30.6.09

SHOAH (Studienausgabe) DVD


In einem Jahr, das mehr Holocaust-Filme als jemals zuvor in die Kinos bringt und in dem die Vergangenheitsbewältigung sehr seltsame Blüten treibt („Der Junge im gestreiften Pyjama“, Tarantinos „Inglourious Basterds“), tut es gut, ganz sachlich zurückzublicken: Claude Lanzmann Dokumentation „SHOAH“ gilt als die wohl umfassendste und radikalste Filmarbeit über die Vernichtung des europäischen Judentums im Nationalsozialismus. In einer eigenen Vorgehensweise, die sich den üblichen historischen Bildern verweigert (und sich so auch wohltuend von der späteren „Verknoppung“ von Geschichte beim ZDF unterscheidet).
12 Jahre – von 1973 bis '85 – arbeitete der Filmemacher an seinem Werk, besuchte die Orte der Vernichtung, trotzte das Erlebte dem Vergessen ab, machte in Polen, in Israel, in den USA, in Deutschland letzte Augenzeugen ausfindig – Überlebende, Zuschauer und auch Täter – und befragte sie zu Deportation und Lageralltag.
Der neunstündige Meilenstein in der Geschichte des Dokumentarfilms wurde 2007 erstmals veröffentlicht und erscheint nun in der arte edition* von absolut MEDIEN als preisgünstige Studienausgabe für EUR 29,90. So ist als Bonus das Booklet mit Kurzbiografien aller Befragten und mit vielen Lanzmann-Statements nur als PDF auf den vier DVDs.


absolut MEDIEN arte edition*

Kauf-DVD ab 3.7.2009

Regie: Claude Lanzmann

Dokumentation

Alle Anderen


BRD 2009 (Alle Anderen) Regie: Maren Ade mit Birgit Minichmayr, Lars Eidinger, Hans-Jochen Wagner, Nicole Marischka 124 Min. FSK ab 12

Vor der Berlinale im Februar wurde der Start von Maren Ades neuem Film (nach dem schönen Debüt „Der Wald vor lauter Bäume“ von 2003) im Wettbewerb wohlwollend vermerkt. Nach den ersten Vorstellungen und erst recht nach der Preisverleihung, bei der „Alle anderen“ gleich zwei Silberne Bären (Großer Preis der Jury, Beste Darstellerin Birgit Minichmayr) erhielt, war die Sensation komplett. Das ebenso humorvolle wie intensive Beziehungsdrama schlug voll ein und brauchte kein Wohlwollen mehr. „Alle Anderen“ ist sagenhaft gespielt, fein beobachtet und mutig erzählt.

Der Urlaub führt Gitti (Birgit Minichmayr) und Chris (Lars Eidinger) nach Sardinien, ins Ferienhaus seiner Eltern. Die Beziehung zwackt zwar hier und da, aber anfangs überwiegt der Spaß im gemachten Nest unter südlicher Sonne. Gitti ist trendige Vermarkterin bei einem Musik-Konzern, Chris schlägt sich als Architekt durch und erwartet das Ergebnis eines Wettbewerbs. Als die beiden auf ein arriviertes Ehepaar treffen und einige Zeit gemeinsam verbringen, eskalieren die Spannungen. Die Spiele werden gemein und dramatisch...

„Wenn wir uns jetzt auflösen ...“ - so singt mit rau sensibler Stimme Birgit Minichmayr, die auf der Bühne längst ihren Namen hat und jetzt beim Film zum Shooting Star wird, zusammen mit dem Verlegenheitsschauspieler Campino im Song „Auflösen“ der Toten Hosen. „... sind wir mehr als wir jemals waren“ heißt es weiter und ist im gesamten Liebes-Duett die Antipode zum Paar-Versuch Gitti/Chris. Maren Ade sagte dazu: „Ich wollte einen Film machen über das verworrene, einzigartige Gebilde, das zwei Menschen ergeben, wenn sie eine Liebesbeziehung führen. Die Hauptfigur sollte ein Paar sein und keine einzelne Person.“ Dieses Pärchen auf Sardinien albert herrlich miteinander, sie kennen sie in- und auswendig und sie wissen, wo die Fallgruben ihrer Beziehung sind. Wie durch zwei andere Menschen die Beziehung aus dem Gleichgewicht gerät, ist erschreckend. Und doch faszinierend genau gezeichnet und beobachtet.

Das funktioniert zwei Stunden lang mit dem scheinbar beiläufigen, irgendwie improvisiert und doch ungemein echt wirkenden Spiel von Birgit Minichmayr und Lars Eidinger. Aber die im umwerfend komischen wie im tief verletzenden gleich entblößenden Dialoge stammen von Regisseurin und Autorin Maren Ade. Mit intensiven und intimen Einblicken beobachtet die Regisseurin Sehnsüchte, Rollenspiele und innere Kämpfe.

Gitti und Chris sind zwei Suchenden, die viel miteinander teilen, doch dann das unsichere Suchen alleine ausfechten. Beide sind Kinder, beide greifen spielend nach dem nächsten Vorbild. Daraus resultiert sein Verrat an ihr und ihrer an sich selber. Er, der Verlierer, legt sich die Attitüde des kaltherzigen Erfolgsmenschen zu. Sie gibt sich für ihre Beziehung auf und definiert sich neu. Als Kopie der arrivierten Urlaubs-Bekannten testet sie das Verhältnis zu Chris auch sexuell noch einmal aus. Dass im verzweifelten und herzzerreißend anzuschauenden Versuch, sich für den Typen „zurecht zu machen“ auch „Vertigo“ drinsteckt, ist die filmhistorische Komponente, die einen andern Aspekt von Ades Können belegt. Vor allem steckt aber eine ganze Menge Mensch und ein heftiges Maß Tragik in diesem Versuch, der scheitern muss. Das Ende bleibt offen, die gespielte Ohnmacht kann ein verzweifelter Versuch sein, im Alten zu verharren. Oder der Versuch, sich erneut zu verpuppen, um etwas Neues zu beginnen.

Das Mädchen aus Monaco


Fr 2009 (La fille de Monaco) Regie: Anne Fontaine mit Fabrice Luchini, Roschdy Zem, Louise Bourgoin, Stéphane Audran 94 Min. FSK ab 12

Und nun die Filmvorhersage: „Das Mädchen aus Monaco“ beginnt als französische Typen-Komödie mit klaren Farben und Verhältnissen. Erst im zweiten Teil des leichten Sommerfilms kommen dunklere Thrillertöne auf und die erotische Spannung entlädt sich im mörderischen Affekt. Doch zum Ende klart alles wieder auf und harmonisch aus.

Diese Komödie, die Thriller werden will, bleibt tatsächlich durchgehend recht übersichtlich - um es freundlich zu sagen: Der elegante Pariser Star-Anwalt Bertrand Beauvois (Fabrice Luchini) bekommt nicht nur die Jury im Gerichtssaal immer rum, auch bei Frauen hat er, obwohl er sich schon mitten in der Lebensmitte befindet, Erfolg. Allerdings scheut er sich, seine charmanten Eroberungen auch sexuell auszukosten und entzieht sich wortreich dem Vollzug. Ganz anders der Leibwächter, der ihm wegen der Mafia-Nähe seines Verfahrens in Monaco zugeteilt wird: Christophe (Roschdy Zem), der knackige Typ mit dem südländischen Teint, nimmt die Frauen leicht und wie sie kommen. So übernimmt er auch mal eine zu anhängliche alte Verehrerin des Maitre Beauvois. Alles ändert sich mit dem Auftreten von Audrey Varella (Louise Bourgoin), der blonden Wetterfee des monegassischen Fernsehens. Bertrand verfällt Audrey, lebt auf, macht verrückte Dinge und seine morgendlichen Auftritte im Gerichtssaal spiegeln ziemlich komisch die Erlebnisse der letzten Nacht. Nun kann der einst steife Anwalt die emotionale Tat seiner reifen Klientin (Chabrol-Star Stéphane Audran), die einen jungen Liebhaber brutal ermordet hat, verstehen und blumig schildern.

Fabrice Luchini („Intime Fremde“ 2004, „Männer und Frauen - Die Gebrauchsanleitung“ 1997) gibt den verliebten Trottel Bertrand, der mit großen Augen den albernen Geschichten des naiv scheinenden Blondchens lauscht. Der jungen Frau, die als Handy-Klingeln das Hinterher-Pfeifen irgendwelcher Männer benutzt und die immer viel zu knapp bekleidet ist. Er folgt ihr überall hin, ist allerdings auch irritiert von der Leichtigkeit, mit der sie sich hingibt und für die Karriere verkauft. Zuerst scheint es kein Problem zu sein, dass der Leibwächter Christophe schon mal was mit der Fernseh-Mieze hatte und nicht besonders positiv von ihr redet. Eine Stunde lang lässt man sich verführen, dann kommt Thriller-Musik auf, der Film zeigt sein wahres Gesicht: Auf den Straßen, die schon Grace Kelly verunglücken ließen, lässt die Liebe tief stürzen. Die Tat ist relativ schnell klar, nur die Folgen irritieren ein wenig. Ein wenig, nicht mehr, denn ordentlich aufgereiht wie die klar abgegrenzten Figuren - unsinnlicher Intellektueller, Latin-Lover, blonde Verführerin - bleiben auch Emotionen und Motive. Eine klare Sache. Urteil: Sommer-Film.

