28.10.19

Invisible Sue

BRD, Luxemburg 2018 Regie: Markus Dietrich, mit Ruby M. Lichtenberg, Anna Shirin Habedank, Lui Eckardt 95 Min. FSK ab 6

Ein Superheldinnenfilm mit „Spider Man"-Szenario als deutscher Kinderfilm ... kann das funktionieren? Nur mit viel gutem Willen und wenn gerade die Kino-Anzeige für den großen lauten Kinderfilm aus Hollywood ausgefallen ist.

Die zwölfjährige, hochintelligente Sue meint, sie sei für ihre Forscher-Mutter unsichtbar. Bis sie es nach einem Unfall im Labor tatsächlich wird - zumindest immer, wenn es heiß ist! Zum Glück schwärmte Sue schon länger von einer weiblichen Comicfigur, kennt sich also mit Superheldinnen-Situationen aus. Und dazu kommt es schnell, als die Mutter entführt und böse Handlanger auch hinter Sue her sind. An ihrer Seite helfen der leicht verliebte Kumpel und die geniale Erfinder-Freundin, die Sue direkt einen Superheldinnen-Anzug entwirft.

„Invisible Sue" ist eine gute Produktion – flottes Design, anständiges Schauspiel, die Kamera macht auch mit. Das kann man sich als gender-korrektes Kinder-Abenteuer angucken, auch wenn die Handlung sehr, sehr übersichtlich bliebt. Andere spannende Ereignisse wie der erste Kuss passen zur Zielgruppe, ein bisschen Action mit dem Lastenrad und dem Mofa vom Pizza-Ausfahrer sind auf der Höhe der Zeit. Die ganze, nach einem Originaldrehbuch von Regisseur Markus Dietrich im Rahmen der Initiative „Der besondere Kinderfilm" entwickelte Geschichte ist allerdings so korrekt und anständig, dass es schon wieder langweilig ist.

Wenn dann die künstliche Intelligenz Alfred mit der prägnanten Synchronstimme (Jürgen Thormann) von Michael Caine (Alfred-Darsteller in „Batman") daherkommt, fällt man in die Zeit von Edgar Wallace-Filmen zurück. Das wird bei allen guten Absichten gegen die laute, unkorrekte internationale Konkurrenz nicht überzeugen.

Porträt einer jungen Frau in Flammen

Frankreich 2019 (Portrait de la jeune fille en feu) Regie: Céline Sciamma, mit Noémie Merlant, Adèle Haenel, Valeria Golino 122 Min. FSK ab 12

Die erstaunlich selbständige und selbstbewusste Pariser Malerin Marianne (Noémie Merlant) erhält 1770 einen Porträt-Auftrag an der Küste der Bretagne. Gemalt werden soll die junge Adelige Héloïse (Adèle Haenel), die gerade die Klosterschule verlassen hat. Um sofort verheiratet zu werden. Ihr Bildnis soll deshalb zum Verlobten nach Mailand geschickt werden. Aber Héloïse will keine Gemahlin sein und deswegen nicht gemalt werden. So tritt Marianne als Gesellschafterin auf, begleitet die verschlossene Frau bei Spaziergängen am Strand und auf den gefährlichen Klippen, um später aus der Erinnerung Skizzen anzufertigen.

Schon die Ankunft mit dem Ruderboot und mit einer verzweifelten Rettung einer Kiste von Leinwänden aus dem Meer ist ähnlich schön wie „Das Piano". Im „Porträt einer jungen Frau in Flammen" sind einige grandiose Kamera-„Gemälde" zu sehen, dazu tolle Bildkompositionen wie beim ersten wortlosen Blick-Dialog den beiden Frauen. Und das ist das nächste Wunderbare an diesem beglückenden stillen Film: Das Schauspiel von
Adèle Haenel („Die Blumen von gestern", „120 BPM") und Noémie Merlant („Die Schüler der Madame Anne") ist so faszinierend exzellent, dass es gar keiner raffinierten oder hochdramatischen Wendungen in der entstehenden Liebesgeschichte zwischen Héloïse und Marianne bedarf. Auch wenn der mehrfach erwähnte Mythos von Orpheus und Eurydike für einen reizvollen doppelten Boden sorgt.

Das langsame Entstehen eines Portraits begleitet die Verwandlung von Haenels Héloïse. Wie ein Schatten liegt anfangs der tödliche Klippensprung der Schwester auf ihr. Schweigsam, in sich gekehrt, mit einer verborgenen Wut. Dann öffnet sie sich immer mehr und zeigt deutlich Spaß an irgendwann doch enthüllten Porträtieren. Ja, das Objekt gibt der Malerin sogar Anweisungen und fordert sie mit keckem Blick heraus, genauer hinzusehen. Ihre erste heftige Kritik lautet, dass sie selbst nicht getroffen sei, wäre verzeihlich. Aber dass man auch die Malerin nicht in dem Bild wiederfindet, sei enttäuschend.

Adèle Haenel stehen solche dramatischen Rollen - wie die Ärztin in „Das unbekannte Mädchen" - besser als komödiantische wie letzte Kino-Woche in „Liebe Antoine als gar keinen Ärger". Langsam entwickelt sich so ein wunderbares Doppelportrait intensiven Schauspiels. Mit im Hintergrund die Umstände der Zeit, dass eine Malerin keine Männer porträtieren durfte, dass sie aber trotzdem finanziell unabhängig sein konnte und nicht heiraten musste.

So ist bei dieser in jeder Hinsicht gelungenen, still dramatischen Geschichte einer unerhörten Liebe der Regisseurin Céline Sciamma („Water Lilies" schon mit Haenel, „Tomboy") erstaunlich, dass es für die eigentlich einfach schwierige Geschichte in Cannes den Drehbuch-Preis gab. Denn ein Kamera-Preis müsste unbedingt her. Und auch einer für die Darstellung - mindestens.

Scary Stories to tell in the Dark

USA 2019 Regie: André Øvredal, mit Zoe Margaret Colletti, Michael Garza, Dean Norris 108 Min. FSK ab 16

Es ist wieder Halloween und man weiß nicht, was schauerlicher ist: Die religiösen Erbauungsfilme oder die völlig geistlosen Horror-Routinen. „Scary Stories to tell in the Dark" langweilt sehr lange, bis im Finale wie von Geisterhand Ideen und raffinierte Ausführung auftauchen.

Die lange Einführung stellt das übliche Teenager-Personal aus Außenseitern und älteren Schulmobbern vor, bis ein magisches Buch im typischen Geisterhaus gefunden wird. Danach ein ebenso wenig überraschender Countdown der Beteiligten, die von eigentlich sehr knuddelig aussehenden Monstern verschlungen werden. Wie in „Final Destination" passen die jeweiligen Morde zu den Opfern: Das Buch „liest sie" und schreibt Ihnen ein passendes grausames Ende. Die auf Schönheit fixierte Schwester muss im Spiegel beobachten, wie ihr Pickel absurde Dimensionen annimmt und schließlich unzählige kleine Spinnen aus ihm schlüpfen. Jede Nacht schreibt sich in dem magischen Buch eine andere Geschichte und man kann einen der Teenager abschreiben.

