31.7.18

Zu Hause ist es am schönsten

Italien 2018 (A casa tutti bene) Regie: Gabriele Muccino mit Stefano Accorsi, Carolina Crescentini, Elena Cucci 108 Min. FSK ab 6

Für „ein Familientreffen, wie es sich gehört" geht es auf die Insel, wieder mit viel Mamma Mia, nur diesmal ohne Musik. Alba (Stefania Sandrelli) und Pietro (Ivano Marescotti) wollen Goldene Hochzeit feiern und eine unübersichtlich vielköpfige Familie fällt auf Ischia ein. Mit allen Ehebrüchen, Eifersüchteleien, Geheimnissen und alten Verletzungen, die schon auf der Fähre skizziert werden. Sohn Carlo (Pierfrancesco Favino) muss die Eifersucht seiner Frau Ginevra (Carolina Crescentini) ertragen, weil auch seine Ex (Valeria Solarino) zum Fest geladen ist. Schwiegersohn Diego (Giampaolo Morelli) denkt ständig an seine Geliebte in Paris, während seine arglose Frau Sara (Sabrina Impacciatore) ihn mit allen Mitteln zu bezirzen versucht. Und Albas bindungsscheuer Lieblingssohn Paolo (Stefano Accorsi) flüchtet sich in eine romantische Affäre mit seiner verheirateten Cousine Isabella (Elena Cucci).

Der pralle Familientreff wurde autobiografisch eingefärbt, denn Regisseur Gabriele Muccino („Das Streben nach Glück", 2006) kam wie Paolo für den Film aus Hollywood zurück. Auffällig ist die sehr bewegliche Kamera, die versucht, mit der Agilität der Familie mitzuhalten, mit den vielen Geschichten, die alle in typisch italienisch aufgeregten Dramen eskalieren. Das bleibt jedoch Kunsthandwerk, richtiges Drama geht in der Unübersichtlichkeit verloren.

Bemerkenswert zudem die Auftritte von Stefania Sandrelli („1900") und Sandra Milo („8 1/2"), die schon bei Klassikern des italienischen Kinos dabei waren. In der Erinnerung an ähnliche Familienfilme etwa von Ettore Scola („La Terazza", „La Famiglia", „La Cena") verblasst diese künstliche Aufgeregtheit umso mehr.

30.7.18

Destination Wedding

USA 2018 Regie: Victor Levin mit Keanu Reeves, Winona Ryder 86 Min. FSK ab 12

Schon die ersten Momente machen die beiden Hauptfiguren nachhaltig suspekt: Er steht in Unterwäsche mit sehr irritierendem, röchelnden Räuspern im Raum. Sie haucht ihrer sterbenden Pflanze Kohlendioxid ein. Frank (Keanu Reeves) und Lindsay (Winona Ryder) geraten dann als geübte Misanthropen beim Warten auf den Flieger unweigerlich aneinander. Um darauf mit Widerwillen bei der gleichen Veranstaltung einzufliegen. Sie kamen beide nur aus Anstand zu dieser Hochzeit in den südkalifornischen Weinbergen und sind sich wenigstens einig darin, dass alle anderen Anwesenden Idioten sind. Eine heftige Abneigung aller Trivialitäten und die herrliche Ansammlung von Vorurteilen macht sie zu Pessimismus-Spezialisten, die stundenlang über alle anderen lästern können. Die mit lieblicher Musik unterlegten Aktivitäten der (Alp-) Traum-Hochzeit sind ein Horrortrip für sich. Dazu gibt man sich abenteuerliche Vorgeschichten, die weit darüber hinaus gehen, dass der Bräutigam ihr Ex ist.

„Destination Wedding" ist „Before Sunrise" in gallig und Woody Allen als Zweipersonen-Stück. Auf sympathisch unsympathisch besetzt, quatschen sich Keanu Reeves und Winona Ryder gegenseitig an die Wand. Tödlich treffender Dialog im Maschinengewehr-Tempo. Sie hören selbstverständlich auch nicht mit dem Reden auf, während sie doch endlich miteinander schlafen. Weil es ja nix Besseres zu tun gibt. Selbst ein Berglöwe, der die beiden angreifen will, zeigt sich erst von der Streiterei irritiert, um dann vor Franks Räusper-Geräusch zu fliehen. So etwas Romantische Komödie zu nennen, ist eine freche Überstrapazierung des Genrebegriffs. Aber auch ein netter Spaß in dem Kammerspiel vor Sonnen-Kulisse. Dabei sind die beiden Stars komplett von dialoglosen Statisten umgeben - obwohl einige von ihnen Ex-Partner ihrer Figuren spielen! Victor Levin, der bereits mit seinem Film „Von 5 bis 7 – Eine etwas andere Liebesgeschichte" eine gute Aversion gegen klebrigen Kitsch bewies, brachte Keanu Reeves und Winona Ryder erstmals seit Francis Ford Coppolas „Dracula" (1992), Richard Linklaters „Der dunkle Schirm" (2006) sowie „Pipa Lee" (2009) von Rebecca Miller wieder zusammen vor die Kamera. Ein furchtbarer Trip, der sich lohnt.

Grenzenlos

Grenzenlos (2017)

USA, BRD, Frankreich, Spanien 2017 (Submergence) Regie: Wim Wenders mit Alicia Vikander, James McAvoy 112 Min. FSK ab 12

Nach seiner unsäglichen „Papst Franzikus"–Beweihräucherung macht Wim Wenders nun endlich wieder himmlische Bilder. Wenders, als Film-Regisseur und nicht als naiver Messdiener, beschert uns einen Liebesfilm, der auf der Höhe seiner Kunst die Sorge um die Welt in moderner Form ausdrückt. Alicia Vikander und James McAvoy lassen in „Grenzenlos" als schönes und ungewöhnliches Paar Liebe in der Trennung aufleben.

Es sind einzigartige Bilder wie der weiße Arm, der in der sengenden Sonne Somalias bettelnd aus einer Mauer ragt, die Wenders direkt als Groß-Meister des Films ausweisen. Die Erdnuss, die ein Junge in die bittende Hand legt, verschlingt im düsteren Verließ hinter der Wand James Moore (James McAvoy), ein Gefangener der dortigen militanten Religiösen. Es ist hier die Abwesenheit des lebenswichtigen Elements Wasser, die auf die große Metapher des Films und der Vorlage des Briten J.M. Ledgard hinweist. Denn verliebt hat sich James Moore in Dieppe, am Strand der Normandie. In die Biomathematikerin Danny Flinders (Alicia Vikander), die an einem Tiefsee-Tauchprojekt arbeitet, um den Ursprung des Lebens zu erforschen.

Ein sehr netter, gewitzter Flirt bringt die beiden zusammen, die sich eigentlich gerade allein auf ihr jeweils wichtiges Projekt vorbereiten wollen. Danny wird mit teuren Geräten auf gefährliche 3.400 Meter Tiefe abtauchen. Und James erzählt, dass er als Ingenieur in Südsomalia ein Wasserprojekt aufbauen will, doch eigentlich soll er für den britischen Geheimdienst eine Organisation infiltrieren, die Selbstmordattentäter nach Europa entsendet. So folgt den intensiven Tagen am Strand eine schwere Trennung. Schwer und definitiv, da James direkt nach seiner Ankunft von religiösen Kämpfern verhaftet wird.

Nun sind islamistische Attentate nicht wirklich ein großes Problem der Menschheit, mörderische Autos und der Alkohol wären da vorrangig anzugehen. Aber man darf Wenders und J.M. Ledgard zugute halten, dass sie nicht bei dieser dummen populistischen Argumentation stehen bleiben. Im sich selbst reproduzierenden Krieg der Religionen von Vor-Vorgestern stellt die Frage nach Gott eine der extremen Pole dieser grenzenlosen Geschichte dar. Eine Frage, in der die Liebenden durchaus anderer Meinung sind. Was einer grenzenlosen Liebe aber nicht im Wege steht.

„Ich war noch nie zuvor einsam", so drückt Danny ihr Gefühl aus. Und die Frau, der man so ziemlich alles zutraut, ist zunehmend irritiert, weil sie nichts mehr von James hört. (Alice Vikander ist hier wieder ihrem Typ entsprechend als junge, zarte Frau zu sehen und nicht aufgedonnert als „Lara Croft".) Die reizvoll geschnittene, intelligente Romanze „Grenzenlos" hält die Liebenden mit Rückblenden zusammen. Die Liebenden, die nun in jeweils eigener Isolation mit ihren Sehnsüchten und Gedanken fertig werden müssen. Sie bleiben filmisch miteinander verbunden, wie irgendwie alle Menschen auf dieser Erde miteinander verbunden sind.

