28.10.14

5 Zimmer Küche Sarg

Neuseeland 2014 („What we do in the shadows") Regie: Jemaine Clement, Taika Waititi mit Taika Waititi, Jemaine Clement, Jonathan Brugh, Ben Fransham, Cori Gonzalez-Macuer, Jackie van Beek 82 Min. FSK: ab 12

Alte Vampire haben schon alles gesehen ... und wir haben so ziemlich alles mit Vampiren gesehen. Allerdings gelingt den neuseeländischen Komikern Taika Waititi und Jemaine Clement mit „5 Zimmer Küche Sarg" („What we do in the shadows"), dass man sich totlacht, bevor die niedlich dämlichen Beißerchen einer Vampir-WG zuschnappen können.

In der neuseeländischen Hauptstadt Wellington hausen vier Vampire mit den noch älteren WG-Diskussionen zusammen: Nazi-Vampir Deacon (Jonathan Brugh) hat seit 5 Jahren das blutverschmierte Geschirr nicht mehr abgewaschen. Und auch sonst steht es angesichts blutverklebter Sofas nicht gut um die Reinlichkeit, dabei können die doch so hervorragend fliegend staubsaugen.

Da ist der naive Dandy Viago (Taika Waititi), ein Weichei mit deftigem Ösi-Dialekt in der deutschen Synchro. Der 8000 Jahre alte Petyr (Ben Fransham), ein echter Nosferatu, den schon lange gar nichts mehr interessiert. Und Vladislav (Jemaine Clement), der sadistische Folterer und einst mächtige Vampir, der immer noch unter der Pfählung durch seine Ex leidet. Alle leiden darunter vor dem Ausgehen so ganz ohne Spiegelbilder Probleme mit dem Anziehen zu haben. Was der üblichen Mode-Show-Montage mit Balkan-Beats und dem Motto „Tot aber unwiderstehlich" nichts von seiner umwerfenden Wirkung nimmt.

Wie „Only Lovers left alive" konfrontiert die Handlung alte Vampire mit dem modernen Leben ihrer frisch Gebissenen. Doch im Gegensatz zu Jarmuschs Meisterwerk, in dem alles von ernsthafter Schönheit durchtränkt ist, kommt diese neuseeländische Vampir-Parodie nur komisch daher. „5 Zimmer Küche Sarg" ist eine sympathisch unaufwändige Produktion mit herrlich schaurigen Ideen und Scherzen. Hier zeigt sich wieder, dass ein paar Gramm Gehirn, ins Drehbuch investiert, mehr bringt als zig Millionen für Pyrotechnik. Wenn die Gesichter der Vierer-WG in Goyas Radierungen und anderen alten Bildern, Fotos oder Filmen montiert über die Leinwand flackern, ist jeder Schuss ein Lacher. Selbst ein romantischer Abend, der zum Blutbad wird, weil Viago aus Versehen die Halsschlagader trifft, gerät hinreißend komisch.

Nur die Idee, alles im Stile von Reality-TV und „Blair Witch Project" zu inszenieren, bringt keine zusätzlichen Treffer. Diese Masche läuft sich tot, der Film-Spaß endet hingegen wieder sehr sympathisch mit einer WG-Utopie im Stile von „Zusammen". Wozu „Twilight" stundenlang klebriges Drama braucht, klappt hier mit ein paar Flaschen Bier: Die kaum versteckt homoerotisch angehauchte Verbrüderung von Vampiren und Werwölfen. Von dieser neuen, gemischten WG will man endlich mal eine Fortsetzung sehen. Oder ein Vampir-Remake des Willy Fritsch-Klassikers „Ich bei Tag und du bei Nacht", falls Jemaine Clement und Taika Waititi nun Blut geleckt haben.

5 Zimmer Küche Sarg

Neuseeland 2014 („What we do in the shadows") Regie: Jemaine Clement, Taika Waititi mit Taika Waititi, Jemaine Clement, Jonathan Brugh, Ben Fransham, Cori Gonzalez-Macuer, Jackie van Beek 82 Min. FSK: ab 12

Alte Vampire haben schon alles gesehen ... und wir haben so ziemlich alles mit Vampiren gesehen. Allerdings gelingt den neuseeländischen Komikern Taika Waititi und Jemaine Clement mit „5 Zimmer Küche Sarg" („What we do in the shadows"), dass man sich totlacht, bevor die niedlich dämlichen Beißerchen einer Vampir-WG zuschnappen können.

In der neuseeländischen Hauptstadt Wellington hausen vier Vampire mit den noch älteren WG-Diskussionen zusammen: Nazi-Vampir Deacon (Jonathan Brugh) hat seit 5 Jahren das blutverschmierte Geschirr nicht mehr abgewaschen. Und auch sonst steht es angesichts blutverklebter Sofas nicht gut um die Reinlichkeit, dabei können die doch so hervorragend fliegend staubsaugen.

Da ist der naive Dandy Viago (Taika Waititi), ein Weichei mit deftigem Ösi-Dialekt in der deutschen Synchro. Der 8000 Jahre alte Petyr (Ben Fransham), ein echter Nosferatu, den schon lange gar nichts mehr interessiert. Und Vladislav (Jemaine Clement), der sadistische Folterer und einst mächtige Vampir, der immer noch unter der Pfählung durch seine Ex leidet. Alle leiden darunter vor dem Ausgehen so ganz ohne Spiegelbilder Probleme mit dem Anziehen zu haben. Was der üblichen Mode-Show-Montage mit Balkan-Beats und dem Motto „Tot aber unwiderstehlich" nichts von seiner umwerfenden Wirkung nimmt.

Wie „Only Lovers left alive" konfrontiert die Handlung alte Vampire mit dem modernem Leben ihrer frisch gebissenen. Doch im Gegensatz zu Jarmuschs Meisterwerk, in dem alles von ernsthafter Schönheit durchtränkt ist, kommt diese neuseeländische Vampir-Parodie nur komisch daher. „5 Zimmer Küche Sarg" ist eine sympathisch unaufwändige Produktion mit herrlich schaurig Ideen und Scherzen. Hier zeigt sich wieder, dass ein paar Gramm Gehirn, ins Drehbuch investiert, mehr bringt als zig Millionen für Pyrotechnik. Wenn die Gesichter der Vierer-WG in Goyas Radierungen und anderen alten Bildern, Fotos oder Filmen montiert über die Leinwand flackern, ist jeder Schuss ein Lacher. Selbst ein romantischer Abend, der zum Blutbad wird, weil Viago aus Versehen die Halsschlagader trifft, gerät hinreißend komisch.

Nur die Idee, alles im Stile von Reality-TV und „Blair Witch Project" zu inszenieren, bringt keine zusätzlichen Treffer. Diese Masche läuft sich tot, der Film-Spaß endet hingegen wieder sehr sympathisch mit einer WG-Utopie im Stile von „Zusammen". Wozu „Twilight" stundenlang klebriges Drama braucht, klappt hier mit ein paar Flaschen Bier: Die kaum versteckt homoerotisch angehauchte Verbrüderung von Vampiren und Werwölfen. Von dieser neuen, gemischten WG will man endlich mal eine Fortsetzung sehen. Oder ein Vampir-Remake des Willy Fritsch-Klassikers „Ich bei Tag und du bei Nacht", falls Jemaine Clement und Taika Waititi nun Blut geleckt haben.

27.10.14

Pride (2014)

Großbritannien 2014 Regie: Matthew Warchus mit Bill Nighy, Andrew Scott, Dominic West, Joseph Gilgun, Paddy Considine, Imelda Staunton, Ben Schnetzer 120 Min. FSK: ab 6

Mit „Pride", also sehr stolz, zeigt diese begeisternde britische Sozial-Komödie eine unwahrscheinliche Verbrüderung zwischen streikenden Minenarbeitern in Wales und den von der gleichen Polizei niedergeknüppelten Schwulen und Lesben in London. Genauso wunderbar, solidarisch und komisch wie „Ganz oder Gar nicht", „Billy Elliot" oder „Brassed Off" ist „Pride" in seinem Themenreichtum sogar noch einen Tick gelungener.

Wer war eigentlich brutaler? Die Eiserne Lady Thatcher beim Zerschlagen des sozialen Systems oder ihre Polizei beim Verprügeln verzweifelter Arbeiter? Während 1984 die Minenarbeiter in fast ein Jahr lang streiken, kämpfen und hungern, erlebt in London der junge Joe (George MacKay) sein Coming Out als Schwuler aus bürgerlich und britisch verklemmten Hause. Obwohl er nur verhuscht am Rande einer Demo mitläuft und sich noch längst nicht richtig raus traut, kommt er schnell mit einer bunten und mitreißenden Truppe zusammen, die in einem kleinen Buchladen für die Rechte Homosexueller kämpft. Deren exzentrischer und lauter Anführer Mark (Ben Schnetzer) hat die clevere Marketing-Idee, für die ebenfalls unterdrückten Minenarbeiter zu sammeln. Doch „LGSM – Lesbians and Gays Support the Miners" ist erst einmal ein Flop, weil die offizielle, verknöcherte Gewerkschaft und auch sonst keiner die paar Pfund haben will. Bis eine ältere Dame im kleinen walisischen Ort Onllwyn ans Telefon geht und sich einfach freut. Nun kommt es erst mit dem Bergarbeiter-Abgesandten Dai (Paddy Considine) in London und dann mit einer ganzen Abordnung der Schwulen und Lesben in Wales zu einer höchst spannenden und amüsanten Begegnung der anderen Art. Einige der kantigen Waliser meinen, das erste Mal Schwule zu sehen. Und die zum ersten Mal einen Bergarbeiter...

Doch am Ziel einer ersten Busreise mit Priscilla-Touch ereignet sich nach anfänglichem Zögern eine erstaunliche Völkerverständigung: Die Londoner Nachhilfe in Sachen Bürgerrechte bringt ein paar der Bergbau-Jungs aus dem Knast. Eine aufgedonnerte Tunte begeistert als wilder Tänzer zuerst die Frauen und entsetzt Männer, die nie tanzen. Doch die cleveren unter ihnen buchen sofort Tanzstunden, selbst die letzten Homophoben. Es entwickelt sich einfach gezeigte, unpathetische Solidarität und spätestens bei einem walisischen Volkslied große Rührung. So richtig in Schwung kommt die Sache, als die alten Damen aus dem Dorf Londons Schwulen-Clubs unsicher machen. Doch genau in dieser Szene meldet sich bei Mark ein alter Liebhaber mit Aids.

Wie „Pride" Spaß und wütend macht, wie man mittanzen und kämpfen möchte gegen die Ausbeutung der Arbeiter, ist großartig. Ein perfekter Wohlfühlfilm, ein tolles Vergnügen. Mit der Stimmung und der Lebenslust Anfang der 80er kurz vor dem Bekanntwerden von Aids, mit Liedern von The Smith oder Frankie goes to Hollywoods „Two Tribes". Dazu haufenweise spannende Menschen mit ganz besonderen Geschichten und persönlichen Kämpfen. Ein besonderer Knaller ist Bill Nighy als grandios verklemmter Poet des Ortes. Doch gerade wo bei vielen ähnlichen Filmen für das Wohlfühlen Abstriche und Vereinfachungen gemacht werden, trumpft dieser besondere gelungene Herzensfilm noch einmal auf: Ein Coming Out, ein echter Arbeitskampf, Offenheit für Menschen in anderen Lebenswelten, Aids... All die vielen Themen und Figuren sind differenziert und wachsen einem ans Herz. Sie greifen ineinander wie die Hände auf dem Banner der Minenarbeiter von Onllwyn. Das vielleicht schönste an all diesen kleinen und großen Geschichten ist die Tatsache, dass alles zumindest so ähnlich passiert ist, wie der Abspann aufklärt. Als politische Folge dieser großartigen Solidarität wurden ein paar Jahre später die Rechte der Schwulen und Lesben in die Satzung der Labour Partei aufgenommen. Da kann man nur noch solidarisch ins Kino gehen.