Wenn wir gerade bei den Quellen des Nicht-Originellen sind: Die Handlung entwickelt sich nun zur Kombination mit Jack Blacks Schriftsteller-Horror „Gänsehaut": Wieder muss sich eine junge Schriftstellerin trauen, ihre eigene Geschichte zu schreiben und damit das Morden zu beenden. Dass ein Umweltskandal die Ursache des Horrors ist, zieht als Modernisierung nicht. Dass im Hintergrund Nixon zum Präsident gewählt wird, der Vietnamkrieg wütet und ein Deserteur unter den Beteiligten nicht zum großen Morden ziehen will - hat mit der Horror-Handlung keine Verbindung. Das Spiel mit den Erwartungen und der Spannung verläuft wegen Routine und wenig ambitionierter Machart sehr ermüdend. Bis das gejagte Pärchen plötzlich im gleichen Horror-Haus auf zwei Zeitebenen ums Überleben kämpfen muss. Das ist zumindest nett ausgedacht und gemacht, hier könnte Guillermo del Toro tatsächlich die Finger am wenig magischen Drehbuch gehabt haben.

27.10.19

Zwingli - Der Reformator

BRD, Schweiz 2019 Regie: Stefan Haupt, mit Max Simonischek, Sarah Sophia Meyer, Anatole Taubman, Charlotte Schwab, Stefan Kurt 128 Min. FSK ab 12

Zum Reformationstag gibt es zur Abwechslung von Luther die übliche brave Biografie diesmal zum Zürcher Protestanten Huldrych (Ulrich) Zwingli (1484-1531): Verfilmtes Wikipedia, das nicht besonders in die Tiefe geht, zudem noch schlecht synchronisiert.

Der neue Gemeindeprediger in Zürich beginnt 1519, also vor 500 Jahren, das Neue Testament auf Deutsch vorzulesen. Zwingli (Max Simonischek) lehrt und lebt karitatives Handeln und soziale Gerechtigkeit, dabei wendet er sich gegen die reichen Kriegsgewinnler. In nicht nur durch die Pest bewegten Zeiten will er den Menschen das Lesen lehren, Wissen nicht für eine Kaste reservieren. Auch in der freigeistigen Stadt Zürich ist es noch ein revolutionärer Akt, das Fasten zu boykottieren. Immer wieder drängt der Denker den Stadtrat zu neuen Schritten, bald verzichten die Klöster teilweise freiwillig auf ihre Vermögen, damit diese den Armen zugute kommen. Die Kirchen-Gemeinden üben bald Basisdemokratie aus. Der lebenslustige Priester hat auch eine Liebesgeschichte zu seiner späteren langjährigen Partnerin Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer); die Forderung nach Aufhebung des widernatürlichen Zölibats vertrat er schon vor 500 Jahren.

Dies Alles lässt sich vortrefflich kurzweiliger nachlesen. Wenn die Pelz- und die Lumpen-Träger im Film „Zwingli" immer gut voneinander unterscheidbar sind, fügt das dem vermittelten Wissen nur begrenzt ein sinnliches Erfahren hinzu. Eine rohe Zeit kommt hier gepflegt inszeniert daher. Es ist possierlich, wie der Bildersturm schon fast als fröhliches Happening geschildert wird. Erst Zwinglis Anhänger wüten später in den von Gold und Schätzen überbordenden Kirchen. Am Ende zeigt sich die Religion doch wieder als Falle, wenn die widersprechenden Auslegungen schon in ein und der gleichen abergläubigen Gruppe zu Streit und blutigem Kampf führen. Hier einen dringend notwendigen Transfer zum heute überall wieder aufsprießendem religiösen Wahn zu legen, fällt dem Film nicht ein. Zwingli treibt am Ende gar selbst die Menschen für irgendeinen Glauben in den Krieg. Solche Geschichts-Alben gibt es immer wieder auf vielen besseren Fernsehkanälen. Man hätte das Ganze gut auf die letzten zehn Minuten verkürzen können, die im Angesicht der Verbliebenen die Grauen des Krieges zeigen. Das wäre von Interesse gewesen.

Verteidiger des Glaubens

BRD 2019 Regie: Christoph Röhl 90 Min.

„Der Mensch ist weder Engel noch Tier, und das Unglück will es, dass, wer einen Engel aus ihm machen will, ein Tier aus ihm macht." Dieses Zitat von Blaise Pascal steht einem höchst aufschlussreichen und fesselnden Porträt Joseph Ratzingers, des späteren Papst Benedikt XVI., voran. Im Gegensatz zu Wim Wenders' filmischer Schleimerei „Ein Mann seines Wortes" (2018) zu Papst Franziskus, hinterfragt Regisseur Christoph Röhl die zeremoniellen Weihrauchschwaden des Vatikans. Gleichzeitig klagt „Verteidiger des Glaubens" das Verbrechen des Verschweigens von Kindesmissbrauch durch die Kirche an. Dieses Engagement rührt sicher auch daher, dass Röhl die durch einen Missbrauch-Skandal bekannte gewordene Odenwaldschule als Tutor miterlebt hat und schon zwei Filme zu diesem Thema gemacht hat („Und wir sind nicht die Einzigen" 2010, „Die Auserwählten" 2013).

Dass Ratzinger nicht der Beste für dieses Amt, aber dieses Amt das Beste für Ratzinger war, macht eine interviewte Theologin klar: Als Papst wäre dieser wirklichkeitsfremde Mensch, der „Augustinist", der bevorzugt in abstrakten Prinzipien denkt, von der richtigen Welt maximal geschützt. Das Trauma der Achtundsechziger für Joseph Ratzinger im beschaulichen Tübingen ist Ausgangspunkt einer scharfen Analyse eines Dogmatikers, der in den 1960er Jahren eine kurze Zeit als Erneuerer angesehen wurde.

Nach einem biographischen Abriss von Ratzingers Karriere werden einige Skandale und Misswirtschaften kenntnisreich angeführt, zu denen er später Position hätte einnehmen müssen. Die Korruption der Kongregation der „Legionäre Christi" und ihres Anführers Marcial Maciel, des mexikanischen Priesters, der auch seine eigenen Kinder missbrauchte. Nach langem Ignorieren rang sich der Vatikan schließlich durch, den Anwerber hunderter treuer Priester wegen zahlreicher Sexualstraftaten in einen luxuriösen Ruhestand zu versetzen. Aber vor allen Dingen der Umgang mit dem weltweiten Kinder-Missbrauch durch Mitglieder der Kirche ist der Maßstab, an dem Papst Benedikt hier gemessen wird. Den erzkonservativen „Verteidiger des Glaubens" und besonders rückständiger Lehren beurteilen in der exzellenten Dokumentation begeisterte „Chorknaben" wie Kurienerzbischof und Ratzingers Sekretär Georg Gänswein, aber vor allem kritische Stimmen. Ein paar dieser Vorwürfe mögen spekulativ sein, generell sind die Analysen des Vertuschungs- Systems niederschmetternd.