„Grenzenlos" ist ein romantischer Film, aber in den Gesprächen und bildlichen Metaphern auch mythisch und dann wissenschaftlich bis zum Science-Fiction. Wim Wenders wendet sich wieder den großen Fragen der Menschheit zu, diesmal zum Glück in großer filmischer Form, wie schon bei „Bis ans Ende der Welt". Im Museum betrachtet James das Gemälde „Mönch am Meer" von Caspar David Friedrich. (Dessen „Wanderer über dem Nebelmeer" stellt Wenders dabei verspielt leibhaftig ins Museum.) Dass es dabei tatsächlich mit einem Yellow Submarine an die Grenzen und den Ursprung des Lebens geht, ist noch so eine nette Spielerei, die „Grenzlos" auch schwerelos macht. Dabei ist er auf äußerst konzentrierte Weise packend bis zur letzten Begegnung im Wasser. Ein sehr komplexer und reizvoller Film, auf viele Weisen spannend, dabei nie laut, der reichlich Stoff zum Weiterdenken bietet. Die Todsünde des Papst-Films sei Wenders hiermit vergeben.

28.7.18

Mission: Impossible - Fallobst

USA 2018 Regie: Christopher McQuarrie mit Tom Cruise, Simon Pegg, Rebecca Ferguson, Michelle Monaghan, Henry Cavill 148 Min. FSK ab 12

Action-Rentner Tom Cruise klettert wieder an irgendwelchen Abgründen herum, auffällig viele Leute haben einen Latexmasken-Fetisch und es gilt, begehrte Überraschungs-Eier zu finden. Es ist Zeit für „Mission Impossible", den schon sechsten Film der neuen Kino-Serie. Ruhelose Vollbeschäftigung also für Cruise, der ja noch einen ähnlich gelagerten Nebenjob als „Jack Reacher" hat.

Ethan Hunt (Tom Cruise) und sein Team von amerikanischen Geheimdienst IMF (Alec Baldwin, Simon Pegg, Ving Rhames) sind diesmal auf der Jagd nach Überraschungs-Eiern voller Plutonium, die eine mysteriöse Gang namens „Die Apostel" hochgehen lassen will. Deren Boss John Lark ist ein großer Unbekannter und so gibt sich Hunt für Lark aus. Auch die restliche Handlung würde mit tödlicher Langeweile ganze Kinoketten vernichten, wenn es nicht dauernd knallte und krachte.

Da springt man für den Effekt lieber mal aus 8000 Meter durch ein Gewitter über Paris ab, statt den Billigflieger zu nehmen. Im Fall muss Hunt noch Walker, seinen ungeliebten Partner, retten. Wobei sich beide vorher noch ausgetauscht haben, wie man über das Retten von Mitarbeitern denkt. Denn das ganze Schlamassel dieses Films wurde nur nötig, weil Hunt das Leben seines Kumpels wichtiger einschätzte, als den Kauf von gefährlichem Irgendwas mit Plutonium.

Der Einsatz von Hightec-Spionagespielzeug unter hochdramatischer Musik mit deftigem Bass-Einsatz. Berlin, Paris, London, Ramstein und Kaschmir - nicht die neuesten Filialen einer Modemarke, sondern selbstverständlich die nicht wirklich attraktiven Handlungsorte des Thrillers. Verfolgungsjagden per Auto, Motorrad und Hubschrauber. Und dazu heftiger Action-Durchfall in Form von Martial Arts - Prügeln in asiatisch - auf einer zuvor unbeschädigten und edlen Club-Toilette. Auch „Mission: Impossible - Fallout", der sechste Teil der „Mission: Impossible"-Reihe, liefert quasi Fallobst des Action-Kinos, das im Schatten der Marvel-Superhelden überleben muss.

Ethan Hunt zeigt viel Herz gegenüber gut aussenden französischen Polizistinnen, die dummerweise in der Schusslinie stehen. Aber vor allem muss er immer wieder seine Liebe beschützen, die von hinterlistigen Schurken in die schmutzigen Geheimdienstgeschäfte reingezogen werden. Die Moral der Geschichte gab es in einer flämischen „Professor T"-Folge mit einem fiesen Dilemma zusammengefasst: Ein Gebäude brennt und man kann seine Mutter oder den Forscher mit dem Gegenmittel für Aids im Kopf retten. Lösung: Wer seine eigene Mutter opfert, verdient keine Kur gegen Aids! So siegt vor allem die Teamarbeit, von Mann und Frau, geheimdienst-übergreifend, und liefert gleich drei spannende Parallel-Handlungen im Finale, das mit einem grandiosen Doppelcrash an steiler Felswand endet. Dass dann Hunt wieder irgendwo ziemlich hoch herumklettert, wirkt als Routine reichlich lächerlich.

Auch der Handlungs-Twist, dass Ethan Hunt das Vertrauen seiner Behörde verliert, ist mittlerweile ein Standard wie die Nachricht vom Tonband (sic!), das sich dann selbst vernichtet wie eine Snapchat-Message. Da helfen nur noch ein Doppel-Twist und ein paar Doppel-Agenten. Dieser standardisierte Action-Quark, der schließlich auf einer TV-Serie aus dem vergangenen Jahrtausend basiert, ist halbwegs erträglich vor allem durch gute Nebendarsteller, wie den besseren Donald Trump Alec Baldwin als Minister Alan Hunley. Diese Mit- und Gegenspieler sorgen für ein Niveau, das Cruise selbst nicht aufbringen kann. Ihnen nimmt man die Skrupel eher ab, dass sie etwas gegen ihren Willen und gegen ihre eigene Überzeugung machen müssen.

Die bissige Rache eines alten Widersachers und die grundsätzliche Verbissenheit Hunts werden aufgewogen von ein paar witzigen One-Linern. Einzige Rettung aus der Routine versprechen die Einsätze von Hunts Assistenten Benji, gespielt vom Komiker Simon Pegg: Er darf Hunt bei einer der vielen Verfolgungsjagden fernsteuern, verwechselt aber dank umgedrehtem Bildschirm rechts und links. Dazu übersieht er wegen 2D einige Höheninformationen. Das auch ganz frisch schon angestaubte Gesamtergebnis „Mission: Impossible - Fallout" scheint unter ähnlicher Orientierungslosigkeit in der modernen Kinolandschaft zu leiden. Trotz Produzenten wie Regisseur Christopher McQuarrie und J.J. Abrams, und wahrscheinlich wegen Produzenten wie Tom Cruise.

25.7.18

Gute Manieren

BRD, Frankreich 2017 Aas boas maneiras / Good Manners) Regie: Juliana Rojas, Marco Dutra mit Isabél Zuaa, Marjorie Estiano 135 Min. FSK ab 12

Die Geschichte der einsamen, weißen Schwangeren Ana und ihrer neuen, schwarzen Hausangestellten, der alleinstehenden Krankenschwester Clara, beginnt wie ein Sozialdrama. Dann folgt eine Menge Fleisch im Kühlschrank, ein blutiger Kuss, eine lesbische Liebesgeschichte und nächtliche Vollmond-Szenen, die nicht zu São Paulo passen. Spätestens mit der Geburt springt uns ein veritabler Horrorfilm an. Doch anders, als in Genre-Klassikern wie „Rosemaries Baby" (1968)

Denn die stoisch bleibende Clara, die nicht nur medizinisch fit ist, sondern auch über spirituelles Wissen verfügt, zieht bald Anas Sohn auf. Eine schöne, rührende Geschichte vegetarischer Erziehung des netten Jungen, der in Mondnächten an Ketten gefesselt wird. Das bewegende Horrorfilm-Melodram wurde vergangenes Jahr bei den Filmfestspielen von Locarno mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Das Regie-Duo Juliana Rojas und Marco Dutra verbindet die Mütter-Kind-Geschichte mit einen gruseligen Großstadt-Märchen, das sich raffiniert folkloristische Traditionen Brasiliens einbezieht. Aus „American Werewolf" wird ein brasilianisches Werwölfchen, als eine nette Nachbarin ihm ein Steak brät.

Der Wandel eines Jungen könnte Pubertät sein, doch der in seiner ungewöhnlichen Geschichte und der ästhetischen Umsetzung gelungene Filmmix ist anders: In den sozialkritischen Aspekten wie die besten des Horrorgenres und doch zurückhaltend in den Effekten. Bewegend in der liebevollen Geschichte und doch irritierend in den ungewöhnlichen Konstellationen. Eine unbedingte Empfehlung.

24.7.18

Catch me!

USA 2018 (Tag) Regie: Jeff Tomsic mit Ed Helms, Jake Johnson, Annabelle Wallis, Hannibal Buress, Jon Hamm, Jeremy Renner 105 Min.

Erwachsene, die einen Monat im Jahr „Fangen" spielen, waren dem Wall Street Journal vor fünf Jahren einen Artikel wert. Die Verfilmung dieser Peter Pan-Anekdote mit halb-prominenter Besetzung fängt das Publikum jedoch nur anfangs. Eine Kindertradition bringt fünf Freunde noch als Erwachsene jeden Mai zusammen. Dabei war Jerry (Jeremy Renner) schon immer zu schnell für die anderen und wurde in all den Jahrzehnten nie „abgeschlagen". Jetzt aus Anlass seiner Hochzeit erscheint er ein leichtes Ziel zu sein, aber er bringt das Spiel auf eine neue Ebene. Dabei droht er sogar, sich mit dem Teddybär von Hogan (Ed Helms) in dessen Jugendzimmer zu befriedigen. Das Kinder-Spiel wirkt wie eine belanglose Albernheit, bei der nicht nur die Wall Street-Reporterin vom Ernst beeindruckt ist, mit der sie durchgezogen wird. Zwar gibt es immer wieder Momente, in denen alles ins völlig Absurde kippt, doch des Rennen und Jagens Wiederholung der Fan-Spiele gewinnt durch Nebenthemen wie den alten Schulschwarm nichts hinzu. Eigentlich begeistert nur die anarchische Idee, sich den Spaß am Spielen durchs Erwachsensein nicht verderben zu lassen. Die Freunde schlüpfen nicht nur in die Rolle von Action-Helden, liefern sich mit albernen Verkleidungen als alte Dame Handkanten-Gefechte im Supermarkt, sie werden vor allem wieder Kind. Und das im Abspann mit den echten „Fängern" nachhaltig.

