28.7.20

Lucy in the Sky

USA 2019 Regie: Noah Hawley, mit Natalie Portman, Jon Hamm, Zazie Beetz 125 Min. FSK ab 12

Die erfolgreiche NASA-Astronautin und Überfliegerin Lisa Nowak versucht auf absurde Weise mit Pistole, Perücke und Windel (für eine lange Autofahrt) eine Konkurrentin zu entführen. Diese ziemlich unwahrscheinliche, verrückte, aber wahre Geschichte inszeniert Noah Hawley („Legion", „Fargo"-Serie) faszinierend in Gestaltung und im Spiel der beiden Hauptdarsteller Natalie Portman und Jon Hamm.

„Wenn man die Erde einmal von oben gesehen hat, ist hier unten alles so klein". Durch eindrucksvolle Bilder aus dem All und eine Montage, die in besten Momenten an Terrence Malick erinnert, kann man das Gefühl von Lucy Cola (Natalie Portman) miterleben, die 2006 mit einem Space Shuttle im Weltall war. Das Leben auf der Erde findet danach in einem kleinen, engen Rahmen statt. Auch auf der Leinwand zieht sich das Bild zusammen. Ehrgeizig will Lucy ihre nächste Mission erkämpfen. Die Überfliegerin, der alles gelingt, kommt aber nach dem Anbaggern des nicht gerade dezenten Machos und Kollegen Mark Goodwin (Jon Hamm) ganz schön ins Schwanken. Und das nicht nur wegen des Alkohols. Lucy Cola ist lange eine Figur, um die man sich keine Sorgen macht. Auch wenn seit dem Flug ins All immer wieder unpassende Bilder in ihrem Kopf ablenken. Doch in der Mitte des Films kippt es: Ihr Geliebter trifft sich mit der frechen Konkurrentin, die Mutter stirbt und der Chef verweigert den nächsten Weltraumflug. Mit ihrer exzessiven Leidenschaft für Checklisten plant Lucy nun die Entführung der Konkurrentin nach einer 20-stündigen Autofahrt.

Ab diesem Moment kippt auch der Film: Der bislang faszinierende Stil tritt zurück für eine wirklich schräge Entführungsaktion. Lucy ist längst entgleist, was jetzt passiert, fühlt sich nicht an wie ein Finale, sondern wie Fußnote. Denn das Abrutschen aus beängstigender Perfektion wird von Natalie Portman bislang großartig dargestellt. Vielleicht eindrucksvoller, als man es bei so einer abstrusen Geschichte erwartet. Die sehr reizvolle Machart mit Montagen aus Tagträumen, Erinnerungen und Ton-Fetzen vom Einsatz im All bringt einen durchaus nachvollziehbar in Lucys seltsamen Zustand ihrer abgehobenen Zwischenwelt. Bei exzellenter Musik-Auswahl generiert das auch sehr witzige Szenen, wie Astronauten in Zeitlupe ... beim Bowlen. Zwischendurch klingt immer wieder „Somewhere over the Rainbow" an und wirkt leicht wahnsinnig. „Lucy in the Sky" nicht der neueste, aber der avancierteste Film, den es zurzeit zu sehen gibt.

27.7.20

The King of Staten Island


USA 2020 Regie: Judd Apatow, mit Pete Davidson, Marisa Tomei, Bill Burr, Bel Powley, Maude Apatow, Steve Buscemi 137 Min. FSK ab 12

Filme des Erfolgs-Produzenten und Regisseurs Judd Apatow bekamen im Laufe der Jahrzehnte zum immer starken Blödel-Anteil immer mehr erwachsene Momente. So ist der Weg von Hits wie „Beim ersten Mal" (2006) oder „Jungfrau (40), männlich, sucht..." (2005) zu eindrucksvoll einfühlsamen und klugen Werken wie „Juliet, Naked" (2018) ein äußerst interessanter. Nun kreuzt sich diese Linie mit einem weiteren Comedy-Star der Saturday-Night-Live-Truppe: Pete Davidson entwickelt sich in einer teils autobiographischen Geschichte vom ziellosen Spätstarter zum sensiblen und sozialen jungen Künstler.

Scott (Pete Davidson) ist Mitte Zwanzig, träumt davon, Tattoo-Künstler zu sein, aber wohnt noch zuhause bei der Mutter im langweiligen New Yorker Stadtbezirk Staten Island. Ja, er hat es nach eigener Aussage auch schwer, irgendwas mit Morbus Crohn und sein Vater starb bei einem Einsatz als Feuerwehrmann als Scott sieben Jahre alt war. Dies Trauma ist die Triebfeder seiner Antriebslosigkeit, so hängt er meist bekifft mit Freunden ab und macht höchstens harmlosen Blödsinn. Wie einen Kumpel völlig mit wirklich schlechten Tattoos voll zu kritzeln. 

Das Rumhängen nimmt eine herrlich komische Wendung, als der Vater des Neunjährigen, den Scott auch „nur ein wenig" tätowiert hat, wütend vor der Haustür steht. Doch der Glatzkopf mit Riesenschnäuzer Ray (Bill Burr) verliebt sich nicht nur in Scotts Mutter Margie (Marisa Tomei), er ist auch Feuerwehrmann und will den überalterten Sohnemann bald aus deren Wohnung werfen.

Die trotzigen Versuche des aus Hotel Mama Verbannten, bei der Ex und sogar bei einem Kumpel, der auch wegen ihm im Knast sitzt, zu übernachten, sind ziemlich albern und sehr schön passend von Pete Davidson gespielt. (Sein Feuerwehr-Vater starb bei den 9/11-Rettungen.) Doch fast unbemerkt beginnt unter all dem Blödeln eine überraschende Entwicklung zu einem Film, der ganz langsam berührt und große Sympathien für die Figuren schafft. Scott wird ausgerechnet auf der Feuerwache von Ray aufgenommen, nachdem er den versammelten Feuerwehr-Männern vorgeworfen hat, verantwortungslos gegenüber ihren Familien zu sein. Das Ergebnis dieser ungewöhnlichen neuen Freundschaft erblickt Mutter Margie dann in einem genialen Zusammenkommen der Ereignisse auf dem Rücken des eigentlich untätowierten Rays (Buch: Pete Davidson, Judd Apatow, Dave Sirus). Das ist urkomisch und sehr berührend – ganz das Markenzeichen der späteren und besseren Werke von Judd Apatow. Die enorme Qualität des Ganzen zeigt sich auch an der extrem guten und passenden Neben-Besetzung, etwa mit Steve Buscemi als gute Seele der Feuerwache, der das Koksen allerdings erst vor kurzem aufgegeben hat.

Cody


Schweiz 2019 Regie: Martin Skalsky 90 Min. FSK ab 12

Der erste Lehrsatz auf der Filmkritiker-Akademie lautet: Nur wer Tierfilme mag, ist ein guter Mensch. „Cody" ist in dieser Hinsicht eine sehr, sehr harte Prüfung. Der furchtbare Dokumentarfilm erzählt die Geschichte des rumänischen Straßenhundes Cody, der von einer Schweizer Familie adoptiert und ungefragt das Objekt sehr privater Filmaufnahmen wird. Regisseur Martin Skalsky, der bisher beim Film nur Musik schneiden durfte, glaubt aber tatsächlich, dass Cody „die Freiheit" vermisst, als zerlauster Straßenköter vom nächsten Laster überfahren zu werden. Deshalb macht sich der völlig wirre Mensch auf nach Rumänien, um die Herkunft seines vierbeinigen Anhängsels zu erforschen.