Ice Age 3 - Die Dinosaurier sind los


USA 2009 (Ice Age: Dawn Of The Dinosaurs) Regie: Carlos Saldanha 94 Min. FSK    o.A.

Es war einmal in einer fernen, kalten Eiszeit. Da gab es viel Spaß, verrückte Charaktere, irre Ideen und rasante Animationen. Doch das ist nun Vergangenheit, denn irgendwo zwischen Film 2 und Film 3 sind den Machern die Ideen endgültig ausgegangen und so schickt man die Truppe um Mammut Manni, Säbelzahn-Tiger Diego und die beiden Opossumbrüder auf einen wenig originellen Familien-Ausflug in den „Jurassic Park“. Diese Vorlage als Hintergrund vieler guter Gags wäre noch ok gewesen, doch dass „Ice Age“ statt mit echt animiertem Eis und Schnee jetzt alles mit dem übersüßen Zuckerguss von Disney-Filmen überzieht, verdirbt den Spaß nachhaltig.

Schon die erste Szene nach der klassischen Einführung durch den heimlichen „Ice Age“-Star Scrat, der als Säbelzahn-Eichhörnchen der Vorzeit wie immer auf der Jagd nach der einsamen Eichel wild durch die Handlung turnt, lähmt mit der Schwere irgendwelcher Beziehungs- oder Familiendramen. Unter viel zu langen Dialogen stellt sich heraus, dass Manni und Ellie Nachwuchs bekommen und der Säbelzahntiger Diego deshalb die große Familie schräger Gestalten verlassen will. Der klassische Pärchen-Alarm halt. Auch das Faultier Sid (nervig synchronisiert von Otto) will nun unbedingt Familie spielen, findet auch drei ziemlich große Eier und als die Dinosaurier-Babies geschlüpft sind, kommt das Abenteuer endlich in die Gänge. Die Dino-Mama entführt Sid und die Freunde entdecken beim Rettungsversuch unter ihrer wohlvertrauten Eiszeit eine tropische Landschaft voller Dinosaurier.

Dieser klassische Einstieg in verschollene Welten ausgestorben geglaubter Riesenwesen beeindruckt nur minimal, denn es waren immer die Figuren, die „Ice Age“ den Schwung, den Humor und die Sympathien einbrachten. So ist die größte Entdeckung in dieser „Lost World“ das einäugige Wiesel Buck - eindeutig ein entfernter Verwandter von Johnny Depps wirrem Piraten aus der Karibik. Bucks Führung durch das Land der Riesentatzen und der fleischfressenden Pflanzen bringt den Film wieder auf die richtige Bahn. Bald sorgen rachsüchtige T-Rexe, wabernde Lava-Ströme und hinterhältiges Lachgas wieder für das bekannte Tempo bei hoher Ereignis- und Witz-Dichte.

Doch nicht einmal die ganze zweite Halbzeit zieht „Ice Age 3“ voll durch, weit vor dem Ende greift die Rührseligkeit wieder Raum, jeder soll Tränchen zerdrücken. Die Kapitel Familie und Freundschaft müssen wortreich abgehandelt werden und selbst die Scat-Episoden geraten sehr lieblich, wenn sich ein raffinierter Gegnerin im Kampf um die Eichel zur Partnerin wandelt.

So bricht einem als „Ice Age“-Fan angesichts dieser Verirrung in das Disney-Neolithikum das Herz ebenso wie der einsamen Eichel, die vom liebestollen Scrat links liegen gelassen wird.

24.6.09

Auf der Suche nach dem Gedächtnis - Der Hirnforscher Eric Kandel


BRD 2008 (Auf der Suche nach dem Gedächtnis - Der Hirnforscher Eric Kandel) Regie: Petra Seeger 95 Min.

Wie könnte man besser von Gedächtnis und Erinnern erzählen als mit einem Nobelpreisträger auf diesem Gebiet, der sich an seine Kindheit erinnert: Eric Kandel ist ein grandioser Erzähler und Erklärer, ein umwerfend humorvoller Mensch und nebenbei auch Nobelpreisträger. Dieser ältere Herr weiß und kennt enorm viel, eine elektrisierende Erfahrung, die nur wenige Menschen hervorrufen können.

Der wunderbare Dokumentarfilm geht zurück in Kandels Kindheit in Wien, erzählt vom Antisemitismus und von Vertreibung durch die Nazis. 1939 flieht der elfjährige Eric mit seinem Bruder nach New York, dort wird der wissbegierige Junge ein Stipendium für Harvard erhalten und nach einem kurzen Ausflug in die Psychiatrie auf dem Gebiet der Neurobiologie wegweisende Entdeckungen machen. Was beim Lernen in unseren Köpfen passiert erklärt Kandel zwischendurch und nebenbei. Mit spannenden Animationen kann man hochkomplexe wissenschaftliche Erkenntnisse beobachten. Sehr schön ist auch, wie der Film über persönliche Erinnerungen bei einer Reise nach Europa immer wieder praktische Beispiele liefert - was Kandel auch direkt erkennt und darlegt.

Die Fähigkeit eine Idee zu kommunizieren, sei wichtiger als die Idee selbst, heißt es irgendwann. Nicht nur Eric Kandel beherrscht diese Kunst, auch die Regisseurin Petra Seeger ist ganz gut darin. Es ist rührend, wie vertraut Regisseurin und Kandel miteinander umgehen. Dass er am Ende des Films im Wien, das ihn einst verjagt hat, vom Bundeskanzler Willkommen geheißen wird, findet er ironisch, befriedigend und vor allem heilsam.

Denn „Auf der Suche nach dem Gedächtnis“ erzählt auch eine Geschichte vom grausamen Mord an Millionen Juden. Und Kandels Forschung ist ohne die persönliche Tragödie nicht denkbar: In einer sehr bewegenden Szene meint Kandel, nein, er denke nicht täglich an die Vergangenheit. Nicht täglich, aber er versuche immer, so gut wie möglich zu forschen. Sein Weg also, mit dem Schmerz umzugehen. Wenn der Film das Thema Judentum berührt, zeigt er uns auch einen weinenden Kandel - „Schwer zu sein a Jid“, meint er dazu mit seinem sympathischen Humor.

Der in jeder Hinsicht gelungene Dokumentarfilm verbindet diese Sphären. Und wenn man dann auch noch schön grafisch dargestellt erlebt, wie Lernen aussieht, macht dieser unterhaltsame und durch eine persönliche Begegnung lehrreiche Film noch mehr Spaß.

Home


Schweiz, Frankreich, Belgien 2008 (Home) Regie: Ursula Meier mit Isabelle Huppert, Olivier Gourmet, Adélaïde Leroux 97 Min.

Eine Familie campt am Straßenrand - das wirkt sehr kurios, lässt schmunzeln und staunen, entwickelt sich aber in immer wieder neuen, raffinierten Szenen, Bildern und Wendungen zum ebenso vielschichtigen wie verstörenden und faszinierenden Mix aus Psychodrama, böser Satire und schwarzem Humor. Ein einzigartiges Meisterwerk, das mit Isabelle Huppert und Olivier Gourmet auch noch besonders reizvoll besetzt ist.

Willkommen bei Marthe, Michel und ihren drei Kindern. Sie leben in einer witzigen Idylle an einer stillgelegten Autobahn. Eine ungewöhnliche, nicht normierte, nicht angepasste Familie. Das Leben ist wie ein Camping-Urlaub und irgendwann diesen Sommer wird der Pool auch noch fertig. Das Leben ist ausgelassen, verrückt. Die fünf bilden aber auch eine recht normale Familie mit normalen Problemen wie dem Protest der ältesten Tochter: Sie ernährt sich von Zigaretten, sonnt sich den ganzen Tag auf der Liege vor dem Haus und hört sehr lautstark extremen Hardrock. Die jüngere Tochter ist eher unsicher in ihrer Pubertät. Papa Michel kommt über einen Feldweg zuhause auf der Autobahn an und hört noch ein paar Klänge Jazz.