Pride (2014)

Großbritannien 2014 Regie: Matthew Warchus mit Bill Nighy, Andrew Scott, Dominic West, Joseph Gilgun, Paddy Considine, Imelda Staunton, Ben Schnetzer 120 Min. FSK: ab 6

Mit „Pride", also sehr stolz, zeigt diese begeisternde britische Sozial-Komödie eine unwahrscheinliche Verbrüderung zwischen streikenden Minenarbeitern in Wales und den von der gleichen Polizei niedergeknüppelten Schwulen und Lesben in London. Genauso wunderbar, solidarisch und komisch wie „Ganz oder Gar nicht", „Billy Elliot" oder „Brassed Off" ist „Pride" in seinem Themenreichtum sogar noch einen Tick gelungener.

Wer war eigentlich brutaler? Die Eiserne Lady Thatcher beim Zerschlagen des sozialen Systems oder ihre Polizei beim Verprügeln verzweifelter Arbeiter? Während 1984 die Minenarbeiter in fast ein Jahr lang streiken, kämpfen und hungern, erlebt in London der junge Joe (George MacKay) sein Coming Out als Schwuler aus bürgerlich und britisch verklemmten Hause. Obwohl er nur verhuscht am Rande einer Demo mitläuft und sich noch längst nicht richtig raus traut, kommt er schnell mit einer bunten und mitreißenden Truppe zusammen, die in einem kleinen Buchladen für die Rechte Homosexueller kämpft. Deren exzentrischer und lauter Anführer Mark (Ben Schnetzer) hat die clevere Marketing-Idee, für die ebenfalls unterdrückten Minenarbeiter zu sammeln. Doch „LGSM – Lesbians and Gays Support the Miners" ist erst einmal ein Flop, weil die offizielle, verknöcherte Gewerkschaft und auch sonst keiner die paar Pfund haben will. Bis eine ältere Dame im kleinen walisischen Ort Onllwyn ans Telefon geht und sich einfach freut. Nun kommt es erst mit dem Bergarbeiter-Abgesandten Dai (Paddy Considine) in London und dann mit einer ganzen Abordnung der Schwulen und Lesben in Wales zu einer höchst spannenden und amüsanten Begegnung der anderen Art. Einige der kantigen Waliser meinen, das erste Mal Schwule zu sehen. Und die zum ersten Mal einen Bergarbeiter...

Doch am Ziel einer ersten Busreise mit Priscilla-Touch ereignet sich nach anfänglichem Zögern eine erstaunliche Völkerverständigung: Die Londoner Nachhilfe in Sachen Bürgerrechte bringt ein paar der Bergbau-Jungs aus dem Knast. Eine aufgedonnerte Tunte begeistert als wilder Tänzer zuerst die Frauen und entsetzt Männer, die nie tanzen. Doch die cleveren unter ihnen buchen sofort Tanzstunden, selbst die letzten Homophoben. Es entwickelt sich einfach gezeigte, unpathetische Solidarität und spätestens bei einem walisischen Volkslied große Rührung. So richtig in Schwung kommt die Sache, als die alten Damen aus dem Dorf Londons Schwulen-Clubs unsicher machen. Doch genau in dieser Szene meldet sich bei Mark ein alter Liebhaber mit Aids.

Wie „Pride" Spaß und wütend macht, wie man mittanzen und kämpfen möchte gegen die Ausbeutung der Arbeiter, ist großartig. Ein perfekter Wohlfühlfilm, ein tolles Vergnügen. Mit der Stimmung und der Lebenslust Anfang der 80er kurz vor dem Bekanntwerden von Aids, mit Liedern von The Smith oder Frankie goes to Hollywoods „Two Tribes". Dazu haufenweise spannende Menschen mit ganz besonderen Geschichten und persönlichen Kämpfen. Ein besonderer Knaller ist Bill Nighy als grandios verklemmter Poet des Ortes. Doch gerade wo bei vielen ähnlichen Filmen für das Wohlfühlen Abstriche und Vereinfachungen gemacht werden, trumpft dieser besondere gelungene Herzensfilm noch einmal auf: Ein Coming Out, ein echter Arbeitskampf, Offenheit für Menschen in anderen Lebenswelten, Aids... All die vielen Themen und Figuren sind differenziert und wachsen einem ans Herz. Sie greifen ineinander wie die Hände auf dem Banner der Minenarbeiter von Onllwyn. Das vielleicht schönste an all diesen kleinen und großen Geschichten ist die Tatsache, das alles zumindest so ähnlich passiert ist, wie der Abspann aufklärt. Als politische Folge dieser großartigen Solidarität wurden ein paar Jahre später die Rechte der Schwulen und Lesben in die Satzung der Labour Partei aufgenommen. Da kann man nur noch solidarisch ins Kino gehen.

Pioneer

Norwegen, BRD, Schweden, Frankreich, Finnland 2013 Regie: Erik Skjoldbjaerg mit Aksel Hennie, Stephanie Sigman, Dahl Torp, Jørgen Langhelle, André Eriksen, Wes Bentley, Stephen Lang 107 Min. FSK: ab 12

Norwegen ist mit seinen Öl-Funden eines der reichsten Länder der Welt geworden. Aber liegen am Grunde dieses Reichtums vielleicht Leichen vergraben? „Pioneer", diese sensationelle spannende und ästhetisch faszinierende Film-Überraschung aus Norwegen mit der luftigen Musik von „Air", entstand nach einer wahren Geschichte, bei der die echten Tauch-Pioniere zwar ihr Gerichtsverfahren um Schadensersatz gegen den norwegischen Staat verloren, aber 2011 vor den europäischen Gerichtshof in Straßburg zogen. Ein endgültiges Urteil steht noch aus.

Anfang der 1970er-Jahre versucht Norwegen seine riesigen Ölvorräte in der Nordsee zu erschließen. Doch dazu müssen Taucher in bisher nicht praktikablen Tiefen Pipelines zusammenschweißen. Petter (Aksel Hennie) und sein Bruder Knut (André Eriksen) gehören zu den Pionieren, die norwegische Politiker und Industrielle gerne als erste hunderte Meter unter dem Meeresspiegel sehen wollen. In Druckkammer-Tests haben sie zwar schon mal Halluzinationen, doch sie bekommen den Vorzug vor den Amerikanern, die auch im Team sind und das Projekt technisch leiten. Aber der erste richtige Tauchgang endet katastrophal, Knut stirbt. In der zweiwöchigen Dekompression danach baut sich noch ein ganz anderer Druck in der Kammer aus. Petter, ein jähzorniger, sturer Kerl will die Schuldfrage klären, weiß aber selbst nicht, was eigentlich geschehen ist. Während er mehr und mehr Blackouts hat, entwickelt sich die Suche nach den Ursachen immer mehr zum Psycho- und Polit-Thriller. Jorgen, der Dritte im Team, bekommt epileptische Anfälle und verschwindet nach Spanien. In Petters Boot wird eingebrochen und ein amerikanischer Kollege rammt sein Auto. Wird der dickköpfige Einzelgänger völlig wahnsinnig oder ist er einer großen Verschwörung und der Geschichte einer schmutzigen Industrie-Spionage auf der Spur?

„Pioneer" erzählt von Spionage, Betrug und Verbrechen am Grunde der ersten Tiefseebohrungen Norwegens. Mit einer ganz eigenen Ästhetik steht der Thriller in der Tradition us-amerikanischer Aufdeckungs-Krimis. Man kann sich dabei auch nüchtern überlegen, ob man vielleicht tatsächlich über Leichen gehen muss, wenn man keine Öl-Kolonie der USA werden will. Doch vor allem baut „Pioneer" mit Hochdruck und mit klaustrophobischen Tauchaufnahmen brillant Hochspannung auf. Packend sind auch die spannenden Auflösung und Perspektiven des Films, seine sehr eindrucksvolle Ästhetik unter und über Wasser (Kamera: Jallo Faber). In seinen dunklen Stimmungen erinnert er immer mal wieder an das isländisch-norwegische Meisterwerk „The Deep" von Baltasar Kormákur, in dem ein Fischer stundenlang im eiskalten Meer umhertreibt. Diesmal vermischt sich das Poetische im Wasserspiel der Lichtbrechungen mit knallharten politischen Fakten zu einem immer wieder poetischen Polit-Thriller. Viel Tiefgang - in jeder Art - hat auch „Pioneer" bis zum Hochdruck-Finale als Kammerspiel, mit ganz eigener, neuer Bedeutung des Wortes.

Sex on the Beach 2

Großbritannien 2014 (The Inbetweeners 2) Regie: Damon Beesley, Iain Morris mit Simon Bird, James Buckley, Blake Harrison, Joe Thomas 97 Min. FSK: ab 12

Unbeschreiblich eigentlich dieser vor allem unflätige Teenie-Humor „Sex on the Beach 2" für kleine Jungs, die vom Sex träumen, aber es scheinbar auch ganz toll finden, sich den Durchfall des Freundes ins Gesicht zu schleudern. Die vier Vollidioten des Films verhalten sich dementsprechend wie Zehnjährige in unglücklichen, weil unbefriedigten Körpern von Zwanzigjährigen. Dass die britischen Hanswurste Will McKenzie (Simon Bird), Neil Sutherland (Blake Harrison) und Simon Cooper (Joe Thomas) bei ihrem „Freund" Jay Cartwright (James Buckley) in Australien landen, lässt sie nur noch blöder aussehen. Jay schwärmte per Postkarte vom DJ-Job im Top-Club und von willigen Mädels in seinem Luxus-Loft. Tatsächlich arbeitet er auf dem Club-Klo und zeltet im Vorgarten des groben Onkels, der den Jammerlappen Jay konstant verarscht. Die vier Idioten sind in Paradies der Coolen hinter irgendwelchen Mädels her, aber entscheidend in der Abfolge von ziemlich unglaublichen Peinlichkeiten ist die Menge an Fäkalien, ist dass Verdursten im Outback nur ein Grund ist, sich gegenseitig in den Mund zu pinkeln und so weiter. Das Variieren besonders blöder, aber keineswegs komischer Gesichter wird schauspielerisch gerade so gemeistert.

Besonders schockierend allerdings, wie viel Geld offensichtlich für diesen Mist aufgewandt wurde, nachdem der erste Film „Sex on the Beach" auf Basis einer britische Sitcom überraschend ein Erfolg wurde. Scheinbar gehören solche Filme entwicklungsgeschichtlich in die Kinobiografie jedes jungen Pickelausbrüters und sind deshalb ein lukratives Marktsegment. Doch war der zugegeben ebenso dämliche „Eis am Stil" Ende der Siebziger aus so schlimm? Kann „mann" sich seiner Sexualität nur über Zotiges und anale Ausscheidungen nähern? Obwohl - das ist das besonders Perfide an diesem verklemmten Filmchen - „Sex on the Beach 2" letztlich ja so überhaupt nichts mit Sexualität zu tun hat und somit das Versprechen nach Kauf der Kinokarte nicht einlöst.

26.10.14

Zwei Tage, eine Nacht

Belgien, Frankreich, Italien 2014 (Deux jours, une nuit) Regie: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne mit Marion Cotillard, Fabrizio Rongione, Pili Groyne, Simon Caudry 95 Min. FSK: ab 6

Im Stile eines neuen Neo-Realismus folgt „Zwei Tage, eine Nacht" der Arbeiterin Sandra (Marion Cotillard), die von ihrer Entlassung bei einem Solarpanel-Unternehmen erfährt: Die Kollegen hatten die Wahl zwischen einem Bonus von 1000 Euro und dem Erhalt der Stelle von Sandra. Dank einer engagierten Kollegin soll die Wahl am Montag jedoch wiederholt werden. Diesmal geheim. Sandra, die Frau, die sich gerade von einer schweren Depression erholt hat, die mit zwei Kindern und dem Mann Luc endlich nicht mehr in einer Sozialwohnung lebt, hat zwei Tage und eine Nacht Zeit, die Mehrheit der 16 Kollegen zu bitten, für ihren Verbleib im Unternehmen zu stimmen.