In einer der bewegendsten Szenen klagt der irische Premierminister Enda Kenny im Parlament, nachdem Ratzinger meinte, das Zivilgesetz gelte nicht für die Kirche, die „dysfunktionale, abgehobene und elitäre Ordnung des Vatikans" an. Und selbst im restriktiveren und rückständigen System der Kirche stelle Ratzinger einen Hardliner da. Letztlich bietet der wichtige und erhellende Film zwei Erklärungen für den Rücktritt als Papst: Eine schwere Kopfverletzung bei einer Reise nach Mexiko oder die Erkenntnis der Korruption, von der die Kirche durchdrungen ist.

23.10.19

Terminator: Dark Fate

USA 2019 Regie: Tim Miller, mit Linda Hamilton, Arnold Schwarzenegger, Mackenzie Davis, Natalia Reyes, Gabriel Luna, Diego Boneta 128 Min. FSK ab 16

„I'll be back" - dieser Schwarzenegger-Spruch aus dem ersten „Terminator" erfüllte sich als Fluch für das Kino. Denn tatsächlich kommt dieses filmische Altmetall seit dem ersten Film aus 1984 immer wieder zurück. Dieses sechste Mal darf neben dem Ex-Bodybuilder-Politiker Schwarzenegger auch Linda Hamilton als Sarah Connor wieder ran. Als Seniorin an der Panzerfaust. Außer Frauen-Power ist allerdings nichts Interessantes zu vermelden.

Die Idee zu „Terminator" stammt immerhin von James Cameron („Avalon", „Abyss", „Titanic") und ist genauso wenig totzukriegen wie Schwarzenegger als Blechbüchse aus der Zukunft. Der Plot, dass immer wieder ein fortschrittlicher Roboter in der Vergangenheit rummachen und vor allen Dingen morden will, ist ansprechend simpel. So simpel sogar, dass man sich fragt, weshalb es nicht jedes Jahr einen neuen „Terminator" gibt. Das wäre jedoch vielleicht zu einfach. Und Cameron, der diesmal ohne erkennbare Handschrift als Produzent und Ko-Autor wieder dabei ist, lässt sich gerne viel Zeit - siehe „Avalon 2" oder „Titanic 2".

Diesmal ist nur das Geschlecht anders: Dani Ramos (Natalia Reyes) ist John Connor 2.0. Sie muss vor dem bösen Terminator gerettet werden, weil sie in einer alternativen Zukunft 2049 die Rebellen gegen eine künstliche Intelligenz namens Legion anführen soll. Schon in der mexikanischen Autofabrik wollen intelligente Maschinen wollen die Arbeiter eliminieren. Der neue Terminator Rev-9 (Gabriel Luna) macht sie aber richtig platt. Zu Glück rettet Grace (Mackenzie Davis), eine weiterentwickelte Super-Soldatin aus der Zukunft, Dani immer wieder. Als Karikatur ihrer selbst prügelt auch Sarah Connor mit. Und fürs Finale wird Schwarzenegger ausgegraben, der eigentlich mit Familie (!) irgendwo im Wald auf Ruhestand macht.

„Terminator 6" - braucht die Welt das tatsächlich? Es gibt fast überall im Genre lauteren Krach, raffiniertere Action, mehr Humor und überhaupt mehr Film-Begeisterung. Das einst kultige Format wäre keiner Erwähnung mehr wert, wenn Kinokultur nicht weitgehend vom Marketing kontrolliert werden würde. Zur Auffrischung soll als zeitgeschichtliche Deko eine Grenzpassage in die USA mit überfülltem Flüchtlingszug herhalten. Und selbstverständlich das Arsenal an Front-Frauen. Allerdings machen die genau das Gleiche wie die Schießbuden-Figuren in den anderen Filmen.

Das digitale Morphing des jetzt schwarz flüssigen Terminators hat sich etwas vom Horrorfilm geklaut. Über logische Lücken im Zeitreise-System braucht man gar nicht erst zu reden. Auch andere Fragen bleiben ungeklärt, wieso kann fortschrittliche Technologie den Terminatoren immer noch nicht was Anständiges zum Anziehen mitschicken? Immer landen sie nackt in der Gegenwart!

Der „Deadpool"-Regisseur Tim Miller reiht sich unauffällig in dieses Festival der Enttäuschungen ein. Wenn Schwarzenegger die emotionalste Szene hat, stimmt etwas nicht mit dem restlichen Cast. X Gabriel Luna als neuer Terminator hat selbst für eine Maschine wenig Charisma. Zwar ist diese Kampfmaschinen-Masche ebenso wenig tot zu kriegen, wie die Blechkisten selbst. Auch wenn das immergleiche Erzähl-Gerüst erschreckend wenig frisches Handlungs-Fleisch mit sich bringt, für die Kinokasse scheint es noch zu reichen.

22.10.19

Zoros Solo

BRD 2019 Regie: Martin Busker, mit Andrea Sawatzki, Mert Dincer 90 Min. FSK ab 12

Der 13-jährige afghanische Flüchtling Zoro (Mert Dincer) baut sich aus einem alten Fußball eine Bombe! Aber nix Islamismus - tatsächlich geht es ihm nur um das Gold der Jesus-Statue in einer idyllischen schwäbischen Kleinstadt. Damit will er seinen Vater aus Ungarn herausholen, wo sie bei der Flucht getrennt wurden. Zwar wird er nicht erwischt, gerät aber in die Fänge der rassistischen und auch sonst menschenverachtenden Chorleiterin Frau Lehmann (Andrea Sawatzki). Die muss sich verärgert den Proberaum mit Afrikanern teilen, weil die Aula zum muslimischen Gebetsraum umgewidmet wurde. Schlagfertig und schnell mit dem Tränengas zur Hand gibt sie dem Krawall-Knirps Zoro Paroli. Das geschieht politisch völlig unkorrekt, aber in der Darstellung von Andrea Sawatzki trotzdem witzig. Denn man nimmt es in dieser heimeligen Inszenierung nicht ernst und die beiden Hauptfiguren sind sich in Frechheit und Dreistigkeit ebenbürtig.

Nachdem alle Klischees wie hässliche Rechte und rücksichtslose Polizisten in der typischen deutschen Kleinstadt versammelt sind und Zoro erfolgreich die „Tontreppe" gelernt hat, wird er tatsächlich zum Chorknaben mit Wunderstimmchen. Um auf der Fahrt zum Chor-Wettbewerb in Ungarn seinen Vater rauszuschmuggeln.

„ Zoros Solo" ist ein nicht ganz gelungener Mix aus Knabenchor-Harmlosigkeit und durchaus dramatischen Flüchtlingsproblemen. Zoro schnauzt jeden mit „Opfer" an, leidet aber an den Erinnerungen einer dramatischen Flucht. Eine kriminelle Gang macht zusätzlich bösen Druck. Mittendrin bringt der Film tatsächlich auch noch ein Coming out rein und startet den Versuch, den teils brutalen Widerstand anderer Religionen gegen aufgeklärte Lebensweisen im Westen auf das Niveau eines 13-jährigen Machos runter zu brechen. Als der Egoist und Solist Zoro bereut und die Möglichkeiten von Freundschaft begreift, löst sich in diesem engagiert flachen Film alles recht einfach auf.