Das Haus an der ungenutzten Autobahn genießt die leere Weite, die Stille. Doch aus der Tiefe des Raumes kommt eines Nachts das Unheil. Wie Wesen von einem anderen Stern tauchen die Straßenarbeiter auf. Nach zehn Jahren wird die Autobahn eröffnet. Erst schauen Michel und sein Sohn noch erwartungsvoll nach dem ersten Auto: Kommt es von rechts oder von links, ist es rot oder grün? Dann bricht in diese kuriose kleine Welt das Chaos in Form von Blech, Lärm und Gestank ein. Die Kinder kommen nicht mehr auf die andere Seite und nicht mehr zur Schule. Die Katze wird angebunden. Der nächtliche Transport einer Tiefkühltruhe wird zum existenziellen Abenteuer, langsam kriecht die Angst vor dem nächsten Auto unter die Haut und wenn man kein Auto hört, ist es geradezu unerträglich.

Die Mutter versucht zwanghaft ihre Normalität aufrecht zu halten, bricht aber zuerst zusammen angesichts dieses Einbruchs in ihre Privatsphäre. Sie erholt sich auf einem Meter zwischen zwei Betonwänden hinter dem Haus. Die Szenen zeigen spielerisch verschiedenste Formen der Isolation: Während Schutzanzüge, Taucherbrille und Ohrenstöpsel noch komisch wirken, zieht sich der Film immer mehr um einen zusammen. Das Klaustrophobische tritt einem in so vielen Bildern entgegen, dass man ihm immer weniger entfliehen kann und mit der Familie um Luft ringt.

In einer gänzlich neu verrückten Situation legt ein Stau den Urlaubsverkehr vor dem Garten lahm. Dann werden die vom Verkehr Überrollten zu Höhlenmenschen, haben endlich ihre Ruhe, aber keine Frischluft mehr. Der Wahnsinn bricht endgültig aus in diesem Film, der einen schon die ganze Zeit nervös gemacht hat.

„Home“ schildert eine verrückte Situation, die trotz aller Absurditäten sehr viel Sinn macht: Auf einer ersten Ebene ist erschreckend, dass der unerträgliche Endzustand unser normales Leben ist. Heutzutage gewinnt kein Mensch mehr ein Rechtsstreit gegen eine Straße. Denn dort bewegt sich irgendwie das Allgemeinwohl. Doch abgesehen von solch simpler Gesellschaftskritik hat „Home“ die existenzielle Tiefe eines Haneke-Films. Irgendwo in diesem „Traffic“-Stau mag auch Jacques Tati mit seinem Wohnmobil stehen. Aber nur die Standbilder beider Filme sind vergleichbar. Während der alte Franzose die Absurdität als Komödie auf die Spitze treibt, wird bei der Schweizerin aus der seltsamen Situation ein komischer und irritierender Albtraum.

Transformers - Die Rache


USA 2009 (Transformers: Revenge Of The Fallen) Regie: Michael Bay mit Shia LaBeouf, Megan Fox, Rainn Wilson, John Turturro 147 Min.

In einem galaktischen Kampf gigantischer Metallmaschinen vom Planeten Cybertron ist die Erde ein beliebter Spielort. Während die Decepticons nur das Böse wollen und sich ihr Führer sogar die christliche Legende vom gefallenen Engel angeeignet hat - oder war es umgekehrt? - beschützen die Autobots die Menschen. Ihr wichtigster Helfer dabei ist der blasse amerikanische Teenager Sam, denn eine allmächtige Maschine mit unfassbaren Kräften, die jede Form annehmen kann, will ja auch nicht alles alleine machen. Ein paar Angriffe der Bösen werden mit vielen Explosionen und kollateralen Zerstörungen abgewehrt, doch dann kündigt die US-Regierung, wie immer stellvertretend für die ganze Menschheit, die Zusammenarbeit. Nun haben die Schurken von Auswärts die Oberhand, ihr Boss Megatron wird wiederbelebt und nur besiegt den Autobot Optimus. Jetzt können nur noch Sam und seine Freund die Menschheit retten…

Auffällig ist bei „Transformers 2“ vor allem, dass trotz des Einsatzes von Action-Regisseur Michael Bay, der schon den ersten „Transformer“-Film inszenierte, die Action-Szenen nicht besonders beeindruckend sind. Auch bleiben die mächtigsten Transformers trotz enormen Fortschritts in der digitalen Animationstechnik noch immer recht lichtscheu. Im Dunkeln wirken dann die roten Terminator-Augen mit der dunklen Stimme und den zerklüfteten Gesichtern, die immer gerne so böse wie das Alien schauen würden.

Die nächste Enttäuschung stellen die Darsteller dar: Sam ist immer wenn es nicht knallt und kracht ein uninteressantes Jüngelchen, das lahme Witze macht. Seine Freundin ist ein laufendes Playboy-Centerfold, aber dieses Wesen vom Stern Feuchterjungenstraum ist trotzdem ängstlich eifersüchtig auf das langweilige Kerlchen. Erst als John Turturro als italienischer Metzgermeister und durchgeknallter Alien-Fan in die zweite Hälfte der Handlung eingreift, merkt man, dass Schauspiel einem Film auch ganz gut tun kann. Durch den Film weht nun viel Wüstensand und es halt der Ruf „Nach Akaba“. Wahrscheinlich weiß nur Produzent Spielberg, dass dies kein Zitat von Indiana Jones ist.
 
Der Rest ist ein erschreckend holperig zusammengeschustertes Durcheinander von kindischem Klamauk, asiatischer Kampftechnik in der Heavy Metal-Version, pubertären Witzchen, Werbeeinblendungen für den Militarismus und vor allem Action, bei des nicht nur knallt und kracht, sondern auch quietscht und knirscht, weil sich die Transformers ja immer verwandeln müssen. Sonst wären sie keine Transformers. Sinnvoll ist das fast nie. Weshalb ein hochhaushoher Kampfroboter auf messerscharfen Rollerblades bei Verfolgungsjagden immer mal wieder zu einem stinknormalen und viel langsameren Laster werden muss, erklärt die Handlung nicht. Vielleicht erklärt es das Grundkonzept des Films: Denn als zweiter Produzent taucht direkt der Spielzeug-Hersteller Hasbro auf. Nicht von einem fremden Planeten sondern aus einer asiatischen Spielzeug-Fabrik stammen die ursprünglichen Transformers. Sie begeisterten vor mehr als zwanzig Jahren die Kids, Comics und Filme lieferten der Fantasie Nachhilfe. Denn so rasant und vielfältig wie bei den millionenschweren Animationen klappt der Wandel vom Auto zum Roboter bei Model aus dem Spielzeugladen selbstverständlich nicht.

Zurück zum Film: Der Einsatz vom Produzenten Steven Spielberg lässt sich mühsam höchstens mit einigen Einlagen erklären, die was von der Kindlichkeit eines „E.T.“ haben. Man kann ihn drehen und wenden, umbauen und auf den Kopf stellen - trotz der immensen Werbeausgaben bleibt „Transformers“ irgend so ein amerikanisches Jugendfilmchen, das vielleicht sein Geld wieder einspielt, ganz bestimmt aber den Plastikverbrauch in dieser Welt kräftig ankurbelt. Hoffen wir, dass die Transformers im Kinderzimmer länger halten als die Erinnerung an diesen unnötigen Film.

23.6.09

Crossing Over


USA 2008 (Crossing Over) Regie: Wayne Kramer mit Harrison Ford, Ray Liotta, Ashley Judd 113 Min. FSK ab 16

Geschichten über die schrecklichen Dramen an den Wohlstandsgrenzen dieser Welt gibt es eine Menge. Obwohl Europa sich erfolgreich um Abschottung bemüht und allein an den Stränden des Mittelmeers ausreichend Flüchtlings-Leichen vom Erfolg der Regierungsmaßnahmen künden, ist im Film die nahe bei Hollywood gelegene Nordgrenze Mexikos das Menetekel für das Unrecht dieser Schranken. So erscheint „Crossing Over“ geradezu als „Worst of“, als Sammlung der schlimmsten Fälle solcher Einwandererschicksale. Auf maximale Wirkung konstruiert, können diese Episoden um die Stars Harrison Ford und Ashley Judd nicht unberührt lassen.

Eine typische Razzia gegen „illegale“ Einwanderer und Schwarzarbeit. Die panischen Arbeiter werden eingefangen und abtransportiert. Nur der ältere Beamte Max Brogan (Harrison Ford) lässt das Flehen einer jungen Mexikanerin nicht unberührt. Nach langen Kämpfen mit seinem Gewissen, kümmert er sich um deren Kind, obwohl sein Spanisch nur rudimentär ist. Max ist der Frauenversteher im Ensemble. Auf der anderen Seite der Sympathie-Antipathie-Skala steht Cole Frankel (Ray Liotta), der eine Schauspielerin aus Neuseeland zu sexuellen Dienstleistungen erniedrigt, indem er ihr, eine Arbeitsgenehmigung verspricht. Eine Schülerin aus Bangladesch macht sich Gedanken über die Motivation der 9/11-Attentäter und wird sofort mit ihrer ganzen Familie abgeschoben. Ein koreanischer Jugendlicher steht kurz vor der Einbürgerung, überfällt aber mit einer Gang einen Supermarkt. Ein sarkastischer Musiker, der zwar Atheist ist, aber Jobs in jüdischen Einrichtungen haben will, versucht im Schnellkurs Jude zu werden. Eine rebellische Iranerin liefert ambivalente Ansichten zu Heimat und Fremde.

