren in „Jason und die Argonauten“ (1963) oder seinen Sindbad-Filmen. Und bei der fechtenden Supermaus wünscht man sich den viel witzigeren Degen-Kater mit der Stimme von Antonio Banderas aus „Shrek“ herbei - Humor entschlüpft den britisch zusammengekniffenen Lippen des Narnia-Films für Jugendliche ohne viel Film- und Fernseherfahrung sehr wenig. Apropos spanischer Dialekt: Der zeichnet hier die gegnerischen Telmarines aus und macht sie höchstens unfreiwillig komisch.

22.7.08

Superhero Movie


USA 2006 (Superhero Movie) Regie: Craig Mazin mit Drake Bell, Sara Paxton, Chistopher McDonald, Leslie Nielsen 86 Min. FSK ab 12

Super? Höchstens super dämlich und super simpel! Erneut wird dem Parodie-Affen Zucker gegeben – David Zucker. Der amerikanische Autor, Regisseur und Produzent ist seit den Siebzigern meistens dabei, wenn es um das Verwursten von erfolgreichen Kino- und TV-Hits geht. „The Kentucky Fried Movie“ war 1977 noch anarchisch bescheuert. „Airplane!“, „Top Secret“, „Nackte Kanone“ oder „Scary Movie“ konnten ihr jeweiliges Genre (Katastrophen-, Polizei- oder Horrorfilm) im besten Falle analytisch entlarven und immer deftigen Klamauk abliefern. Die gefühlte Frequenz der Gags nahm im Laufe der Jahrzehnte drastisch ab. Mittlerweile ist Zucker auch im Kino in höheren Dosen ein unerwünschter Zusatz zur Unterhaltung.

Nachdem Will Smith als „Hancock“ und „Die Unglaublichen“ im Zeichentrick das Superheldentum bereits intelligent verspotteten, kommt nun die Blöden-Variante. Vor allem um „Spiderman“ spinnt sich der recht simple Humor, der sich am bekannten Superhelden-Handlungsschema entlang hangelt und bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit humoristische Tiefschläge austeilt. Dazu sind auch handwerklich schwaches Schauspiel und ganz miserable digitale Animationen zu beklagen.

Der Trottel Rick Riker wird von einer gen-veränderten Libelle gebissen und entwickelt Superkräfte. Neben kleineren Heldentaten muss er vor allem den Oberschurken Lou Landers (Christopher McDonald) bekämpfen, der Menschen reihenweise die Lebensenergie aussaugt. Da Rick Rikers Eltern in einer dunklen Gasse der großen Stadt ermordet wurdem, lebt der Waise bei seinem Onkel. Während die Morde „Batman“ parodieren, indem diesmal tatsächlich Rick für die tödlichen Schüsse verantwortlich ist, zitiert sich Leslie Nielsen (Onkel Albert) schon seit langem nur noch selbst. Wenn die Figur des notgeilen, ewig furzenden Senioren einen Großteil der Scherze trägt und der Rest nicht viel niveaureicher ist, kann eigentlich nur noch die Parodie der Parodie-Filme helfen.

21.7.08

Akte X - Jenseits der Wahrheit


USA 2008 (The X-Files: I Want to Believe) Regie: Chris Carter mit David Duchovny, Gillian Anderson, Amanda Peet 105 Min.

Die Ex-Agenten Mulder (David Duchovny) und Scully (Gillian Anderson) sind alt geworden und auch etwas antriebslos. Die gute Katholikin Scully arbeitet in einem kirchlichen Kinderkrankenhaus, Fox Mulder sitzt zuhause und sortiert nur noch im Hinterstübchen Verschwörungstheorien. Die beiden sind ein Paar, wobei sie ihn irgendwie so geheim hält, dass nicht mal das FBI von ihm weiß! Da braucht man sich nicht zu beklagen, dass sechs Jahre nach Ende der letzten „Akte-X“-Staffel und zehn Jahre nach dem ersten Kinofilm das Wiedersehen völlig unaufgeregt und unoriginell inszeniert wurde – es ist ja kein wirkliches Wiedersehen, eher ein Abgesang von sehr entfernten Bekannten.