Damit es kein Missverständnis gibt: Alles, was gezeigt wird, bezieht sich auf Hunde! Cody ist kein Flüchtlingskind, dass gerade in einem lybischen Flüchtlingslager verhungert, an einfachen Krankheiten stirbt oder vergewaltigt wird. Auch keines aus einem überfüllten EU-Flüchtlingslager in Griechenland oder ein Flüchtlings-Kind, dass gerade im Mittelmeer ertrinkt. Unser Mitgefühl gilt hier einzig und allein einem Flüchtlings-Hund aus Rumänien! Das erinnert sehr an Jan Böhmermanns Satire um seinen Lieblings-Kampfhund Chico.

Paradiesische Bilder aus den Schweizer Bergen werden sehr demagogisch gegen grausame Bilder vom Kampf gegen streunende Straßenhunde in Rumänien geschnitten. Dann noch schlimmer: Ganz unerträglicher Bilder-Kitsch einer glücklichen Familie mit Kind und Hund. Es herrscht fürchterliche Vermenschlichung, wenn der Autor unter Tränen erzählt, wie sein Hund beim Anblick der Berge gerührt sein soll. Dabei ist das Viech nur ein wenig aufgeweckter, um nicht zu sagen, lahmer Hund, der seinem Herrchen durchaus schon eine tiefe Fleischwunde beigebracht hat.

Dessen müder Erzählton (im untertitelten Schweizerdeutsch) macht klar, warum Skalsky ansonsten nicht als Sprecher, sondern als Editor beim Film arbeitet. Anklagend redet der Film über „Massentier-Morden von Hunden" (gemeint ist „an") und ganz unabsichtlich legt er seine eigene Naivität bloß, als einer der zahllosen streunenden Hunde während einer Interview-Fahrt im Auto einfach auf der Straße rumsteht und nur die Tierschützerin für ihn bremst. Selbstverständlich läuft der Autor mit nicht angeleintem Hund durch Zürich, und dass er den Kot mit einer unverrotbaren Plastiktüte aufhebt, wird nie gezeigt. Vielleicht treten Sie ja auf dem Weg zum Kino rein – das ist dann ein sehr passendes Merchandise-Geschenk von „Cody"

. 
(Foto: Hund vor Erstbesteigung des Großen San Bernadino)

Auf der Couch in Tunis


Frankreich, Tunesien 2019 (Un divan à tunis) Regie: Manele Labidi, mit Golshifteh Farahani, Majd Mastoura, Hichem Yacoubi 88 Min.

Nein, der ältere Herr mit Zigarre und Fez auf dem Bild ist nicht der Vater oder der Opa von Selma. Sie erklärt dem Umzugshelfer: „Mein Chef", aber man erkennt Freud auf seinem bekanntesten Porträt. Ja, weshalb die Psychoanalytikerin aus Paris ins Tunis nach der Diktatur von Ben Ali zurückkehrt, versteht niemand. Und auch nicht, weshalb sie eine Praxis für Psychoanalyse aufmachen will: „Das ist hier nicht Europa. Wir haben Gott. Wir brauchen diesen Quatsch nicht."
 
Die Nachbarschaft stellt sich beim Einzug ins Dachstübchen der Tante mit netten kleinen Szenen vor. Die westliche Frau mit Tattoos wird aber auch beim Autokauf vom vermeintlichen Freund des exilierten Vaters als „Scheiß-Immigrantin" beschimpft und betrogen. So ist Selma mit einem uralten Peugeot-Transporter in wilder arabischer Dekoration unterwegs, um im Chaos der Stadt Klienten zu finden. Was schnell und einfach klappt. Die aufgedonnerte Friseurin, die meint, Araber reden beim Friseur oder im Haman, danach „seien sie sauber", wird zur besten Kundin. Aber für die fehlende Arbeitsgenehmigung muss Selma durch ein kafkaeskes Gesundheits-Ministerium, in dem die unfähige Mitarbeiterin Reizwäsche verkauft.

Selmas persönliche Geschichte vermengt sich mit witzigen Szenen auf der Couch, aus denen sich kleine Portraits von menschlichen Schwächen und Vermeidungstaktiken ergeben. Der Onkel und Vermieter trinkt im Ramadan Alkohol aus der Cola-Dose. Die eigene Tante beneidet sie um die Freiheiten, der lebensmüde Iman aus dem gleichen Haus kann endlich mal reden. Dazu gibt es einen interessanten Polizisten (Majd Mastoura) mit vielen Fähigkeiten und Gesichtern.

„Auf der Couch in Tunis" trumpft vor allem mit der iranischen Schauspielerin Golshifteh Farahani („Alles über Elly" 2009, „Huhn mit Pflaumen" 2012, „Pirates of the Caribbean: Salazars Rache" 2017) auf, die seit 2009 in Frankreich lebt. Der Debütfilm der in Frankreich aufgewachsenen Manele Labidi (Regie und Buch) ist eine leichte Komödie, aber nicht eine der ganz flachen. Die Reibung zwischen den gegenseitigen Vorurteilen kommt vor, auch eine wilde Cousine mit sehr widersprüchlichem Verhalten wie der Punk-Frisur unter dem Hijab. Alles bleibt vor allem komisch, aber es gibt keine leichte Lösung. Das passt zu Selma, die eigentlich nicht erklären kann, weshalb sie nach Tunis zurück will. Bei den Filmfestspielen von Venedig gewann die Komödie 2019 den Publikumspreis.

23.7.20

Master Cheng in Pohjanjoki


Finnland, China, GB 2019 (Mestari Cheng) Regie: Mika Kaurismäki, mit Pak Hon Chu, Anna-Maija Tuokko, Lucas Hsuan 114 Min. FSK ab 6

Wie schon in „Die andere Seite der Hoffnung", dem letzten Film des Bruders Aki, des begnadeteren Kaurismäkis, erzählt auch Mika in „Master Cheng" von „Fremden" im Restaurant. „Master Cheng in Pohjanjoki" ist eine nette, überraschend gut gemachte Wohlfühl-Geschichte vom Zusammentreffen entfernter Kulturen.

Ein großer und ein kleiner Chinese, die in einer finnischen Bar hoch im Norden Lapplands ankommen, sollten eigentlich für Aufsehen sorgen. Aber so entspannt desinteressiert wie die paar Gäste in Sirkkas Restaurant kennen wir die Finnen. Auch dank der Filme der Brüder Aki und Mika Kaurismäki. Die Frage des freundlichen und eleganten Asiaten nach einem Fonglon bleibt allerdings auch desinteressiert unbeantwortet. So wollen Vater und Sohn eigentlich wieder aus der Stadt ohne Hotel abreisen, als plötzlich ein Bus chinesischer Touristen auftaucht, die auch nicht von der hier verköstigten Pampe mit Wurst begeistert sind. Nun erweist sich Herr Cheng als exzellenter Koch, der im Handumdrehen eine Busladung von Chinesen glücklich macht. 