Die Odyssee durch Vororte von Lüttich dekliniert in immer wieder bewegenden Begegnungen, was Solidarität heutzutage wert ist. Ein Paar mit viel Zeit und Freizeit will mit dem Bonus eine Terrasse vor ihrem neuen Haus hoch über der Maas bauen. Im Gegensatz zu dieser nüchternen Demonstration von Überfluss, die später demontiert wird, bricht ein Jugend-Trainer beim Fußball direkt in Tränen aus, so sehr drückte ihn das schlechte Gewissen. Einige haben einen zweiten Job, um über die Runden zu kommen, andere einen flotten Sportwagen, der viel verbraucht. Am erstaunlichsten ist jedoch die Haltung Sandras, die immer mehr Pillen gegen ihre Panik und Heulanfälle schlucken muss: Ohne Wut, freundlich und demütig tritt sie auf die Kollegen zu, die ihr Schicksal in der Hand haben. Sandra bittet mit einer Demut, die an religiöse „Superhelden" erinnert - da wird nicht getrickst und manipuliert.

Genau so ehrlich und gradlinig wie die Dardennes ihre Filme in den Vierteln der wallonischen Krisenstadt Lüttich drehen, die sie seit Jahren kennen. Mit den Menschen, die dort leben. (Und mit mittlerweile berühmten Schauspieler aus früheren Filmen wie Olivier Gourmet als Vorarbeiter und Jérémie Renier als Boss.) Die für ihre zwei Goldene Palmen („Rosetta", „Das Kind") gefeierten Filmemacher vermeiden mit ihrem ehrlichen, authentischen Stil jede Grobheit, jede dramaturgische Falle, die mit Effektivität lockt, aber Glaubwürdigkeit reduzierte. Selbst der Star, Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard („Der Geschmack von Rost und Knochen", „La vie en rose"), den sie sich leisten, verkörpert mit ihrer berührenden Rolle das Herz vom filmischen Schaffen der Dardennes. Ihre Sandra ist vom ersten Augenblick frei von allem Star-Image. Schon im Schlaf zeigen die dunklen Augen einen Menschen, der fix und fertig ist. Noch bevor sie von der Entlassung erfährt. Doch das kluge Meisterwerk schafft es, seinen Figuren Würde, Anstand und Stolz zu geben, ohne zum Filmmärchen abzurutschen. Zwar gab es in Cannes 2014 nicht die dritte Goldene Palme für diese ergreifende Suche nach Solidaritäts, doch mit den „working class heroes" des Films können sie sagen: „Wir haben gut gekämpft!"

Das Salz der Erde (2014)

Frankreich, Italien, Brasilien 2014 (The Salt of the Earth) Regie: Wim Wenders, Juliano Ribeiro Salgado 110 Min.

Der aus Brasilien stammende, 70-jährige Fotograf Sebastião Salgado hat in den vergangenen Jahrzehnten auf allen Kontinenten im Geiste der sozialdokumentarischen Fotografie Vertreibung, Krieg, Hunger und Leid festgehalten. In großartigen Fotos und Bänden wie „Workers – Arbeiter. Zur Archäologie des Industriezeitalters", „Migranten" oder „Afrika". Als er an dem Gesehenen seelisch erkrankte, suchte er bewusst für seinen letzten Band „Genesis" das Schöne dieser Erde auf.

Durch die Hölle ins Paradies führt auch „Das Salz der Erde", die Lebensgeschichte dieses berühmten Fotografen. Sein Sohn Juliano Ribeiro Salgado begleitete ihn mit der Filmkamera rund um die Welt bei der Erstellung einiger seiner eindrucksvollen Bildbände. Später kam Wim Wenders als Ko-Regisseur hinzu und es entstand ein berauschender und bewegender Film: Wie der brasilianische Bildkünstler in seinen Fotografien die Flüchtlingsströme von Ruanda, der Verhungernden der Sahel-Zone oder die zigtausenden Arbeiter in einer brasilianischen Goldmine wiedergibt, ist atemberaubend, tief berührend und erschütternd. Große Fotokunst. „Das Salz der Erde" besteht über lange Strecken aus Schwarzweiß-Fotos, deren Entstehen Sebastião Salgado in Gesprächen mit - einem zu deutlich in Bild und Ton anwesenden - Wim Wenders selbst kommentiert. Sebastião Salgado fügt so den an sich schon enorm aussagekräftigen Fotos die Geschichte hinter dem Bild hinzu. Und er kann erzählen! Seine sanfte Stimme scheint noch mit allen durchlebten Erschütterungen zu schwingen.

So kämpft man angesichts von Unmenschlichkeiten, die nicht auf Naturkatastrophen sondern nur auf ungerechte Verteilung zurückzuführen sind, angesichts des Ausmaßes von Massakern denen Hunderttausende zum Opfer fielen, immer wieder mit den Tränen. Bis zum paradiesischen Ende, denn „Das Salz der Erde" ist auch die wundersame Wendung im Leben des Fotografen, den krank machte, was er sah und festhielt: Auf der Farm seiner Familie in Brasilien begannt er mit seiner Frau riesige Flächen vernichteten Regenwaldes mit Millionen von handgepflanzten Setzlingen wieder aufzuforsten. In Reflektion zu seinem letzten Bildband „Genesis", der unversehrte Schönheit der Erde zeigt, ein kleines Paradies. Wir erleben die „Freundschaft" Salgados mit Gorillas und einem Wal.

Salgado wurde 1944 in Aimorés, im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais, geboren. In São Paulo studierte er Wirtschaftswissenschaft und lernte seine Frau, die Pianistin Lélia Deluiz Wanick kennen. Wegen der Militärdiktatur floh das sozial engagierte Paar 1969 nach Paris. In den 70ern begann er zu fotografieren und wurde nach einigen Reportagereisen 1979 in die angesehene Agentur Magnum Photos aufgenommen. Er war 1981 zufällig beim Attentat auf den US-Präsidenten Ronald Reagan anwesend, die Fotos davon finanzierten weitere Projekte. Salgado reiste jahrelang durch die Welt, seine Frau und die beiden Kinder blieben in Paris. Sie hat dabei alle Fotobände mit gestaltet und herausgegeben. Der Film zeigt das Paar am Ende wieder in Brasilien, auf der mit Regenwald rekultivierten Fazenda, der Rinderfarm des Vaters.

Der Regisseur und Fotograf Wenders outet sich in und mit „Das Salz der Erde" als großer Verehrer von Salgado. Und auch wenn der Düsseldorfer als Erzähler und als Person selbst etwas zu präsent im Film ist, führt das eigene Wissen ums die Kunst der Fotografie zu einigen reizvollen Pointen in der Gesamt-Wucht dieses ganz großen Films. So ist die filmische Biografie ist nach der sensationellen 3D-Tanzdoku „Pina" wieder so ein Monolith von Wim Wenders in der Dokumentations-Landschaft.

21.10.14

Denk wie ein Mann 2

USA 2014 (Think like a Man too) Regie: Tim Story mit Michael Ealy, Jerry Ferrara, Meagan Good, Regina Hall 106 Min. FSK: ab 12

Wenn aus einem Sex-Ratgeber, Steve Harveys Buch „Act Like a Lady, Think Like a Man", eine derart lahme Hochzeits-Komödie werden kann, wirft das ein schlechtes Licht auf den Ratgeber. Der Flachwitz mit typisch us-amerikanisch dauer-gebremster Anzüglichkeit geht sogar in die zweite unnötige Runde. Diesmal treffen sich alle Paare des ersten Komödien-Trauerspiels anlässlich einer Hochzeitsfeier in Las Vegas wieder. Die Junggesellen- und Braut-Abschiede werden selbstverständlich entgleisen, dazu kommt die Hälfte der Truppe ja auch sexuell frustriert an. Als inhaltliches Feigenblatt zu dem üblichen Schwachsinn gibt es ein paar Beziehungsprobleme. Zwar ist das alles nicht komisch, wird aber unerträglich durch die andauernden Kommentare von Kevin Hart in der Rolle des Pausenclowns Cedric. Der verrechnet sich etwas beim Preis seiner Suite und muss statt 4.000 nun 40.000 pro Nacht blechen. Die Differenz ist selbstverständlich nicht im Casino zu verdienen, deshalb tanzen die Jungs leichtbekleidet als YMCA-Verschnitt in einem Strip-Club.

Zoten, Schwiegermutter-Scherze, aufgesetzter, geschmackloser Luxus, Besäufnisse, Stripshow, Dialoge noch flacher als die Witze. Mehr Positives ist nicht zu sagen, um diese filmische Platzverschwendung anzupreisen.

Die Boxtrolls

USA 2014 Regie: Graham Annable, Anthony Stacchi 97 Min. FSK: ab 6

Sie sind liebenswerte, tollpatschige Kerlchen, diese Boxtrolls. Kleine Erfinder und Bastler, die in einer traumhaft mechanisierten Stadt unter der Erde hausen. Sie leben von Käfern und Würmern, haben ein Faible für Musik, am besten mechanisch vorgetragen. Auch um ein Menschenkind kümmern sie sich liebevoll, stecken es in eine der Papp-Boxen die sie alle tragen, denn niemand läuft bei ihnen nackt herum. Obwohl sie nächtens in der Menschen-Stadt nur Altmetall aus den Abfällen klauben, stellt ihnen dort ein finsterer Jäger nach und dezimiert den kantig kuscheligen Schlafstapel der Boxtrolle merklich.

Denn die Menschen in dem historischen Städtchen Cheesebridge vermuten ganz schreckliche Monster hinter den nächtlichen Besuchern, die an ihr Wertvollstes wollen: An ihren Käse. Deshalb jagt Archibald Snatcher im Auftrag des Bürgermeisters die Boxtrolle. Als Fisch von Snatcher und seinen Gesellen weggeschnappt wird, sucht der als Mensch verkleidete Boxtroll-Zögling Eggs, der eigentlich als Boxtroll verkleideter Mensch ist, seinen Pflege-Vater. Ganz wider die vermeintliche Natur der Kisten-Kerlchen, die sich immer nur verstecken und weglaufen. In seinem Abenteuer, das Unten und Oben sowie Gut und Böse durcheinander wirbeln wird, bekommt Eggs Unterstützung von Winnie, der Tochter des besonders gierigen Stadt-Oberen Lord Portley-Rind. Die kleine, herrische, aber vor allem neugierige Prinzessin hat besonders makabre Fantasien und das Herz am rechten Fleck.

Es ist ein herrliches Vergnügen, diesen fein ge- und verzeichneten Figuren in dem fantastisch alten Städtchen zuzuschauen. Nach der Neil-Gaiman-Adaption „Coraline" und dem Zombie-Außenseiterfilm „ParaNorman" zaubern die Regisseure Graham Annable und Anthony Stacchi nun mit einer Mischung aus Puppentrick, CGI und Zeichentrick, mit etwas Retro-Punk und vor allem etwas Dunklem im Stile von Tim Burton.

Dabei wirken die Boxtrolls wie gräuliche Verwandte der Minions aus „Ich einfach unverbesserlich". Archibald Snatcher sieht aus wie ein besonders hässlicher Timothy Spall, wird aber im Original gesprochen von Ben Kingsley. „Boxtrolls", sehr frei nach dem Roman „Here Be Monsters!" von Alan Snow, traut sich und den Kindern mehr zu als all der niedliche Animations- und Kinderfilmkram, der den Kleinen üblicherweise vorgesetzt wird. Sie lernen eine Menge über die Propaganda, die angewandt wird, um Außenseiter auszugrenzen, und haben vor allem viel anarchischen Spaß.