Als sie ein Hilferuf der ungläubigen nächsten Generation von FBI-Agenten (unter kesser Führung von Amanda Peet) erreicht, (re-) animiert ausgerechnet Scully ihren Lebenspartner Mulder, bei der Suche nach einer vermissten Agentin zu helfen. Zu den Tatorten und vielen Leichenteilen führt sie dank unerklärlicher Visionen ein wegen Kindesmisshandlung verurteilter Priester. Und Mulder als Fachmann für das Unerklärliche soll abklären, ob man dem Unglaublichen glauben kann. Im „Glaubenskriech“ der vom X-Autor und -Regisseur Chris Carter behäbigen inszenierten, konventionellen Handlung kämpft Scully nebenbei um das Leben eines Jungen, der als unheilbar gilt und von den Priestern der Krankenhausverwaltung in ein Hospiz aussortiert werden soll. Das ganze Morden und Amputieren in Frankstein’scher Tradition bringt Scully schließlich zum Glauben, nicht aufzugeben. Diese Weisheit steckt in mindestens jedem zweiten schlechten us-amerikanischen Film. Und so ist der zweite „Akte X“-Film eine Enttäuschung in Serie und als Film an sich. Nur als Beleg einer verqueren Widergeburt des Glaubens kann diese angestaubte Akte noch interessieren.

Wer sich auf Außerirdische, Übersinnliches und paranormale Erscheinungen freut, wird von dieser Neuaufnahme der X-Akten schwer enttäuscht. Es geht hier ganz altmodisch und im Trend der religiösen Retro um Glauben. Und tatsächlich nicht um den aufklärerischen Mulder’schen Glauben, dass „da draußen“ mehr zu entdecken wäre, dass die Wahrheit da draußen und vielleicht sogar draußen im Weltall sei. Nein, wie in einem kirchensteuer-finanzierten Erbauungsstreifen geht es um den einen Gott, den katholischen, der auf Platz drei der Weltreligionen steht, Tendenz absteigend. Die erschreckende Erscheinung ist dann recht aktuell: ein Priester, der einst reihenweise Chorknaben missbrauchte, sich entmannte und nun mit unerklärlichen Visionen das FBI auf die Fähre eines Serienmörders führt. Dass die Perversität des Mordmotivs wieder mit der Schuld des Priesters verbunden sein könnte, ist reichlich verdreht, sowohl in dramaturgischer wie in psychologischer Hinsicht: Muss ein priesterlich vergewaltigter Junge später unbedingt auf sehr horrende (und umständliche) Weise zur Frau werden wollen? Richtig, es gibt da noch eine Lungenkrankheit. Aber dafür den ganzen Körper auswechseln, ist wie Autoneukauf bei vollem Aschenbecher! Oder so unnötig wie der ganze Film.

16.7.08

You Kill Me


Kanada, USA 2007 (You Kill Me) Regie: John Dahl mit Ben Kingsley, Tea Leoni, Luke Wilson, 92 Min.

Die Mafia in Buffalo macht in Schnee. Ja, das weiße Zeugs, auf der Straße. Das nasse Zeugs, nicht das Kokain. Um es noch absurder zu machen: Die dortige Mafia wird von den Polen kontrolliert, die ausnahmsweise mal keine Autos klauen. Aber die Familie hat ein Problem: Frank, der Killer der Familie, ist Alkoholiker. Er kommt aus Buffalo und da sei es naheliegend, zu trinken. Jedes Mal wenn man ihm einen Auftrag gibt, muss man rumtelefonieren, ob die Kunden wirklich tot sind. Frank muss aufhören zu trinken, „sonst arbeitest du nicht mehr für uns, und wir können nicht erlauben, dass du für jemanden anderen arbeitest, auch wenn du zur Familie gehörst,“ meint der Pate (Philip Baker Hall). So schickt die Familie Frank zu den anonymen Alkoholikern nach San Francisco und damit es ihm nicht allzu schwer fällt, gibt man ihm eine Schneekugel mit.

Das Psycho-Gequatsche bei den AA geht ihm anfangs auf die Nerven, wie einst Robert DeNiro als Mafiaboss auf der Couch sein Psychiater. Doch Frank findet einen Job als Leichenwäscher und in Laurel (Tea Leoni, die den Film auch mitproduziert hat) eine reichlich schräge Freundin, die gerade einsam ist, aber zunehmend Gefallen an dem älteren Mann und seinem Tätigkeit findet. Doch als Frank nüchtern wird, hat er ein neues Problem: Ein schlechtes Gewissen – nicht weil er Menschen umgebracht hat, sondern weil er sich nicht exakt und fachgerecht kalt gemacht hat.