Sein Essen ist nicht nur äußerst schmackhaft, sondern auch gesund für die finnische Variante von Statler und Waldorf, die viele Pillen schlucken und Insulin spritzen. Das ganze Seniorenheim kommt bald vorbei, die Schule auch. Nierensteine, Menstruationsschmerzen, Bluthochdruck, alles wird gemildert, und Cheng selbst geheilt vom Verlust seiner Frau. Eine kleine Liebesgeschichte ist im weichen Abendlicht zu erwarten, ebenso wie später Probleme mit der Polizei, die gerne chinesische Rentier-Suppe genießt. Und Nunjo, der schweigsame Sohn Chengs, lernt langsam von seinem Handy aufzublicken, um Rentiere und die Natur zu entdecken. Auch für die Zuschauer wird dabei die Landschaft weiter.

Das Aufeinandertreffen der Kulturen ereignet sich oft und gerne auf dem Teller. Cheng heilsames Essen macht die Gäste glücklich und auch auf eine spezielle Art die Chefin. Ja, Liebe geht durch den Magen. Viel einfallsreicher wird „Master Cheng" nicht. Es ist nett, wie sich die erst skeptische Gemeinschaft später um ihren Lieblingskoch kümmert. Nett und nicht mehr. Allerdings hat Mika Kaurismäki („Zombie and the Ghost Train", „Mama Africa – Miriam Makeba") mal sehr sorgfältig inszeniert und erzählt. Das ist dann immer noch kein Aki Kaurismäki-Film, ist etwas länger, weniger komisch und originell, schon gar nicht lakonisch. Bis zum Happy End bleibt es trotz der neuentdeckten Weiten übersichtlich. Weshalb Cheng unbedingt aus der Millionen-Metropole Shanghai weg will oder wie er die enorme Umstellung erlebt, bleibt unerwähnt. Dafür kommt in einer der vielen netten Szenen auch die Musik entfernter Regionen zusammen - noch so ein Steckenpferd von Mika Kaurismäki.

21.7.20

Sea of Shadows - Der Kampf um das Kokain des Meeres


USA, Australien, BRD, Österreich 2019 Regie: Richard Ladkani 109 Min. FSK ab 6

„Der Kampf um das Kokain des Meeres" - der deutsche Wurmfortsatz-Titel von „Sea of Shadows" klingt extrem reißerisch und wird damit mal ausnahmsweise seinem Film gerecht. „Auf den gefährlichen Straßen von San Felipe, in der schimmernden Metropole Mexiko-Stadt und in den trügerisch ruhigen Gewässern der Baja Peninsula zeigt der dramatische Doku-Thriller echte Helden..." Etwas weniger spektakulär geht es um den Vaquita, den kleinsten Wal der Welt, der vom Aussterben bedroht ist. Im Golf von Mexiko gibt es nur noch 20 Exemplare, weil er Beifang des Totoaba-Fisches ist. Dieser wird nur für seine Schwimmblase mit Netzen gejagt, weil ihr in China irgendwelche Wirkungen angedichtet werden. Der Preis für eine – illegal gefangene – Schwimmblase vor Ort beträgt 5.000 Dollar und steigt auf 80.000 Dollar auf dem Schmuggel-Weg nach China.

Die hochwertige Produktion folgt einem investigativen Journalisten, der die Hintermänner dieses Geschäfts aufdecken will und auf ein Netz aus Korruption und Gewalt stößt. Meeresbiologen versuchen die letzten Vaquitas zu retten. Und Tierschützer von Sea Shepherd – eine wesentlich agilere Variante von Greenpeace – holen vergessene Netze aus dem Meer, in denen sich tote Schildkröten und andere Tiere finden. Das wäre an sich interessant, erschütternd und aufrüttelnd, wenn nicht vor allem die überzogen inszenierte Jagd daherkommt, wie eines der x-beliebigen Filmchen auf billigen TV-Kanälen.

 

20.7.20

Schwarze Milch


BRD, Mongolei 2019 (Khar Suu) Regie: Uisenma Borchu, mit Uisenma Borchu, Gunsmaa Tsogzol, Terbish Demberel 92 Min. FSK ab 12

Zuerst behauptet ihr besitzergreifender deutscher Freund (Franz Rogowski) ruppig „Du gehörst zu mir!" Dann macht sich Wessi (Uisenma Borchu, die Regisseurin selbst) auf zu ihrer schwangeren Schwester Ossi (Gunsmaa Tsogzol) in die Mongolei. Im Gegensatz zu Cécile de Frances Weg zum Schamanentum in „Eine größere Welt" ist es diesmal eine lange Strecke in die Steppe. Auch mal schweigend und abwartend findet Wessi zwei Jurten im schwer zu erreichenden Nirgendwo. Ossi lebt dort alleine als Pony- und Ziegenhirtin auf dem Motorrad. Eine große Familienfeier verspricht noch die Rückkehr der an den Westen verlorenen Tochter, dann provoziert die jüngere Schwester doch die Traditionen. Nicht nur durch das Anbändeln mit dem älteren „Nachbarn" Terbish (Terbish Demberel), der doch eine viel dunklere Haut hat...

„Schwarze Milch" klingt nur in der Zusammenfassung nach dem üblichen Aufeinandertreffen der Kulturen, am liebsten ganz dicht in einer zerrissenen Person vereint. Uisenma Borchu, die als Kind in der DDR ankam und in der BRD aufwuchs, zeigt einen Mix aus atmosphärischen, ethnografischen Szenen und denen, welche die Handlung ruhig weiterbringen. Ein Schaf wird geschlachtet, ungewöhnliches Essen bekommt viele Großaufnahmen. Es wird aber seltenst etwas erklärt, Rollenmuster und Emanzipations-Schemata führen nicht viel weiter. Die Regisseurin Borchu machte schon mit ihrem bemerkenswerten und preisgekrönten Diplomfilm „Schau mich nicht so an" von sich reden, in dem sie selbst an der Seite von Josef Bierbichler die Hauptrolle spielte. Ihr zweiter Film ist nun abseits ausgetretener Pfade eigenwillig interessant. 

19.7.20

Als wir tanzten


Georgien, Schweden 2019 Regie: Levan Akin, mit Levan Gelbakhiani, Bachi Valishvili, Ana Javakishvili 114 Min. FSK ab 12

Die georgische Sanges- und Tanz-Kultur hat sich fast schon zu einem kleinen Unter-Genre des Dokumentarfilms entwickelt, so populär ist sie auch außerhalb des Landes. Ein Spielfilm-Drama über die unglückliche Liebe eines Nachwuchstänzers des Nationalballetts wurde allerdings in Georgien selbst zum Politikum mit Unruhen und Verhaftungen bei der Premiere. Das belegt exakt die im vielfach gelungenen „Als wir tanzten" bloßgestellte Schwulenfeindlichkeit.

Merab (Levan Gelbakhiani) folgt dem harten Unterricht an der Akademie des Georgischen Nationalballetts in Tiflis, um ins National-Ensemble zu kommen. Nun steht ein Vortanzen um eine Festanstellung an, ein Platz wurde frei: Ein Tänzer wurde in Armenien beim Sex mit einem Mann erwischt und furchtbar verprügelt. Jetzt droht ihm „Umerziehung". Dem traditionellen georgischen Bild von Männlichkeit entspricht im Umkleideraum der Akademie dummes Machogehabe und Gequatsche über neue Frauen im Bordell. Als Irakli vom Küstenort Batumi neu in die Klasse kommt, sieht Merab (Bachi Valishvili) in ihm zunächst einen Konkurrenten und verliebt sich dann. Dem Überschwang dieser sehr naiven Verliebtheit folgt emotionale und berufliche Ernüchterung. Wie in „Brokeback Mountain" gibt es früh diese Erwähnung, was offen Schwulen auch in dieser Gesellschaft passieren kann.