Am Sonntag bist du tot

Irland 2014 (Calvary) Regie: John Michael McDonagh mit Brendan Gleeson, Chris O'Dowd, Kelly Reilly, Aidan Gillen, Dylan Moran, Isaach de Bankolé, M. Emmet Walsh 105 Min. FSK: ab 16

„Ich habe mit sieben das erste Mal Samen geschmeckt. Ich wurde von einem Priester fünf Jahre lang vergewaltigt." Was für eine Eröffnung im doppelten Sinne erleben der Film und der Priester James Lavelle (Brendan Gleeson) im Beichtstuhl. Doch die erste Szene vom berührenden, schockierenden und unglaublich menschlichen „Am Sonntag bist du tot", die nur den irischen Priester Lavelle zeigt, ist erst der Auftakt. Denn die Chronik eines angekündigten Mordes beginnt mit erstaunlicher Logik. Der Unbekannte im Beichtstuhl will sich am Unschuldigen rächen: „Einen guten Priester töten, das wäre ein Schock, ich werde dich töten, weil du unschuldig bist. Du hast Zeit bis Sonntag, deine Sachen zu regeln."

Von nun an verrinnen die anscheinend letzten sieben Tage für Father Lavelle erstaunlich ruhig. Er macht keine Anstalten, den zukünftigen Mörder, den er meint erkannt zu haben, umzustimmen oder anzuzeigen. Der sichtlich in seinem stattlichen Körper ruhende Priester besucht die Menschen seiner Gemeinde und wird von seiner Tochter Fiona (Kelly Reilly) besucht, die gerade versucht hatte, sich umzubringen. Dabei zeigt sich in dieser letzten Woche eine erschreckend hässliche und zynische Menschheit vor den malerischen Kulissen irischer Landschaft. Jemand verprügelte seine untreue Frau, ein sehr wortgewandt unflätiger Pathologe ist vor allem an der frischen Witwe eines gerade eingelieferten Unfallopfers interessiert. Ein extrovertierter und hipp ordinärer schwuler Stricher preist seinen Sex mit Bischöfen. Ein neureiches Börsen-Ekel übertrifft allen anderen sogar noch. Der alte Schriftsteller, dessen ruppige Fassade schnell aufbricht, will eine Pistole für sein Lebensende.

Father Lavelle ein offener, kluger und vorurteilsfreier Mann mit großer Menschenkenntnis erduldet all diese widerlichen, filmisch schillernd dargestellten Auswüchse der Menschheit mit großer Geduld und tiefem Glauben. Er bleibt regungslos hinter dem dichten Vollbart, doch seine wachen Augen erzählen viel. Selbst als seine Kirche abgefackelt wird, verliert er nicht die Fassung. Erst als man seinem Hund Bruno die Kehle durchschneidet.

„Am Sonntag bist du tot", dessen Originaltitel Calvary auf den Kalvarienberg der Kreuzigung Jesu verweist, fängt mit der schockenden Erkenntnis an, mit der die kroatische Schein-Komödie „Gott verhüte" einen zurückließ: Das allgemeines Bewusstsein der sexuellen Übergriffe von Priestern in unfassbarem Ausmaße, hier speziell in der irischen Kirche. Doch das Erstaunliche an dem zutiefst eindrucksvollen - nach „The Guard – Ein Ire sieht schwarz" - zweiten Film von Regisseur und Autor John Michael McDonagh, ist dass er das halt Unfassbare gar nicht erst versucht, explizit zu zeigen, und es nur kurz und äußerst prägnant erwähnt. Trotzdem ist der ganze Film mit fast jeder seiner zynischen oder leidenden Figuren ein Aufschrei, ein Flehen um Freundlichkeit, Mitgefühl und letztlich um - das für Lavelle entscheidende - Vergebung.

Ein langer Abschied und die im besten Sinne moralische Bestandsaufnahme einer Gemeinde, die für das ganze Land oder die ganze westliche Gesellschaft steht. All die eindringlichen Begegnungen Lavelles mit seinen klugen Überlegungen sind eingebettet in erlesenste Einstellungen und Bildkompositionen. Jeder der Nebendarsteller könnte locker eine Hauptrolle tragen. Ein Werk, noch gewaltiger als sein Hauptdarsteller Brendan Gleeson, der im vollen Ernst einen seiner eindrucksvollsten Filme auf die Leinwand bringt.

Hin und weg

BRD 2014 Regie: Christian Zübert mit Florian David Fitz, Julia Koschitz, Jürgen Vogel, Miriam Stein, Volker Bruch, Victoria Mayer, Johannes Allmayer, Hannelore Elsner 95 Min.

Die alljährliche Fahrradtour von sechs Freunden soll sie diesmal ins belgische Seebad Ostende führen. Was die Freunde nicht wissen, Hannes wählte das Ziel, weil er todkrank ist und dort sein Leben beenden will. „Hin und Weg", der mit Leichtigkeit daherkommende Film von Regisseur Christian Zübert („Lammbock", „Dreiviertelmond"), setzt nicht auf Rührung und problematisiert auch nicht zentral die Sterbehilfe, sondern feiert den Wert der Freundschaft. Bei seiner Weltpremiere in Locarno rührte der Film Tausende auf der vollbesetzten Piazza Grande.

Jedes Jahr machen sechs Freunde zusammen eine Fahrradtour. Dieses Jahr will Hannes (Florian David Fitz) nach Belgien. Der wahre Grund ist kein touristischer: Der 36-jährige Hannes leidet an Amyotrophe Lateralsklerose (Abkürzung: ALS), einer erblichen, für ihn unheilbaren Krankheit. Beim Vater erlebte er dessen quälendes letztes Jahr und will seinen Tod nun selbst bestimmen - in Ostende per bereits arrangierter Sterbehilfe. Denn seit kurzen geht es rapide bergab: Auf dem Hometrainer schafft er nur noch 13 Kilometer statt früher 25.

Allein Hannes' Frau Kiki (Julia Koschitz) ist eingeweiht und erst als der Zwischenstopp bei der Mutter (Hannelore Elsner) die Tränen hochkommen lässt, kommt das eigentliche Ziel heraus. Vor allem Finn (Volker Bruch), der jüngere Bruder von Hannes, der das Krankheits-Gen nicht erbte, ist entsetzt. Doch nach ersten Protesten entscheiden sich alle, den Weg nach Ostende gemeinsam zu gehen.

Zu diesen Touren gehört auch, dass jeder von einem anderen der Freunde eine geheime Aufgabe erhält, die während der Reise erfüllt werden muss. Wenn der veritable Casanova Michael (Jürgen Vogel) sich mit Perücke und Glitzer-Fummel als Frau verkleiden muss, erweitert das sein geringes Mitgefühl mit dem anderen Geschlecht. Nur schade, dass ausgerechnet die Quasselstrippe Sabine (Miriam Stein), die spontan mitfährt und an der er hängt, ihn so stehen lässt, wie er es selbst immer machte. Ein sexuell frustriertes Pärchen aus starker Frau Mareike (Victoria Mayer) und Hampelmann Dominik (Johannes Allmayer), der nur „Mausi" und Ja sagen kann, bekommt durch einen Gruppensex-Auftrag die festgefahrene Ehe durcheinander gewirbelt. Vor allem der Abschied von Kiki (Julia Koschitz) ist sehr emotional. „Du machst einen Termin in Belgien, pumpst dein Fahrrad auf und fertig."

„Hin und Weg" ist eine Tragikomödie, die Rührseligkeit und auch Redseligkeit vermeidet. Oder wie es Hannes selber sagt: „Ich will nicht quatschen, deshalb fahre ich!" Bei einem derart schwierigen Thema kann man schnell einen falschen Ton treffen. Doch Regisseur Christian Zübert vermied zu viel Pathos, genau wie schon die ostbelgische Autorin Ariane Schröder in ihrem Drehbuch. Die Abschiedstour lässt die kleinen Probleme der anderen zurücktreten, wichtiger als die Diskussion der Sterbehilfe (wie im hervorragenden „Und morgen Mittag bin ich tot") oder der um Hannes' Entscheidung wird die außergewöhnliche Freundschaft. Beim gemeinsamen Regenfrühstuck im Zelt oder wilder Schlammschlacht in Heidelandschaft ist die Gemeinschaft lebendig im Bild. Auch wie schließlich alle eng zusammengerückt in einem Auto sitzen, gibt die Gefühle in gelungener Aufnahme wider.

So gelingt „Hin und Weg" der Umgang mit einem sensiblen Thema vor allem auch als Ensemble-Film mit guten, eindringlichen Figuren. Stark zur Stimmung von Abschied und Freundschaft tragen die für den Film geschriebenen Songs von unter anderem den Beatsteaks, Passenger, Boy und Joyce Jonathan bei, die der Film als eigens für die Radtour komponiertes Mix-Tape vorstellt. Auch hier ein gelungenes Zusammenspiel für einen anrührenden aber nicht von Leid überfrachteten Film zur letzten Lebens-Etappe.

15.10.14

The Cut

BRD, Frankreich, Polen, Türkei, Kanada, Russland, Italien 2014 Regie: Fatih Akin mit Tahar Rahim, Simon Abkarian, Makram J. Khoury, Kevork Malikyan, Bartu Küçükçaglayan, Trine Dyrholm 139 Min. FSK: ab 12

Fatih Akins neuer Film, der dritte Teil seiner weit gespannten Trilogie um „Liebe, Tod und Teufel" beginnt im Grauen des türkischen Völkermordes an den Armeniern in den Jahren 1915, 1916 und läuft in einer Odyssee zu den in alle Welt verstreuten Überlebenden als starkes Road Movie aus. Dass die jahrelange Suche des armenischen Dorfschmiedes Nazaret Manoogian (Tahar Rahim, der Hauptdarsteller von „Ein Prophet") aus Mardin im untergehenden Osmanischen Reich nach seinen Zwillingstöchtern auch ein Panoptikum ganz aktueller Flucht, Verfolgung und Entwurzelung ist, zeigt die thematische Weite, die in den großen Landschaften einer verzweifelten Reise steckt.

1915 herrscht auch im Osmanischen Reich, das sich mit Deutschland und Österreich verbündet hat, Krieg. Doch das Dorf Mardin zeigt noch eine Ahnung vom friedlichen Zusammenleben aller Volksgruppen. Bis alle armenischen Männer in der Nacht abgeholt werden. Als Gefangene bauen Nazaret und seine Leidensgenossen unter brutaler Soldatenknute und brennender Sonne eine Straße durch die Steinwüste. Die Frage, wer sie benutzen wird, beantwortet sich aufs Schrecklichste, als armenische Frauen und Kinder auf Todesmärschen vorbei getrieben werden. Vom Wegesrand beobachtet Nazaret eine Vergewaltigung, andere Gräuel lassen sich erahnen. Als auch die Männer an der Reihe sind, entgeht Nazaret dem Tod, weil sein türkischer Henker ihm aus Unvermögen zu töten nur in den Hals sticht.

Fortan irrt Nazaret noch lebend aber stumm durch die Schrecken des Genozids, durch weite Landschaften, die sich in Schlüsselmomenten zu Szenen einer Hölle auf Erden verdichten. Das Flüchtlingslager Ras al-Ayn, in dem ausgemergelte Gestalten nur noch den Tod erflehen, ist nicht nur hochaktuell, sondern auch ein
großes ikonisches Kinogemälde, das sich einbrennt. Hier nähern sich Fatih Akin und sein Kameramann Rainer Klausmann im Bild dem großen türkischen Regisseur Nuri Bilge Ceylan.