Regisseur John Dahl ist ein Fachmann auf dem Gebiet des coolen Thrillers, seine Bilder sind exakte Meisterwerke in Sachen Styling. Das ist die solide Grundlage für den absurden Twist des coolen Killers mit der weichen Leber. Dann kommen schon die genialen Züge dieser Film Noir-Komödie: Texte, die in rasanter Folge einen komischen Knaller nach dem anderen abliefern. Nebendarsteller, die um Ben Kingsley herum so interessant sind, wie viele Hauptrollen in anderen Filmen. Und schließlich Kingsley selber, der sich vor allem als „Sexy Beast“ für diese Rolle qualifizierte. Es ist grandios, wie Ben Kingsley sich bei den Beichten der anderen windet. Wie er ganz selbstverständlich über seinen Beruf, das Morden redet. Dabei ist Frank auch ein ziemlich lässiger Liebhaber, hier hat er die Sache und Laurel im Griff.

Get Smart


USA, 2008 (Get Smart) Regie: Peter Segal mit Steve Carell, Anne Hathaway, Dwayne "The Rock" Johnson 110 Min. FSK ab 12

Wenn jetzt die TV-Folgen von „Nackte Kanone“ wieder zu sehen sind, glaubt man, dies sei die Großmutter aller Agenten-Parodien. Doch schon kurz nach dem Bond-Film „James Bond – 007 jagt Dr. No“ nahm Maxwell Smart seine Arbeit als Agent bei CONTROL, einer geheimen Behörde der US-Regierung, auf. Die Serie „Get Smart“, mit dem deutschen Titel „Mini-Max“, lief von 1965 bis 1970. Seitdem gab es zahllose Anti-Agenten von Leslie Nielsen bis „Austin Powers“ und nun reaktiviert man auch wieder Maxwell Smart.

Smart ist großartiger Analyst bei Geheimdienst CONTROL, träumt aber davon, endlich draußen zum Einsatz zu kommen. Als die verbrecherische Organisation KAOS die Zentrale des CIA überfällt und alle Geheimagenten „verbrannt“, also bekannt, sind, bleiben nur Maxwell und die Kollegin Agent 99 (Anne Hathaway) für den Außeneinsatz. Maxwell wird zum Agenten 86 und das Chaos geht seinen Gang.

In diesen Parodien ist es klar, das alles schief geht und dann letztendlich wieder nicht. Also kommt es aufs Detail an, in dem der Fehler liegt. Etwa in der Abteilung Erfindungen: Da sorgt die abhörsichere Schallglocke für heftige Verzerrung und Quetschungen – noch nicht ganz ausgereifter Slapstick. Bruce (Masi Oka, der Darsteller des Hiro aus der TV-Serie „Heroes“) liefert für weitere Gags und Gadgets wie ein Schweizer Messer mit Flammenwerfer, Mini-Armbrust, aber vor allem: ohne Messer. Als Gratifikation erhielten er und Kollege Lloyd dafür übrigens einen eigenen Film: „Get Smart’s Bruce And Lloyd Out Of Control“, der ab September auf DVD zu haben ist.

Zurück zum Hauptfilm, in dem sich der total unfähige und noch ungeschicktere Maxwell und Agentin 99 zusammenraufen, während sie von einer rauflustigen Hommage an den Beißer aus den Bond-Filmen verfolgt werden. Das alles geschieht auf der Suche nach „Gelbem Kuchen“, also waffenfähigem Plutonium – ein Gag, der nur im englischen Original funktioniert.

Während Anne Hathaway als Agent 99 (von „Plötzlich Prinzessin“ zu „Plötzlich Agentin“) nur Dienst nach Vorschrift macht und wohl die Zielschichten bedienen soll, die das Original in den Sechzigern nicht live miterlebt haben, überzeugt Steve Carell als Maxwell Smart. Der ehemalige Stand Up-Comedian findet die Balance zwischen einem Hauch von angestrengter Seriosität und dem Klamauk, der einen in solche Filme treibt.