Wenn man solche Geschichten öfters gesehen hat, von ihnen gehört hat, wirkt „Crossing Over“ wie ein Best Of - oder eher, wie die rührendsten Szenen vom Schlechten diesen (Einwanderungs-) Welt. Doch die Stellungnahme von Autor-Regisseur Wayne Kramer ("The Cooler")ist deutlich und bewegend. Er zeigt, wie schwierig es ist, seine Stimme zu erheben gegen das gerade aktuelle Feindbild, selbst wenn die Stimme die Wahrheit sagt. Er lässt die Brutalität und Kälte spüren, von zynischen Sicherheitsbehörden, die ein Mädchen in ein Land deportieren, dessen Sprache sie nicht spricht, die Familien auseinander reißen. Die Schauspielerin kann der Zwangslage nur entfliehen, indem sie noch kälter als ihr Ausbeuter wird. Ihr Freund verurteilt sie dafür, aber er verkauft sich selbst als gläubiger Jude.

Die Verbindungen zwischen den einzelnen Geschichten sind nicht ohne zynischen Hintersinn: Bei einer Schießerei stehen sich in Person des Einwanderungsbeamten iranischer Abstammung und des koreanischen Räubers auch zertrümmerte Familienwerte im Duell gegenüber. Regisseur Kramer klagt an und huldigt gleichzeitig den Moment des Treue-Eids der neuen Staatsbürger als Moment der Wahrheit, in dem der feine Anwalt, der einen „Ehrenmord“ an seiner Schwester begeht, verhaftet wird.

Flash of Genius


USA 2008 (Flash of Genius) Regie: Marc Abraham mit Greg Kinnear, Lauren Graham, Andrew Gillies 120 Min. FSK o.A.

Wisch Wisch. Pause. Wisch Wisch. Pause. Wisch Wisch. Pause … Man muss sich tatsächlich in eine andere Zeit versetzen, um die in regelmäßigen Intervallen geleistete Wischarbeit eines Scheibenwischers auf der verregneten Windschutzscheibe eines Autos als besondere Erfindung zu begreifen. Mittlerweile kontrollieren Sensoren, ob denn überhaupt und wie viel Regen wegzuwischen ist. Das verkauft die Werbung mit dem Stern als eigene Erfindung und man fragt sich nach diesem Film dringend, wem die das denn wohl geklaut haben. Denn der Erfinder der Pausen zwischen dem Wisch und dem nächsten Wisch, Robert Kearns (1927 – 2005), kämpfte zwölf Jahre gegen die amerikanische Automobilindustrie, um seinen Beitrag für die freie Sicht der Menschheit auf überfüllte Straßen anerkannt zu bekommen. Dabei verlor er fast den Verstand und sein Familienglück. Doch der Hollywood-Film sorgt auch bei dieser kuriosen Geschichte für den runden Verlauf und ein versöhnliches Ende.

In den Sechzigern hatten die großen Autohersteller von Detroit, die heutzutage absurd hohe Abwrackprämien vom Staat kassieren, nur das beste Image. Sogar der Gottesdienst wurde von der Automobil-Industrie bestimmt. Einer der kindlichen Bewunderer von Ford, Robert Kearns (Greg Kinnear), ist Familienvater, Ingenieur und doziert über Ethik in der Wissenschaft. Irgendwann wundert er sich, weshalb Scheibenwischer nur wischen oder nicht wischen können, denkt eine Weile nach, lötet etwas herum und hat den Prototypen eines Wischers, der auch mal Pause machen kann. Die geniale Weiterentwicklung muss nun nur noch den großen Autokonzernen verkauft werden, die selbst bislang keine Lösung für das Problem finden konnten. Nachdem erste Gespräche mit Ford hoffnungsvoll verlaufen, werden die Verhandlungen plötzlich abgebrochen und bald findet sich Roberts Erfindung in ersten Luxus-Modellen und irgendwann in jedem Auto weltweit. Er selbst erhält keine Honorierung und erfährt keine Anerkennung. Nun beginnt ein Anfechten dieser Entwicklung, das Drama eines Don Quixote, dessen Windmühle ein Scheibenwischer ist. In seinem verzweifelten immer wahnsinniger werdenden Kampf klaut er sogar Scheibenwischer-Motoren aus fremden Autos und landet in einer Nervenheilanstalt.

Die Zeiten haben sich verändert, ein Scheibenwischer, der in unterschiedlichen Geschwindigkeiten wischt, haut keinen mehr vom Hocker. Die im Film glorifizierte, ja vergötterte Automobil-Industrie läuft nur noch als Maschine zum Geldvernichten. Was kann am Konstruieren eines Scheibenwischers also auch nur annähernd interessant sein? Zum Beispiel wie Robert Kearns zusammen mit seinen Söhnen im Hobbykeller werkelt, wie er die Konstruktion einfach hält und dass es eine Ästhetik auch im technischen Design gibt. Dann müsste man noch gutes Schauspiel anschließen, damit das Drama funktioniert. Und es funktioniert dank Greg Kinnear. Sein Kearns ist einerseits beängstigend fixiert auf seine Ideen, dann aber auch herzerfrischend menschlich mit kleinen Scherzen, die keiner von ihm erwartet. „Flash of Genius“ ist auch - obwohl es eine wahre Geschichte ist - ein Hollywoodmärchen davon, wie Robert seine Familie verliert und wiederfindet. Zumindest teilweise. Und sich wieder freuen kann, Regentropfen auf einer Scheibe zu sehen.

„Tucker“ von Francis Ford (sic!) Coppola erzählte eine ähnliche Geschichte vom vergeblichen Kampf eines Individualisten gegen die übermächtige Automobil-Industrie. Und ließ den Individualisten Coppola wieder einmal fast pleite gehen. Da steckte etwas mehr drin, aber emotional wirkt „Flash of Genius“ besser, wurde bis zur Serienreife auf die internationalen Kinos feingetunt. Jetzt könnte man eine Geschichte über die Big Five, die großen Filmproduktionen erzählen. Doch vielleicht warten wir noch eine Weile und dann sind auch sie gar nicht mehr so „big“. Die unflexible Reaktion auf die digitale Revolution scheint das zu prophezeien.

17.6.09

Diamantenhochzeit nominiert für Förderpreis Deutscher Film


Kurz nach Fertigstellung wurde die größtenteils im Aachener Jakobsviertel und mit Förderung der Filmstiftung gedrehte Komödie „Diamantenhochzeit“ gleich dreifach für den mit 60.000 Euro dotierten „Förderpreis Deutscher Film“ nominiert. Sowohl der Regisseur Michael Kupczyk als auch der Hauptdarsteller Jörg Pohl und der aus Aachen stammende Drehbuchautor Georg Piller könnten so bekannten Preisträgern wie Sönke Wortmann ("Allein unter Frauen"), Hans-Christian Schmid ("23") oder Marcus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt, ist länger tot") nachfolgen. Der ebenfalls aus Aachen stammende Produzent Peter Kreutz, dessen Firma „Aquafilm“ in Köln residiert, erhielt die sensationelle Nachricht beim Filmfest München, wo die rasante Komödie um eine Hochzeit, eine Leiche und einen Diamanten-Deal ihre Premiere feierte. Am 1. Juli 2009 werden die Preisträger des Jahres 2009 bekannt gegeben.

Contact High


Österreich, BRD 2009 (Contact High) Regie: Michael Glawogger mit Michael Ostrowski, Raimund Wallisch, Detlev Buck 100 Min. FSK ab 16

Die Erklärung für den Titel ist ebenso verquer wie der Film selbst: Wenn einer der Freunde Max und Johann Drogen nimmt, ist auch der andere high, eben „Contact High“. Dass die seltsame Erscheinung auf einer Verwechslung beruht, die tief aus der Klamottenkiste des Klamauk-Theaters stammt, macht aber nichts bei dieser sehr, sehr, sehr schrägen Komödie. So kann man den Machern bescheinigen, „Contact High“ ist die beste „Psychadelic Road Movie Western Komödie“ aller Zeiten in diesem von ihnen gerade herbei fantasierten Genre.