Der türkische Völkermord an den Armeniern ist auch nach fast 100 Jahren noch ein Thema, für dessen Behandlung der türkisch stämmige Regisseur Fatih Akin nun um sein Leben bangen muss. Dieser von der Weltgemeinschaft hingenommene Genozid war, wie Hitler immer zitiert wird, die Vorlage für den Holocaust: „Wer redet denn heute noch von der Vernichtung der Armenier?", meinte er 1939. Die systematische Vernichtung dieser uralten christlichen Kulturgruppe fand erstmals 1933 in Franz Werfels Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh" ein literarisches Echo. Nachdem das Grauen mit über eine Millionen Opfer besonders in Deutschland aus Rücksicht auf die verbündete Türkei und auch wegen der wahrscheinlichen Beteiligung deutscher Militärs und Regierungen „totgeschwiegen" wurde. Filme taten sich bislang mit dem Thema schwer: Vor allem der armenisch-stämmige Kanadier Atom Egoyan, an der Namensendung -yan oder -ian als „Armenier" erkennbar, hat in unserer Zeit mit poetischen und bewegenden Filmen an den Genozid und seine traumatischen Folgen für heimatlose Armenier in aller Welt erinnert. Wobei er ausgerechnet in seinem schwächsten Film „Ararat", mit dem ebenfalls armenisch-stämmigen Charles Aznavour (Chahnour Varinag Aznavourian), daran scheiterte, die unfassbaren Gräuel direkt zu zeigen. (Der Auftritt von Arsinée Khanjian, der Ehefrau Egoyans adelt übrigens „The Cut".) Auch die Italiener Paolo und Vittorio Taviani wollten die Grausamkeiten des türkischen Völkermordes auf die Leinwand bringen. Doch „Das Haus der Lerchen" war 2007 ein gut gemeinter, aber grausam schlecht gemachter Botschaftsfilm.

Fatih Akins „The Cut" daran zu messen, hieße den Film nur nach seiner ersten Stunde zu beurteilen. Denn er geht mit seiner tragischen Hauptfigur weiter, in den Libanon, nach Kuba und in nordamerikanische Städte und Steppen. Überall findet Nazaret, der zwar den Glauben verloren hat, aber die Hoffnung nicht aufgibt, verstreute Armenier. Und überall erinnert der Film an ähnliche Schicksale und Situationen von heute: Das erwähnte Diyarbakır steht heute für die Verfolgung der Kurden. Was ein Hohn der Geschichte ist, denn damals waren unter den Tätern und Mittätern auch Kurden. Man kommt mit nationalistischen, ethnischen oder religiösen Pauschal-Urteilen und Verurteilungen halt nicht weit. Die Deportationen von Srebrenica sind auf der historischen Folie von „The Cut" ebenso zu entdecken wie die ausgebeuteten Näherinnen von Bangladesh. Denn in so einem, von Moritz Bleibtreu in kleiner Rolle geleiteten „Sweatshop" landeten Nazarets Töchter in den USA.

Dieses offene Panoptikum von Unterdrückung, Ausbeutung und Verfolgung wird begleitet vom Sound der Road Movies, mit einer Tonspur, die sich einschleift und wie bei Neil Young in kreisender Wiederholung nach vorne treibt. Dabei ist Fatih Akin näher an Theo Angelopoulos, der eine zeitlich ganz nahe Vertreibung der Griechen zu einem Epos gemacht hat, als an seinen eigenen Filmen wie „Soul Kitchen" (2009), „Auf der anderen Seite" (2007) oder „Gegen die Wand" (2004). Doch nicht nur, wenn Nazaret für einen leichten Moment auf seiner Odyssee in einem Hinterhof in Aleppo den Zauber einer ersten Filmvorführung mit Chaplin erlebt, wird die große Kinoleidenschaft dieses Filmemachers deutlich, deren Ausdruck auch „The Cut" wieder ist.

Der Richter: Recht oder Ehre

USA 2014 (The Judge) Regie: David Dobkin mit Robert Downey jr., Robert Duvall, Vera Farmiga, Vincent D'Onofrio, Billy Bob Thornton 141 Min. FSK: ab 6

Einspruch, euer Ehren! Viel zu übertriebene Argumente! Der aktuelle Film-Sherlock Holmes und „Iron Man" Robert Downey jr. produziert sich in „Der Richter" erstmals selbst, Ehefrau Susan ist Chefin der gemeinsamen Produktionsfirma Team Downey. Dadurch schlägt die gute Geschichte um Familien- und Rechtsfragen immer wieder über ästhetische und dramaturgische Stränge. Das Finale bietet so unfreiwillige Parodie und emotionalen Höhepunkt gleichzeitig.

Ja, diese Gespräche von Anwälten auf dem Männer-Klo des Gerichts kennen wir seit Al Pacino dort als Anwalt des Teufels auftrat. Hank Palmer (Robert Downey jr.), erfolgreicher und arroganter Star-Anwalt für Reiche und Schuldige, gibt am Pissoir gar den alten Wolf Nicholson, um zu zeigen, wessen Revier das hier ist. Als der Tod der geliebten Mutter Hank nach Jahrzehnten in die verhasste Kleinstadt zurückruft, ist der Empfang des Vaters (Robert Duvall), des alten lokalen Richters, wie erwartet herzlos. Doch der so strenge und über alle Maßen gerechte Senior überfährt in der Nacht nach dem Begräbnis einen Mörder, den er mehrfach verurteilte. Nun ist der raffinierte Rechtsverdreher Hank gefordert, doch der Alte will keine Freiheit, sondern Gerechtigkeit. Selbst wenn er sich nicht mehr erinnern kann, was in eigentlich geschah.

Robert Downey jr. zeigt volle Kanne, was er kann: Sein schmieriger, selbstverliebter Anwalt ist tatsächlich kein netter Typ und dann ein liebevoller Sohn für den pflegebedürftigen, nicht mehr so grimmigen Vater. All das und mehr gleichzeitig, wie auch die alte Liebe Sam verzweifelt feststellt. Doch das „mehr" und zur Sicherheit „noch mehr" des Films ist eigentlich eine Beleidigung für Downeys Können. Dazu ein Overkill an Geigen, damit der Tränenfluss auch ja in die Gänge kommt, dauernd fällt weiches Licht durch irgendwelche Fenster und die Kamera nutzt jede Gelegenheit, sich groß aufzuschwingen.

Dass das Schauspiel der doppelten Roberts - Downey jr. und Duvall - trotzdem und trotz Überlänge packt, ist vor allem dem guten, dichten Buch zu verdanken. Da gibt es als Perlen einen Homo Faber-Moment mit der Tochter der Ex, den kleinen, behinderten Bruder mit seiner Sammlung von Familienfilmen und vor allem das Finale zwischen den beiden juristischen Dickköpfen. Es fällt szenenweise schwer, nicht auf diesen Film reinzufallen. Doch überzogen ist er auch, da muss jeder Richter und Kritiker Einspruch einlegen.

14.10.14

20.000 Days On Earth

Großbritannien 2014 Regie: Iain Forsyth, Jane Pollard 98 Min. FSK: ab 6

Der australische Sänger, Musiker, Dichter und Schauspieler Nick Cave wirkt in seinen Auftritten sehr egozentrisch. Den beiden Künstlern Iain Forsyth und Jane Pollard gelang nun ein sehr egozentrischer und noch viel kunstvollerer, fiktionaler Dokumentarfilm über Nick Cave, der sogar einen ausgesprochenen Nicht-Fan begeistern kann.

Der fiktionale 20.000. Tag im Leben des 57-Jährigen beginnt schon nach dem Aufstehen mit einer Selbstbetrachtung im Spiegel. Cave ist Objekt der Betrachtung und selbst Erzähler. Man kann diesen Mann verehren oder kann es albern finden, wie der, der sich als hauptsächlicher Schriftsteller bezeichnet, im Zwei-Fingersystem auf seiner Schreibmaschine rum hämmert. Doch spätestens wenn die immer quicklebendige und reizvolle Montage sanft fließend wie eine Cave-Ballade und dann wieder rauh wie die punkigen Anfänge mit seiner Band Bad Seeds die Tasten eines Piano einflicht, wird klar: Diese dauernd mit inszenierter Wahrheit spielende Dokumentation ist etwas Besonderes.

Und etwas Humorvolles, wenn der Anruf von Caves Frau den kreativen Prozess jäh unterbricht und den Künstler zum Psychoanalytiker schickt. Die Sitzung soll die Tiefen einer Persönlichkeit ausleuchten, aber gibt es hier im Blick von mindestens drei Kameras wirkliche Offenbarung? Selbst wenn es um den frühen Tod des Vaters geht und der aufgewühlte Cave die Aufnahme unterbricht, bleibt das semidokumentarische Werk hochgradig künstlich und kunstvoll.

Ebenso wie die halben Selbst-Gespräche im Auto, wobei der traumhaft auftauchende Gegenpart immer ein „Weggefährte" Caves ist: Mal der Schauspieler Ray Winstone, mal Blixa Bargeld, dann auf dem Rücksitz Kyle Minogue, mit der Cave den Hit „Where The Wild Roses Grow" hatte. Immer wieder unterhalten sich Performer über Ängste und Energien in der Konfrontation mit dem Publikum und Cave teilt uns auch ausführlich die Grundlagen seiner Ästhetik mit.

„20.000 Days On Earth" wühlt tief - und wiederum sehr unterhaltsam aufbereitet - in einem eigenen Archiv zu Cave, das zumindest als Ort und vielleicht auch in Details eine Erfindung der Filmemacher ist. Erinnerungen an seine Berliner Zeit und die Flohmärkte damals kommen zutage, ein frühes Testament. Selbstverständlich darf die Entwicklung und das Entstehen von neuen Liedern nicht fehlen - allein hierbei ist die tolle Halb-Mockumentary ein klein wenig konventionell - was den Fans ebenso gefallen wird, wie die ausführlichen Konzertaufnahmen und die Filmmusik von Nick Cave und Warren Ellis.

13.10.14

Wie in alten Zeiten (Love Punch)

Frankreich, USA, Großbritannien 2013 (Love Punch) Regie: Joel Hopkins mit Pierce Brosnan, Emma Thompson, Timothy Spall, Celia Imrie, Louise Bourgoin, Laurent Lafitte 95 Min. FSK: ab 0

„Wie in alten Zeiten" - endlich mal ein deutscher Titel, der es exakt trifft: Der romantische Raubzug mit Pierce Brosnan und Emma Thompson ist eine Komödie wie aus alten Zeiten. Sorgfältig gemacht, exzellent gespielt und frei von allem modernen Schnickschnack. Eine sympathische Antwort auf die angebliche Vergreisung des Kinopublikums.

Was für ein schönes Paar: Richard (Pierce Brosnan) und Kate (Emma Thompson) verstehen sich vortrefflich bei dieser Hochzeit von jemand anderem. Jede kleine Spitze wird elegant zurückgefochten, andere Verehrer haben nicht die kleinste Chance. Doch Richard und Kate sind seid Jahren einvernehmlich getrennt. Er treibt sich weiterhin mit viel jüngeren Geliebten rum. Die gemeinsame, ähnlich alte Tochter lässt derweil Mama sitzen, sie beginnt das Studium in einer anderen Stadt. So könnte es getrennt weitergehen mit Richard und Kate, doch eine Woche vor seinem Ruhestand wird dem britischen Investment-Banker die Firma weggekauft und mittels einer der üblichen Finanztricksereien, für die schließlich wir zahlen, auch die Pensionskasse geleert. Nun stehen nicht nur Richards Angestellte mittellos auf der Straße, Häuser, Wohlstand und Lebensstandard von ihm, seiner Frau und den beiden Kindern sind auch weg.

Spontan wie in Studienzeiten, als man sich kennenlernte, geht Richard auf eine völlig verrückte und unmögliche Idee von Kate ein: In Begleitung eines befreundeten Ehepaares (die oft übersehenen englischen Meister-Mimen Timothy Spall und Celia Imrie) wollen sie sich als texanische Investoren bei der Côte d'Azur-Hochzeit der üblen Heuschrecke Vincent (Laurent Lafitte) einschleichen und seiner Braut Manon (Louise Bourgoin) einen millionen-schweren Edelstein rauben. Alles nur um die entrechteten Reichen wieder in ihren Wohlstand zu versetzen. Ein reicher Robin Hood raubt hier in Designer-Klamotten den Rosaroten Panther.