Lieber Antoine als gar keinen Ärger

Frankreich 2018 (En liberté!) Regie: Pierre Salvadori, mit Adèle Haenel, Audrey Tautou, Pio Marmaï, Vincent Elbaz 108 Min. FSK ab 16

Capitaine Jean Santi war ein großartiger Polizist, ein richtiger Held. Von dessen Taten erzählt seine Witwe Yvonne dem gemeinsamen Sohn jeden Abend eine deftige Gute-Nacht-Action-Geschichte. Doch als die trauernde Polizistin erfährt, dass Santi gar nicht so edel und sehr korrupt war, bekommt der Verflossene in diesen Geschichten plötzlich mächtig Prügel. Das ist nicht die einzige schräge Wendung in dieser klasse verdrehten Komödie.

Adèle Haenel, junge Ärztin in Dardennes „Das unbekannte Mädchen" und neben Lars Eidinger in „Die Blumen von Gestern" eine Holocaust-Forscherin, zeigt hier eine weitere Facette auch ihres komödiantischen Könnens. Ihr Spiel und die flotte Montage machen es treffsicher komisch, wie sie nach der Erkenntnis der Korruption ihres Mannes in der eigenen Wohnung all den verbrecherischen Luxus sieht: Oh verdammt!

Es war ein in schwarzem Lack und Leder verkleideter Juwelier, der nach einer hochgenommenen Fetisch-Party den Ehering aus einem fingierten Überfall am Finger Yvonnes erkennt. Danach will die enttäuschte und wütende Frau nur noch den Verbrecher rehabilitieren, der unschuldig für diesen Raub im Gefängnis sitzt. Antoine (Pio Marmaï) kommt zwar schnell raus, erweist sich aber als neurotische Zeitbombe. Doch selbst nachdem er die Leute, denen er ein Portmonee geklaut hat, brutal zusammenschlägt, reißt ihn die Polizistin raus, indem sie die Verfolger festnagelt. Mit wütendem Engagement folgt Yvonne ihm nun anonym, um die Ungerechtigkeit wieder gerade zu rücken. Dabei darf sich der deutlich gestörte Typ alles erlauben. Antoine lässt sich einfach verfolgen - über Opfer mit abgebissen Ohrläppchen!

„Lieber Antoine als gar keinen Ärger" ist eine verrückte Komödie, die dank super Schauspiel und bestem Timing viel ungewöhnlichen Spaß macht. Herrlich, wie Antoine vom kleinen Zittern zu großer Form aufläuft und schließlich ein ganzes Restaurant abflammt. Im Finale wird mit Riesendildo die Schmuck-Vitrine eines Juweliers zertrümmert - da wissen die Angestellten, der im Fetisch vermummte Angreifer ist nicht islamistisch! Bis dahin hat es der erfahrene Regisseur Pierre Salvadori („Die Anfänger"", „Bezaubernde Lügen") auch noch geschafft, etwas Romantik und eine Prise Gefühl in den reizvollen Film zu bringen.

21.10.19

Brittany runs a Marathon

USA 2019 Regie: Paul Downs Colaizzo, mit Jillian Bell, Michaela Watkins, Utkarsh Ambudkar, Lil Rel Howery, Micah Stock 104 Min. FSK ab 6

„Brittany runs a Marathon" ist wie Bridges Jones ohne Schokolade - also auf Humor-Diät. Die Lebenssituation der Mittzwanzigerin Brittany (Jillian Bell) ist ganz schön deprimierend und nur begrenzt spaßig. Halt- und joblos will sie ihrem unglücklichen Leben mit Sport eine Wende geben. Vor allem die vielen Pfunde sollen weg. Und nachdem sie die erste Runde um den Block geschafft hat, macht Sport in wenigen Minuten glücklich und dünner. Doch nicht nur die oberflächliche Wohnungspartnerin, die nur auf Vergnügung und Drogen aus ist, stellt eine Gefahr für das Fitness-Programm dar. Als Übertraining eine Pause erzwingt und den anvisierten New York-Marathon gefährdet, macht geringes Selbstbewusstsein Brittany grob unfreundlich und zickig. Die Waage bestimmt, wie gut sie sich fühlt, und der Selbsthass gebiert ein fieses Ekel.

„Brittany runs a Marathon" erscheint wie ein eher seltsamer als komischer Zwitter zwischen Selbstfindung einer frustrierten Frau und mäßiger Sport-macht-alles-besser-Begeisterung. Brittany beschwert sich zwar über den Arzt, der ihr zu viele Funde diagnostiziert (Fat-Shaming!), aber anfangs zieht der Film selbst Brittany mit reichlich Bildern von Körperfülle nach unten. Die Besprechungen ihrer Datings und des Suche nach einem Liebes-Leben sind beim Lauftraining witzig, wenn der Film im Verlauf der Jahreszeiten mal Tempo aufnimmt. Nebenbei wird die verzweifelte Job-Situation für Intellektuelle in New York gestreift, aber vor allem die Bemerkungen, wie das Leben einer Frau mit Übergewicht ist, lassen eine emotionale Achterbahn in der Geschichte hinter dem Film erahnen. Ins Ziel „Spielfilm"wurde das nur teilweise gebracht.

20.10.19

Easy Love

BRD 2019 Regie: Tamer Jandali, mit Sophia Seidenfaden, Lenika Lukas, Pina Felizitas, Sönke Andersen, Stella Vivien Dhingra, Niclas Jüngermann, Amelie Liebst 88 Min.

Jung und auch system-sprengend gehört „Easy Love" zu den interessanteren, weil ungewöhnlicheren deutschen Filmen des Jahres. Der Eröffnungsfilm der jungen Berlinale-Sektion „Perspektiven" zeigte das Debüt von Regisseur Tamer Jandali: Er begleitet in seinem „inszenierten Dokumentarfilm" sieben junge Männer und Frauen zwischen 25 und 45 vier Monate lang mit der Kamera filmstiftungsgefördert durch Köln. Dabei dreht sich alles um Sex, Beziehungen und eventuell auch Liebe. Da ist der super unverbindliche Schönling, der plötzlich Verlassensängste zeigt, weil die aktuelle Freundin doch nicht die nächsten Schritte machen will. Die Spannung eines über Internet vermittelten Dates. Die Freiheit von Freizeit-Prostitution.

Die Gespräche finden beim Intim-Rasieren einer Landebahn statt, es gibt auf jeden Fall viel Sex und noch mehr Gerede. Der Witz bei dieser Bestandsaufnahme einer hedonistischen, egoistischen „Generation Y" ist ein Vexierspiel von Schauspielern, die teilweise ihre eigenen Geschichten verkörpern. Das ist alles fast zum Amüsieren banal, aber auch wunderschön echt.

Die Addams Family

USA, Kanada 2019 Regie: Greg Tiernan 86 Min.

Die Addams Family gehört zu den beliebtesten Außenseitern der Filmgeschichte. Immer mit schwarzem Humor und morbiden Ideen unterwegs, hält sie vor allem ein starker Familiensinn zusammen. Nach zwei bemerkenswerten Realverfilmungen der Charles Addams-Comicstrips - mit Angelika Houston als Morticia Addams, Raul Julia als Gomez und Christina Ricci als junge Wednesday - versucht nun ein Animationsfilm die Charaktere wieder zu beleben. Regisseur Greg Tiernan („Sausage Party – Es geht um die Wurst") liefert dabei eine Familiengeschichte, dekoriert mit netten Scherzen.