Hotel Artemis

USA, Großbritannien 2018 Regie: Drew Pearce mit Jodie Foster, Sofia Boutella, Dave Bautista, Sterling K. Brown, Jeff Goldblum 94 Min.

Der Bürgerkrieg ums Wasser ist da! Das Gewaltmonopol wurde privatisiert, so bekämpft eine gesichtslose Miliz auf den Straßen von Los Angeles brutal den wilden Aufstand. Ein Juni-Abend im Jahr 2028. Während die Menge auf das Gebäude mit der Neon-Werbung „Hotel Artemis" zuströmt, sehen wir drinnen Jodie Foster als skurrile Alte, die mit kleinen Schrittchen durch die dunklen Gänge des zur geheimen Klinik für Schwerverbrecher umfunktionierten Hotels hastet. Sie ist „die Krankenschwester" und dieser „ganz normale Mittwochabend" wird nicht nur wegen einer dummen Überbelegung dramatisch verlaufen.

Die Krankenschwester ist eine kleine alte Frau, die immer allen hilft, die dort anonym mit Decknamen wie Everest, Nice oder Honolulu untergebracht werden. Seit mehr als zwanzig Jahren behandelt sie hauptsächlich Schusswunden, wir befinden uns schließlich in den USA. Die Zimmer und Behandlungsräume sind voll digitalisiert, dies ist die nahe Zukunft, Sprachbefehle funktionieren endlich. Bei der OP wird eine neue Leber aus dem 3D-Printer verpflanzt, Nano-Bots besorgen die Heilung.

Die selbstverständlich obskuren Gäste folgen als Mitglieder dieser ganz speziellen Krankenversicherung für ein gefährliches Gewerbe strengen Regeln - oder auch nicht. Waffen sind verboten, ebenso das Umbringen anderer Gäste im Hotel Artemis. Falls es mal Ärger geben sollte, ruft die Schwester ihren Assistenten (Dave Bautista) und dann bekommen die Störenfriede Ärger. Neuzugang Waikiki (Sterling K. Brown), der mit seinem schwer verletzten Bruder Hilfe sucht, hat ein besonders vertrautes Verhältnis zu der Krankenschwester. Wenn es unter Gangstern so etwas gäbe, würde man sie Freunde nennen. Denn dieses Geschäft basiert auf „elementarer menschlicher Habgier und Vertrauen", wie es in einem der trocken zynischen Kommentare der Schwester heißt.

Die weiteren Gäste, ein fies eingebildeter Waffenhändler (Brian Tyree Henry) und eine legendäre Killerin (Sofia Boutella) mit geheimer Agenda, haben sich gerade leidenschaftlich miteinander angelegt, als der große Boss (Jeff Goldblum als Wolf King) den letzten Behandlungsraum fordert und gleichzeitig eine alte Bekannte der Krankenschwester schwer verwundet vor der eigentlich geheimen Tür liegt - in Polizeiuniform!

Jodie Foster („Elysium", „Der Gott des Gemetzels") überrascht und brilliert mit einer scheinbar einfachen Genre-Rolle, die gut Kult-Status bekommen könnte. (Siehe Uma Thurman als Krankenschwester in „Kill Bill" - sorry für den Ohrwurm!). Ihre Krankenschwester hat panische Angst vor dem Draußen. Ein Trauma von früher wird diese Mittwochnacht auch ins Haus fallen und der tollen Figur emotionale Tiefe geben. Dave Bautista führt seine vergnüglich massive Rolle aus „Guardians of the Galaxy" fort.

Ein Retro-Plattenspieler und die offensichtliche Verkabelung wie aus dem letzten Jahrhundert erzeugt einen Art Deco-Look, Songs wie „Helpless" (von Buffy Sainte-Marie, nicht von Neil Young) und „California Dreamin'" verstärken das Retro-Gefühl. Die düstere Zukunft zeigt sich in kleinen, fiesen Details: Die Morde der Killerin werden live von ihren Augäpfeln übertragen; ein Laser-Skalpell hat als Waffe einschneidende Wirkung.

Drew Pearce, dem Drehbuchautor von „Iron Man 3" und „Mission: Impossible – Rogue Nation", gelingt in seiner ersten Regie-Arbeit ein guter, kleiner und dreckiger SciFi-Thriller, der mit exzellentem Drehbuch und passendem, stilvollem Setting zeigt, dass Können mehr als Geld kann.

23.7.18

Ant-Man and the Wasp

USA 2018 Regie: Peyton Reed mit Paul Rudd, Evangeline Lilly, Michael Douglas, Michelle Pfeiffer, Michael Peña 118 Min.

Der zweite „Ameisen-Film" in Marvels neuer Comic-Verwertungs-Kampagne, „Ant-Man and the Wasp", lässt angenehmerweise das ganze Getue um das ebenso größenwahnsinnige wie lächerliche „Marvel Cinematic Universe" hinter sich. Weitestgehend. Denn Ant-Man Scott Lang (Paul Rudd) sitzt nach den Ereignissen von "The First Avenger: Civil War" zwei Jahren Hausarrest mit Fußfessel ab, und macht das Beste draus, um drinnen mit seiner zehnjährigen Tochter Cassie Spaß zu haben. Gerade sind die letzten drei Tage seiner vom FBI streng überwachten Strafe angebrochen, als er von Hope van Dyne alias Wasp (Evangeline Lilly) und Dr. Hank Pym (Michael Douglas) entführt wird. Der Erfinder der witzigen Schrumpfungs- und Wachstum-Technik, die Scott zum Ant-Man machte, und seine Tochter brauchen Informationen aus Scotts Kopf. Nur mit ihnen können sie Hanks seit Jahren im subatomaren Raum verschwundene Frau Janet (Michelle Pfeiffer) doch noch zurückzuholen.

Für die nötigen Komplikationen sorgt ein drittes Vater-Tochter-Team mit der faszinierenden Erscheinung „Ghost": Ava Starr (Hannah John-Kamen) flackert seit einem Quantum-Experiment Hanks wegen einer Molekül-Instabilität nur kurzzeitig in der Realität auf. Äußerlich eine gespenstige Erscheinung, steckt unter der Verkleidung eine wütende junge Frau, die Rettung und Rache will. Laurence Fishburne spielt Dr. Bill Foster, ihr väterlicher Freund und Ex-Partner von Dr. Hank Pym.

Dazu noch ein guter (Michael Peña) sowie ein böser Sidekick und fertig ist die ausreichende Aufstellung für einen unterhaltsamen, kleinen Action-Spaß, der gerade dadurch gewinnt, dass er nicht krampfhaft gigantisch sein will. Und die ironisch bodenständige Haltung des unfreiwiligen kleinen Helden Ant-Man Scott Lang für den gesamten Film übernimmt.

Wobei die entscheidende Action bei „Ant-Man and the Wasp" immer noch rasant und erfrischend originell im flotten Wechsel von Groß und Klein die überzeugende Hauptsache ist. Zu der kleinen Sammlung der Spielzeugautos „Hot Wheels", die sich nach Bedarf zu rasanten Fluchtfahrzeugen aufblasen lassen, gesellen sich nun auch Häuserblöcke, die schnell als Rollkoffer umziehen können. Da macht sogar die obligatorische, abgedroschene Verfolgungsjagd wieder Spaß, wenn ein zu großer Ant-Man einen Laster als Tretroller benutzen muss.

Action-Ant Scott Lang ist immer auch charmante Witzfigur, bekommt im Vergleich zu Hope, mit der er sich erst wieder vertragen muss, die schlechtere Ausrüstung. Besonders witzig dabei, dass die Größenveränderung nicht richtig funktioniert und Scott so ausgerechnet in einer Schule auf Zwergengröße hängen bleibt. Sorgsam eingebaute kleine Details vergrößern das Vergnügen. Ein Pez-Spender mit Hello Kitty-Kopf wird, blitzschnell aufgeblasen, zum gefährlichen Flugobjekt. Dabei packt die Spannung richtig gut, weil wie in Nolans „Inception" sich die äußere und die innere, auf Molekularbereich handelnde - Action ergänzen.

So findet der klasse inszenierte (Peyton Reed mit seinem zweiten Ant-Film) und gut gespielte Familienfilm mit seinen drei Vater-Tochter-Geschichten eine tolle Mischung von Gefühl, Action und selbst-ironischem Humor.