Der eher schmächtige, feingliederige Tänzer Merab hat viel auf seinen schmalen Schultern zu tragen: Er lebt mit Oma, Mutter und einem haltlosen Bruder zusammen. Obwohl er nebenbei in einem Restaurant jobbt, wird mal wieder der unbezahlte Strom abgestellt. Sein einst berühmter Vater ist mittlerweile kleiner, frustrierter Markthändler. Auch Oma und Mama haben übrigens international getanzt. Merabs Lehrer lässt ihn trotzdem täglich seine Verachtung spüren.

„Beim georgischen Tanz geht es nicht um Perfektion, es ist der Schrei unserer Gene", heißt es einmal. Selbstverständlich wird bis zum großen, freien Finale viel getanzt, viel getrunken und gegessen. Nebenbei immer wieder politische Themen: Die Politiker, die den Einfluss der orthodoxen Kirche zurückdrängen wollen. Die Angst vor einer weiteren russischen Invasion. Der Traum, in den Westen zu kommen.

Der aus Georgien stammende und in Schweden lebende Regisseur Levan Akin inszeniert mit schönen und lebendigen Bildern eine fast pubertäre, erste schwule Liebe mit der Orientierungslosigkeit des jungen Helden zwischen seiner langjährigen Freundin und dem Neuen in der Tanzschule. Levan Gelbakhiani beeindruckt in der Hauptrolle mit sehr expressiver Mimik zahlreicher Gefühlslagen. Es gibt wunderbar atmosphärische Szenen bei der Geburtstagsfeier von Merabs Freundin Mari im Landhaus ihrer Familie. Dann schwingt sich die Kamera wie bei Angelopoulos zu einer langen Plansequenz durch eine Hochzeitsgemeinschaft auf. Ein „Alltags"-Szene des heutigen Tiflis Straßenstrich zeigt jedoch Tunten wie in Karikatur. Aber trotz ganz schön vieler Probleme für diesen jungen Mann, muss man dem Film für die packende Geschichte und die vielen Einblicke dankbar sein. Wie der orthodoxen Kirche für zusätzliche Werbung durch Skandalisierung des Themas.

16.7.20

Out of Play

USA 2019 (The way back) Regie: Gavin O'Connor, mit Ben Affleck, Al Madrigal, Janina Gavankar 109 Min. FSK ab 12

Ben Affleck brilliert in der Rolle eines alkoholkranken Basketball-Coaches, der mit einem Team von Verlierern auch sein persönliches Trauma überwinden will. Was fürchterlich abgedroschen klingt, ist unter der Regie von Gavin O'Connor („The Accountant", „Miracle - Das Wunder von Lake Placid") ein sehr guter, ruhiger und packender Film.

Jack Cunningham hat immer „geladen", selbst als Bauarbeiter auf hohen Plattformen trinkt er während der Arbeit. Auch jeden Abend säuft er, wird von Kumpels nach Hause geschleppt und hat zu niemand anderem Kontakt. Sein Handy liegt immer zu Hause. Dann bekommt er die Chance, das hoffnungslose Basketball-Team einer religiösen High-School zu trainieren. Dort, wo sein Name als Spieler des Jahres hängt immer noch in der Halle. Erst nach der Hälfte des Films, wenn das Team schon eine erste Erfolgssträhne hat, erfahren wir vom Grund für Jacks Absturz.

„Out of Play" (wieso nicht der englische Originaltitel „The way back"?) ist kein Sportfilm, zu gut wurde seine Hauptfigur in einem berührenden Drama angelegt (Buch: Brad Ingelsby). Wie Ben Affleck dieser anscheinend bekannte Rolle eines Alkoholikers noch Format und Interesse gibt, zeigt die Qualitäten des Schauspielers. Man sieht wie dieser Mensch probiert, Haltung zu wahren und geradezu verzweifelt weitermacht, obwohl ihn etwas zerfrisst. Das stille Drama wurde sehr ruhig und sicher inszeniert. Es gibt keine überzogene dramatische Aktion, die zu einer Lebenswende führt. Selbst wenn Spiele auf der Kippe stehen, bliebt die Musik dabei zurückhaltend.

14.7.20

Sibyl

Sibyl

Frankreich, Belgien 2019 Regie: Justine Triet, mit Virginie Efira, Adèle Exarchopoulos, Sandra Hüller, Gaspard Ulliel 101 Min. FSK ab 12

„Ihr Sinn fürs Drama ist abnormal stark entwickelt", so hieß es schon im sehr reizvollen Vorgängerfilm „Victoria", ebenfalls von Justine Trier und mit Virginie Efira. Diese spielte damals eine Anwältin mit so unethischen, chaotischen und dreisten Handlungen, dass sie ihre Zulassung verlor. Nun ist diese grandiose Schauspielerin fürs Komische und Tragische die Psychotherapeutin Sibyl. Sie will nach Jahren wieder ein Buch schreiben und gibt ihre Praxis auf. Nur die junge und schwangere Schauspielerin Margot (Adèle Exarchopoulos) drängt weiter zur Beratung. Mit der abenteuerlichen Situation einer Affäre mit einem Kollegen, der eigentlich mit der gemeinsamen Regisseurin Mika (Sandra Hüller) zusammen ist. Eine ganz schön interessante Geschichte, muss sich auch Sibyl gedacht haben, als sie anfängt, die Sitzungen aufzunehmen. Später manipuliert die Psychotherapeutin selbst das Dreiecksverhältnis. Bis sie schließlich bei explodierenden Dreharbeiten auf dem Vulkan von Stromboli auch beim Film die Regie übernimmt. Die Regisseurin Mika ging vorher über Bord...

Das grandiose Porträt „Sibyl" erzählt nicht nur eine noch viel atemberaubendere Geschichte, es zeigt vor allem ihre Titel-Figur in einer Komplexität, die Filme so gut wie nicht mehr zustande bringen. In erotischen und abenteuerlichen Tagträumen erinnert sich Sibyl an eine selbstzerstörerische frühere Beziehung, die sie als extrem suchtgefährdete Trinkerin zeigt. Das ist kongenial und äußerst spannend ohne Überleitungen montiert (Schnitt Laurent Sénéchal). Ein scheinbar leichtes Spiel auf verwirrend vielen Ebenen, die dann ein intensives Gesamtbild dieser faszinierenden Person ergeben.

Das ist im Kern dramatisch und tief bewegend, aber dabei auch umwerfend komisch, wenn Margot beim Filmdreh ihrem auch echten Liebhaber Igor (Gaspard Ulliel) eine Ohrfeige geben soll und die betrogene Regisseurin die schmerzhaften Schläge sehr, sehr oft wiederholen lässt. Da ist Sibyl schon die wichtigste Person, auf die alle bauen. Das Paar redet nicht mehr miteinander, sondern nur noch über die Psychotherapeutin. Auch stilistisch schillert „Sibyl": Der französische-italienische Set lässt tatsächlich an Godards „Le Mépris" (Die Verachtung) denken, dieses Meisterwerk über Beziehungen beim Filmemachen mit Fritz Lang, Michelle Piccoli und Brigitte Bardot. Selbstverständlich ist auch „Stromboli" von Rossellini Referenz.