Wie den jungen Morticia und Gomez von einem wütenden, dummen Mob fast die Hochzeit verhindert wird, ist schon ein Feuerwerk des schwarzen Humors. Wie sie auf der Flucht eine depressive Variante von Frankensteins Monster anfahren und daraufhin eine verlassene psychiatrische Anstalt übernehmen, ist herrlich schräg. Es gibt einen Tintenfisch als Haustier, und einen Löwen. Die nett unheimliche Tochter Wednesday ärgert den überforderten Bruder Pugsley, den eine Reifprüfung mit Schwerttanz erwartet.

So weit, so vertraut. Als furchtbare Dinge aus der Außenwelt - Ballons und Konfetti - in die Horror-Villa wehen, startet der übliche Konflikt mit „den Normalen". Wobei die schrille Maklerin, die ihre Vorstadthäuschen über eine TV-Show verkaufen will, das eigentliche Monster ist. Aber ihre Tochter und Wednesday freunden sich an und tauschen sich aus. Das führt zur Katastrophe - das immer bleiche Kind kommt mit einer rosa Einhorn-Spange im Haar nach Hause!

Ja, das sind alles recht normale Familien- und Teenager-Probleme. Allerdings verdreht, weil Wednesday ja gerade ungezogen und anders sein soll. So muss auch Morticia lernen, ihrer Tochter zu vertrauen. Das wäre arg konventionell und ein Horror für Addams-Standard, wenn nicht der Film von Conrad Vernon („Shrek", „Madagascar 3") und Greg Tiernan („Sausage Party") reich mit nett fiesen Ideen wäre: Zum Auftakt pudert sich Morticia mit der Asche ihrer Eltern die Wangen. Wie Wednesday im Biologie-Unterricht mit einem Frosch das Frankenstein-Experiment wiederholt, worauf alle Sezier-Tiere wieder lebendig werden, macht einfach Spaß. Mehr darf man nicht erwarten, auf keinen Fall Grenzwertiges wie in „Sausage Party".

14.10.19

Born in Evin

BRD, Österreich 2019 Regie: Maryam Zaree 95 Min.

„Born in Evin" - das klingt irgendwie gut, solange man nicht weiß, dass Evin ein berüchtigtes Gefängnis im Iran ist. Die bekannte Schauspielerin Maryam Zaree („4 Blocks", „Systemsprenger") ist Regisseurin und Hauptfigur dieser bewegenden Dokumentation. Sie wurde als Kind eines unter Khomeini inhaftieren Paares im Gefängnis geboren. Als Maryam Zaree zwei Jahre alt war, kam ihre entlassene Mutter in Frankfurt am Main als Flüchtling an. Mittlerweile ist die Familie völlig in Deutschland angekommen, die Mutter promovierte und kandidierte für die Grünen als Bürgermeisterin in Frankfurt. Doch was damals im Gefängnis geschah, war nie Thema. Maryams Mutter erzählt auch auf Nachfragen nicht von dieser Zeit.

So startet die Schauspielern ihre bewegende und auch immer wieder humorvolle Suche: Bei ihre Psychoanalyse ist sie auf der Suche nach frühkindlicher Erinnerung. Der Film begleitet dies mit einer kurzen Geschichte des Iran unter Schah und Revolution von 1979. Nachdem Khomeini die Herrschaft übernahm, landete zahllose freiheitlich denkende Menschen im Gefängnis, unter anderem Maryams Eltern. Mit den Geschichten einer ebenfalls inhaftierten Freundin der Mutter und mehreren Psychologinnen sowie Therapeutinnen iranischer Abstammung aus der Umgebung ergibt sich das Bild einer mit zig Frauen überfüllten Zelle, von Folter und Prügelstrafen wegen schreiender Kinder. Auch eine feministische Konferenz von Iranerinnen im Exil kennt viele ähnliche Geschichten. Maryams blinder Fleck wird Teil eines kollektiven Gedächtnisses. Und der in der zweiten Hälfte zur heftigen Anklage der Verbrechen des iranischen Regimes in den frühen achtziger Jahren.

Maryam Zaree ist eine gute Schauspielerin, die ihr Handwerk für die Wirkung ihres Films einsetzen könnte. Doch tatsächlich ist es ihre offene persönliche Betroffenheit, die diesen Film am Ende besonders macht. Die Geschichte von „Born in Evin" ist sehr emotional, viele Tränen fließen. Wenn letztlich auch in der sehr reflektierte Aussprache mit der Mutter zusammen geweint wird, vollendet sich eine schöne persönliche und politische Recherche.

13.10.19

Das Kapital im 21. Jahrhundert

Frankreich, Neuseeland 2019 (Capital in the Twenty-First Century) Regie: Justin Pemberton FSK ab 12

Der französische Ökonom Thomas Piketty legte in seinem 2014 erschienen Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert" schon einen Parforceritt durch die Wirtschaftsgeschichte hin: Ungleichheit in den Gesellschaften der letzten 2000 Jahre und das Verhältnis von Arbeit und Kapital. Die gleichnamige Dokumentation, entstanden unter Mitarbeit von Piketty, ist ein chaotisches Plädoyer für höhere Vermögens- und Erbschaftssteuern, denn die Ungleichheit in den westlichen Gesellschaften wird ansonsten katastrophale Folgen haben.

Verarmte und Vergessene Menschen lassen Wut und Ratlosigkeit an Immigranten aus, weil das einfacher ist, als sich gegen multinationale Konzerne zu wenden. Erkenntnisse wie diese sind nicht von der Hand zu weisen. In dem filmisch komprimierten Buch-Inhalt werden sie gleich hundertfach auf die Zuschauer losgelassen. Aufgepeppt von einem Bild- und Tonstakkato aus Doku- und Spielfilm-Ausschnitten und vielen anderen Bildchen. Diese sind illustrativ, ironisch kommentierend und emotional. Was allerdings zu einer Geschichts-Erzählung im Schleudergang führt.

Dass wieder, wie im vergangenen Jahrhunderten, eine sehr kleine, sehr reiche Gruppe verantwortlich für die Armut der Unter- und Mittelschicht ist, bildet den Roten Faden. Dazu blitzen Fakten und Theorien auf: Über den Nationalismus, der vergessen lässt, dass die Klassen-Systeme eigentlich für das Elend vieler Menschen verantwortlich sind. „Das Kapital im 21. Jahrhundert" resümiert den gesellschaftlichen und finanziellen Aufstieg einer Mittelklasse, um deren Situation in den letzten Jahren stark bedroht zu sehen. Durch die Deregulierung der Finanzmärkte fiel das Vermögen von 90 Prozent der Bevölkerung auf einen Stand von vor 30 Jahren zurück, und damit sogar die Lebenserwartung. Gemeint ist wahrscheinlich die USA, aber genau nimmt es der Film nie. Die Länder berauben sich gegenseitig ihrer Steuer-Grundlage. Konzerne wie Apple, Facebook, Google oder Starbucks nehmen uns über ihre Steuer-Unterschlagung soziale Sicherheit, Gesundheitsvorsorge und Rentensicherheit. Das ist alles möglich, weil Arbeit entwertet wurde, damit Kapital sich hemmungslos vermehren kann.