18.7.18

Mamma Mia! Here we go again

USA 2018 Regie: Ol Parker mit Amanda Seyfried, Cher, Meryl Streep, Lily James, Andy Garcia 120 Min. FSK ab 0

Zehn Jahre nach dem großen Erfolg des Musical-Filmes „Mamma Mia!" erklingt ein neues ABBA-Musical auf der griechischen Insel Kalokairi. Also viel belangloses Geträller und handlungstechnischer Kokolores. Der zweite Aufguss will deutlich das Bekannte wiederholen. Aber da es nicht unendlich viele ABBA-Evergreens gibt, gehen ihm die Songs aus. Bei zwanghafter Leichtigkeit kann da auch das noch mal gesteigerte Staraufgebot nicht drüber hinweg täuschen. Neben der Originalbesetzung mit Meryl Streep im Kurzauftritt, Pierce Brosnan, Stellan Skarsgard und Colin Firth als die drei möglichen Väter fährt der belanglos bunte Film auch noch Lily James („Cinderella", „Baby Driver"), Andy Garcia („The Untouchables", „Ocean's Eleven") sowie Musik-Mumie Cher als Ur-Großmutter auf.

Sophie (Amanda Seyfried), die junge Heldin des ersten Films, steht kurz vor der Eröffnungsparty des renovierten Insel-Hotels ihrer verstorbenen Mutter. Doch neben einen lächerlichen Sturm drücken auch Beziehungsprobleme die Stimmung. Das wäre es eigentlich bis zur dann doch gelingenden Party, zwei Handvoll Songs weiter. Doch zum Glück für den zu langen Film erinnern Rückblenden hilfreich, wie Sophies Mutter Donna damals Sam, Harry und Bill kennen lernte. Das ist dann auch die einzige gute Idee der Fortsetzung, mit der „Mamma Mia! 2" zum Mütterfilm hoch zwei wird.

„Mamma Mia! Here We Go Again" wäre jetzt mit Songs von den Beach Boys vielleicht originell gewesen, aber man musste bei den B-Seiten des ABBA-Repertoires nachschlagen, um sich musikalisch nicht komplett zu wiederholen. Das Prinzip aller Musicals lautet dabei frei nach Wittgenstein: Wovon man nicht reden kann, davon muss man singen. Aus diesem Prinzip entstanden großartige Film-Musicals wie zuletzt „Lala Land". Aber beim ABBA-Geträller zu überschaubarer Handlung haben die Figuren nicht zuviel zu sagen, sie haben nichts mehr zu sagen, denn alles wurde schon x-fach wiederholt. Zum Glück sagen dann die Mitsing-Hits etwas - die Macht des scheinbar banalen Pop.

So feiert die junge Donna (Lily James) ihren Studienabschluss statt mit Rede mit „When I kissed the teacher" (und einem Cameo-Auftritt von ABBAs Björn als Lehrer), mit Plateau-Stiefeln und anderen, heißen 80er-Details. Die Choreografien sind eher sinnlos gewollt als eindrucksvoll. Der Gesang, na ja, darüber sollte man tatsächlich schweigen. Filmisch setzt Regisseur Ol Parker („Best Exotic Marigold Hotel") sein eigenes Drehbuch bewusst unauffällig um. Hauptsache die Sonne scheint immer in diesem Urlaubsfilmchen. Manche Songs wirken wie von der B-Crew gedreht. Es gibt ein paar nette Bildübergänge, aber gegenüber „Baby Driver", der ultimativen Song-Kompilation des Kinos, ist „Mamma Mia! 2" ein schwacher Videoclip. Das ist kein komplettes Waterloo, aber schon die B-Seite eines großen Erfolges.

17.7.18

303

BRD 2018 Regie: Hans Weingartner mit Mala Emde, Anton Spieker, 139 Min. FSK ab 12

Jan (Anton Spieker) und Jule (Mala Emde), zwei Berliner Studenten mit einer frischen Enttäuschung im Gepäck, treffen sich an einer Autobahnraststätte und starten eine überraschend lange gemeinsame Reise. Auf dem Weg nach Köln schmeißt Jule ihn zwar bald aus ihrem Camper, doch unter dramatischen Umständen kommen sie wieder zusammen. Womit das Drama für diesen Film abgehakt ist. Auf dem Weg nach Spanien kommt erst nach einer Stunde die Frage „Hast du denn eigentlich eine Freundin?". Noch dreißig Minuten später gibt es Sex - erst mal theoretisch als Thema. Und nach zwei Stunden im wohl langsamsten Verlieben der Filmgeschichte liegen sie gemeinsam im Bett. Womit der Film noch nicht am Ziel ist.

Die bislang Unbekannten Mala Emde und Anton Spieker spielen keine Bigger than Life-Figuren, sondern bodenständige, junge Menschen, die kürzlich den Boden unter den Füßen verloren haben. Mit ihren weißen T-Shirts ohne Aufdruck wirken sie auch erst mal blass. Ihre Charaktere müssen andauernd gehend und fahrend reden. Bei Regisseur Hans Weingartner („Die fetten Jahre sind vorbei", „Die Summe meiner einzelnen Teile") ist das immer auch politisch: Ein von den Kapitalisten instrumentalisierter Darwin taucht auf, die Instrumentalisierung des Alleinseins ist Thema. „303" könnte vom hohen Dialoganteil her ein Rohmer-Film sein, es fehlt allerdings die spezielle Leichtigkeit des Franzosen, genau wie das Spielerische von Linklaters „Before Sunrise". Der sehr gemütliche Sommerfilm kommt langsam in Schwung, ein paar schöne Songs erklingen vor sonniger Landschaft. Allerdings wirkt es auch, als könne man in der Laufzeit des Films nach Portugal und zurück fahren, gemütlich. Beide drängt es bald nicht mehr, an ihr Ziel, zu den Personen dort zu kommen. Und am Ende ist alles gut, am Ende wird geschwiegen.

Sicario 2

USA, Italien 2018 (Sicario: Day of the Soldado) Regie: Stefano Sollima, mit Josh Brolin, Benicio Del Toro, Isabela Moner, Matthew Modine, Catherine Keener, 122 Min. FSK ab 18

Eine unkommentierte Folge von Attentaten und staatlichen Gewalttaten auf beiden Seiten der US-Grenze zu Mexiko skizziert eine neue Situation: Da legale Drogen und Opiate aus der Apotheke immer mehr die Sucht der US-Bürger nach Betäubung befriedigen, brauchen die alten Kartelle aus Mexiko eine neue Ware. Es werden die Flüchtlinge aus dem Süden sein. Da die Kartelle auch Selbstmordattentate verüben, wird die Terrorismus - wieder einmal - durch den US-Präsidenten neu definiert. Auf seinen Befehl beginnt CIA-Mann Matt Graver (Josh Brolin) einen neuen Krieg, diesmal jenseits der Grenzen, auch des Gesetzes.

Da gibt es einen Drohnenangriff auf das Haus und die Familie eines Verhafteten, um ihn zum Reden zu zwingen. Einer der Schachzüge, um die Kartelle gegeneinander aufzuhetzen, ist, die junge Tochter des Bosses Carlos Reyes zu entführen. Doch Isabela (Isabela Moner), flieht bei einer heftigen Schießerei in der Wüste. Worauf der Söldner Alejandro (Benicio Del Toro), jetzt Partner Gravers im kriminellen Krieg, allein mit Isabela über die Grenze kommen muss. Dabei wollte sich Alejandro eigentlich an der Tochter von Reyes rächen, der einst seine Tochter umgebracht hat.

„Sicario" von Denis Villeneuve war eine Sensation: Unheimlich packend in der Inszenierung. Dazu erschütternd in der Darstellung der Verhältnisse an der US-Grenze. Nun gibt es den gleichen, tief brummenden Soundtrack, den gleichen, effektiven Trick, dass die Spannung lange vor der Action zum Zerreißen hochgefahren wird. Das anschließende Action-Feuerwerk ist dann nur noch das blutige Sahnehäubchen. Das Drehbuch stammt erneut vom hochgeschätzten Taylor Sheridan („Sicario", „Hell or High Water"), der für die Aktualität des Themas und die Authentizität der Verhältnis bürgt. Doch die Regie übernahm Stefano Sollima, der in „Gomorrha" und „Suburra" gekonnt Spannung und soziale Milieus Italiens inszenierte, der aber kein überragender Filmkünstler wie Denis Villeneuve ist.

Deshalb ist „Sicario 2" mehr heftige, brutale Action. So brutal, dass der Kinobesuch für diesen Film erst ab 18 erlaubt ist. Schockierend ist zwar immer noch, wie bedenkenlos dort Menschen umgebracht werden. Dabei werden auch mal 25 mexikanische Polizisten in Mexiko von US-Soldaten ermordet. Doch die Anklage gegenüber staatlichen Stellen, die diesen Krieg mit totaler, gottgleicher Kontrolle durch Satelliten-Überwachung aber ohne Moral mitmachen, fällt schwächer aus. Sollima kann auf seine Stars vertrauen. Vor allem Benicio Del Toro („Traffic") beeindruckt mit seinem Kreuzweg auf dem Pfad der Flüchtlinge.