Michael Glawogger sieht sich als Österreicher gern in der Fremde um: „Workingman's Death“ hatte einen seltsamen, häufig kritisierten Blick auf das Elend dieser Welt. „Slumming“ setzte den Österreicher Paulus Manker bösartig jenseits der Grenze zu Tschechien aus, auf dass er poetisch verloren gehe. Nun ging eine Tasche mit mysteriösem Inhalt in Polen verloren und ein ganzer Trupp schräger Gestalten macht sich auf die Suche, um letztendlich irgendwas anderes zu finden.

Ein Gangster-Boss gibt den Auftrag zur Gepäck-Wiederbeschaffung an den schulen Automechaniker Harry (Detlev Buck), der seinerseits den durchgeknallten Zuhälter Schorsch (Georg Friedrich) los schickt. Der untervermietet den Job an die Haschkeks-Köchin Mao (Pia Hierzegger), die wiederum die komischen Imbissbuden-Typen Max (Ko-Autor Michael Ostrowski) und Johann (Raimund Wallisch) nach Polen beordert. Irgendwann befinden sich alle auf einem Road-Trip und sind high. Dass sich die Komödie uralter Taschen-Verwechslungen bedient, tut im Rausch bunt animierter und verfremdeter Visionen nix mehr zu Sache.

Michael Glawogger gelang ein Kuriositäten-Kabinett, in dem auch die Darsteller Ausstellungsstücke sind. Der afrikanische Albino konkurriert nicht nur mit dem alleralbernsten Nordlicht Detlev Buck. „Contact High“ präsentiert die spaßige Seite vom Fremdsein und sie sieht aus wie „Fear and Loathing in Las Vegas“, klingt in vielen Dialogen wie Tarantino, wenn er in Niederösterreich geboren worden wäre. Die relaxte Ziellosigkeit, die sich ausbreitet, erinnert an „Big Lebowski“, das Surreale an die besten Kusturica-Szenen. Auch wenn man am Anfang noch nichts von der Dröhnung merkt, baute Glawogger nicht nur einen sympathisch spaßigen Film, sondern auch die interessantesten  Drogentrips der alpenländischen Arthaus-Kinos seit Kiffer-Gedenken mit einem schön eigenwilligen Soundtrack als besonderen Kick.

State of Play


USA 2009 (State of Play) Regie: Kevin Macdonald mit Russell Crowe, Ben Affleck, Rachel McAdams 127 Min. FSK ab 12

Ein hoch spannender Polit-Thriller im klassischen Stil. Ein Star-Film, der mal sorgfältig inszeniert wurde und richtig gut funktioniert. Ein kluger wie aktueller Beitrag zur Zukunft von Qualitäts-Journalismus zwischen Zeitungskrise und Online-Hype. „State of Play“ erfüllt alle Wünsche, die man an gute, spannende Kino-Kost stellte.

Der irische Journalist Cal McCaffrey (Russell Crowe) ist mit seinen lässigen Klamotten und dem alten Saab das Klischee des altmodischen Reporters in Fettdruck. Für den Washington Globe recherchiert er zu einem vermeintlichen Mord im Drogenmilieu, doch schnell ergibt sich eine Verbindung mit der jungen Frau, die vor eine U-Bahn gestoßen wurde. Sie war Assistentin und Geliebte eines alten Freunds von Cal. Collins (Ben Affleck) ist nun  Kongressabgeordneter und befragt in einem Untersuchungsausschuss des Kongresses knallhart die privatwirtschaftlichen Söldner-Firmen, die im Irak und Afghanistan das Image der USA noch ein wenig mehr in den Dreck gezogen haben. Bei dieser heiklen Recherche voller Loyalitätskonflikte muss sich Cal auch noch mit der jungen Onlinekollegin (Rachel McAdams) sowie mit Collins Frau (Robin Wright Penn) auseinandersetzen, die einst seine Geliebte war. Derweil lauert ein Killer im Hintergrund...

Es hätte nicht einer extrem spannenden Szene in der Tiefgaragen bedurft, um an "Die Unbestechlichen" zu erinnern. Genügend Hinweise zum Watergate-Hotel erfüllten diese Aufgabe bereits. Und „State of Play“ kann sich ruhig mit dem Klassiker in Sachen Journalistenfilm und Polit-Thriller messen. Vorlage für diesen in jeder Hinsicht gelungenen Qualitätsfilm war eine sechsteilige Miniserie der BBC, die gekonnt komprimiert wurde.

Die angeklagten Firmen profitierten vom Goldrausch im Sicherheitsgewerbe, der auf den angeblichen Muslim-Terror aufbaut. Sümmchen von 30-40 Milliarden Dollar und die gefährliche Privatisierung von Sicherheit sind im Hintergrund hochpolitische Themen, die ansonsten nur Michael Moore in seinen Dokus anfasst. Und da alles zusammenhängt ergibt sich am Ende eine Geschichte aus Geschäft und Gefühl, aus Politik und Verrat, die uns nach der Guillaume-Affäre um Willy Brand gar nicht so unwahrscheinlich vorkommt.

„State of Play“ begeistert auch mit einer Super-Besetzung: Neben Russell Crowe, der viel Gewicht und eine enorme Leinwand-Präsenz wirft, beeindruckt die scheidungs-geübte Robin Wright Penn als Ehefrau des Kongress-Abgeordneten und Ex-Geliebte des Journalisten Cal. Helen Mirren hat als Chefredakteurin mit scharfen Blick und messerscharfer Intelligenz eine Paraderolle.

Konstant pressiert nicht nur die „Deadline“ des Redaktionsschlusses, auch die finanzielle Situation der Zeitung will die Schreiber und die Schreibe beeinflussen. Delikat ist, dass die neuen Eigner des Verlages wirtschaftlich mit den im Kongressausschuss vorgeladenen Sicherheits-Firmen verbandelt sind. Da muss die Redaktion Rückgrat beweisen. Ob sie diesen Text jetzt auf Zeitungspapier oder Online im Blog lesen, macht nach der anfänglichen Meinung des Films einen Qualitätsunterschied aus. Nicht nur mit coolen Sprüchen („The coffee is free, so is the press“) und im gegeneinander vom alten Hasen des investigativen Journalismus (Crowe) und flottem Hasen der schnellen Online-Meldung (McAdams) wird die Zukunft der Print-Presse klug diskutiert. Er schreibt noch mit Kuli und Papier, sie tippt auf dem MacBook. Doch am Ende arbeiten sie zusammen und sorgen unter Druck des Redaktionsschlusses (klassischer Spannungstrick „Hold the press“) dafür, dass die Wahrheit in Form einer dicken Schlagzeile ans Tageslicht kommt.

16.6.09

Shopping-Center King


USA 2009 (Observe and Report) Regie: Jody Hill mit Seth Rogen, Anna Faris, Michael Peña 86 Min. FSK ab 12

Ronnie Barnhardt (Seth Rogen) ist Kaufhaus-Cop und Waffen-Narr, der sich beruflich aber mit Taschenlampe, Elektroschocker und Pfeffer-Spray unterfordert fühlt. Mit dem Auflaufen eines Exhibitionisten fühlt das etwas schwabbelige Muttersöhnchen, das entwicklungstechnisch zwischen Verlierer und Psychopath stecken geblieben ist, seine Chance gekommen. Ronnie hebt nach einer hochnotpeinlichen Verabredung mit einem komatös besoffenen Spatzenhirn völlig ab und bewirbt sich sogar bei der Polizei. Die dortige Psychologin analysiert treffsicher Wahnvorstellungen und ist damit so ziemlich die einzige Person mit etwas Verstand in diesem Film. Aber auch der coole Polizist (Ray Liotta), der von außen auf diesen „Fall“ angesetzt wird, verachtet den Kaufhaus-Clown standesgemäß und macht ihm mit viel Sadismus das Leben zur Hölle.

Doch genug des Handlungs-Leerlaufes, der sich vor allem sinnentleert zeigt: „Shopping-Center King“ ist die Idioten-Version richtiger Filme, die lahme Komödie soll die Geschichte eines Mannes sein, der ausrastet. Irgendwie wie DeNiro in „Taxi Driver“, nur hier ist alles lächerlich: Das Verbrechen, die soziale Umgebung eines Einkaufszentrums, die Gefühle für die falsche Frau. Soll man ernsthaft den Typen mit der Knarre verstehen oder bemitleiden, der alles „wegblasen“ will, nur weil sein Verstand nicht weiter als der Bauchumfang reicht?

„Shopping-Center King“ ist wieder ein Film mit einem Vollidioten in der Hauptrolle (und Seth Rogen spielt ihn nicht zum ersten Mal). Nur sind es nicht mehr Filme mit dem freundlichen Verlierer, der am Schluss endlich Anerkennung und das kleine Glück findet. Es sind Filme mit unsympathischen und sogar gefährlichen Idioten, die ihre Position durchaus verdienen. Und die bekommen trotzdem ihre Chance, was eine himmelschreiende Ungerechtigkeit ist - siehe Superstars. So knallt Ronnie am Ende den Exhibitionisten ab und bekommt dafür seinen Job zurück. Drückt das vielleicht die Hoffnung der Entscheider aus, für besonders viel Mist auch noch belohnt zu werden? Denn man fragt sich vor allem, wer solche Filme geschehen lässt. Immerhin kostet auch so ein Streifen einige Millionen. Und man stellt sich die Entscheider vor: Lauter infantile Seth Rogens in den Produktionsbüros Hollywoods ... jetzt wird die ganze Geschichte zum Horrorfilm.