Schon der Vorspann verweist auf den „Pink Panther", den großartigen Klassiker des Krimi-Klamauks von Regisseur Blake Edwards. Und in dessen Stil gelingen auch die Komödien-Szenen: Pierce Brosnan und Emma Thompson spielen die humorigen und erst einmal unerwünschten romantischen Momente perfekt aus. Da stimmt alles und bereitet großes Vergnügen. Ein paar Alters-Scherze über Krankheiten und sonstige Hobbies werden ebenso gut ankommen wie die kleinen, gemeinen Verweise auf die Bond-Vergangenheit von Brosnan. Nachdem sich das Quartett in Taucheranzügen sehr tapsig über eine Bucht bei Cannes der geschlossenen Gesellschaft genähert hat, leidet Richard bei der anschließenden Kletterei im Agentenstil doch sehr unter seiner Höhenangst. Aber gerade in Gefahr und höchster Not flammt die nie verloschene Liebe wieder auf.

In der ebenso exzellenten zweiten Reihe ist „Wie in alten Zeiten" ein Warmlaufen für Timothy Spall, der hier als Nachbar mit geheimnisvoller Vergangenheit mitläuft: In drei Wochen zeigt er als „Mr. Turner - Meister des Lichts" seine ganze Kunst. Dafür erhielt er mehr als verdient die Goldene Palme von Cannes 2014.

Den sympathischen Spaß beschwingen britische Hits wie The Clashs „I Fought The Law". Ja, auch Richard und Kate waren mal jung und wild. Moderne Dinge wie Computer und Smartphones bleiben jedoch weitgehend fremd. Wenn die Firmen-Site des Gegners gehackt werden muss, hilft ihr Sohn per Skype-Chat aus. Dass dabei immer dessen Mitbewohner in sehr privaten Momenten erwischt wird, drückt eine gesunde Distanz zu den neuen Medien mit viel sehr Humor aus. Was solchen Jugendlichen im Kino nebenan derweil als Humor verkauft wird, also der Spaß am Ekel, bei dem man sich schon zum Auftakt mindestens mal übergeben muss, bleibt hier ganz weit weg. „Wie in alten Zeiten" halt. Man sieht quasi den Rosaroten Panther verschmitzt mit dem Auge knipsen.

Die Vampirschwestern 2 - Fledermäuse im Bauch

BRD 2014 Regie: Wolfgang Groos mit Laura Roge, Marta Martin, Christiane Paul, Stipe Erçeg, Michael Kessler 97 Min. FSK: ab 0

Früh übt sich, wer Vampirfilme aufsaugen will! Auch die zweite Verfilmung eines Kinderbuches von Franziska Gehm („Ein Date mit Biss") ist nettes Kinderkino mit nur angedeutetem Biss und zaghaftem Kuss - weil beides ja zusammengehört.

Die aus Bistrien zugereisten Vampirschwestern Dakaria (Laura Roge) und Silvania Dakaria Tepes (Marta Martin) haben sich in der Kleinstadt eingelebt. Als Halbvampire sind sie auch am Tag mit ihren Freunden unterwegs. Nur nachts fliegen sie anders als die anderen herum. Die Menschen-Mama Frau Tepes (Christiane Paul) kocht Blutspinnen-Auflauf und backt brav saure Blutchips. Papa Tepes (Stipe Erçeg) rollt beim Nachtdienst im Krankenhaus zufrieden Blutkonserven durch die Gegend. Als die wilde Dakaria heimlich und verbotenerweise zum krassen Kirchen-Konzert der Vampir-Punkband Krypton Krax davonflattert, fliegt sie sich nicht nur sofort auf den ebenfalls fliegenden Lead-Sänger Murdo (Oliver Schulz). Mit dem selbst für Vampire finsteren Manager Xantor (Georg Friedrich) bringt das Punk-Mädchen einen alten Feind auf die Spur der Familie. Derweil versucht die brave Schwester Silvania den Schein eines Camping-Ausfluges der Kinder, ihre aufkommende Schwärmerei für Jacob (Jeremias Meyer) und den ganzen Rest zusammenzuhalten.

Der sehr deutsche Vampirjäger Dirk van Kombast (Michael Kessler) als Nachbar der „Einwanderer auf dem Osten" ist symptomatisch für die bürgerliche Welt dieser Vampirgeschichten. Trotzdem liefern die beiden ganz unterschiedlichen Schwestern mit einigen gelungenen Szenen und einer netten Geschichte dem Genre frisches Blut. Als Anknüpfungspunkte für die jungen Zuschauer gibt es die Eifersucht unter Freunden aber auch bei den Eltern. Was mit Stipe Erçeg als eifersüchtigem Vampir-Papa zu dem großen Plus dieses Filmchens führt, nämlich den großen Darstellern: Erçeg („Die fetten Jahre sind vorbei", „Unknown Identity") und der sich besonders hinterhältig gebende Österreicher Georg Friedrich („Über-Ich und Du", „Mein bester Feind") liefern mehr ab, als die üblichen Verdächtigen bei Kinderfilmen meistens. Auch Richy Müller macht aus Ali Bin Schick, dem kauzigen Händler für Zauberzubehör, einen tollen Typen. Zum Spaß mit leichtem Schaudern kommt eine eigene Vampi-Sprache mit Wortschöpfungen wie „Vampi3"-Dateien oder dem „Vampibook" als sozialer Plattform für Nachtwesen.

Regisseur Wolfgang Groos zeigt nach mutigen und ungewöhnlichen Filmen wie „Hangtime - Kein leichtes Spiel" (2008) oder „Systemfehler - Wenn Inge tanzt" (2013) hier wieder seine Routine aus „Vorstadtkrokodile 3 " (2010) und dem ersten „Vampirschwestern"-Film sowie die zu erwartende Qualität einer Claussen+Wöbke+Putz-Produktion.

„Die Vampirschwestern 2" ist selbstverständlich in seiner wiederum sehr bürgerlichen Harmlosigkeit ein ganz anderer Stoff als der kunstvolle, vielschichtige Jugend-Horror beim schwedischen „So finster die Nacht" und dem US-Remake „Let me in". Oder gar beim meisterlichen dänischen „When animals dream". Doch als kleiner Vorgeschmack auf das schaurig-süße Vergnügen der Vampirgeschichten, als Einstieg in dieses Genre taugen die „Vampirschwestern" immer noch.

12.10.14

Maze Runner - Die Auserwählten im Labyrinth

USA 2014 (The Maze Runner) Regie: Wes Ball mit Dylan O'Brien, Kaya Scodelario, Thomas Brodie-Sangster, Will Poulter 114 Min. FSK: ab 12

Die Jugend ist eine einzige Herausforderung - vor allem im Kino: Da muss man sich im Internat gegen Flüche und bösen Zauber wehren. Bei zynischen Hunger-Spielen ums Überleben kämpfen. In gleichmacherischen Zukunftswelten die Individualität verteidigen. Und jetzt auch noch in einem Labyrinth aus kopierten Ideen anderer Filme rumrennen. „Maze Runner" ist noch so eine Jugendbuch-Reihe, die für den Produzenten gewinnbringend ins Kino kommt. Das Publikum zahlt für ein unbefriedigendes Plagiat.

Als der Aufzug Thomas (Dylan O'Brien) nach rasender Fahrt auf einer Lichtung rauswirft, kann sich der Junge an nichts mehr erinnern – nicht mal an seinem Vornamen. Das überschaubare Stückchen Grün liegt zwischen hohen Steilwänden, die mit schwerer Mechanik tagsüber ein Tor zum dahinterliegenden Labyrinth freigeben. In der Nacht schließt sich das Tor, denn dahinter toben sich irgendwelche Monster lautstark aus.

Die Jungs auf der Wiese wissen auch nach drei Jahren nicht, was gespielt wird, was mit ihnen gespielt wird. Durch Erkundungen einer Elite-Gruppe sogenannter Läufer ahnen sie jedoch, dass der Irrgarten keinen Ausgang hat. Aber nach der Ankunft von Thomas ändert sich alles. Der typisch messianische „Andere" und „Änderer" ist neugieriger, widersetzt sich den Regeln und besiegt schließlich als erster eines der Griever-Monster. Als schließlich auch eine junge Frau (Kaya Scodelario) durch den Aufzug auftaucht, die zudem Thomas zu kennen scheint, überstürzen sich die Ereignisse.

Der erste Film einer Fantasy-Trilogie nach den „Auserwählten"-Romanen von James Dashner wirkt wie Mix aus ähnlich gelagerten, mehr oder weniger populären Jugendgeschichten: Das rätselhafte Labyrinth mit den hinterhältigen Fallen ist wie eine Stadion aus den Hunger-Spielen von „Panem" kombiniert mit einer Jugendversion von „Cube". Dazu kommt ein halbes Beinchen „Herr der Fliegen" und ein dickes, platt gequetschtes Rieseninsekt aus „Starship Troopers" in die aufgewärmte Geschichte.

Im Vergleich erkennt man, wie oberflächlich bei allem optischen Aufwand Geschichte und Figuren im „Maze", dem Labyrinth, sind. Dass die Jugendlichen ohne Erinnerungen im Labyrinth landen, raubt den Figuren ihre Tiefe. Dass ihnen das (politische) System hinter allem unbekannt bleibt, macht alles zu einem mechanischen Ablauf ohne Hintergrund. Die internen Strukturen und Kämpfe zwischen dem Neuling Thomas und dem jungen Alten Newt (Thomas Brodie-Sangster) sind Witz oder eine billige Kopie. Da hilft auch nicht das ansprechende Produktdesign mit den massiven Labyrinth-Wänden, dem ausgewaschenen Look der Gefangenen. Ein Rennen und Jagen gegen bio-mechanische Riesenzecken mit reichlich bissigen Schockmomenten führt überhastet zum unbefriedigenden Ausgang der sehr kalkulierten Geschichte. Ein dreistes Ende mit zu vielen Rätseln und einem daraus folgenden Zwang zu der unausweichlichen Fortsetzung. Aber wenn alle wieder in dieses unübersichtliche Labyrinth rennen, gibt es bestimmt wieder zwei Filme zum Teil drei...

Teenage Mutant Ninja Turtles (2014)

USA 2014 Regie: Jonathan Liebesman mit Megan Fox, Will Arnett, William Fichtner 101 Min.

Der vierte „Realfilm" der zu lächerlichen Ninjakämpfern mutierten Schildkröten wurde von Michael Bay produziert. Doch das Versprechen auf erschlagendes Effektkino erfüllt „Teenage Mutant Ninja Turtles" erst im hektischen Finale einer endlosen Schlittenfahrt. Bis dahin tut der Kinderfilm so, als hätte die aktuelle Generation noch nie von den Turtles gehört und hält die hässlichen Gummimasken der vier vermeintlichen Sympathieträger fast eine Stunde lang zurück. Derweil darf der Foot Clan unter dem Dauerfeind Shredder New York unsicher machen, während die Ratte Splinter (Danny Woodburn) als väterlicher Zen-Meister seinen Turtles verbietet, öffentlich aufzutreten. Der Rest ist so abgedroschen, dass man unstillbare Lust auf Froschschenkel bekommt. Megan Fox hält als unwahrscheinliche Journalisten April O'Neil und als schlechter „Transformer" nun hier ihr Gesicht hin, um kleinen Kino-Jungs eine Freude zu machen. Selbstverständlich muss sich auch ein vermeintlicher Freund als Verbündeter Shredders erweisen. Das Wichtigste bei „Teenage Mutant Ninja Turtles" sind die ausführlichen Kampfszenen des zweiten Teils - ermüdend viel Gewalt und so gut wie nie bekommt jemand eine Schramme ab.