So dreist wie Sibyl mit ihren Klienten spielt, geht auch der Film mit seinen Figuren um. Ganz großartig, wie Sibyls labile Schwester ihrem Neffen beibringt, die Mutter mit traurigen Blicken und Vorwürfen aus dem Handbuch der Küchenpsychologie zu manipulieren. Spätestens da überlegt man, wer eigentlich wen manipuliert. Die Psychologin die Schauspielerin oder umgekehrt. Es wird auf jeden Fall nicht ohne Folgen für Sibyl bleiben.

Die Kombination von Regisseurin Justine Triet und ihrem Star Virginie Efira ergibt eine wahrlich sibyllinische Geschichte und einen außerordentlichen Film. „Sibyl" lief im Wettbewerb bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2019 und ist mal einer der richtig guten französischen Filme. Nicht einer der ziemlich schlechten, die man auch versteht, wenn man den Kopf die ganze Zeit im Popcorn-Eimer hat.

12.7.20

Berlin Alexanderplatz (2020)


BRD, Niederlande 2020 Regie: Burhan Qurbani, mit Welket Bungué, Jella Haase, Albrecht Schuch, Joachim Król 183 Min. 183 Min. FSK ab 12 

Der Niedergang eines Mannes, der gut sein wollte – das ist die Geschichte von Döblins Franz Biberkopf, der nun Francis B (Welket Bungué) heißt. Ein Boots-Flüchtling aus Afrika, wie ein eindringlich roter Albtraum mit Visionen vom Ertrinken zu Anfang eindringlich klar macht. Es sind starke metaphorische Bilder: Ein Stier fürs Francis' unkontrollierbare Wut, die Welt auf dem Kopf. Burhan Qurbani („Wir sind jung. Wir sind stark") macht aus dem innovativen 20er-Jahre-Roman Döblins (1929), der noch bei der ersten Verfilmung von Phil Jutzi (1931) mitarbeitete und literarisch einen „Kino-Stil" propagierte, ein zeitgemäßes und kraftvolles Drama mit eigener Bildsprache.

Ja, er wollte ehrlich sein, dieser eindrucksvoll große und starke Francis aus dem westafrikanischen Guinea-Bissau, auch wenn er bei der dreckigen Arbeit ausgebeutet wird. Als er wegen der Illegalität einen verletzten Kollegen nicht ins Krankenhaus bringen soll, rastet Francis brutal aus. Dieser erste Schlag des Schicksals führt ihn zum diabolischen deutschen Drogendealer Reinhold (Albrecht Schuch), für den er bald Essen ran und langweilig gewordene Frauen wegschafft. So lernt Francis auch die Prostituierte Mieze (Jella Haase) kennen und lieben. Sie bleibt bei ihm nach dem nächsten Schlag (von denen es fünf geben wird), der ihm einen Arm kosten wird.

Die nüchterne Beschreibung dieser Ballade eines Mannes, den die Gesellschaft nicht ehrlich sein lässt, ist im Off Döblins Text mit junger Frauenstimme. Und nach dem ersten Film von Phil Jutzi aus 1931 (mit Heinrich, ja, der Papa, George) sowie Rainer Werner Fassbinders epochale TV-Serie aus dem Jahr 1980 (mit Günter Lamprecht, Barbara Sukowa, Gottfried John) zeigt der sehr talentierte Burhan Qurbani seine sehr reizvolle Variante und Modernisierung. Diesmal mit dunkelhäutigen Dealern in der Hasenheide und Voodoo-Zauber. Aber wie damals der kollagenhafte Roman fängt auch der Film jetzt viele Orte und Stimmungen Berlins ein: Technoclubs, Parks und Drogen. Hautfarbe und Rassismus sind durchgehend Thema, wenn Francis als Einwanderer sich den deutschen Traum erfüllt: Er verdient sein eigenes Geld, fährt ein deutsches Auto, hat eine deutsche Frau und sogar einen deutschen Namen. Wenn da nicht immer wieder der schräg teuflische Drogendealer Reinhold wäre.

Albrecht Schuch  („Systemsprenger", „Bad Banks") gibt diesen Reinhold faszinierend und gefährlich buckelnd. Joachim Krol („Der Junge muss an die frische Luft") ist als der große Gangster-Boss klasse gegen sein Liebenswert-Klischee besetzt, ein wenig die Fortsetzung von „Mackie Messer". „Berlin Alexanderplatz", diese vielfältige Verführung zum Verbrechen, ist über drei Stunden lang packend, immer wieder niederschmetternd und unbedingt sehenswert. Auch wenn die Handlungsfolge ein wenig konventionell dem Roman folgt. Was vielleicht dem Koproduzenten ZDF geschuldet ist. Die Zeiten sind anders als bei Fassbinder, da leistete sich der WDR 900 Minuten unterbelichtete Filmkunst.

Into the Beat

BRD 2020 Regie: Stefan Westerwelle, mit Alexandra Pfeifer, Yalany Marschner, Trystan Pütter, Helen Schneider, Katrin Pollitt 98 Min. FSK ab 0

Die Strenge einer Ballett-Klasse, dunkle Farben, großer Stress bis zur Prüfung – das kennt man vom neueren Tanzfilm für die Jugend als einengende Ausgangssituation. Und man weiß, dass bald ein cooler Hip-Hopper und ganz viele Farben auftauchen werden. Das gab es so in vielen Tanzfilmen, meist aus den USA. Aber warum soll man das nicht mal mit weniger Geld auf Deutsch nachmachen? „Into the Beat" holt aus den beschränkten Mitteln etwas Lokalkolorit und noch ein Identifikations-Filmchen für junge Jugendliche raus.

Katya (Alexandra Pfeifer) tanzt schon seit 15 Jahren Ballett und wird auch wegen ihres Vaters, einem berühmten Tänzer bewundert. Sie trainiert hart für ein Vortanzen bei der New York Ballet Academy und ein Stipendium. Ein schwerer Unfall des Vaters auf der Bühne erhöht den Druck auf sie. Die zufällige Begegnung mit einer HipHop-Truppe bringt ihr einen willkommenen Ausbruch und den idealen Tanz-Stil zum Austoben. Selbstverständlich verliebt sie sich auch bald in den stillen Vortänzer Marlon (Yalany Marschner). Zusammen wollen sie für ein Vortanzen bei der weltbekannten Street-Dance-Crew Sonic Tigers trainieren. Dafür lässt Katya auch die Ballett-Stunden sausen, was nicht lange gut geht. Der Vater drängt sie zur Konzentration auf den klassischen Tanz.

Es ist nett, wie dem Ballett-Mädel Katya, das wie Generationen immer den gleichen Schwanensee tanzt, erklärt wird, dass man beim HipHop keine Choreografien von anderen Leuten klaut und nachtanzt. Wie das gesagt wird, klingt allerdings sehr nach Sprüchen aus der Klamotten-Werbung. In Dialog, kameratechnisch und musikalisch ist „Into the Beat" halt Mitteldeutsche Filmförderung. Und wenn die Inszenierung nicht mitmacht, sieht der Tanz auch mal eher albern als cool aus. Das Rumgehüpfe wirkt dann nur noch aufgesetzt und lächerlich, wenn das große Massen-Tanzen von „Fame" bescheiden in der Hamburger U-Bahn läuft. Dabei leben diese in Serie produzierten, meist einfallslosen Tanzfilme doch davon, dass Dank Schnitt und Kamera alles atemberaubend gut aussieht.