„Get Smart“ sticht aus dem Trend der Billig-Parodien am laufenden Filmmeter hervor. Durch solide Darstellerleistungen, einen erhöhten Grad an Absurdität und vor allem durch den Geist von Mel Brooks, der dem Original seinen ganz speziellen Humor eingehaucht hat. Und ein wirklich guter Witz ist nicht tot zu kriegen, so oft und so albern man auch auf ihm rumhaut.

Mamma Mia!


USA, GB 2008 (Mamma Mia!) Regie: Phyllida Lloyd mit Meryl Streep, Pierce Brosnan, Amanda Seyfried 109 Min. FSK: o.A.

Wer es noch nicht gesehen hat, darf sich riesig freuen. Wer es kennt, wird begeistert aufschreien: Das ABBA-Hitmusical „Mamma Mia!“ ist im Kino angekommen. Der größte Karaoke-Hitfilm seit langem, ein Mitsinger und dank knackiger Seniorenbesetzung mit Meryl Streep und Pierce Brosnan auch ein Hingucker!

Seit neun Jahren ein Riesenerfolg auf den Musicalbühnen und seit dreißig Jahren Ohrwürmer: Die Lieder von ABBA funktionieren auch noch zwei Jahrzehnte nach Auflösung der schwedischen Band generationsübergreifend. Deshalb musste man einfach eine schöne Sommergeschichte um sie herum stricken:

Anlässlich ihrer Hochzeit sucht Sophie (Amanda Seyfried) ihren wirklichen Vater und stöbert in Mama Donnas (Meryl Streep) Vergangenheit herum. Die hat im Sommer vor Sophies Geburt gleich mit drei Männern „Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen“ gemacht, wie ihr Tagebuch erzählt. Da die niedliche Sophie die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen hat, lädt sie gleich alle drei Kandidaten für die Vaterschaft zur Hochzeit auf die griechische Trauminsel, wo Mama ein baufälliges Hotel hat und wo damals die drei wilden Rocker mit Donna...

Ein grandiose Riege von möglichen Vätern sitzt bald zusammen in einem Boot, beziehungsweise in der peinlichen Situation: Der Abenteurer und Reisejournalist Bill (Stellan Skarsgård), der völlig unspontane Bürohengst Harry Bright (Colin Firth) und der obercoole Sam Carmichael (Pierce Brosnan) folgen erneut dem Ruf der Sirenen. Gleichzeitig vereinigt Donna ihre wilde Mädchenriege von früher und die drei „Dynamos“ rotieren mit und ohne Alkohol sofort auf vollen Touren. Spaß, Verwicklungen, etwas Romantik und vor allem: 19 alte ABBA-Songs machen aus diesen chaotischen Hochzeitsvorbereitungen den größten Wohlfühler und Spaßmacher seit „My big fat greek wedding“.

Die Lieder von „Dancing Queen“, über „Take A Chance On Me“ und „I Have A Dream“ bis zum Titelsong „Mamma Mia“ sind derart unverschämt populär, dass man einfach nur eins machen kann: Mitsingen! Dass auf der Leinwand heftigst und immer wieder gesungen wird, erscheint als das Natürlichste der Welt. Wie anders können sich die Freundinnen von Donna nach dem Wohlergehen der aufgelösten Mutter erkundigen, als mit „Chiquitita, tell me whats wrong?“ Meryl Streep, die anfangs burschikos in Latzhose durch das Chaos-Hotel stapft, singt wie alle anderen selbst und schafft es dabei tatsächlich, die Verwirrung eines jungen, verliebten Mädchens auf die Leinwand zu bringen. Dazu gibt es kurze, umwerfend komische Visionen, wie die drei gestandenen Herren damals als harte Rocker aussahen. Überhaupt nutzt „Mamma Mia!“ die Möglichkeiten des Musicals für Spaß und bunte Träumereien. Die US-Produktion, deren Kontrolle die beiden B’s von ABBA (Benny Andersson and Björn Ulvaeus) auch nicht aus der Hand gaben, ist so näher am Bollywood-Film oder an den Song-Medleys von Baz Luhrman („Strictly Ballroom“, „Moulin Rouge“) als an Hollywood-Trällereien. Dazu passen zwischenzeitlich hemmungslos übertriebene Massenszenen und ein griechischer Chor, der diesmal ein herzlicher Haufen Einheimischer ist, die alles laut lachend oder mit leidend mitsingen. Nach „Mamma Mia!“ ist „Waterloo“ endgültig nur noch ein Lied, an Niederlage ist bei diesem Siegeszug der guten Laune nicht zu denken.