Die Schimmelreiter


BRD 2008 (Die Schimmelreiter) Regie: Lars Jessen mit Peter Jordan, Axel Prahl, Katharina Wackernagel 94 Min. FSK: ab 6

Nein, nicht der Klassiker „Der Schimmelreiter“ nach Theodor Storm, der gerade geschickt platziert wieder auf DVD (bei Universum Film) herauskam, wird hier frisch aufgezäumt. Dieser Schimmel wacht nicht stolz auf den Deichen, dieser Schimmel versteckt sich in Imbissstuben und anderen Restaurationen hinter den Deichen Frieslands. Und der Gegenpart des Stormschen Deichgrafen ist ein Lebensmittelkontrolleur, der ästhetisch in den 50ern hängen geblieben ist, aber davon träumt, aus der dithmarschischen Provinz nach Hamburg versetzt zu werden.
Für diesen Traum nimmt er auch den Bruder eines dortigen Kontrollchefs auf. Nun ziehen ein Pedant und ein regelloser Menschenfeind gemeinsam durch die Provinz. Statt Suche nach dem Schimmel steht die Suche nach Verständnis auf dem Speiseplan dieses Genrefilms zwischen Road- und Buddy-Movie, der seinen Reiz aus der Figurenzeichnung und den lakonischen Typen des Nordens gewinnt. Neben dem Darsteller-Team aus Peter Jordan und Axel Prahl überzeugt nach „Am Tag als Bobby Ewing starb" erneut das Duo Lars Jessen (Regie) und Ingo Haeb (Drehbuch).

10.6.09

Che - Revolucion


USA, Spanien 2008 (Che: Part One - The Argentine) Regie: Steven Soderbergh mit Benicio Del Toro, Franka Potente, Benjamin Bratt 126 Min.

Che ist eine Ikone, ein omnipräsentes Druckmotiv, dem der Mensch abhanden kam. Eine Annäherung an den erfolgreichen und tragischen argentinischen Freiheitskämpfer Ernesto "Che" Guevara (1928 - 1967) vollzieht der geniale Regisseur, Autor, Kameramann und Produzent Steven Soderbergh mit einer durchaus aufwändigen Art des Guerilla-Filmens, aber vor allem mit einer perfekten Beherrschung scheinbar jeder Facette des Filmemachens. Die Befreiung Kubas von dem Diktator und der us-amerikanischen Marionette Batista ist in „Che - Revolucion“ auch durchaus eine Befreiung vom Filmstil Hollywoods mit unpassender Action und falschem Heldentum.

Der Revolutionsführer Ernesto „Che“ Guevara befreite an der Seite von Fidel Castro Kuba, scheiterte aber bei dem Versuch, das Regime Boliviens zu stürzen. Genau diese beiden Epochen im Leben des argentinischen Arztes, Freiheitskämpfers, Politikers und Idols schildert Steven Soderbergh in dem zwei Teilen seines viereinhalbstündigen Epos „Che“, das man bei der Premiere in Cannes 2008 noch zusammen durchleben konnte - unterstützt von militärischer Marschverpflegung.

Nun war das Leben des Che ereignisreich genug, aber der unabhängige amerikanische Regisseur Soderbergh vermeidet schon in „Che - Revolucion“ jedes Klischee, zeigt vor allem im zweiten Teil „Che - Guerrilla“ den Guerilla-Kampf als harte Arbeit, als Dschungelcamp mit Schule, Arzt und strenger Disziplin. „Che - Revolucion“ beginnt 1956, als sich Che zusammen mit Fidel Castro und anderen kubanischen Exilanten per Schiff auf den Weg nach Kuba macht. Der Asthmatiker Che erweist sich als treuer Gefährte und kluger Stratege für den Zigarren paffenden Castro. Zwei Jahre dauert der Kampf bis Batista flieht. Die folgenden regierungsinternen Differenzen, die Che schließlich aus Kuba verschwinden lassen, deuten sich in Szenen an, die den Guerilla-Kämpfer als Regierungsmitglied in New York zeigen, wo er vor der UN sprechen wird.

In diesem packenden Kampf gegen den US-Imperialismus (auch der Bilder) wird gänzlich auf „Action“ verzichtet und trotzdem ist jede Minute hoch spannend. Benicio del Toro wandelt sich in jeder Faser zu Che und erhielt dafür schon Anfang des Jahres in Spanien einen Goya, den höchsten Filmpreis. Die Annäherung von del Toro, der in Walter Salles’ „Das Tagebuch des jungen Che“ noch dessen Freund spielte, ist so frappierend, dass man ihn sogar in historischen Fotos des echten Che zu erkennen glaubt. Was Franka Potente als Guerilla-Groupie und Matt Damon als Geheimdienstler in diesem spanisch-sprachigen Film zu suchen haben, muss in der Abteilung Insider-Scherze geklärt werden.

So wie man kaum glauben kann, dass Guevara mal Chef der Nationalbank und Industrieminister war, ist es mit Soderbergh schwer vereinbar, dass er die Hits „Oceans 11-13“ gedreht hat. Schließlich gewann der 1963 geborene Autorenfilmer schon 1989 mit dem typischen Programmkino-Erfolg „Sex, Lügen und Videos“ die Goldene Palme in Cannes. Und entschied sich in Zeiten ohne Kassenschlager wie „Erin Brockovich“ mit Julia Roberts oder „Out of Sight“ mit Jennifer Lopez, auf Guerilla-Art Filme zu machen, zum Beispiel den extrem schrägen „Schizopolis“, den wahrscheinlich noch weniger Leute gesehen haben, als Che bei seinem Bolivien-Desaster folgten. Diesen zweiten Teil „Che - Guerrilla“, in dem sich Soderbergh ganz auf die Vereinsamung Che konzentriert und der im radikalen Umsetzen fast „Che Guevara - das Bolivianische Tagebuch“ des Schweizer Filmemachers Richard Dindo  ähnelt, hätte man vielleicht besser direkt im Anschluss als eine Vorführung durchlebt und nicht erst in über einem Monat, am 23. Juli. Doch scheinbar lässt das die Verwertungsmaschine Kino nicht zu. Hier scheitert dann schließlich sogar der Kino-Revolutionär Soderbergh.

9.6.09

Kleine Verbrechen


Griechenland, BRD 2008 (Mikro eglima) Regie: Christos Georgiou mit Aris Servetalis, Vicky Papadopoulou, Antonis Katsaris 88 Min. FSK: ab 6

„My big fat greek wedding“ war die letzte erfolgreiche Komödie mit Griechen in der Hauptrolle, aber selbst „Alexis Sorbas“ war ja eigentlich kein griechischer Film. Ist es nun ein Verbrechen, leise zu zweifeln, wenn ein Komödienhit aus dieser Ecke angekündigt wird? „Kleine Verbrechen“ ist eine unaufgeregte Komödie mit einer kleinen Handlung und vielen sonnigen Inselbildern. Dass sie mit fast einer halben Million Euro aus deutschen und europäischen Fördertöpfen entstand, kann man nur mit der Urlaubsreife der jeweiligen Produzenten erklären.

Auf einer verschlafenen griechischen Insel betreibt der Polizist Leonidas seinen Job viel zu verbissen, denn es passiert echt nix und vor allem nichts Verbotenes. Als jedoch der alte Zacharias tot am Fuße der Klippen gefunden wird, erwacht der Kriminalist in Leonidas. Und die Liebe bricht aus, als dann noch die schöne TV-Reporterin Angeliki zur Trauerfeier kommt. Dass auch sie ein Geheimnis hat, soll dem undramatischen Geplänkel zwischen all den netten Leuten emotionale Tiefe verleihen.

Nett in durchaus geringschätziger Bedeutung kann man dies „Kleine Verbrechen“ an der eigenen Lebenszeit nennen. Nicht umwerfend komisch, nicht richtig griechisch, aber ganz toll sonnig! Wem die Urlaubsbilder von weiß gekalkten Häuschen und blauen Ornamenten misslungen sind, kann sich mit diesen Postkarten trösten. Die Handlung bemüht sich, dabei nicht sonderlich zu stören.

Obsessed


USA 2009 (Obsessed) Regie: Steve Shill mit Idris Elba, Beyoncé Knowles, Ali Larter 108 Min.