Das Aufkommen von Mode, Weihnachten als ein kapitalistischer Verkaufs-Hit, die US-Armee als Streikbrecher. Haufenweise kleine Fakten und ein paar nicht unbedingt revolutionäre Erkenntnisse können in diesem „Readers Digest" als popiger Marx-Mix verärgern oder Interesse wecken für eine unbedingt notwendige genauere Diskussion.

11.10.19

After the Wedding

USA 2019 Regie: Bart Freundlich, mit Michelle Williams, Julianne Moore, Billy Crudup, Abby Quinn 113 Min., FSK ab 6

Der dänische Film „Nach der Hochzeit" von Susanne Bier und Anders Thomas Jensen ist ein unglaublich bewegender Film. Die Hauptrolle spielte 2006 Mads Mikkelsen. Bei dem irgendwie gleichnamigen und recht unnötigen US-Remake „After the Wedding" irritiert nicht nur, dass mit Michelle Williams nun eine Frau in diesem Part zu sehen ist. Ohne zu viel zu verraten: Die Fähigkeit, ein Kind zu gebären, war für bestimmte Personen in diesem Drama schon irgendwie wichtig.

Isabel (Michelle Williams) arbeitet als gut aussehende, junge Mutter Theresa umgeben von vielen Kindern in einem Waisenhaus in Kalkutta. Für eine millionenschwere Spende der Unternehmerin Theresa (Julianne Moore) soll Isabel wider ihren Willen persönlich nach New York. Die Abneigung gegenüber einer eitlen und oberflächlichen Konsumwelt wird noch übertroffen vom Schock, in Theresas Ehemann Oscar (Bill Crudup) den eigenen Ex-Partner wiederzusehen. So entwickelt sich die herausgezögerte Spendenaktion zum persönlichen Drama für alle Beteiligten.

Der bald offensichtliche Clou dieses Films über große, uneigennützige Liebe soll nicht verraten werden, auch wenn er beim Original wesentlich intensiver daherkommt. Doch trotz der aktuell verbreiteten Spoiler-Panik muss gesagt werden, dass ein eigenes Kind, von dem man nichts weiß, bei einem Mann dramaturgisch wesentlich einfacher hin zu bekommen ist, als bei einer Frau. Bei der großen Frage des „Wieso?", die angesichts dieses gut besetzten aber schwachen Remakes immer lauter im Kinosaal hallt, hilft ein Detail vom Goldenen Blatt: Bart Freundlich, der bislang nicht sehr bekannte Regisseur des Films, ist Ehegatte der Hauptdarstellerin Julianne Moore, die letztens sehr über Remakes schwärmte. Und durch den Geschlechtertausch bekommt Julianne Moore eine Hauptrolle.

Dem rauen, verschlossen und starrsinnig wirkenden Mads Mikkelsen glaubte man die Rolle des verbitterten Aussteigers mehr als Michelle Williams. Überhaupt wird die typische gnadenlose, eiskalte Härte der Dänen überspielt in diesem zu freundlichen und zu schönen Film. Damals gab es noch die Reduzierungen des „Dogma"-Gedankens, jetzt gibt es schönen Himmel und opulente Ausstattung statt gutem Film. Es bleiben bei den Ensemble-Szenen ein paar Inseln intensiven Gefühls und eine Menge verschwendetes Filmmaterial drumherum. Freundlich(keit) ist nicht so stark wie (Susanne) Bier aus Dänemark.

Parasite (2019)

Südkorea 2019 (Gisaenchung) Regie: Bong Joon-ho, mit Song Kang Ho, Lee Sun Kyun, Cho Yeo Jeong 131 Min. FSK ab 16

„Parasite", der Gewinner der Goldenen Palme von Cannes 2019, ist eine ebenso so genau gezeichnete wie krasse Gesellschaftskomödie einer Unterschicht-Familie, die sich in einer reichen Villa einnistet. Grandioses Kino vom Meisterregisseur Bong Joon-ho („Okja" 2017, „Snowpiercer" 2013, „Mother" 2009, „The Host", 2006).

Familie Kim lebt ganz unten. Aber wenigstens haben sie in ihrer vermüllten Tiefparterre-Wohnung ein Panorama-Fenster auf die Gasse, in der Menschen sich übergeben und urinieren. Wenn draußen Insektenvernichter gesprüht wird, machen sie die Fenster auf, damit der Gift-Nebel auch bei ihnen rein kommt. Die Telefone der vier sind schon längst abgeschaltet und jetzt hat auch die Nachbarin ihr WLAN mit einem Passwort gesichert. Nur in einer Ecke hinter dem Klo ist noch Empfang. Schlampig wie ihr Leben ist auch die Heimarbeit der Kims: Ein Viertel der Pizzakartons sind falsch gefaltet. Doch mit etwas Erpressung behalten sie Ihren Job.

Alles ändert sich, als der Sohn mit gefälschten Abschlüssen zum Englisch-Lehrer der Tochter der reichen Park-Familie wird. Er empfiehlt für den bunt krakelnden Park-Sohn eine berühmte Kunst-Kritikerin, die tatsächlich seine Schwester ist. Mit Intrigen und chemischen Attacken ziehen die Mutter als neue Haushälterin und Herr Kim als zuverlässigerer Chauffeur nach. Während eines Camping-Ausflugs der Parks machen die Kims Party in der Villa und entdecken, dass die Dialektik des Unten und Oben in diesem Luxusgebäude auf dem Hügel eine ganz spezielle Ausprägung hat.

Die Schwarze Komödie „Parasite" steigert ihre großartig eingefädelte und inszenierte Gesellschafts-Parabel bis hin zu einem abstrusen Wahnsinn. Die Kims starten etwas ordinär, aber auch hochgradig raffiniert. Sie lassen die alteingesessene Haushälterin allergisch auf eingeschmuggelte Pfirsiche reagieren, so dass es aussieht wie Tuberkulose. Es ist eine erste deftige Überraschung, als sie feststellen, dass sie nicht die ersten sind, die hier die sich in der Villa eingeschlichen haben. Das Unten und Oben wird drastisch und mehr als metaphorisch ins Bild gebracht. Bis auf das Finale gibt es dabei nur wenig von der typischen Brutalität koreanischer Filme. Aber die Gnadenlosigkeit der Gesellschaft-Analyse steckt in jedem Bild - auch wenn alles wie Komödie wirkt.

Damit bleibt Regisseur und Ko-Autor Bong Joon-ho seiner tieferen Thematik treu: Im Science Fiction „Snowpiercer" oder im Horror „The Host" ging es hauptsächlich um gesellschaftliche Verwerfungen. Diesmal attackiert er nicht nur die Begeisterung für alles Amerikanische („Das Zelt kommt aus den USA, dann muss es dicht sein"). Es geht vor allem um die - freundlich gesagt - Arbeitsteilung, die es mit dem Wuchern des Neo-Liberalismus und dem Schaffen einer neuen Unterklasse wieder normal macht, wenn Ärmere den eigenen Dreck der Reichen wegmachen. „Parasite" ist in der gesellschaftlichen Analyse sagenhaft genau inszeniert, und perfekt im Timing der Komödie. Die Kamera sorgt für konstanten Augenschmaus.