Hotel Transsilvanien 3

USA 2018 (Hotel Transylvania 3) Regie: Genndy Tartakovsky 98 Min. FSK ab 0

Ganz im Trend der aktuellen Tourismus-Ströme verlässt Graf Dracula mit seinen monströsen Familien- und Bekanntenkreisen die dunkle Burg in Transsylvanien für eine öko-feindliche Kreuzfahrt. Zum Bermudadreieck! „Hotel Transsilvanien", der bewährte Zeichentrick-Spaß um und für die ganze Familie, erfüllt auch im dritten Aufguss traditionell die Erwartungen. Und vermittelt spielerisch: „Nicht hassen, den Hass lassen!"

Das turbulente Leben des alleinerziehenden Grafen Dracula, der in Transsilvanien ein Hotel für Monster betreibt, war 2012 ein außergewöhnlicher Spaß in der unübersichtlichen Zeichentrick-Landschaft. Wie Dracs Tochter Mavis sich in einen Menschen verliebt, wurde von hunderten witzigen Einfällen und Zitaten begleitet. Teil 2 fiel, wie es das Gesetz vom zweiten Teil verlangt, nur mäßig aus. Man wünschte der ganzen Besatzung mal einen Urlaub und der kommt jetzt: Weil Dracula anscheinend überarbeitet ist, zwingt ihn seine Tochter zu einem Überraschungs-Trip. Mit dabei im Billigflieger, der sich in einer der besten Filmsequenzen völlig chaotisch selbst zerlegt, ist die ganze Monstertruppe von Draculas Schloss-Hotel: Frank (N. Stein), der Unsichtbare, ein paar Hexen, die Werwolf-Familie und viele schräge Kreaturen mehr. Es geht zum Bermuda-Dreieck - tatsächlich ein tiefes Dreieck voller Wracks im Meer - auf große Kreuzfahrt mit einer riesigen Titanic.

Und beim Anblick der schönen, Sascha Hehn-blonden Kapitänin Ericka macht es „Tsching" bei Wittwer Dracula. Der glaubt nicht, dass sich Monster ein zweites Mal im Leben richtig verlieben können, verhält sich aber fortan wie ein rettungslos in die weiße Frau verschossener Teenager. Dass Ericka die Ur-Enkelin des letzten der Vampirjäger Van Helsing ist, bekommt er so nicht mit. Die zahlreichen Attentate auf ihn steckt immer das grüne Schleimmonster ein - wortwörtlich.

Skurrile Figuren in Serie, Familien-Verhältnisse wie bei der Addams Family - so was droht gerne mal auf TV-Niveau abzusinken. Doch auch die dritte transsilvanische Monstershow unter bewährter Regie von Genndy Tartakovsky geriet altmodisch gut. Wobei die tolle, fortschrittliche Botschaft, dass wir alle gleich sind, egal ob Monster oder komischer Mensch, von überkommenen Familienvorstellungen konterkariert wird. Treue, bis dass der Tod euch scheidet und sogar über den Tod hinaus, das ist für einen Vampir ziemlich lang, für den Papst vielleicht akzeptabel, aber in der Lebenswirklichkeit vieler Kinder eher befremdlich. So bekommt der Witz, normales Leben in dieser Monster-Version gespiegelt zu sehen, einen faden Beigeschmack, weil das Familienleben arg konventionell ist. Wie auch im Falle von Gru aus „Ich - Einfach unverbesserlich" werden zudem die Außenseiter-Ecken und Kanten der Hauptfigur geglättet, was ihr den Reiz des Unangepassten nimmt. Der einst stolz alleinerziehende Single Drac ist plötzlich einsam und tindert auf einer Dating App herum. Mit den üblichen, für Nicht-Beteiligte lustigen Problemen der Spracherkennung auf seinem Smartphone.

Erfreulich weiterhin, die überbordenden verrückten Ideen bei Figuren und Zeichnung. Genial dada oder gaga sind die starr nach oben stierenden Fisch-Kellner und -Akrobaten. Ein freches 2D-Element im 3D-Film neben anderen Absurditäten wie einem Fisch im Taucheranzug. In den besten Momenten, etwa beim Vorspann, liefert „Hotel Transsilvanien 3" einen wildern Ritt auf den Lachmuskeln. Wie einst Polanskis „Tanz der Vampire", nur animiert. Im Finale, das als DJ-Battle aufläuft, weckt furchtbare Techno-Musik eine gigantische Krake, die schön Atlantis zum Untergang gebracht hat. Als Gegenmittel hat Dracs Schwiegersohn „Good Vibrations" von den Beach Boys, „Happy" und den 90er-Ferienhit „La Macarena" auf der Playlist. Auch das beweist: „Wir sind alle gleich, sogar Menschen können ganz monströs sein, wenn sie nur wollen.

11.7.18

Die Farbe des Horizonts

USA 2018 (Adrift) Regie: Baltasar Kormákur mit Shailene Woodley, Sam Claflin 97 Min. FSK ab 12

Der neue Film von Baltasar Kormákur, dem Isländer, der diesen sagenhaften Eisfilm „The Deep" gemacht hat, und noch ein paar Hollywood-Knaller wie „Everest", wirft uns direkt ins kalte Wasser. Wobei es diesmal auf dem Weg von Tahiti nach Kalifornien, quer durch den Pazifik, nicht so kalt ist wie in „The Deep". In der ersten Szene ist die Yacht schon ein Wrack, Tami (Shailene Woodley) treibt in der Kajüte unter Wasser und ihr Verlobter Richard (Sam Claflin) ist verschwunden. Die Überführung des Bootes von Freunden strandete in einem heftigen Sturm. Doch die 23-jährige Tami ist eine clevere Frau mit Ahnung vom Segeln. Sie flickt den Kahn notdürftig, pumpt Wasser ab, schneidet den Mast los, wobei sie fast nicht mehr zum Boot zurückkommt. Und sie entdeckt Richard im Wasser treibend. Auch die Rettung des Seglers mit schwerer Beinverletzung und gebrochenen Rippen ist packend. Faszinierend jedoch vor allem die Montage.

Zwischen den Szenen eines schier aussichtslosen Überlebenskampfes, tausende Meilen von der nächsten Küste entfernt, schneidet Regisseur Baltasar Kormákur die Liebesgeschichte von Tami und Richard: Sie lässt sich seit fünf Jahren treiben, arbeitet auf Schiffen, will die Welt sehen. Er baute sein eigenes Boot und bereiste schon viele traumhafte Orte. Ein ideales Paar findet sich in gemeinsamer Abenteuerlust und beginnt eine schöne Liebesgeschichte.

Der Isländer Baltasar Kormákur ist ein Wanderer zwischen den Film-Welten: Vor und zwischen großen Thrillern wie „2 Guns" (2013) mit Denzel Washington und „Contraband" (2011) mit Mark Wahlberg sowie teuren Spektakeln wie „Everest" (2015) drehte er faszinierendes Arthouse von schrägen Beziehungsgeschichten wie „101 Reykjavik" (2000) bis zu dem fast mythologischen Drama eines tiefgekühlten Fischers in „The Deep" (2012). In dem exzeptionellen „Devil's Island" (1995, Regie: Fridrik Thór Fridriksson) spielte er die aus der Gesellschaft gefallene Hauptfigur. Wieder in Reykjavík inszeierte er den knallharte und eiskalte Thriller „Der Eid" (2016), in dem ein bürgerlicher Vater für seine Tochter rot sieht.

Für die „Die Farbe des Horizonts" schlägt er eine andere Route ein als J.C. Chandors „All Is Lost" mit Robert Redford als einsamem Segler. Die wahre Geschichte von Tami Oldham Ashcraft, die 1983 auf einer schwer beschädigten Yacht beinahe manövrierunfähig 41 Tage im offenen Meer trieb, veröffentlichte sie im Buch „Red Sky in Mourning: A True Story of Love, Loss, and Survival at Sea". Kormákur erzählt dies öfter ruhig als hochdramatisch nach und behält sich den schwersten Sturm fürs Finale auf. Was in Zeiten von überkandidelten Filmdramaturgien ebenso wohltuend wie gewöhnungsbedürftig ist. Die lange Reise mit dem außergewöhnlichen Paar nimmt uns mit ins Boot. Dann aber folgt mit der finalen Montage aus stürmischer Liebe und Liebe im Sturm ein großes Stück überwältigendes Kino. Und auch hier noch so ein Clou im Stile von M. Night Shyamalans und Bruce Willis' „The Sixth Sense".

Dabei gelingen warme Momente wie der schönere Heiratsantrag „Willst du mit mir um die Welt reisen?" und die Versuche, die Farbe des Horizonts beim Sonnenuntergang zu beschreiben, ebenso wie die kalten Duschen eines gnadenlosen Ozeans, eingefangen von einer klasse Unterwasser-Kamera, begleitet von starker, klischeefreier Filmmusik.