Weiblich, ledig, blond sucht - Ärger mit Beyoncé. Darum geht es in diesem ... Film. Genre-Bezeichnungen wie Thriller würden „Obsessed“ nur unverdient schmeicheln. Der Schwarz-Weiß-Film beschränkt sich, zu zeigen, wie eine blonde Verführerin den perfekten schwarzen Ehemann rumkriegen will und dafür am Ende Prügel von dessen Frau kassiert. Mehr ist echt nicht drin, selten gab es so wenig Inhalt fürs Eintrittsgeld.

Wie schützt sich ein Familienvater vor sexueller Belästigung? Dieses überaus drängende Problem unserer Gesellschaft wird durch „Obsessed“ leider nicht beantwortet. Denn obgleich Derek (Idris Elba), der gut aussehende, erfolgreiche Finanzmakler mit Frau, Kind, Auto und Eigenheim (alles sehr gut aussehend) richtig loyal, standhaft und treu bleibt, schafft es die blonde Aushilfssekretärin Lisa (Ali Larter) doch, ihn ins Bett zu bekommen.

Dieses Spielchen, dass sich der arme Mann des heftigen Bedrängens der bösen Frau nicht erwehren kann, dauert fast eine Stunde, ist höchstens albern und ziemlich unglaubwürdig. Er ist einen Kopf größer und mindestens 30 Kilo schwerer. Aber wir wissen ja, Verführung ist die wahre Gewalt. Da der Gute so standhaft ist, helfen nur KO-Tropfen.

Ebenso lange dauert es, bis Lisas Wahnsinn ans Tageslicht kommt. Dabei stellt sie sich nicht mal besonders raffiniert an. Derek dagegen schon richtig doof, so dass man sich die ganze Zeit fragt, weshalb er mit niemandem redet und sich von niemandem helfen lässt. Da stimmt und funktioniert einiges nicht auf der psychologischen Ebene.

Derek lässt sich dauernd in dämlichste Situationen versetzen. Zum Beispiel nachdem Lisa versucht hat, sich umzubringen, nimmt der unschuldige Gatte seine Frau mit zum Verhör bei der Polizei, wo sie erstmals von den Nachstellungen erfährt. Wie blöd kann ein Mann sein, wie krampfhaft kann ein Drehbuch das Drama gegen jede Wahrscheinlichkeit herbeizwingen?

Nach 80 Minuten, wenn gute Filme durchaus schon mit dem Abspann beginnen, geht hier erstmals die Post ab: Aus dem Vorspiel wird eine heftige Bedrohung, Popstar Beyoncé macht als resolute Ehefrau das, wozu sie in dem Film ist: Sie schlägt zurück und kämpf mit Fäusten und Krallen um ihren Mann. Allerdings hat der Film bis dahin so gelangweilt, dass dieser Zickenkampf nur noch eine Lachnummer ist.

Solche Filme gab es öfters, Michael Douglas wurde von Demi Moore „Enthüllt“, aber bei diesem Film ging es auch um Spionage, futuristische Kommunikationstechniken und firmeninterne Intrigen. Ein dichter Film also. „Obsessed“ ist von dem Gedanken besessen, mit einem Thema auszukommen, dabei sind die Darsteller schwächer, sie haben nicht das Potential, das Drama auszuspielen und die Inszenierung kann man höchstens mäßig nennen.

Nicht mal einen Hauch von Schuld oder schlechtem Gewissen gönnt der Film dem braven Derek. Wenn das eine neue Prüderie des Kinos wird, dann kann man ja gleich zum Häkelkurs gehen.

Drag Me to Hell


USA 2009 (Drag Me to Hell) Regie: Sam Raimi mit Alison Lohman, Justin Long, David Paymer 99 Min. FSK ab 16

Es quietscht und es knarrt. Katzen miauen schauerlich, Geigen kreischen, dass sich die Haare aufstellen. Das Küchengeschirr klappert, ein Windstoß weht alle Glühbirnen aus und dann springt ein böser Schatten die kreischende Blonde an. Tausendmal gesehen und trotzdem funktioniert es .... als lustiger Schauder von Altmeister Sam Raimi, der vor 25 Jahren den "Tanz der Teufel" inszenierte und zuletzt dem Spiderman das Fliegen beibrachte.

Die Saat des Kreditwesens gebiert teuflische Albträume: Gegen ihren ersten Impuls verweigert die ehrgeizige Bankangestellte Christine Brown (Alison Lohman) einer alten Zigeunerin eine Gnadenfrist bei der Pfändung ihres Häuschen. Die runzlige, stinkige alte Hexe verflucht daraufhin das eigentlich gutherzige Blondchen mit viel Spucke und heftiger Prügeleinlage. Schon im Vorspann sahen wir, dass nun bald ein Belzebub oder eine andere Ausgeburt der Hölle die brave Christine abholen wird. Damit wäre wohl auch die Beförderung im Eimer.

Wer solche Filme ernst nimmt, ist im falschen Theater. „Drag Me to Hell“ ist ein Gruselkabinett in dem Sinne, dass bekannte Kabinettstückchen des Gruselfilms vorgeführt werden. Es ist wie „noch mal Achterbahn fahren“ im Gegensatz zu einer neuen, wilderen, schnelleren Achterbahn. Sam Raimi geht mit seinen Zuschauern einen Pakt ein: Ich erschrecke euch ein wenig, aber nicht zu viel. Auf dieser Basis ist „Drag Me to Hell“ ein nettes Spiel mit leichtem Nervenkitzel.

Dass ein Schauer von Käfern und Kackerlacken mittlerweile auf dem Niveau von Dschungel-Camps angekommen ist, raubt dem Grusel-Spaß nur ein Register. Er bleiben noch genügend andere eklige Töne auf der Palette. Alison Lohman („Weißer Oleander“) überzeugt in allen möglichen Stimmungen von überambitionierten, braven Mädchen im Bankgeschäft bis zur todesmutigen Kämpferin gegen die Höllenmächte. (Wirklich irritierend dagegen ihr freundlicher Verlobter Justin Long, der eigentlich immer einen Mac-Rechner in der Werbung spielt.)

2.6.09

Public Enemy No. 1 - Todestrieb


Frankreich 2008 (Mesrine: L'instinct de mort) Regie: Jean-François Richet mit Vincent Cassel 133 Min. FSK: ab 16

Wieder beginnt es mit dem Ende und sehr blutig: Der Schwerverbrecher Jacques Mesrine wurde 1979 von der Polizei in Paris auf offener Straße hingerichtet und nachdem der erste Teil seiner schwer erträglich eitlen und brutalen Filmbiografie so etwas wie den „Aufstieg“ des Mörders, Bankräubers, Entführers und legendären Ausbrechers aufwendig bebilderte, könnte man jetzt im ausgedehnten zweiten Teil vom Niedergang reden. Da gesellschaftlicher Bodensatz nicht allzu viel Fallhöhe bietet, gesellen sich Wahnsinn und noch mehr Gewalt zu diesem Schwanengesang einer höchst problematischen (Film-) Figur.

Vor einer furchtbar hektischen Kamera setzt sich die Räuberpistole fort. Im Fokus der Großkotz Mesrine (Vincent Cassel), wie er erstaunlich dämlich Banken beraubt, seine Verhaftungen zelebriert und immer wieder spektakuläre Ausbruche hinlegt. Und weil er sich wirklich immer besonders dämlich an bei den Raubzügen anstellt, gibt es viele Gelegenheiten für Knalleffekte. Schon zu Lebzeiten wurde Mesrine als Clown angesehen, ein Mit-Flüchtling staunt nur noch angesichts dessen Hybris. Mesrine nimmt im späteren Verlauf seiner „Karriere“ nichts mehr ernst. Mit Panzerfäusten greift er ein Hochsicherheitsgefängnis an - erfolglos. Dann sieht er sich, inspiriert von den Roten Brigaden und der RAF als Revoluzzer. Die Piaf singt „Rien de rien“, der behauptete Existenzialismus steckt schon im Titel und spätestens hier ist der Film auch lächerlich. Als Mesrine einen missliebigen Journalisten zu Brei schlägt, hat der Film gänzlich verloren - nicht nur bei den Journalisten. Dass Rassismus gegen Algerier wenigstens formal den Kreis der psychologischen Grundstruktur Mesrine schließt, darf dem Film ebenso zu Gute gehalten werden wie die nette historische Auto-Revue. Wenn sich Mesrines Haupt voll Blut und Wunden zur letzten Ruhe neigt, die Glorifizierung auf eine unmögliche Spitze getrieben wurde, darf man sich endgültig abwenden von diesem im Grundsatz misslungenen Filmprojekt.

Top Job - Showdown im Supermarkt


USA 2008 (The Promotion) Regie: Steve Conrad mit Seann William Scott, John C. Reilly, Lili Taylor 86 Min.