„Mann, das ist so unfair! Wer bin ich denn eigentlich?" Auch wenn es der Dialog eher selten unterstützt, „Into the Beat" ist halbwegs anständig gespielt, adressiert Orientierungslosigkeit und Freiheitsdrang von Jugendlichen. So kommt dieser immer gleiche Film halt immer wieder an, was auch nicht schlecht ist.

8.7.20

Marie Curie - Elemente des Lebens


Großbritannien/Frankreich 2019 (Radioactive) Regie: Marjane Satrapi, mit Rosamund Pike, Sam Riley, Aneurin Barnard, Anya Taylor-Joy 110 Min. FSK ab 12

Was erlauben sich Film? Muss man wirklich fast anderthalb Stunden warten, um ein gutes Finale zu erleben? Vor allem im Kunst-Kino passiert das zu oft. Der neueste Fall, „Marie Curie", hat zudem drunter zu leiden, dass er als zweite Kino-Biografie zur herausragenden Wissenschaftlerin Maria Curie (1867-1934) und zweifachen Nobelpreisträgerin in wenigen Jahren nichts Neues zeigt.

Die Polin Marie Skłodowska Curie ist wahrhaft eine faszinierende Persönlichkeit: Sie entdeckte die Radioaktivität, wurde 1903 erste Nobelpreisträgerin (Physik), erste Professorin an der Sorbonne, und 1911 gab es einen weiteren Nobelpreis, diesmal für Chemie. Mithilfe großer Maskerade sehen wir eine alte Frau mit ihren Erinnerungen vom Lebensende her: Zu Ende des 19. Jahrhunderts in Paris hat es die geniale, aber auch nerdige und dickköpfige Marie Skłodowska (Rosamund Pike) im wissenschaftlichen Umfeld der Männer schwer. Nach einigem Zögern lässt sie den Wissenschaftler Pierre Curie (Sam Riley) Forschungs- und Lebenspartner sein. Er ist ein früher Feminist, der die Brillanz seiner Frau akzeptiert. Trotzdem wird es später Streit geben, weil er den gemeinsamen Nobelpreis für Physik alleine abholt. Nach seinem Tod kämpft sie alleine weiter, gegen das männliche Establishment an den Universitäten.

Das kennt man aus Marie Noëlles gleichnamigem Film aus 2016 mit Karolina Gruszka in der Hauptrolle, oder aus Wikipedia. Das Drama der einsamen Frau ist nun nicht so zentral wie bei Noëlle, die hervorragende Rosamund Pike forscht diesmal verbissen. Aber der Film betrachtet seine Figur von außen, nähert sich ihr eher wissenschaftlich als emotional. Dafür scheint der Film ebenso wie Pierre Curie fasziniert vom Spiritualismus, der sich an die gerade entdeckte Radioaktivität hängt. Gerade von Regisseurin Marjane Satrapi („Persepolis", „Huhn mit Pflaumen") hätte man da mehr erwartet.

Interessanter ist eine wenige bekanntere, spätere der vielen Aktivitäten der erstaunlichen Frau: In einem letzten Akt energischen Akt, drängt sie die französische Regierung dazu, während des 1. Weltkrieges mobile Röntgenwagen einzusetzen, um die vielen unnötigen Amputationen des Krieges zu verhindern. Avanciertere Montagen zeigen dann parallel Folgen der später stattfindenden Forschung mit Radioaktivität und Bombentourismus bei Tests in Nevada ebenso erschreckend wie die Grauen des Krieges. Aber ansonsten ist die Herkunft von einer Graphic novel (Marie Curie: Ein Licht im Dunkeln, von Anja C. Andersen und Frances A. Østerfelt) ästhetisch wenig sichtbar. Erst nach dem Tod von Marie Curie gibt es eine spannende Montage, die den langweilig konventionellen Rest überstrahlt. In der genialen und mutigen Sequenz durchlebt die zweifelnde Heldin einen vergebenden Gang zu allen Opfern der Radioaktivität.

Dem ganzen Film kann man so viel vertane Lebenszeit nur schwer vergeben. Das Interesse an dieser bemerkenswerten Frau kann Marie Noëlles Film besser und befriedigender befriedigen.

7.7.20

Unhinged - Ausser Kontrolle


USA 2020 Regie: Derrick Borte, mit Russell Crowe, Caren Pistorius, Gabriel Bateman 91 Min.

Wer hat sich diesen Blödsinn bloß ausgedacht? Da startet nach Corona weltweit der erste neue Film irgendwie aus Hollywood, ok, zumindest mit einem ehemaligen Hollywood-Star, und dann ist das mit „Unhinged" ein derart brutaler und menschenverachtender Schrott, dass man die Lust aufs Kino auf Wochen verliert.

Russell Crowe („The Nice Guys", „Gladiator") spielt einen fetten Psychopathen, der gleich zum Auftakt seine Ex-Frau mit einem Hammer brutal ermordet, um dann ihr Haus niederzubrennen. Rachel (Caren Pistorius) ist eine liebenswerte, etwas verpeilte junge Frau in Scheidung, die den Fehler macht, im morgendlichen Verkehrs-Chaos der Stadt Russells Wahnsinnigen anzuhupen, weil der bei grüner Ampel eingeschlafen ist. Der Rest des Films ist eine extrem brutale Rache-Orgie, des durch Hupen beleidigten Gewaltmenschen.

Zuerst droht der extrem unangenehme Verlierer-Typ mit seinem massiven Proleten-SUV. Selbstverständlich mit Tierfänger am Kühler, um noch sicherer unschuldige Menschen mit dem Auto umzubringen. Das erste Opfer ist ein Mann an der Tankstelle, der Rachel vor dem Verfolger schützen will. Dann verprügelt der fette Choleriker ohne Namen Rachels Liebhaber und sticht ihn mitten in einem voll besetzten Restaurant ab. Die nächsten Opfer sich Rachels Bruder und dessen Freundin. Aber immer noch ist der Killer nicht davon überzeugt, dass die inzwischen in Panik aufgelöste Frau es wirklich ernst meint, wenn sie sagt, das Hupen täte ihr leid!

„Unhinged" erinnert entfernt an den schon sehr problematischen „Falling Down - Ein ganz normaler Tag" mit Michael Douglas. Doch dieses neue Machwerk wirkt extrem konstruiert, ist aber vor allem mit erbärmlicher Figurenzeichnung extrem schlecht entwickelt. So heruntergekommen wie Russell Crowe hier aussieht, ist der ganze Film. Das Finale versagt schwer, weil die Straßen der Verfolgungsjagd mal nass, mal trocken, dann wieder nass sind. Rachels Sohn nutzt zwar die Tracking-Funktion eines Handys, aber nicht die zum Löschen des gestohlenen Gerätes. Erst ist Rachel irgendwie nicht in der Lage, die Polizei zu rufen, dann nicht fähig, zur Polizei zu fahren. Währenddessen grunzt Crowe nur noch. Wir wissen, was etwa John Goodman Gutes selbst aus so einem minimalen Charakter geholt hätte. Aber das Schlimmste: „Unhinged" genießt nicht nur das Morden, er verurteilt auch meist „Leute, die es verdient haben" zum Tod.