8.10.19

Joker

USA 2019 (The Joker) Regie: Todd Phillips, mit Joaquin Phoenix, Robert De Niro, Zazie Beetz, Frances Conroy 118 Min. FSK ab 16

„Joker" ist der Sieger des Festivals von Venedig, der seitdem heftig diskutiert wurde: Polit-Regisseur Michael Moore sieht in der Stimmung des Films die Grundlage für das Emporkommens von Trump, andere beklagen die Gewalt in „Joker". Und weil einst ein Attentäter mit leicht zugänglichen Schusswaffen im Kino bei einer „Batman"-Vorstellung mordete, protestierten auch Angehörige der Opfer. Nun, zum Glück ist der neue „Taxi Driver" in Clowns-Maske tatsächlich noch verstörender als diese Reaktionen. Joaquin Phoenix legt als psychopathischer Joker eine Meisterleistung hin. In einem Film, der eine Ratlosigkeit hervorruft, die man angesichts vieler Polit-Clowns auch im echten Leben verspürt.

Der Joker ist aus Comic und Film bekannt als dämonischer und hämischer Gegenspieler Batmans. Seine Figur wurde in früheren Filmen von Jack Nicholson im Tim Burtons „Batman" und von Heath Ledger in Christopher Nolans „The Dark Knight" verkörpert. Diesmal wird der bittere Lacher nicht durch ein Säurebad zum Oberschurken und Monster. Kapitalismus und eine Gesellschaft ohne Empathie machen sehr realistisch aus einem sensiblen Künstler den sehr ambivalenten Antihelden.

Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) will Stand up-Comedian werden, aber wirbt im Clownskostüm für einen Strippladen in New York. Der sensible Kerl, der noch bei seiner Mutter in einem runtergekommenen Haus lebt, wird ausgeraubt und zusammengeschlagen, im Bus runter gemacht. Er verliert seinen Job und trotzdem lacht er sein schrilles, hysterisches Lachen. Als ihn drei pöbelnde Banker in der U-Bahn zusammenschlagen, erschießt er sie mit der Waffe eines Kollegen. Weil Bürgermeister Thomas Wayne diese Selbstjustiz lächerlich macht, erwächst aus den Morden eine Clown-Kampagne frustrierter Bürger.

Doch mit Arthur geht es weiter abwärts, als er die Wahrheit über seine Mutter und seine Herkunft entdeckt. Genauso wenig wie komisch ist er der uneheliche Sohn von Thomas Wayne. Als Frank auch noch von seinem großen Komiker-Vorbild Murray Franklin (Robert De Niro) verlacht wird, plant er Rache in dessen Live-Show. Noch vor der finalen Explosion legen sich Blutspritzer dekorativ auf die weiße Maske. Nachdem Joker die Stadt „entflammt" hat, strikt die weitgehend „Batman"-freie Geschichte doch etwas an der Fledermaus-Saga und beginnt sie unerwartet auf dem falschen Fuß.

Taxis sind im Bild New Yorks allgegenwärtig. Aber so deutlich wie hier sagen sie doch noch etwas anderes: „Joker" ist unter bedrohlicher Musik vor allen Dingen ein neuer „Taxi Driver". Arthur folgt im Gegensatz zum einst von De Niro gespielten Travis Bickle nicht einer jungen Prostituierten, sondern seiner Nachbarin. Dieses Gotham City, das schon immer New York war, ist in „Joker" sehr real und eine unangenehm kalte Stadt. Ihr Problem sind weniger die Riesenratten, sondern die Menschen. Wenn aus dieser Bedrohungslage eines Geisteskranken mit unvermittelter und völlig sinnloser Gewalt Joker zum Messias plündernder Massen wird, ist das ein politischer Diskurs. Über einen Clown wie Trump und Boris Johnson, wie Gert Wilders oder Bernd Höcke.

Doch vor allem ist der grandios inszenierte und düster stilisierte „Joker" ein Film von Joaquin Phoenix. Er kann nicht einfach großartig spielen, sondern darf jemanden spielen, der schauspielert. Das ist immer ein besonderer Genuss bei exzellenten Mimen. So ist es letztlich auch sehr komisch, was von den Proben und dem Disput zwischen De Niro und Phoenix erzählt wurde. Denn dies ist ein Film, den nur Phoenix machen konnte und De Niro ist nicht mehr als ein Stichwortgeber und wandelndes Filmzitat. Er spielte einst selbst diese Rolle des fanatischen Verehrers des „King of comedy". Der berühmte Komödiant war damals Jerry Lewis und der Regisseur nach „Taxi Driver" wieder Martin Scorsese. „Joker" ist eindrucksvoll, verstört und kriecht unter die Haut. Ein großartiger, dunkler Film vom bisherigen Komödianten Todd Phillips („Borat", „Hangover"-Trilogie), der ratlos zurück lässt.

M.C. Escher - Reise in die Unendlichkeit

Niederlande 2018 (Escher – Het Oneindige Zoeken) Regie: Robin Lutz 80 Min.

Das Werk des niederländischen Grafikers M. C. Eschers (1898-1972) ist in Kunst und Popkultur allgegenwärtig. Die Treppen, die gleichzeitig aufsteigen und hinabgehen, um sich in einem Kreis zu verbinden, tauchen in Christopher Nolans Film „Inception" auf. Metamorphosen, in denen sich Vögel zu Fischen und wieder zu Vögeln transformieren, Figuren, die sich in 2D-Schablonen verwandeln, um wieder plastisch zu werden. Paradoxe Landschaften und surreale Stadtszenen begeistern Menschen weltweit und ziehen sie in Escher-Ausstellungen.

Diese Dokumentation von Eschers Landmann Robin Lutz erzählt auf der Basis von Eschers Briefen, Notizen und Kommentaren dessen Leben nach und ergründet kunsthistorisch die Entwicklung des phänomenalen Werkes. Zu Bildern von der heutigen Begeisterung bei Ausstellungen beklagt sich Escher über die inflationäre Vermarktung seiner Druckmotive. Legendär ist eine Anfrage von Mick Jagger für ein Plattencover, die resolut vom Künstler abgelehnt wurde. Bei frühen Drucken aus der Toskana, seiner Heirat in Viareggio (1924) sucht der Film aufwendig die Perspektiven der Grafiken wieder auf. 1935 verlässt die Familie Escher Italien, damit ihr zehnjähriger Sohn nicht als Faschist unter Mussolini aufwächst. Man reist in die Schweiz, nach Spanien und Belgien. Begleitet im Kommentar, gesprochen durch Matthias Brandt (im Original: Stephan Fry), von Gedanken etwa über die Mühen, ein kleines Stück Felsen mit Blumen zu zeichen, denn „er will nicht mit Farben arbeiten".

Die Alhambra in Granada inspiriert Escher zu seinen Mosaik-Motiven, er verbindet das Gegenständliche mit dem Abstrakten. Es ist schon ein großes Vergnügen, die Erinnerungen Eschers mit den betreffenden Drucken zu vergleichen. Ein paar Animationen versuchen, die Gedankenwelt Eschers nachzuzeichnen, zu deren Wiedergabe er sich selbst außerstande erachtete. Besonders nett, wenn Escher sich Filme ausmalt, aber meint, die würden niemanden interessieren. Wobei diese tolle Dokumentation deutlich macht, dass dies sehr wohl der Fall ist. Passend gibt es selbstverständlich Musik von Bach und auch Erinnerungen der Kinder, etwa an den Geruch der Drucktinte. Zum Glück ansonsten keine Menschen, die ihren Kommentar dazu abgeben müssen. Nur Graham Nash, der Musiker von Crosby, Stills, Nash and Young darf seine Bewunderung ausdrücken.