8.10.14

Jack

BRD 2014 Regie: Edward Berger mit Luise Heyer, Georg Arms, Ivo Pietzcker 102 Min. FSK: ab 6

Ein Kinderdrama, so einfach und überzeugend ist wie sein Titel "Jack": Ein Junge, der viel zu früh viel zu viel Verantwortung für sich und seinen kleinen Bruder (Georg Arms) trägt, sucht im Berliner Sommer verzweifelt seine sehr junge Mutter Sanna (Luise Heyer), die wieder Party macht oder Männer sucht. Jack, der lange sehr geduldig und hilfsbereit bleibt, schlägt den größeren "Bulli" im Kinderheim brutal nieder, rennt weg und beginnt eine Odyssee durch die Großstadt, in der er sich verblüffend gut zurechtfindet. Die Kinder schlafen in einer Tiefgarage, suchen bei ehemaligen Liebhabern der Mutter vergebens Hilfe. Aber den Diebstahl im Kaufhaus begeht der gutmütige Jack wieder nur für einen Freund aus dem Heim. In einer Großstadt, die immer bedrohlich bleibt, rührt und packt diese verzweifelte und letztlich vergebliche Suche nach Liebe immer mehr. Mit der scheinbaren Einfachheit der Kniderfilme von Abbas Kiarostami Regisseur und nicht nur thematisch verwandt mit dem Cannes-Erfolg "Nobody Knows" von Hirokazu Kore-eda gelingt Edward Berger und seiner Ko-Autorin Nele Mueller-Stöfen mit ihrem tollen Hauptdarsteller Ivo Pietzcker ein bemerkenswertes internationales Debüt. Der 1970 in Wolfburg geborene Berger inszenierte bisher einige Schimanskis, "Bloch" und "Polizeiruf". Er arbeitet seit Jahren mit Nele Mueller-Stöfen zusammen.

Ein Geschenk der Götter

BRD 2014 Regie: Oliver Haffner mit Katharina Marie Schubert, Adam Bousdoukos, Paul Faßnacht, Katharina Hauter, Rainer Furch 102 Min. FSK: ab 0

Als sich die nicht wirklich extrovertierte oder erfolgreiche Schauspielerin Katharina Anna (Katharina Marie Schubert) arbeitslos melden will, wird die 36-Jährige beim Jobcenter direkt für die Leitung einer Theatergruppe engagiert. Die Truppe ist eine Mischung aus dem Naivchen, dem gut gelaunten Griechen (Fatih Akin-Darsteller Adam Bousdoukos macht wieder ein „Soulfood Café" auf), dem Trotzkopf mit Leseproblemen und anderen typischen Komödienkandidaten. Während der Proben zu „Antigone" lernen wir - durch schöne Schnitte verbunden - die Arbeitslosen mit ihrer privaten Situation kennen. Auf dem Weg zur Aufführung entblößen sich die Verzweifelten selbst und gegenseitig. Am Ende steht der Erfolg, ein Stück Selbstachtung gewonnen zu haben.
Der kleine, sehr sympathische Film von Regisseur und Autor Oliver Haffner überrascht als dichte, treffend gespielte Komödie in einem Stil, der sonst von den Briten so humorvoll wie ehrlich auf die Leinwand gebracht wird.

Hirngespinster

BRD 2014 Regie: Christian Bach mit Tobias Moretti, Jonas Nay, Stephanie Japp, Hanna Plaß, Ella Frey 96 Min. FSK: ab 12

„Ich heiße Simon Dallinger. Ich werde bald 23 und ich lebe in einem Irrenhaus." So führt der junge Erzähler (Jonas Nay) in seine schwierige Familiensituation ein. Denn sein Vater hat wieder einen Schizophrenie-Schub, demoliert die Satelliten-Anlage der Nachbarn und greift die Handwerker mit einer Axt an. Simon fühlt sich für die Mutter und die achtjährige Schwester Maja verantwortlich. Er kann aber gleichzeitig der neuen Freundin Verena nichts von der Krankheit des Vaters erzählen.
Die TV-Produktion „Hirngespinster" zeigt einfühlsam und differenziert eine schwierige, eine extreme Situation auf. Tobias Moretti („Das finstere Tal") legt sowohl subtilen Wahnsinn in seinen Blick, kann aber auch großartig ausrasten. Eine Entdeckung ist Jonas Nay in der Rolle des Sohnes Simon.

Mein Freund, der Delfin 2

USA 2014 (Dolphin Tale 2) Regie: Charles Martin Smith mit Harry Connick jr., Ashley Judd, Nathan Gamble, Kris Kristofferson, Morgan Freeman 107 Min. FSK: ab 0

Die Fortsetzung der rührenden, mit Morgan Freeman, Kris Kristofferson, Harry Connick jr. und Ashley Judd prominent besetzten sowie teuer produzierten Tier-Show „Mein Freund, der Delfin" verbindet weiter die Lebenswege des ehemaligen Videogame-Nerds Sawyer (Nathan Gamble) und des Delfins namens Winter, den er einst verletzt fand. Nachdem in der Pflegestation ein älterer Delfin stirbt, ist Winter stark gestresst. Sawyer muss sich zwischen einer tollen Ausbildungs-Chance und der Pflege für den „Delfin-Freund" entscheiden. Auch für die Delfine muss entschieden werden, ob die wieder gesund gepflegte Mandy in die Freiheit oder als Reha-Partner für die behinderte Winter mit ihrer Flossen-Prothese dienen soll.

Über die Tierwelt soll Kindern Verantwortung, Sozialverhalten und sogar die Erfahrung des Todes und der Umgang mit Trauer vermittelt werden. Das gelingt der sorgfältig gemachten Produktion mit einer starken Betonung auf Sentimentale und Kitsch, die keineswegs frei von Wiederholungen und Vorhersehbarem ist. So ambivalent solche Tierfilme mit all der hinter ihnen stehenden, unsichtbaren Dressur auch sind.

Get On Up

USA 2014 Regie: Tate Taylor mit Chadwick Boseman, Nelsan Ellis, Dan Aykroyd, Viola Davis 139 Min, FSK: ab 12

„Wer hat auf meiner Toilette gesessen?" fragt der weltberühmte Star, Konzern- und Immobilienbesitzer James Brown seine Mieter mit vorgehaltener Flinte. Mit einer absurden Episode beginnt die sehr gelungene und kongenial schwungvolle Biografie zum „Godfather of Soul" James Brown (1933-2006). Dann springt der Film mitten in den Vietnamkrieg, in dem Brown mit vollem Einsatz für das größtenteils schwarze Kanonenfutter spielt. „Versuche nicht, James Brown zu erzählen, wie man funky ist!" maßregelt er einen besorgten Offizier, der das Konzert aus Sicherheitsgründen kurz halten will. Schnell ist klar, dass wir es hier mit einem Wahnsinnigen zu tun haben.

„Get On Up" springt erfreulich lebendig und mit großer Dynamik durch Browns Erinnerungen. Mutig, wie der Film vom elenden Leben in einer Hütte im Wald der Kindheit zum bekannten „I feel good" schneidet. Und auch die Spannweite des Publikums von den rassistischen weißgewaschenen TV-Shows zu „seinem" schwarzen Publikum wird über die Montage vermittelt. Sie brilliert in den einzelnen Musiknummern zusammen mit packendem Schauspiel und ansteckenden Songs.

Aufgewachsen in einem Bordell, zu dreizehn Jahren verurteilt wegen des Diebstahls eines Anzugs, dann der Beginn einer unglaublichen Karriere als innovativer Musiker und immer wieder heftige persönliche Rückschläge, darunter Browns Gewalt gegenüber Frauen. James Brown war schillernde Figur, der eine filmische Biographie niemals vollständig gerecht werden kann. Aber der sagenhaft gute Hauptdarsteller Chadwick Boseman lässt ihn in Mimik und seinen Bewegungen immer wieder aufleben. Zudem hat er sein eigenes Charisma, wodurch alle Musiknummern so großartig gelingen. Unterstützt wird er von einer ganzen Reihe exzellenter Nebendarsteller, unter anderem James Belushi als Manager und Freund. Ein mitreißender Kino-Schlager voller guter und böser Hits.

7.10.14

Wish I Was Here

USA 2014 Regie: Zach Braff mit Zach Braff, Kate Hudson, Mandy Patinkin, Josh Gad, Joey King 106 Min. FSK: ab 6

„Scrubs"-Star Zach Braff begeistert auch mit seiner zweiten eigenen Regie nach „Garden State". „Wish I Was Here" ist ein traumhaft sicher inszenierter und leichter Film über die große Unsicherheit, die das Leben manchmal gar nicht so leicht macht.

Aidan Bloom (Zach Braff) ist ein arbeitsloser Schauspieler mit einer anscheinend wohlhabende Familie in Los Angeles. Doch plötzlich hat das Leben ein paar üble Einfälle: Sein Vater Gabe (Mandy Patinkin) bekommt wieder Krebs, also muss Aidan auch noch auf dessen Hund aufpassen. Papas Geld für die jüdische Schule bleibt nun aus, die Kinder Grace (Joey King) und Tucker (Pierce Gagnon) werden jetzt mehr schlecht als recht zuhause unterrichtet. Und Aidans Frau Sarah (Kate Hudson), die das Geld verdient, wird auf ihrem stumpfsinnigen Arbeitsplatz sexuell belästigt.

Ein guter Zeitpunkt, sich über das große „Warum?" Gedanken zu machen. Wobei das Familiendrama genau wie sein Protagonist, Autor und Hauptdarsteller Zach Braff andauernd sehr witzig bleibt. Braffs Dialoge sind es sowieso. Der Glaube hilft erst einmal nicht weiter, denn der alte Rabbi, der sich über Kätzchen auf YouTube amüsiert, weist Aidan zurecht: „Gott will, dass Sie für ihre Familie sorgen. Wenn Sie einen Anspruch auf ihr Lebensglück wollen, müssen sie zu Thomas Jefferson." Der von der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

Trotzdem nimmt Aidan den Unterricht der Kinder in die Hand und irgendwie ergibt sich beim Zaun-Einreißen und Pool-Saubermachen eine Schule des Lebens. Mit tollen Songs von The Shins, Bon Iver oder Badly Drawn Boy und genialen Ideen wie Opas Sammlung aller Kontaktlinsen, die er jemals getragen hat und von denen er sich nicht verabschieden kann, weil das ist ja alles was er gesehen hat. Mit rührenden Szenen voller Verständnis für einander. Ohne aufgesetzt dramatische Streitereien und Kämpfe. Wie Aidan unter lauter Schwarzen die Rolle eines Schwarzen haben will; wie die Tochter droht, zu einer orthodoxen Jüdin zu werden - jede Szene von Zach Braff ist gleichzeitig witzig und geistreich. Jede Figur interessant bis zum Schauspielkollegen, der auch nie eine Rolle bekommt („The Big Bang Theory"-Star Jim Parsons).

Mit Zach Braff und Kate Hudson brillieren populäre Schauspieler in einem Film über das nicht endende Erwachsenwerden mitten im Leben, der mit leichter Hand die ganz großen Lebensfragen von der Erziehung der Kinder bis zum Tod des Vaters auf die Leinwand wirft und Hoffnung gibt, sich nicht vor ihnen zu verstecken.

The Equalizer (2014)

USA 2014 Regie: Antoine Fuqua mit Denzel Washington, Marton Csokas, Chloë Grace Moretz, David Harbour 132 Min. FSK: ab 16

Bestwerte bei der Sneak-Vorstellung, Denzel Washington erneut in der Hauptrolle und aufwändige Werbung - „The Equalizer" scheint etwas Besonderes zu sein. Allerdings macht der Action-Film von Anfang an klar, er ist vom Regisseur Antoine Fuqua, hat den Fuqua-Hauptdarsteller und Koproduzent Denzel Washington, den Fuqua-Sound mit den peitschenden und ins Dunkle treibenden Klängen.