 „Unhinged" gibt vor, die Aggressivität im Verkehr und im Alltag allgemein zu thematisieren. Aber tatsächlich geht es ihm nur um den Amoklauf des sich beleidigt fühlenden weißen Gewaltmenschen. Er ist einer der Ex-Ehemänner, die allen anderen die Schuld am eigenen Versagen geben. Also der perfekte AfD-Werbefilm. Während der wunderbare „Waves", der ebenfalls diese Woche startet, Wege aufzeigt, mit Trauer, Schmerz und Gewalt umzugehen, macht der furchtbare „Unhinged" nur aggressiv, zeigt Menschen allein als triebgesteuerte Monster.

Das Beste kommt noch


Frankreich 2019 (Le meilleur reste à venir) Regie: Matthieu Delaporte, Alexandre de la Patellière, mit Fabrice Luchini, Patrick Bruel, Zineb Triki 117 Min.

Der eine ist Pedant, immer korrekt, sehr pflichtbewusst, die meisten würden sagen: spießig und langweilig. Der andere lebt auf großem Fuß, den er sich nicht leisten kann. Macht aber selbst gepfändet mit Vollgas weiter mit diesem Leben. Arthur (Fabrice Luchini) und Cesar (Patrick Bruel), die beiden besten Freunde seit Kindertagen, passen so gar nicht zusammen. Aber als sie nach einem großen Missverständnis davon überzeugt sind, dass der jeweils andere nur noch wenige Monate zu leben hat, erklimmt die Freundschaft eine neue, vor allem komische Stufe.

Die „bucket list", die Wunschliste für eine absehbare Restzeit des Lebens, war schon im (Original-) Titel des Filmerfolges „Das Beste kommt zum Schluss" mit Jack Nicholson und Morgan Freeman die entscheidende Idee. Das immer wieder beliebte Sujet („Knockin' on Heaven's Door") zeigt diesmal zwei alte Freunde, die jeweils für den anderen, vermeintlich Todkranken diese Liste letzter Wünsche anstacheln und erfüllen. Das ist erst einmal komisch, vor allem so gespielt vom großartigen Duo Patrick Bruel und Fabrice Luchini. Wie schon in seinem Theater- und Filmerfolg „Der Vorname" baut das Autoren-Team Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière wieder auf Dialogwitz und gut gezeichnete Charaktere. Nur am Rande stellt der Film die Frage, wie man mit einer schweren Krankheit bei einem nahen Menschen umgeht.

In der sehr schematischen Handlung geht es allerdings eher holperig zum zerstrittenen Vater, zum Abschied von der schon lange getrennten Ehefrau oder zur Überwindung einer Flugangst. Alles austauschbar und irgendwie egal, hauptsache Bruel und Luchini können weiterspielen. Das ist bei den tollen Schauspielern zwischendurch richtig lustig. Dazu bleibt sehr viel einer wenig dezenten Musiksoße nicht ohne Erfolg auf dem Gebiet der Rührung. Bis zur schönen Grabrede, die alles über Freundschaft sagt, was der Film eigentlich zeigen wollte.

 

Harriet


USA 2019 (Harriet) Regie: Kasi Lemmons, mit Cynthia Erivo, Leslie Odom Jr., Joe Alwyn 126 Min. FSK ab 12

Die Geschichte von Harriet Tubman (1820-1913), die von Sklavin zur Freiheitskämpferin wurde, ist in diesem exzellenten Biopic eine spannende Geschichtsstunde mit einer starken afro-amerikanischen Identifikationsfigur. 

Die Ankündigung einer Heirat ist ein kurzer Moment der Freude für die Sklavin Minty. Die Bitte um Gewährung ihres Rechts zu heiraten bei den weißen Besitzern ihrer Familie ist eine brutale Ernüchterung. Im kapitalistischen System der Ausbeutung von Arbeitskräften zählen selbst verbriefte Rechte nichts. Die verzweifelte Minty folgt darauf ihren Visionen: Wie das Pferd aus ihren Tagträumen bricht sie aus ihren Fesseln aus und flieht. Zu Fuß 160 Kilometer nach Norden, bis der Schritt in den Staat Pennsylvania die Freiheit bedeutet.

Doch damit ist die Geschichte dieser eindrucksvollen Frau noch lange nicht zu Ende. Aufgenommen und aufgepäppelt von Fluchthelfern entschließt sich bald, bewaffnet in den Süden zurückzukehren, um andere Sklaven zu befreien. Der Mann, den sie liebt, hat zwar inzwischen eine andere geheiratet, aber im Laufe der nächsten Jahre kann Harriet Tubman, so wie sie jetzt heißt, über 70 Menschen in die Freiheit bringen.

Die berühmte Fluchtorganisation „Underground Railroad" läuft erfolgreich bis zum verabscheuenswürdigen Fugitive Slave Law von 1850. In einer dieser typischen menschenunwürdigen politischen „Kompromisse" erlaubte der Kongress die Jagd auf befreite Sklaven auch in den Nord-Staaten. Nun müssen sie alle mehrere Hundert Kilometer nach Kanada gebracht werden...

Manchmal ist es besser, weniger laut Eindruck zu machen. Selbst wenn Mindy auf der Flucht in einen reißenden Fluss springt und fast ertrinkt, hat „Harriet" nicht die Härte und Brutalität von „12 Years a Slave" oder „Django Unchained". Der stillere, aber nicht weniger packender Kampf um Freiheit konzentriert sich auf eine eindrucksvolle Frau, die zahllose Sklaven befreite und schließlich im Bürgerkrieg einen Trupp schwarzer Soldaten anführte. Die britische Sängerin und Schauspielerin Cynthia Erivo („Bad Times at the El Royale") beeindruckt in dieser sehr starken Rolle der Harriet Tubman, zeigt die Entwicklung einer energischen Frau, die erst lernen musste, „wie ein freier Mensch zu gehen". Große Panoramen mit großem Orchester ergänzen die hervorragende Umsetzung mit guten Darstellern, Dialogen, Kostümen und Kulissen.

Die interessante Geschichte von „Underground Railroad" lässt bedenken, welchen schlechten Klang „Fluchthilfe" heute bekommen hat. Ganz aktuell ist bei diesem Film aus 2019 besonders beklemmend, wie der überforderte Junior-Chef des Farm- und Sklaven-Unternehmens droht, Harriets Schwester, die als Hausmädchen arbeitet, zu erwürgen.