Skyscraper (2018)

USA 2018 Regie: Rawson Marshall Thurber, mit Dwayne Johnson, Neve Campbell, Chin Han 102 Min. FSK: ab 12

Ex-Wrestler Dwayne „The Rock" Johnson will hoch hinaus, gar Bruce Willis kopieren. Und kommt bei seinem neuesten Action-Film „Skyscraper" ziemlich hart auf den Boden der inszenatorischen Möglichkeiten seines Teams auf. 17 Jahre nach 9/11 darf man wieder mit Hochhäusern zündeln, aber nur moderne Brandschutz-Anlagen können dieses Uralt-Konzept „Flammendes Inferno" nicht vor dem Untergang retten.

Ist dies ein anderer „The Rock"? Im Vorspiel verliert sein Special-Soldat Will Sawyer bei einer Geiselrettung einen Unterschenkel. Unsicher übt er in zweiter Karriere als Sicherheits-Berater beim neuen Job in Hongkong seine Sätze vor dem Spiegel. Das aller-, aller-höchste Hochhaus der Welt gilt es zu inspizieren. Und nach der zweiten Szene ist klar: „Skyscraper" ist einer dieser Filme, die alles unerträglich deutlich erklären. Verschwörerische Blicke deuten wie im Laientheater einen Verrat an. Aber wenigstens wird mit dem eindrucksvollen Gebäude auch ein schöner Action-Spielplatz samt Dschungel-Mezzanin versprochen. Der glücklich verheiratete Familienvater Sawyer, der seit zehn Jahren keine Waffe mehr angerührt hat, gerät wider Willen zwischen die Fronten eines Bandenkrieges, seine Familie wird im brennenden Hochhaus als Geisel genommen. Nun klettert der schwergewichtige Mann mit der Unterschenkel-Prothese in wenigen Minuten einen hunderte Meter hohen Kran hoch, klebt wie Spiderman Tom Cruise an schwindelerregenden Glasfassaden und schlägt sich vor alle wie Bruce Willis in „Stirb langsam" durch.

Mit diesem Vergleich fällt „Skyscraper" in sich zusammen wie ein brennendes Kartenhaus. Die wenigen lustig gemeinten Sprüche zerplatzen wie Seifenblasen. Handlung und Figuren sind extrem vorhersehbar, dabei hinkt das Tempo immer wieder dem hinterher, was man schon längst weiß. Johnsons invalider Held legt unglaubliche Kletterpartien hin, was eher peinlich als eindrucksvoll wirkt. Dabei aktiert Sawyer ebenso wenig clever wie der Film. Ganz ohne das Sicherheits-Seil namens Ironie scheitert Dwayne Johnson auf seinem ureigenen Action-Territorium. „Scream"-Queen Neve Campbell hat als Sawyers Frau die besseren Szenen. Selbst der kleine Urwald, der im Feuer zur Vulkaninsel wird, kann keine tolle Action-Szene generieren. Nur die optischen Effekte eines digitalen Spiegel-Kabinetts auf der Spitze des Hochhauses haben gewissen Reiz. Regisseur Rawson Marshall Thurber („Central Intelligence", „Wir sind die Millers") kann hier kein Action-Feuerwerk entzünden, wahrscheinlich redeten ihm bei der sehr internationalen Produktion zu viele Feuerwehrleute rein. „Skyscraper" ist ein teures B-Movie, ist Trash, der selbst nicht weiß, dass er Trash ist. Wertung: Höchstens „Stirb langsam 1/3".

10.7.18

Foxtrot

BRD, Frankreich, Israel, Schweiz 2017 Regie: Samuel Maoz mit Lior Ashkenazi, Sarah Adler, Yonaton Shiray, 113 Min. FSK ab 12

International gefeiert und in seiner Heimat Israel angefeindet: Nach dem enervierenden Ritt in einem Panzer in „Lebanon" (2009) nutzt Regisseur Samuel Maoz auch in „Foxtrot" sein großes Können, um sich differenziert mit den menschlichen Folgen eines jahrzehntelangen Dauer-Krieges auseinanderzusetzen. Der Tod eines jungen Soldaten löst Schockwellen bei den Eltern aus, die in der raffinierten Konstruktion zwischen Trauer und surrealen Situationen filmisch brillant festgehalten werden. In Venedig erhielt „Foxtrot" 2017 den Großen Preis der Jury („Silberner Löwe").

Die Situation ist schockend und atemberaubend: Soldaten klingeln bei der Familie Feldmann in Tel Aviv. Noch bevor sie Genaueres sagen können, bricht Dafna Feldmann (Sarah Adler) an der Tür zusammen. Äußerst routiniert und professionell wird die Frau versorgt und mit einer Spritze beruhigt. Erstarrt beobachtet Michael Feldmann (Lior Ashkenazi) die Szene. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit wenden sich die Soldaten an den Architekten: Ihr Sohn Jonathan Feldmann ist gefallen.

Die professionelle Routine in der Betreuung von Angehörigen verstorbener Soldaten - auch das bedeutet Krieg. Wobei Regisseur Samuel Maoz, der in seinem Debütfilm „Lebanon" persönliche Traumata aus dem Libanonkrieg von 1982 verarbeitete, nie politische Phrasen filmt. „Foxtrot" wirkt zuerst, haut um, erschreckt und fesselt gleichzeitig. Details wie Kunstwerke an der Wand und das Muster der Bodenfliesen verstärken in den ersten Minuten das schwindelnde Gefühl, zusammen mit den Eltern von Jonathan den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Eine Erfahrung, die Jonathan (Yonaton Shiray) selbst macht. Denn im zweiten Teil dieses meisterlichen Triptychons befinden wir uns mit dem 19-jährigen Soldaten in der reizvollen Ästhetik eines völlig verfallenen und heruntergekommenen Grenzpostens im staubigen Nirgendwo. Absurd ist hier nicht nur, wie der Grenzer seine Schranke immer wieder für ein Kamel hochfährt, das als einziges Wesen nicht schikaniert wird. Auch die Bemühungen der Soldaten vorher, die von einer Todes-Nachricht betroffene Familie zu betreuen, sind absurdes Theater, das in seiner eitlen Inszenierung keine Rücksicht mehr auf die Trauernden nimmt. Hier in der Wüste erklingen bekannte Filmmelodien und Soundtracks. Klassische Musik begleitet Albernheiten und symbolhafte, surreale Momente wie das langsame Versinken des Containers, der als Baracke dient, und den Schlamm, der durch den Boden dringt. Der titelgebende Tanz mit Maschinengewehr, der Flug der Stare vor dem Fenster, diese Bilder sind von faszinierender Schönheit und gleichzeitig beängstigend. Der dritte Teil kehrt mit Arvo Pärts Superhit „Spiegel im Spiegel" zurück zum Psychodrama eines von der nationalen Kriegslüsternheit geschlagenen Paares, das nur noch um den Verlust des Kindes kreist. Die stilisierte Bildgestaltung ist dabei klar kadriert, was trotzdem nicht das Ausbrechen der Emotionen und der Gewalt zu verhindern vermag.

„Foxtrot" ist mehr Zustandsbeschreibung als Handlung. Auch wenn die Schikanen an der Grenze zu einer furchtbaren Tat führen. Unfassbar dabei, wie aus einem nichtigen Anlass vier Menschen abgeknallt werden und die israelische Armee auch diese Angelegenheit routiniert unter einem staubigen Teppich vergräbt. Samuel Maoz sagte selbst zu seinem Film: „Wir alle sind traumatisiert. Unsere emotionale, instinktive Erinnerung an den Holocaust, selbst wenn wir ihn nicht selbst erlebt haben, ist stärker als die heutige Realität oder logische Wahrnehmung. Und sie vermittelt uns, dass wir uns ständig in Gefahr befinden, in einem ewigen Krieg. So tanzt jede Generation den Foxtrot aufs Neue". Und bleibt auf der Stelle stehen, kommt nicht weiter, wie es die Schrittfolge des Tanzes vorgibt. Dass diese klugen Gedanken und Bilder erst einmal unglaublich ästhetisch und wirkungsvoll daher kommen, bestätigt die Wertschätzung, die Maoz mittlerweile genießt. Sehr gute Schauspieler - die gibt es auch abseits von Hollywood - vermitteln, was ein über Generationen andauernder Krieg mit den Menschen macht. So ist „Foxtrot" ein eindringlicher, aber vor allem äußerst kunstvoller Antikriegs-Film.

Super Troopers 2 *

Komödie USA 2018 Regie: Jay Chandrasekhar, mit Seann William Scott, Clifton Collins jr., Steve Lemme, Erik Stolhanske, Jay Chandrasekhar 99 Min. FSK ab 12

Die Comedy-Truppe Broken Lizard landete im Jahr 2001 mit „Super Troopers - Die Superbullen" einen kleinen Überraschungserfolg: Die von ihr geschriebene, inszenierte und gespielte Blödel-Komödie lief auf dem Sundance Festival, wurde von Fox Searchlight gekauft und spielte weltweit 23 Millionen US-Dollar ein. Mit „Club Mad" (2004) und „Bierfest" (2006) kamen noch andere, weniger erfolgreiche Filme von Broken Lizard ins Kino. Für die späte Fortsetzung „Super Troopers 2" musste nun ein Crowdfunding herhalten. Fans sammelten über 4,6 Millionen US-Dollar ein, die auf üblichem Produktionsweg nicht aufzutreiben waren.