Robert McCall (Denzel Washington) ist der freundliche, ältere Mann vom Baumarkt. Er ist zuvorkommend, umsichtig, klug, hilfsbereit. Immer bleibt er ruhig, fast unerträglich ruhig. Die Souveränität, mit der er einen kleinen Räuber an der Baumarkt-Kasse bedient, um später mit ihm abzurechnen, ist eindrucksvoll. Er meint, die Menschen sollten ihren Träumen folgen: Du kannst alles sein, was du sein willst. In einer beiläufigen Kneipen-Diskussion über Hemingways „Der alte Mann und das Meer" meint er jedoch lakonisch: Der alte Mann ist ein Fischer, der Fisch ist ein Fisch - jeder macht, was er machen muss.

Und so zeigt Robert sein wahres Gesicht und seine Vergangenheit als Special Agent, als eine russische Prostituierte von ihren Zuhältern zusammengeschlagen wird. Er erweist sich als der sehr aufmerksame, genaue Beobachter, der dann die Situation mit Schnelligkeit, Übersicht und großer Überlegenheit tödlich löst. Fünf massakrierte Russen lösen jedoch nicht das Problem, sondern eine Spirale der Gewalt aus.

Mit ebensolcher Ruhe baut der Film den Widersacher Teddy (Marton Csokas) auf. Der Saubermann der russischen Mafia, ein „Soziopath mit Visitenkarte", tritt zurückhaltend auf und ist eine personifizierte Drohung. Wie gnadenlos und endlos er einen der kleinen irischen Gangstermit bloßen Fäusten zusammenschlägt, um einen Nachricht zu hinterlassen, ist wiederum das Äquivalent zu Roberts Brutalität. Was plötzlich kein Dilemma für den ehemaligen Agenten Robert mehr ist, der doch eigentlich sein ruhiges Leben mit neuer Identität genießen wollte. Im Prinzip ist er ein krankhafter Choleriker, nur einer mit verzögerter Schlagkraft. Was ihn letztendlich zu keiner wirklich raffinierten Figur macht. Noch weniger zu einem gebrochenen Charakter.

Nebenbei spricht Robert noch russisch und spanisch. Und schützt den Imbiss seines Kollegen vor den Schutzgeldzahlung. Was er nicht macht, ist zwischendurch in Strumpfhosen durch den Sherwood Forest reiten. Aber beim „Equalizer" ist auch sonst nichts witzig, ironisch oder irgendwie gebrochen. Außer Knochen selbstverständlich. Dem intensiven, ausnahmsweise mal gewaltfreien Tête-à-Tête von Robert und Teddy stehen abgedroschene Zeitlupen mit großen Explosionen im Hintergrund und ein recht einfallslosen Finale im Baumarkt gegenüber. Fuqua macht's möglich.

Mit „Training Day" im Jahr 2001 und den schwächeren Wiederholungen der gleichen Gewalt und Polizei im Ghetto-Geschichten wie „Gesetz der Straße - Brooklyn's Finest" (2009) und „Olympus Has Fallen - Die Welt in Gefahr" (2013) hat sich Antoine Fuqua einen bluttriefenden Namen gemacht. Er kann sehr gut Gewalt inszenieren, lässt sich Zeit, damit die Spannung wächst, die Angst um die sogenannten Unschuldigen, die Furcht vor dem nächsten Blutbad auf der Leinwand. Um dann extrem brutal und drastisch zuzuschlagen.

„The Equalizer", das Remake einer TV-Serie, wurde dabei nach dem Drehbuchbaukasten konstruiert und ist im zeitlichen Ablauf so penibel wie sein Protagonist: Nach 30 Minuten der erste Gewaltausbruch. Nach einer Stunde das erste, vorerst nur verbale Abtasten der beiden Antipoden. Dann die stufenweise Eskalation der Gewalt. Das sieht das gut aus und ist in den Hauptrollen exzellent besetzt. Aber die Lindenstraße bleibt Lindenstraße, selbst wenn man den Etat verzehnfacht und alle Figuren mit richtig guten Leuten ersetzt. Oder wie es Robert sagt: Ein Fisch ist ein Fisch, Fuqua ist Fuqua - jeder macht, was er machen muss.

Under the Skin (2013)

USA, Großbritannien 2013 Regie: Jonathan Glazer mit Scarlett Johansson, Jeremy McWilliams, Paul Brannigan 108 Min. FSK: ab 12

Film ist immer gerne Selbstreflektion und Erkenntnis. Allein schon beim für den Vorgang „Unterhaltungsfilm" notwendigen Wiedererkennen des Zuschauers in einer Identifikationsfigur. Der Blick jedoch, mit dem Scarlett Johansson in „Under the Skin" auf das schaut, was unter ihrer eigenen Haut steckt, ist atemberaubend einmalig. Wie der ganze Film von Jonathan Glazer, dem Regisseur vom britischen Gangster-Hit „Sexy Beast" und dem verstörenden Pädophilie-Film „Birth" mit Nicole Kidman.

„Under the Skin" geht unter die Haut, auch unter die Hirnhaut. Auf faszinierende Weise rätselhaft zeigt er, wie eine extrem regungs- und gefühlslose Frau (Scarlett Johansson) Jagd auf Männer macht. Aus einem Kleinlaster, der sie wie ein Raumschiff von der Außenwelt abschließt, beobachtet sie - und wir mit ihr - hauptsächlich Männer in schottischen Städten. Sollte einer unverheiratet und ohne Familie im Ort sein, sollte er dann noch einsteigen, fährt sie ihn zu wechselnden Haustüren, hinter der sich immer reines, glänzendes Schwarz auftut. Vor dem erhofften Akt versinken die voll erigierten Männer im schwarzen Nichts, über dem sie wie Jesus auf dem Catwalk elegant hinweg schreitet.

Ein in seiner atemberaubenden Andersartigkeit irritierendes Eindringen und Versinken. Und nur einer von vielen faszinierend rätselhaften Vorgängen. Das wirkt nicht nur im Sound wie bei Kubricks „2001" (ohne die Walzer-Sachen), wenn auch mit einer deutlich höheren Ladung Erotik. Beim Einsammeln der Männer erschlägt die fremdartige Frau einen fast Ertrunkenen am Strand. Die Familie, die nebenbei ertrinkt, interessiert sie nicht. Immer ist ein Helfer auf seinem Motorrad dabei, um nachher alle Spuren wegzuräumen. Ein junger Mann mit einem wie beim „Elefant Man" stark deformierten Gesicht bewegt in einer unglaublich spannenden Szene doch etwas in ihr. Sie lässt ihn laufen und flieht selbst ins grandiose Rot und Grün schottischer Moore und Küsten. Die Begegnungen mit einem liebevollen und dann einem brutal lüsternen Mann führen zu den letzten, schockenden Enthüllungen.

Nachdem Scarlett Johansson in Luc Bessons etwas simpler gestrickten „Lucy" von Mensch zum weltumfassenden Übermensch wurde, schlüpft sie nun als gefühlsloses Wesen allmählich in die Haut der Menschen. Wieder mal ist es ganz erstaunlich, wie viel Ausdruck die nicht nur von Woody Allen geschätzte Schauspielerin in ein regungsloses Blicken legen kann. Nach einem erstaunten Blick der nackten Erkenntnis in den Spiegel, wandelt sich der Ausdruck zum kindlichen Staunen, was einen irritierenden Gegensatz zum deutlich herausgestellten, sehr weiblichen Körper darstellt.

Regisseur und Koautor Jonathan Glazer liefert in seiner Filmversion des gleichnamigen Romans von Michel Faber keine Erklärungen, so gut wie keine Dialoge. (Und wenn, sind sie im Original wegen des heftigen Dialekts schwer verständlich.) Dafür gibt es in diesem einzigartigen Stück purem und unkonventionellem Kino reichlich ungewöhnliche Perspektiven und Kameraobjektive zur Dauerbegleitung von irritierenden Tönen, die nur durch ein Geigen-Leitmotiv wie aus einem Hitchcock-Film unterbrochen werden. Ein schwer erklärbares aber doch unbedingt sehens-wertes Kinoerlebnis.

The Salvation

Dänemark, Großbritannien 2014 Regie: Kristian Levring mit Mads Mikkelsen, Eva Green, Eric Cantona, Jeffrey Dean Morgan, Mikael Persbrandt 93 Min. FSK: ab 16

30 Jahre nachdem Lars von Trier in Cannes mit „The Element of Crime" eine neue dänische Filmwelle anschob, nach all den Dogma-Filmen und ganz unterschiedlichen Meisterwerken auf TV und Leinwand, scheinen die wilden Film-Wikinger im Mainstream angekommen zu sein: „The Salvation" ist ein eindrucksvoller, aber bis auf die faszinierende Bildtönung sehr konventioneller Western mit Mads Mikkelsen in der Hauptrolle.

Nord-Amerika um 1870. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten spielt wieder einmal das Lied vom Tod für Einwanderer aus Europa. Ganz wie bei Sergio Leones Klassiker fährt die Kamera über den Torbogen in eine Stadt, die schon viele Hoffnungen und Hoffende begraben hat. Der frühere Soldat Jon (Mads Mikkelsen) hat nach der Niederlage im deutsch-dänischen Krieg 1864 den alten Kontinent verlassen und im Weste(r)n als Siedler Fuß gefasst. Doch - hier lässt der Film das Elegische von Leones „Once upon a time in the West" vermissen - kaum sind seine Frau Marie (Nanna Øland Fabricius, eine als „Oh Land" bekannte dänische Sängerin und Tänzerin) und sein Sohn angekommen, werden die beiden brutal ermordet. Nachdem dieses dem Film scheinbar lästige Vorgeplänkel mit dem Schrecken der Gewalt gegen Unschuldige eindringlich, aber rasch abgehandelt ist, begeben sich Jon und sein Bruder Peter (Mikael Persbrandt) auf den Pfad der gründlichen Rache. Nicht immer überlegen, nicht dauernd clever, aber beharrlich und ohne Rücksicht auf Verluste.

Und damit der Film auf eine schön ausgemergelte Westernwellenlänge kommt, erwischt Jon, als er den Mörder und Vergewaltiger umbringt, ausgerechnet den kleinen Bastard-Bruder des mächtigen und berüchtigten Bandenanführers Delarue (Jeffrey Dean Morgan), der die ganze Gegend beherrscht und terrorisiert. Die Bevölkerung von Jons neuem Heimatort steckt mit Delarue unter einer Decke oder versteckt sich sicherheitshalber schnell. Muster der Feigheit ist der korrupte Bürgermeister Keane (Jonathan Pryce). Unerwartete Unterstützung erhält Jon ausgerechnet von der Witwe des Unholdes - der stolzen Gangsterbraut Madelaine (Eva Green). Die Indianer schnitten ihr die Zunge aus dem Mund und markierten sie mit einer großen Narbe im Gesicht.

Mads Mikkelsen, DAS Aushängeschild des dänischen Films, beweist nach seinem Auftritt als „Michael Kohlhaas" auch in „The Salvation", dass er zu Pferde verdammt gut aussieht. In „The Salvation" des dänischen Regisseurs Kristian Levring und des exzellenten Autors Anders Thomas Jensen („Adams Äpfel", „Love is all you need", „In einer besseren Welt") spielt er einen Auswanderer, der Rache an den Terror-Herrschern eines Western-Dorfes nimmt. Das ist ein Schützenfest auf hohem ästhetischen Niveau. Originell dabei der deutliche Hinweis auf heutige Kriegsgründe im Finale: Hier fließt Blut für Öl, während Ölfarben für apokalyptische Nächte in der Savanne und Tilt-Shift-Unschärfen das Geschehen in so noch nicht gesehenes Licht tauchen.

Eva Green spielt eindrucksvoll und wortlos die gnadenlose Geschändete Madelaine. Ex-Fußballstar Eric Cantona kann seine unverwechselbare Physiognomie in die Kamera halten und darf diesmal mit der Knarre direkt draufhalten. Ein keineswegs fleckenloses, aber doch durch viel Danish Dynamite reizvolles Westernvergnügen.