5.7.20

Eine größere Welt


Frankreich, Belgien 2019 (Un monde plus grand) Regie: Fabienne Berthaud, mit Cécile de France, Narantsetseg Dash, Ludivine Sagnier, Tserendarizav Dashnyam 100 Min. FSK ab 12
 
Fabienne Berthaud ist eine Regisseurin von großartigen Filmen, der es beispielsweise mit dem tief berührenden „Barfuss auf Nacktschnecken" gelang, die bislang schauspielerisch nicht so gut aussehende Diane Kruger in ganz neuem Licht zu zeigen. Ähnliches passiert hier mit dem Kinostar Cécile de France („Der Junge mit dem Rad"), deren grandioses Vermögen allerdings bereits weltweit anerkannt ist. Die belgische Schauspielerin gibt mit viel Mut zu einem sehr traurigen und fertigen Gesicht, mit rot umrandeten Augen und tiefen Ringen Corine Sombrun in deren wahren Geschichte. Nach dem Krebstod des Partners ist die französische Tontechnikerin für nichts mehr zu gebrauchen. Ihr Chef schickt sie in eine abgelegene Steppenregion der Mongolei, um ethnographische Tonaufnahmen bei einer Schamanin zu sammeln. Die ungeduldige, hektische und unruhige Frau aus dem Westen ist dabei von der Übersetzerin kaum zu bremsen. Als Corine einem von Trommelschlägen angetriebenem Ritual beiwohnt, fällt sie in Trance und heult wie ein Wolf. Zuerst verweigert sich die irritierte Frau diesem Erlebnis, kehrt aber später zurück in die Steppe. Die harte Ausbildung zur Schamanin nimmt Corine vor allem auf, weil sie hofft, über diesen Weg ihren Mann wiedersehen zu können.

Die wahre Geschichte der Corine Sombrun, die ihre Erlebnisse im Buch „Mein Leben mit den Schamanen" verarbeitet hat, ist vor allem alles andere als Ethnokitsch! Was Verfilmung von Erbauungsliteratur für westlichen Eskapismus in fern östliche Traditionen hätte werden können, begeistert nicht nur wegen der üblichen tollen Natur-Bilder. Auch die sehr eindrucksvolle Umsetzung der Trancezustände macht Eindruck. Regisseurin Fabienne Berthaud gelingt zusammen mit Cécile de France, selbst Skeptikern diese ungewöhnlichen Zustände glaubhaft zu machen. Und immer wenn Gefahr besteht, dass „Eine größere Welt" in banale Selbstfindungs-Touristik abzudriftet, berauscht und beglückt die sagenhafte Kamera von Nathalie Durand mit unglaublichen Bildern.

Dabei sind ausgerechnet die Versuche, die Wirkungen von Trance und Meditation auf das Gehirn mit westlichen Mitteln zu erklären, eher zäh und unerfreulich. Corines Schwester beispielsweise reagiert aggressiv und verletzend. Erst als die zweifelnde frische Schamanin die schwere Krankheit eines Freundes erkennt, akzeptiert sie ihre Kräfte. Die Ausbildung in Mongolien erinnert dann sogar spaßig an das berühmte „Put-Zen" aus Doris Dörries „Erleuchtung garantiert". Corine muss Holz hacken und Rentiere melken. Dass Sombrun nach ihrer Rückkehr nach Frankreich mit Neurologen und Gehirnforschern arbeitet, um die mentalen Mechanismen hinter den Trancezuständen zu verstehen, wird nur noch kurz erwähnt und verdirbt nicht diesen ästhetisch wunderbaren Film.

Scooby!

USA 2020 Regie: Tony Cervone 94 Min.

Nach zwei schwer erträglichen Realfilmen kehren die überdrehten Geistergeschichtchen von vier Freunden und einem Hund „Scooby-Doo" wieder zum Zeichentrick zurück: „Scooby!" zeigt im netten Prolog, wie sich Shaggy und Scooby am Strand von Venice Beach kennen gelernt haben. Selbstverständlich können der einsame Junge und der Hund miteinander reden, sie sind beide sehr dämlich, verfressen und ängstlich. Überraschender ist da schon, dass in dem Kinderspaß nicht alles so überdreht daherkommt, wie in den bekannten TV-Folgen. „Scooby!" erzählt in Spielfilmlänge tatsächlich eine Geschichte, wenn auch die übliche von bösen Oberschurken und Freundschaften, die sich bewähren müssen.

Fred, Velma, Daphne und Shaggy sind seit 1969 ADHS-Ghostbusters, immer schreiend und rennend und in Panik, weil ihnen wieder neue Geister auf den Fersen sind. Diesmal will ein düsteres Genie ausgerechnet ihren tapsigen und verfressenen Hund Scooby entführen. Die Geschichte von Alexander dem Großen, seinem Hund und dem Tor zur Unterwelt ist Routine, die Ausführung allerdings mal richtig sorgfältig. Gute 3D-Animation gibt den Figuren Charakter und gestaltet die vielen Ideen richtig unterhaltsam. Es gibt einen albern dämlichen Superhelden und einen eigentlich bemitleidenswerten Schurken. Die niedlichen Sidekicks, mal gruselige, mal witzige Minions-Roboter, könnten auch in Star Wars auftreten. Oh, auch das Raumschiff, das mit einem Haufen Science-Fiction reingemischt wurde, heißt irgendwas mit Falcon. Für erwachsene Begleitpersonen gibt es netterweise ein paar selbstreflexive Scherze. Aus alberner Aufgeregtheit in seriellen Minidosen wird bei „Scooby!" ganz überraschend eine komplette Kinder-Unterhaltung, die auch noch vermittelt, wie dämlich soziale Medien sind. Albern hektisch rumgerannt wird selbstverständlich immer noch.

Ronnie Wood: Somebody up there likes me


Großbritannien 2019 Regie: Mike Figgis 72 Min. FSK ab 6

Der ausgezeichnete und renommierte Regisseur Mike Figgis („Leaving Las Vegas", „Internal Affairs", „Stormy Monday") stellt in diesem Dokumentarfilm die interessante und sympathische Persönlichkeit Ron Wood vor. Ein mit Damien Hirst befreundeter Maler. Ein Gitarrist, der mit Jeff Beck und Rod Stuart spielte. Der reichlich ältere Ehemann der Sängerin Imelda May. Und nicht ganz nebenbei ist der 70-Jährige aktuell auch Mitglied der Rolling Stones.

Ron Wood stammt aus einer englischen Familie von Trinkern und die Sucht wird auch ein großes Thema des Films sein. Regisseur und Gesprächspartner Mike Figgis zeigt zuerst den mehr als talentierten Maler Ron Wood. Anhand von Tarotkarten werden Geschichten aus Woods Leben hervorgelockt. Der gute Erzähler erklärt, weshalb er wegen seines Lungenkrebses aufgehört hat zu rauchen. Selbstverständlich kommen auch Mick Jagger, Keith Richards oder Rod Stewart zu Wort. Auffällig, wie geradezu liebevoll sich alle äußern. Mike Figgis, der Regisseur des Alkoholismus-Films „Leaving Las Vegas" erfragt sehr respektvoll die Alkohol- und Drogenabhängigkeit seines Protagonisten.

Es dauert 45 Minuten in der Erzählung des Films, bis Ron Wood endlich nach einer weiteren Personal-Rochade Mitglied der Rolling Stones wird. Zwar spielt Wood ein paar schöne Blues-Stücke und Gitarrensoli zwischendurch, es gibt nette historische Aufnahmen von „The Birds" und „The Faces", aber der Film zeigt nie irgendwelche große Bühnenshows. „Somebody up there likes me" skizziert in nur 70 Minuten tatsächlich eine interessante Persönlichkeit, die alle sehr positiv und freundlich beschreiben. Passend dazu gibt es am Ende ein akustisches Solo-Lied von Ron Wood.