Die Handlung der „fanbasierten" Komödie geriet mehr als übersichtlich: Die chaotische Truppe von Gesetzeshütern, die nach den Eskapaden aus dem ersten Film als Handwerker herumblödelt, wird offiziell wieder eingesetzt, um die Übergabe eines Stück Kanadas an die USA zu kontrollieren. Grenzkorrekturen sorgen für diesen außergewöhnlichen Zustand. So übernehmen die ehemaligen Vermont Highway Patrol Officers Thorny (Jay Chandrasekhar), Farva (Kevin Heffernan), Rabbit (Erik Stolhanske), Foster (Paul Soter) und Mac (Steve Lemme) mit ihrem Vorgesetzten Captain O'Hagan (Brian Cox) die Polizeistation einer franko-kanadischen Stadt.

Vorurteile und nationale Klischees sowie Zoten über die jeweilige Fremd-Sprache bilden den überwiegenden Inhalt des Mittelteils. Dabei setzen die bald überflüssigen kanadischen Mounties (Will Sasso, Tyler Labine und Hayes MacArthur) einen massiven Braubären ins Büro der ungeliebten US-amerikanischen Konkurrenz. Worauf die Super Troopers sich der kanadischen Uniformen bemächtigen, um in einer langen Gag-Sequenz als vermeintliche Frankophone irritierte Verkehrsteilnehmer zu schikanieren. Ein Bordell ist Kulisse für eine Schlägerei, bei der Fäuste und Riesen-Dildos fliegen - wohl ein Versuch des Films, frech frivol zu sein. Aber auch die vielen homoerotischen Andeutungen in der Männer-Truppe sind nicht mal mehr pubertär. Für das Finale greifen Broken Lizard den dünnen Handlungsfaden wieder auf und verfolgen eine Spur zufällig gefundener Schmuggelware bis zum üblichen, wenig überraschenden Verdächtigen.

Broken Lizard beziehen sich in ihrem Treiben auf den Klassiker „Animal House" („Ich glaub', mich tritt ein Pferd", 1978), wobei ihre Weiterführung dieses Klamauks eher an Nachmachversuche eines Schüler-Theaters erinnert. „Super Troopers 2" wurde vom Broken Lizard-Kollektiv Jay Chandrasekhar, Kevin Heffernan, Steve Lemme, Paul Soter und Erik Stolhanske geschrieben und von
Chandrasekhar inszeniert. Der Publikums–Einfluss durch das Crowdfunding erzeugte selbst nach 17 Jahren nur mehr vom Gleichen. Während in dem nicht besonders hoch angesehenen Blödel-Genre späte Remakes wie „Starsky & Hutch" schon 2004 durch Übertreibung amüsieren konnten oder „Zoolander" noch früher durch das Überdrehen der Absurditäten sich fast für hochtrabende Interpretationen anbot, präsentieren Broken Lizard Stillstand im Comedy-Sektor. Bei auch ansonsten geringer Qualitäts-Stufe: Inszenatorisch ist das Niveau sub-TV.

Alte Komiker, die sich seit Jahren nicht weiterentwickeln, und ein Crowdfunding, das die auch mal hilfreichen Kontrollen klassischer Produzenten umgeht, ergeben im unglücklichen Zusammenspiel eine durchgehend missglückte Komödie. Auch Blödeln will gekonnt sein.

4.7.18

Liebe bringt alles ins Rollen

Frankreich, Belgien 2018 (Tout le monde debout) Regie: Franck Dubosc mit Franck Dubosc, Alexandra Lamy, Elsa Zylberstein, Gérard Darmon 109 Min. FSK ab 0

Trolleys, Gepäckwagen und selbst ein gehbehinderter Mops. Alles rollt am Flughafen, nur Jocelyn (Franck Dubosc) trägt seine Tasche zum nächsten Betrug. Der nicht ganz 50 Jahre junge Chef einer Sportschuh-Agentur ist notorischer Verführer mit dem Spleen, Frauen in unterschiedlichen Rollen rum zu bekommen. Und nachher sitzen zu lassen. Als er nach dem Tod seiner Mutter in der Wohnung und Rollstuhl sitzt, überrascht ihn deren junge, attraktive Nachbarin und missversteht die Situation. Als Behinderter eine Frau zu verführen, das wäre ein besonderer Kick. Aber auch eine mal echt gewagte Challenge, weiß Jocelyn doch nicht mal, wo der Kaffee in der Wohnung der Mutter ist, geschweige, dass er so ans Regal reichen kann. Das Objekt seiner Begierde entdeckt zwischendurch riesige Inkontinenz-Windeln. Doch die Nachbarin will ihn nur mit ihrer Schwester verkuppeln, die tatsächlich im Rollstuhl sitzt. Die erfolgreiche Tennisspielerin und erste Geigerin Florence (Alexandra Lamy) betört den Schwerenöter mit verblüffender Freundlichkeit und unverkrampftem Charme. So macht er mehr schlecht als recht weiter mit seiner Farce im Rollstuhl. Und eine richtig nette Liebesgeschichte kommt ins Rollen - sorry! Sie macht es sich zwar manchmal zu einfach, spätestens in seiner Wohnung muss Florence erkennen, dass er mit dem Rollstuhl-Fahren keine Erfahrung hat. Aber überzeugend ist dies allemal.

Das ist ein wenig Slapstick, wenn Jocelyn den Rollstuhl selbstverständlich nicht in den Kofferraum des Porsche reinkriegt, zeigt aber vor allem wirklich sehr komische Situationen. Und tritt im Gegensatz zu vielen aktuellen französischen Komödien nicht dauernd in Fettnäpfen. Ist ja auch schwer mit einem Rollstuhl, würde Jocelyn auch nur am Anfang sagen. Lachen darf man vor allem über den eitlen Senior mit Jugendwahn und Casanova-Komplex, bei dem selbst der Porsche mit Ferrari-Rot lügt. Denn ausgerechnet der Schuhspezialist übersieht, dass er mit abgenutzten Tretern im Rollstuhl sitzt.

„Liebe bringt alles ins Rollen" und sie rollt sehr gut, diese Liebes-Komödie. Franck Dubosc war als Schauspieler unter anderem bei „Asterix bei den Olympischen Spielen" zu sehen. Nun schrieb er das Drehbuch zum Film, führte Regie und übernahm die Hauptrolle des scheinbar unverbesserlichen Lebemanns Jocelyn. Dabei gewinnt die Figur mit ihrem heimlichen Sentiment für italienische Schlager und einem natürlichen Charme. Unfreiwillig gute Scherze wie die Bemerkung zu einer Busreise, er könne niemals 15 Stunden am Stück sitzen, landen auf den Punkt. Letztlich steht der große Verführer mächtig auf dem Schlauch und weiß erstmals nicht weiter. Eine wunderbar schwerelose Liebesszene und auch alles andere ist gekonnt inszeniert. Toll auch Jocelyns verliebte Sekretärin und der befreundete Arzt, die klasse Szenen mit ihm bekommen. Schauspiel-Legende Claude Brasseur hat noch mal einen schönen Moment als Vater von Jocelyn.

3.7.18

Candelaria - Ein kubanischer Sommer

Kolumbien, Argentinien, Norwegen, Kuba, BRD 2017 Regie: Jhonny Hendrix mit Veronica Lynn, Alden Knight, Philipp Hochmair, Manuel Viveros 89 Min.

Sie haben über siebzig Jahre auf dem Buckel und leben in den Neunzigern in Havanna: Candelaria (Veronica Lynn) und Víctor Hugo (Alden Knight). Strom und Gas werden dem Paar immer wieder abgestellt, Lebensmittel sind ebenso knapp. Ein paar illegal gehaltene Küken sind ihr Kinderersatz. Der Alte arbeitet in einer Zigarrenfabrik und schmuggelt immer wieder was für den eigenen Verkauf nach draußen. Candelaria schuftet in der Wäscherei eines Hotels und singt am Abend in einer Bar. Die Tristesse unter kubanischer Sonne wird unterbrochen, als sie im Hotel eine in der Schmutzwäsche versteckte Videokamera findet. Der erst unsichere, dann spielerische Umgang mit dem fremden Gerät belebt das Paar. Sie reflektieren ihr Leben beim Nachspielen von Alltagsszenen, sehen sich durch das Objektiv anders. Und wie im Film werden die gemeinsamen Abende immer romantischer und erotischer. Bis Victor Hugo die Kamera verliert und der bekannte Hehler sie bekommt. Sie sollen nun Pornos liefern...

„Candelaria" ist eine bittersüße Geschichte mit einem sympathischen Paar vor der Kamera. Traumhaft sind ihre Inszenierungen, die Freude an etwas Schweinefleisch, einem schönen Kleid und dem Sex nach vielen Jahren. Statt Touri-Kitsch im Stile von Wenders' „Buena Vista Social Club" zeichnet der Film politische Realitäten nach. Und liefert als Subtext eine Parabel über das Leben vor der Kamera, die direkt auf unsere mit Smartphones gesegnete Zeit übertragbar ist.

