29.5.12

Mes - Lauf!

Türkei, BRD 2011 (Mes) Regie: Shiar Abdi mit Abudel Selam Kilgi, Abdullah Ado, Tolay Moseki 88 Min.

Ihre Wege sind direkt durch eine Parallelmontage verknüpft: Der junge, arme Cengo (Abdullah Ado) und der verstörte Alte Xelilo (Abudel Selam Kilgi) leben in dem kleinen kurdischen Ort Nusaybin an der Grenze zu Syrien. Während das Kind versucht, Kaugummis zu verkaufen, beobachtet es staunend der ruhelosen Mann, der hektisch und ohne Ziel hin und her eilt. Eines Tages geht der Junge mit, neben dem Mann im Mantel her, bis zum imaginären Wendepunkt auf der Straße und wieder zurück. Dann, als der zum Verrückten erklärte Xelilo etwas Vertrauen zu den Kindern gefasst hat, die unter der Brücke einer alten deutschen Bahnlinie spielen, ereignet sich der historische Umbruch, von dem sich die Türkei heute immer noch nur mit Mühen erholt: Die Vorführung eines Films von Ylmaz Güney wird von der türkischen Armee mit Waffengewalt aufgelöst, dann bei dem Überfall das ganze Dorf extrem brutal zusammengetrieben. Im Radio laufen nationalistische Parolen zum Putsch des Militärs. Nun läuft Cengo immer auf und ab, um einen wachhabenden Soldaten zu provozieren. Xelilo wurde mit anderen verhaftet, Cengos Bruder kommt nur nachts heimlich ins Dorf, weil er in den Bergen für die kurdische Befreiungsarmee PKK kämpft. Das Mädchen, das ihn fasziniert, zieht weg. Und auch die Versuche, den entlassenen Xelilo vor der Gnadenlosigkeit des Militärs zu schützen, scheitern. Zuerst wird Cengos Vater, dann der Außenseiter völlig grundlos und kaltblütig ermordet.

Ein türkischer Film komplett in Kurdisch ist schon eine Sensation, denn jahrzehntelang wurde dieser Bevölkerungsgruppe verboten, ihre eigene Sprache zu sprechen. Nun also nach „Mîn Dit – Die Kinder von Diyarbakir" wieder ein authentisches Film-Dokument aus dieser unterdrückten und umkämpften Region. Dass es um den Bürgerkrieg geht, ist da nicht verwunderlich, vor allem, weil „Mes" historisch im Jahr 1980 spielt. In warmen, erdigen Farben gut gespielt und inszeniert, will „Mes" keine große Kunst machen, sondern vor allem von einem Unrecht erzählen. Das gelingt mitreißend dank einiger schönen, auch bewegender Szenen sowie mit einer stimmigen Atmosphäre. Als aber weder die Freundschaft mit dem verstörten Mann noch eine junge Liebe überleben, bleibt der weinende Junge zurück. Eine Einblendung legt noch seinen weiteren Weg als Widerstandskämpfer ein paar Jahre später nach. Da ist der Film in der Reaktion eindimensional wie die Soldaten, die Xelilo zusammenschlagen, weil er einem von ihnen eine Zigarette klaute.