8.7.08

Der unglaubliche Hulk


USA 2008 (The Incredible Hulk) Regie: Louis Leterrier mit Edward Norton, Liv Tyler, Tim Roth 110 Min. FSK: ab 12

„Hulk“ ist außer Kontrolle geraten. Aus der Sicht der Action- und Comic-Fans sowie des Marvel-Comicverlages heißt das: Ein Kunstkino-Regisseur namens Ang Lee hat sich den Stoff der Comic-Legende Stan Lee (überhaupt nicht verwandt oder verschwägert) geschnappt und einen Film gemacht, der weder bei den Fans noch an der Kinokasse ankam. Jetzt hat Marvel das Riesenmonster in die Hand genommen, einen Actionregisseur angeheuert und schon macht das Ungeheuer, was man von ihm erwartet: Krach und Kasse.

„Was bisher geschah“ wird im Vorspann rasant zusammengefasst: Bruce Banner (Edward Norton) wurde bei Experimenten für das Militär mit Gamma-Strahlung verseucht und wird immer zum großen, grünen Wüterich namens Hulk, wenn er sich über eine Rechnung oder ein Call-Center aufregt. Weil er jetzt aber tierisch starke Gene hat, jagt ihn die Army, ausgerechnet unter der Leitung seines Schwiegervaters in spe, General Ross (William Hurt). Seine große Liebe Betty Ross (Liv Tyler) kann Bruce nur noch aus der Ferne sehen, weil sein Wüten alles kaputt machen kann. Im brasilianischen Untergrund lernt er, seine Wut zu kontrollieren, sie mit den Bauchmuskel im Zaum zu halten. Eine Pulsuhr hilft auch – neben Normal- und Hohem Bereich hat Hulk sicher auch den Monster-Bereich. Er fängt bei 196 Schlägen an.

Im Bereich des Ruhepulses und auf die Charaktere konzentriert, beginnt Louis Leterrier ("Transporter") seine Action. Er macht es spannend, bis Hulk erstmals in voller, wütender Pracht erscheint. Doch einmal aus der Reserve gelockt, beschleunigt sich die Action-Handlung in den vorgesehenen Bahnen. Bruce Banner sucht den Kontakt zur Zellbiologin Betty und läuft in die Falle des Schwiegerpapas, der mit Abominable eine neue Kampf-Kreatur herangezüchtet hat. Aber im Gegensatz zum ruhigen Wissenschaftler Banner war der abscheuliche Emil Blonsky (Tim Roth) schon immer ein Killer, der es nun nicht abwarten kann, eine genetisch rund erneuerte Kampfmaschine zu werden. Selbstverständlich läuft alles auf den großen Knall zwischen den beiden großen, aber starken Knallköpfen hinaus: Hulk gegen Abominable.

Ohne Mätzchen erfüllt dieser neue „Hulk“ seine Wiedergutmachung bei den Fans. Die Action ist schnörkellos und kommt zum erwarteten Zeitpunkt. Zur Entspannung gibt es ein paar Scherze über Aggressivität im Straßenverkehr und Schauspieler Edward Norton sieht im Computer das Logo vom Norton-Anti-Virus-Programm. Selbstverständlich setzt sich auch die Liebesgeschichte fort, bei der Hulk mal King Kong zitieren darf. Selbst Comic-Autor Stan Lee taucht wieder kurz in seiner Geschichte auf, diesmal als der Senior, der sich einen Schluck aus der infizierten Limonade gönnt. Wo Ang Lee die Größe Hulks in weiten Landschaften ausführlich erleben ließ, macht Leterrier auf Sandkastenspiele auf einer Universitätswiese. Nicht nur der ästhetische Wagemut ist komplett ausgewechselt, auch die Darsteller sind im Gegensatz zur Story alle neu. Aber die meisten Kinogänger wollen Vertrautes sehen und so ist die Zukunft des großen grünen Marketing-Paketes „Hulk“ gesichert.