How to Party with Mom

USA 2018 (Life of the party) Regie: Ben Falcone mit Melissa McCarthy, Gillian Jacobs, Maya Rudolph 105 Min, FSK ab 12

Überdeutlich unattraktiv und peinlich zelebriert Mama Deanna Miles (Melissa McCarthy) das jährliche Abliefern der Tochter an der Uni - 22 Minuten von zuhause entfernt! Da versteht man den Ehemann, der direkt darauf seinen Scheidungswunsch herausschreit und dann mehr um den Zustand seines Leasing-Autos als um den seine Gattin besorgt ist. Noch vor dem allen machte eine Nebenbemerkung über Deannas abgebrochenes Studium klar, wo der Film hin geht. Bei ihren Eltern wird zwar nur sinnlos rumgeschrien, aber auch hier muss das Drehbuch mit dem Gegenteil von subtil in diese Richtung weisen. Ja, die „lustige Dicke" Melissa McCarthy („The Boss", „Ghostbusters", „Spy - Susan Cooper Undercover") produziert sich selbst als Hauptdarstellerin in einer eigens geschriebenen Geschichte als sympathisch deplatzierte Ulknudel am College. Ein schmerzlicher Frontalzusammenstoß zweier Genres und alle Gaffer bestrafen sich selbst mit diesem Film.

Deanna Miles muss an die Uni, ausgerechnet an die ihrer Tochter, was zu vielen Peinlichkeiten führen könnte. Aber das Drehbuch macht nichts richtig und so ist auch das Nebeneinander mit der lauten, penetranten, groben wie unangenehmen Mutter nicht mal richtig schlecht. Deanna sondert endlos peinliche Sprüche aus der Jugendsprache des letzten Jahrhunderts ab und hört vor allem nie auf, mit ihrer unangenehm quietschenden Stimme zu quasseln. Das mit der Ehe und dem Verkauf des Familienhauses ist bald kein Thema mehr, eigentlich hat diese Ansammlung von mehr oder wenig peinlichen oder blöden Szenen weder Handlungsfaden noch Entwicklung. Zum Glück gibt es da die Überpeinlichkeit des abstrusen Vortrages, an der selbst Blödel-Schauspielerin Melissa McCarthy scheitert. Ausgerechnet eine der unerträglicheren Quasselstrippen der jüngeren Filmgeschichte hat Probleme mit „oral presentation", mit mündlichen Prüfungen. Und irgendwelche Kicher-Kicher-Assoziationen mit oral sind im Film dringend erwünscht.

Dazu gibt es Hausfrauen-Squash mit Bierflaschen in der Hand und Geständnisse über die privaten Namen ihrer Vaginas. Ein Verhältnis mit einem sehr jungen Kommilitonen, der Vergleiche zu Harry Potter in den Sex reinbringt! Und eine, exakt eine, ganz großartige Szene bei Deannas Erniedrigung vor Freunden im schicken Restaurant, als der Ex dort seine nächste Hochzeit ankündigt. Denn dabei stellt sich heraus, dass ihr junger Liebhaber als Sohn der Neuen vom Ex ist. Deren Entsetzen wird köstlich ausgespielt, ebenso die Schadenfreude von Deannas bester Freundin. Diese „alte" Freundin zeigt, was man mit einer Verlassenen, die lernt, richtig auf den Putz zu hauen und sich dabei wirklich selbst wiederentdeckt, hätte machen können. Wenn nicht ein College-Filmchen mit Partys und obligatorischem Drogentrip dazwischen gekommen wäre. So bleibt das Emotionale schal, die Witze sind lahm, aber vor allem das Drehbuch muss erbärmlich sein. Nicht mal die Klischees von Hausweibchen und Partygirl, nicht mal diese Abziehbilder wurden anständig ausgearbeitet.

Die Frau, die vorausgeht

USA 2017 (Woman walks ahead) Regie: Susanna White mit Jessica Chastain, Michael Greyeyes, Sam Rockwell, Ciarán Hinds 101 Min.

Der indianische Name „Woman walks ahead" (Frau, die vorausgeht) hat für die bemerkenswerte historische Figur der schweizerisch-amerikanischen Malerin Caroline Weldon gleich mehrere Bedeutungen: Sie war, einmal geschieden, eine vorausschreitende, fortschrittliche Frau, die dank Geld und Beziehungen ihren eigenen Willen durchsetzen konnte. Auch wenn der so verschroben war, den legendären Indianer-Häuptling Sitting Bull, den Custer-Vernichter der Schlacht am Little Bighorn von 1876, im Porträt festhalten zu wollen. Seine Namensgebung „Woman walks ahead" für Caroline Weldon zeigt den schön freien Geist, den Humor und die Offenheit einer besonderen Beziehung. Denn bei einer der ersten Begegnungen, welche die New Yorkerin immer in ihren Stiefelchen angeht, fragt der eher entspannte als stolze Häuptling, ob sie immer so schnell voraus renne. Für sein Ansehen wäre es besser, sie würde ein paar Schritte hinter ihm bleiben. Womit die emanzipierte Frau gar nicht einverstanden ist. Sie einigen sich auf ein Nebeneinander.

Zuerst fliegt das Bild vom Ex in den Fluss und dann macht sich die junge Witwe Caroline Weldon (großartig: Jessica Chastain) aus New York im Frühjahr in den nicht mehr ganz Wilden Westen auf. Sie bemerkte, dass es noch gar kein Porträt vom berühmten Sioux-Häuptling Sitting Bull gäbe und fühlt sich berufen, diese Lücke zu schließen. Die naiven Vorstellungen der „liberalen New Yorkerin" vom freien Leben in der Prärie, die Panorama-Blicke aus dem Luxuswagon werden bald rau korrigiert. Nach der brutalen Anmache eines Soldaten (Sam Rockwell) im Zug voller Männer wird sie nach der Ankunft wegen ihres Porträt-Vorhabens von einem Indianerhasser bespukt. Die brutale Unterdrückung der Ureinwohner und deren nicht zimperliche Gegenwehr haben eine Landschaft voller Abneigung und Misstrauen hinterlassen. Es ist noch nicht lange her, seit der letzte Widerstand niedergemetzelt wurde und die paar Überlebenden in elende Reservate gezwungen wurden. Und so schleift Caroline Weldon ihren Koffer allein über lange, staubige Wege ins nächste Dorf. Nicht ahnend, dass der Oberaufseher des Reservates (Ciarán Hinds) sie direkt zurückschicken wird.

Doch ein indianischer Lagerpolizist macht als Enkel von Sitting Bull den Doppelspion und bringt die inhaftierte Malerin statt zum Bahnhof zu einem unscheinbaren Mann (Michael Greyeyes), der gerade Kartoffeln einpflanzt. Den interessieren keine Kämpfe mehr, Carolines Stolz über die ach so lange Anreise relativiert er mit der Frage, ob sie denn auch einen eigenen Schlafwagen gehabt habe. Aber für 1000 Dollar lässt er sich malen und eine besondere Freundschaft nimmt ihren Anfang. Die anfängliche Begeisterung für „die Freiheit", begleitet von einer kräftigen Unkenntnis, wandelt sich zu einem aufrechten Interesse an den unterdrückten Menschen. Auch ihre Position als Malerin relativiert sich, als sie die von Sitting Bull auf Fell „naiv" gezeichneten Skizzen eines brutalen und schrecklichen Lebens sieht.

In langen, intensiven Gesprächen verstehen sich die früh emanzipierte Frau und der nun vor allem geistige Führer der wenigen überlebenden Stämme in Dakota. Frühe ökologische Ansätze, das Menschenbild, in dem Geben mehr wert ist, als das Haben, Reflektionen über zwei unterschiedliche Gesellschaften, tauchen dabei auf. Und nebenbei trockene Bemerkungen über die weißen Hügel, die nicht aus Schnee, sondern aus Büffelschädel der Massaker der Weißen bestehen. Derweil halbiert die Regierung die Rationen für die Indianer und will ihnen selbst das knappe Reservats-Land in einer Volksabstimmungs-Farce abnehmen. Caroline Weldon wird an der Seite des reaktivierten Sitting Bull zur Kämpferin für die Rechte der Ureinwohner.

„Die Frau, die vorausgeht" ist wie schon „Hostile" ein uneigentlicher Endzeit-Western in einem mit Hass und Rachegelüsten vermintem Land. Doch während in der Realität von Bayern bis Washington die politischen Cowboys nicht in den Sonnen–, sondern in den wahren Untergang reiten wollen, gibt es in diesen Filmen ein Prinzip Hoffnung: Die Frauen vermögen tatsächlich verbitterte Krieger zu befrieden. Wobei in diesem sehr sehenswerten Film der Regisseurin Susanna White die (nicht immer beachteten) historischen Fakten im Wege stehen: Sitting Bull wurde ausgerechnet bei seinem friedlichen Kampf nach den Regeln des Staates umgebracht und Caroline Weldon als Bürgerrechtlerin bald vergessen. Die restlichen Indianer des Reservates - 300 Männer, Frauen und Kinder - ermordeten Soldaten 1890 beim politisch erwünschten Massaker am Wounded Knee.