Welche Konfrontation von Schauspiel-Typen: Da ist Blödel-Gesicht Seann William Scott, den man ohne Bedenken weiterhin mit „American Pie“ bewerfen kann. Und John C. Reilly, der von „Boogie Nights“ bis „Gangs of New York“ in immer wieder unterschiedlichen Rollen beeindruckte. Wenn Reilly mal Klamauk macht, wie in „Walk Hard: The Dewey Cox Story“, dann geht es gleich richtig zu Sache und bleibt keineswegs so allgemein verdaulich wie besagter „American Pie“.

Nun spielen beide Doug und Richard, Konkurrenten im den Job eines Geschäftsführers im neu zu eröffnenden Supermarkt. Dass beide noch als Assistenten an alter Stelle mit- oder gegeneinander arbeiten dürfen, könnte den Film in Schwung bringen, doch er geht nie wirklich los. Irgendwie fühlt sich dieser „Tob Job“ an wie ein Einkaufswagen, bei dem ein Rad blockiert und der nur in die falsche Richtung fahren will.

Doug und Richard sollen wohl zwei Verlierer sein, die sich für ihre lieben Frauen aufopfern. Der undurchsichtige Kanadier (das gilt in den USA schon als Witz) Richard hat dauernd Motivationskurse auf den Kopfhörern. Im überzogenen Ehrgeiz wird er zum Freak, während sich Doug im entscheidenden Moment entscheidet, ehrlich zu bleiben. „Wir versuchen alle nur, unser Essen zu finden“, lautet die banale Variante von Brechts „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral!“ Bis zum bitteren Ende wird dieser Gedanken selbstverständlich nicht geführt, alles löst sich in Wohlgefallen auf, nicht so klebrig-dramatisch wie in des Regisseurs Vorgänger „Das Streben nach Glück“, aber auch sonst irgendwie gar nichts. Vor allem nie auch nur im Ansatz komisch. Oder ist „Ich bin kein Lügner, ich bin ein Mann!“ vielleicht ganz subversiver Humor?

Der Kampf um einen Job ist ein hochaktuelles Thema - seit Jahrhunderten. Von der hyperrealistischen „Rosetta“ der Brüder Dardenne bis zu schrägen Varianten von „Neid“ bei Barry Levinson (mit Ben Stiller und Jack Black). Doch noch nie wurde er so uninteressant inszeniert. Während der Hauptakzent auf Scott liegt, wird das Vermögen von guten Schauspielern wie Reilly völlig verschenkt. Das ganze Gebilde bleibt gedankenarm, kritiklos, ohne Witz oder doppelten Boden. „Top Job“ ist unerträglich nicht wegen des unmenschlichen Drucks des Kapitalismus. Nein, die Zähigkeit der Story, die Weigerung in die Gänge zu kommen, das Duell, das nicht stattfindet, machen den Film zur Qual.

Hannah Montana - Der Film


USA 2009 (Hannah Montana - The Movie) Regie: Peter Chelsom mit Miley Cyrus, Billy Ray Cyrus, Vanessa L. Williams 102 Min. FSK: o.A.

„Hannah Montana“ ist einer dieser Filme, wo der Kritiker am besten gleich in einen anderen, guten oder richtigen Film geht: Wer die Disney-Kunstfigur Hannah Montana nicht von den TV-Serien kennt, die seit 2007 laufen, wird sich für dieses blonde Retorten-Popsternchen nicht die Bohne interessieren. Wer sich so etwas antut, wird wahrscheinlich auch noch die dazugehörigen CDs kaufen, die „Karriere“ von Hannah Montana/Miley Cyrus mit den vielen Merchandise-Produkten verfolgen und keine 100 Mädchen-Ponys mit geflochtener Mähne wird sie davon abhalten können, in diesen Film zu gehen. Jetzt braucht man nicht über den Verfall der Sitten zu schimpfen - auch Elvis hat solche Filme karrierebegleitend gedreht und selbst „ABBA“ hatten ihr „The Movie“.

Zwischen den Musikvideos des behaupteten „beliebtesten Mädchens der Welt“ läuft die immer gleiche Geschichte vom Star, der eigentlich ein einfacher Mensch ist. Mit dem Mini-Clou, dass Hannah tatsächlich ein einfaches Schulmädchen ist, das eher als dunkelhaariger Trampel durchgeht. Die typischen Träume vom Leben als Star sind bei ihr allerdings real. Nur der Vater und die Freundin wissen davon. Ansonsten läuft das Fanfilmchen für Kinder auf Autopilot, irgendwann wird man bei diesen Fließband-Produktionen einfach die Gesichter und die Musik digital austauschen, der Rest ist sowieso immer gleich.

Eine Sache stimmt allerdings ganz ernsthaft bedenklich: Muss Peter Chelsom nach seinem ewigen Klassiker „Funny Bones“(1995) und nach sehr schönen Werken wie „Hear My Song“ (1991) oder „The Mighty“ (1998) jetzt wirklich so einen Mist machen? Das Tanzfilmremake „Shall We Dance“ (2004) war mit Richard Gere zwar kein Knaller, „Serendipity“ (2001) mit John Cusack und Kate Beckinsale einfach nur sehr schön romantisch... Aber Mädchenpop-Starfilmchen, das muss echt die Höchststrafe sein für jeden Filmemacher, der nicht nur für seinen Pool arbeitet.

Terminator - Die Erlösung


USA 2009 (Terminator Salvation) Regie: McG mit Christian Bale, Sam Worthington, Anton Yelchin 115 Min. FSK: ab 16

Einst war Keanu Reeves der Messias von „Matrix“. Jetzt scheint sich Christian Bale zum Erlöser von Filmserien zu entwickeln, die erzählerisch in Sackgassen steckten: Erst der Neuanfang von „Batman“ und jetzt beim „Terminator“, der sich vom Schrottwert her gefährlich dem „Robocop“ annäherte. Das Markenzeichen-Zitat „I’ll be back“ wird zwar nur einmal benutzt, doch diese Prophezeiung erfüllt sich für „Terminator“ - und scherzhaft auch für Arnold Schwarzenegger.

Trotz TV-Serie, in der man den „Terminator“ reichlich weiblich aufgehübscht hatte, war irgendwie die Luft raus aus dem Hase und Igel-Spiel zwischen düsterer Roboter-Zukunft und menschlicher Gegenwart. Immer wieder schickten die Maschinen neue Terminatoren, um John Connor - oder seine Erzeuger - zu ermorden, weil der dereinst in der Zukunft die Rebellion gegen die Maschinen anführen sollte. „Terminator 3“ wurde noch mit einem Noch-Nicht-Gouverneur Schwarzenegger und vielem „dummen deutschen Geld“ gedreht.

Jetzt weht ein anderer Film durch die nahe Zukunft: Im Jahr 2018 beginnt der Krieg zwischen Menschen und den Maschinen: Wie in „Matrix“ oder „Star Wars“ verstecken sich die guten Rebellen, während die Produktion von tödlichen Roboter-Maschinen auf vollen Touren läuft. John Connor (Christian Bale) ist aufgrund der Nachstellungen und Prophezeiungen zwar Heilbringer und Held unter den Widerstands-Kämpfern, doch das Kommando haben noch andere. Und die versuchen mit einem gekaperten Funksignal, Skynets Armeen von Terminatoren zu besiegen. Derweil macht sich ein bislang unbekannter Marcus Wright (Sam Worthington) auf die Suche nach Connor und rettet dabei ein paar verlorene Kämpfer, die für die Zukunft entscheidend sein werden.

Gar nicht so offensichtlich wie erwartet, spinnt der vierte Teil die „Terminator“-Saga weiter: Durch die Figur des Marcus Wright kommt ein spannendes Rätsel in die Action-Routine und auch der Darsteller des Connor, Christian Bale, kann seinen Helden aus der Eindimensionalität des dauernden Rennen und Flüchtens retten. Regisseur McG, der früher Videoclips drehte, betreibt Wiedergutmachung für seine Sünden mit „Charlie’s Angels“. Sein Mix aus vielen, vielen Effekten und ansprechendem Schauspiel funktioniert. So kann man nicht nur neugierig verfolgen, wie aus Riesen-Terminatoren Transformer und rasante Motorrad-Maschinen werden, auch Maschinen-Alligatoren gelangen ebenso gut wie ein digitaler Auftritt vom Original-Terminator Arnold Schwarzenegger. Dass thematisch die Kälte der Maschinen gegen die emotionalen Menschen gesetzt werden, muss man dabei nicht ernst nehmen. Wirklich ausfeilt sind auch die Gedankenkitzel mit Zeitreisen und Veränderung der Kontinuität nicht. Wieso John Conner diesmal seinen eigenen Erzeuger retten muss, interessiert im Rasen und Raufen kaum. Stimmig ist die düstere Stimmung einer Endzeit mit Apokalyptischen Reitern, die ihr eigenes Ölkännchen mitnehmen müssen.