Jugend ohne Jugend


USA 2007 (Youth Without Youth) Regie: Francis Ford Coppola mit Tim Roth, Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara 124 Min. FSK: ab 12

Zehn Jahre ist es her, seit Francis Ford Coppola seine letzte Regie mit dem Umwelt-Gerichtsfilm „The Rainmaker“ ablieferte. Eine ganze Generation sporadischer Kinogänger wird nichts mit dem „Paten“ des Mafiafilms und dem „Redux(-ierer)“ von „Apocalypse Now“ anfangen können. Oder ihn als den genialen Schöpfer vom filmhistorischen Meilenstein „Rumblefish“ kennen, geschweige als Regisseur von Kuriositäten wie dem Horrorfilm „Dementia 13“ oder dem kitschigen Musical „Finian's Rainbow“. Ja, der Vater von Sofia Coppola macht auch Filme! Er hat sogar als treibende Kraft von „New Hollywood“ in den Siebzigern mit George Lucas und Steven Spielberg die Filmwelt so grundlegend verändert, dass Kino ohne ihn heute anders aussehen würde. Doch vielleicht ist es ganz gut, „Jugend ohne Jugend“ ohne jede Erwartung zu sehen, denn einordnen lässt sich die sehr ungewöhnliche bis seltsame Geschichte mit ganz bekannten Gesichtern wie Tim Roth und Bruno Ganz nur schwer. Die Novelle des rumänischen Sprachwissenschaftlers und Schamanismus-Gurus Mircea Eliade erweist sich als Jungbrunnen für den Altmeister, der mutig und frei auf eigene Rechnung filmte.

Schon die ersten Bilder lassen rätseln: Schriftzeichen verschiedener Sprachen und Epoche flirren über die Leinwand, eine Uhr tickt laut. Den 70-jährigen Sprachforscher Dominic Matei (Tim Roth) trifft in Budapest ein gewaltiger Blitzschlag, hebt ihn glühend in die Luft. Chefarzt Professor Stanciulescu (Bruno Ganz) pflegt Matei, stellt fest, dass dieser trotz der eigentlich tödlichen Verwundungen von Tag zu Tag jünger wird. Der erstaunliche Pflegefall baut eine vertrauensvolle Beziehung zu Stanciulescu auf, erzählt ihm von seiner Vergangenheit, seinen Studien zum Ursprung der Sprachen. Die unerklärliche Genesung wird ebenso von Nazis gestört wie von einem Alter Ego Mateis, das immer wieder mit ihm diskutiert. Wir befinden uns am Ende der Dreißiger Jahre, Hitler-Deutschland startet die Eroberung Europas und Dr. Josef Rudolf (auch André Hennicke mit furchtbaren Dialekt), einer dieser wahnsinnigen Naziwissenschaftler, will den Übermenschen Matei grillen.

Coppola macht aus der Novelle etwas ganz Eigenes, stellt in historischen Kulissen Szenen auf den Kopf, erlaubt sich, bei vielem Unerklärlichen die Logik außen vor zu lassen. Und wird zudem so mysteriös wie Lynch: Nach der Flucht vor den Nazis trifft Dominic Matei ein Ebenbild seiner verlorenen Liebe (Alexandra Maria Lara), das wiederum kurz darauf vom Blitz getroffen wird und junges Gefäß verschiedenster Inkarnationen sein wird. Nacht für Nacht verwandelt sich Veronica in immer seltsamer gebärdendere Frauen und spricht immer ältere Sprachen. Eine Erklärung dieses sehr merkwürdigen, schön gefilmten Mysteriums mit einem Hauch Romantik darf man nicht erwarten. Ansätze liefert die Biografie von Mircea Eliade, doch das Rätseln über das Wesen von Sprachen, Seelenwanderung und Wiedergeburt sollte man neugierig selbst auskosten.

2.7.08

Madonnen (DVD)


Filmgalerie 451 / AL!VE

BRD, Schweiz, Belgien 2007 (Madonnen) Regie: Maria Speth mit Sandra Hüller, Olivier Gourmet, Susanne Lothar 115 Min. FSK: ab 12

Man muss gar nicht erst die inflationären Schlagzeilen über Kindesvernachlässigung herbei zitieren, um „Madonnen“ spannend zu machen. Das intensive Porträt einer Rabenmutter, eindringlich von Sandra Hüller („Requiem“) gespielt, packt durch glaubhafte und klare Darstellung von etwas was nicht sein darf.
Rita (Sandra Hüller) taucht unvermittelt an einem belgischen Einfamilienhaus auf und konfrontiert die Idylle mit ihrem Baby, das vom Familienvater stammt. Ihre provokative Art bringt Rita ins Gefängnis, danach holt sie ihre vier Kinder bei der Großmutter (Susanne Lothar) ab, und versucht mit einem sehr großen, sehr gutmütigen schwarzen Army-Soldaten zusammenzuleben. Doch die Verantwortung überfordert Rita, selbstzerstörerisch stürzt sie sich wieder in Affären...
Die Handlung bemüht sich nicht, alles zu erklären. Auch deshalb bleiben Ritas Handlungen rätselhaft. Dem intensiven Spiel von Sandra Hüller ist es zu verdanken, dass man vorurteilsfrei dran bleibt an diesem Menschen und seinen Kämpfen.

Kung Fu Panda


USA 2007 (Kung Fu Panda) Regie: Mark Osborne, John Stevenson mit den Stimmen von: Jack Black / Hape Kerkeling (Po), Dustin Hoffman / Gottfried John (Shifu), Angelina Jolie / Bettina Zimmermann (Tigerin) 91 Min. FSK: o.A.

Panda-Bären sehen niedlich aus, hängen den ganzen Tag in Eukalyptusbäumen rum (wenn man sie ihnen nicht raubt) und tun ... nicht viel. Das liegt daran, dass Eukalyptusblätter ungefähr das Doppelte an Energie, die sie liefern, für das Verdauen verbrauchen. Deshalb kann man sich nur sehr schwer vorstellen, dass Pandas zwischendurch bewegungsreiche Kung Fu-Kämpfe abliefern. Außer sie bewegen sich heimlich so rasant, dass man gar nicht merkt, wie sie zwischen zwei Verdauungsschläfchen ein paar Bergbauern retten. Doch Panda Po hat in diesem gelungenen Zeichentrickfilm keine Zeit für Heldentaten. Die Gäste im Nudelrestaurant seines Vaters zu bedienen, überfordert den pummeligen Panda schon sehr. Manchmal hat er verwegene Ideen und möchte ein Tofu-Gericht auf die Speisekarte setzen, aber das wäre in der traditionellen Nudel-Familie ein Sakrileg. So gibt auch niemand Pos Träumen von Karate-Heldentaten eine Chance.

Als hoch droben im Bergkloster aus den Kung Fu-Schülern der Drachen-Kämpfer erwählt werden soll, schafft es der dicke Panda Po kaum, die tausenden Stufen zu erklimmen. Zu spät gekommen hüpft der Kung Fu-Fan vor den Mauern herum, entfacht tollpatschig ein Feuerwerk und landet im falschesten Zeitpunkt zu den Füssen der weisen Meisters Oogway. Prompt wird Po zum Auserwählten und alle hassen ihn: Die fünf Elite-Schüler und ihr strenger Meister Shifu. Jeder Versuch, dem Panda Kraft, Geschmeidigkeit und Schnelligkeit eines Ninja beizubringen, scheitert kläglich und sehr witzig. Trotzdem soll er als Drachen-Kämpfer das Geheimnis unendlicher Kraft erfahren und es gegen den übermächtigen Schnee-Leoparden Tai Lung schützen. Der ist gerade aus einem fernen Hochsicherheits-Verlies ausgebrochen und nähert sich mit großen Sprüngen.

Auch wenn einige Figuren asiatischer Kampfkunst nach Tieren benannt sind, bleibt es eine geniale Idee, Panda, Meerschweinchen und Co. als tapfere Kämpfer zu zeichnen. Vor allem, sie gegen den Strich zu besetzen sorgt schon beim ersten Anblick für großes Vergnügen: Wieso sollte ein Tiger eine Gottesanbeterin fürchten oder den Handkantenschlag einer Mamba? Und was ist mit dem Todeskrallengriff des Meerschweinchens? All das lässt vor allem Po kalt, wenn er Essen wittert. Und so muss der ungeduldige Meister Shifu ganz spezielle Trainingsmethoden entwickeln...

Die Macher von „Kung Fu Panda“ (es sich die gleichen wie bei „Madagascar“, „Ab durch die Hecke“ und „Shrek 2“) geben diesen Charakterzeichnungen sympathische Tiefe und ein flottes Tempo. Von den Weisheiten der Schildkröte Oogway bis zu den Albernheiten Pos sind alle Figuren sorgfältig gezeichnet. Während die Kleinen mit den netten Tierchen viel Spaß haben werden, mögen sich die Älteren an den einen oder anderen zitierten Kung Fu-Klassiker erinnern.

1.7.08

Happy-Go-Lucky


GB 2008 (Happy-Go-Lucky) Regie: Mike Leigh mit Sally Hawkins, Alexis Zegerman, Eddie Marsan 119 Min. FSK: ab 6

Was ist Optimismus? Diese Frage lässt sich relativ leicht von jedem beantworten. Wie aber sähe der Optimismus aus, wenn er eine Person wäre? Das beantwortete ausgerechnet einer, der auf der internationalen Filmbühne mit „Naked“, einer ganz bitteren, nackten Wahrheit über den Menschen an sich auftrumpfte. Einer, der mit dem düsteren Abtreibungsdrama „Vera Drake“ Optimismus und Menschenliebe durch die Justiz abstrafte. Doch jetzt bringt der Brite Mike Leigh mit „Happy-Go-Lucky“ die sonnige Sicht der Dinge an die Grenze der Erträglichkeit – ohne sie mit seinem fröhlichen Star Sally Hawkins zu überschreiten!

Poppy (Sally Hawkins) ist eine atemberaubende Erscheinung – nicht nur, weil man um ihre Sauerstoffversorgung bangt, wenn sie ohne Strich und Faden plappert, redet, schwätzt und quatscht. Während man selber den Mund nicht zubekommt angesichts dieses fröhlich sprudelnden Redeflusses, erfrischt sich die eigene Laune unmerklich bis heftig. Poppy ist nicht auf den Mund gefallen und auch nicht auf den Kopf, sie ist witzig, schlagfertig und vor allem sieht sie die Welt positiv. Wenn sie mit ihrer Mitbewohnerin und Kollegin Zoe den Unterricht im Kindergarten vorbereitet, fragt man sich zwar, ob die bunten, fantastischen Vogelmützen und –masken für die Kinder oder für Poppy sind. Aber auf der Arbeit steckt das fröhliche Gemüt an und die Kinder bei Poppy haben sichtlich mehr Freude an den schrägen Vögeln dieser Welt als die Kleinen bei Zoe.

Auch wenn die Abfolge von Szenen, die Mike Leigh für Poppy entwickelte, fast wie eine konstant aufsteigende Dur-Melodie wirkt, ist das Leben der Single-Frau kein Zuckerschlecken. Da ist der kleine Junge in der Klasse, der extrem gewalttätig gegen noch kleinere agiert. Das Treffen mit dem Psychologen hilft nicht nur dem Kind, auch Poppy geht mit einer hoffnungsvollen Verabredung nach Hause. Jede Hoffnung fahren lässt allerdings der griesgrämige Fahrlehrer, der die witzigsten Szenen mit der chaotischen Frau ertragen muss. Grandios ist auch ein Besuch bei Poppys Familie, wo plötzlich das solitäre Dauerplappern zum Chor wird, angereichert durch eine kräftige Portion Neurose bei der ältesten Schwester.

„Happy-Go-Lucky“ erfrischt mit sympathischem Humor, der ganz auf den Lippen und Gesichtszügen einer erstaunlich fröhlichen Figur liegt. Sally Hawkins gewann im Februar den Goldenen Bären für die Beste weibliche Darstellerleistung bei der Berlinale. Was bei Mike Leigh öfters passieren kann, denn dieses Theater-Tier legt extrem viel Wert auf das Rollentraining mit seinen Schauspielern. Die bedenklichen Momente zum Ende hin retten den Film vor einem zu platten Porträt Poppys. Bedenklich, weil Poppy erkennt, dass man nicht alles weglachen kann. Dass es durchaus auch Situationen und Menschen gibt, die gefährlich sind. Wo es nicht mehr allein hilft, dem vernachlässigten oder misshandelten Kind in verschrobenen Erwachsenen Trost zu spenden. Doch Poppy wäre nicht Poppy, wenn sie „Happy-Go-Lucky“ nicht zu einem fröhlichen Ende bringen würde.