„M.C. Escher - Reise in die Unendlichkeit" ist lehr- und ideenreich, humorvoll und raffiniert. Nicht nur ein schöner kunsthistorischer Spaß, sondern auch für bislang von Escher Unberührte eine tolle Entdeckungsreise mit viel Augen-Kitzel und Gedanken-Futter.

7.10.19

Fritzi - Eine Wendewundergeschichte

BRD, Belgien, Tschechien, Österreich, Luxemburg 2019 Regie: Matthias Bruhn, Ralf Kukula 86 Min. FSK ab 6

Etwas verspätet kommt der Kinder-Film zur Deutschen Einheit in ausgewählte Kinos: Aus dem Roman „Fritzi war dabei: Eine Wendewundergeschichte" von Hanna Schott mit den Illustrationen von Gerda Raidt entstand eine einfach gezeichnete, aber letztlich überzeugende Wende-Geschichte aus der Perspektive eines Mädchens aus Leipzig.

Die zwölfjährige Fritzi kümmert sich um den kleinen Hund Sputnik ihrer besten Freundin Sophie. Denn die fährt über die Sommerferien mit ihrer Mutter nach Ungarn. Fritzi lebt 1989 in Leipzig - mit etwas Geschichtswissen ahnt man, dass die Ferienreise zur „Republikflucht" wird und dass bald die Mauer fallen wird. Doch wie vermittelt man Kindern diese aufregende Umwälzung?

Denn für Fritzi ist noch alles gut und fast idyllisch mit dem Baumhaus im Hinterhof und dem Sommer am See. Sehr naiv macht sich das Mädchen trotzdem als vermeintlicher West-Flüchtling verdächtig. Einfach nur, weil sie ihrem Hund in eine Kirche hinterher läuft, in der sich Oppositionelle treffen. Es ist die berühmte Nikolai-Kirche in Leipzig, Ausgangspunkt der historischen Montags-Demonstrationen. Aber mit den Erkundigungen den neugierigen Fritzi ergibt sich ein detaillierteres Bild. Der „Antifaschistischer Schutzwall" dient gar nicht zum Schutz vor dem Westen, sondern als Gefängnismauer für die DDR-Bürger. Dann beschließt Fritzi, den Schulausflug dazu zu nutzen, um Sputnik über die Mauer zu Sophie in den Westen zu bringen.

Nicht das Abenteuer der Flucht, sondern das Leben während dieser epochalen Ereignisse, erzählt aus der Perspektive eines Kindes, stehen zentral in diesem, auf den ersten Blick einfach gezeichneten Film. Ein paar Schlaglichter wie qualmende Autos sollen DDR-Leben vermitteln. Aber die friedliche Protestbewegung wird zum Ende dramatisch, als Fritzis Vater verhaftet wird. Aus den einfachen Figuren wird bei den Massenszenen, bei denen 500.000 Menschen auf die Straße gingen, ein eindrucksvolles Gruppenbild. (Man sucht nebenbei nach denen, die schon bald Ausländerheime anzünden werden. Aber das ist wohl eine andere Geschichte.) Die Stasi-Leute sind wie Monster gezeichnet, aber friedliche Demonstrationen lassen diese finsteren Gesellen zurückschrecken.

„Fritzi" ist sicher nicht der ultimative Kinder-Wendefilm, aber Geschichte wird dem jungen Zielpublikum hier unterhaltsam und gut übersichtlich vermittelt.

6.10.19

Der Glanz der Unsichtbaren

Frankreich 2018 (Les Invisibles) Regie: Louis-Julien Petit, mit Audrey Lamy (Audrey) · Corinne Masiero, Noémie Lvovsky, Déborah Lukumuena 102 Min. FSK ab 6

Wenn Städte mit Metallbügeln auf Parkbänken und zackigen Dekorationen in Fensternischen Obdachlosen die letzten Ruheplätze wegnehmen, kann man auch vermuten, dass öffentliche Auffangeinrichtungen nur halbherzig betrieben werden. So ist das Zentrum für wohnungslose Frauen „L'Envol" in einer nordfranzösischen Stadt zwar beliebt, aber allein tagsüber geöffnet. Hier drängen sich Lady Di, Edith Piaf, Salma Hayek und Brigitte Macron zum Waschen, Aufwärmen und Ausruhen. Denn so nennen sich die wohnungslosen Frauen selber. Mit viel Wut, Ärger aber auch Lust und Laune probieren hier die Betreuerinnen und die Gäste, über die Runden zu kommen. Als die Stadt noch weiter sparen will, nehmen die Frauen die Sache selbst in die Hand und starten ohne Wissen der Ämter auch ein Nachtasyl. Zusätzlich holen sie mit Selbsthilfe-Gruppen, eigener Fortbildung und Berufsberatung das Beste aus sich raus. „Sisters are doing it for themselfs" schallt Laune machend durch den tollen Film.

Mit wunderbaren Figuren und obdachlosen Frauen, die sich selbst spielen, stellt „Der Glanz der Unsichtbaren" der neoliberalen Kälte von „Fordern und Fördern" ein herzerwärmendes, fröhliches und berührendes Sozial-Märchen entgegen. Sowohl die Sozialarbeiterinnen mit ihren privaten Problemen als auch die Menschen am Rande der bürgerlichen Existenz sind so echt und glaubhaft wie selten im Kino.

Wie die geniale aber auch verschrobene Monteurin ihre Fähigkeiten aus dem Knast an allen möglichen Geräten anwendet, wie die doch ziemlich männliche Domina ihre Qualitäten einsetzt, das ist alles großes Menschen-Kino im Stile von Ken Loach. Aber es wird mit einer richtig schwierigen Klientin auch ernst und überhaupt ist „Der Glanz der Unsichtbaren" nie eine dieser Klamotten, welche die Situation der Porträtieren zu leicht überspielen. Eine wunderbare Montage, in der die Frauen per Dias mit ihren Vorbildern und Familien verschmelzen, geht poetisch besonders ans Herz. Regisseur und Ko-Autor Louis-Julien Petit („Rechenschaft") sollte man sich für bestes sozial engagiertes Kino merken.

Diese richtig gute Zeit von „Der Glanz der Unsichtbaren" kann leider auch nur ein Märchen sein, die Instanzen greifen irgendwann wieder ein. Aber die nicht mehr unsichtbaren Frauen verlassen ihr Ressort nun stolz und unheimlich elegant.

Dora und die goldene Stadt

USA, Australien 2019 (Dora and the Lost City of Gold) Regie: James Bobin mit Isabela Moner, Eugenio Derbez, Eva Longoria, Michael Peña 103 Min. FSK ab 6

Die Real-Verfilmung der Zeichentrickserie „Dora" ist ein sehr flottes und unterhaltsames „Indiana Jones" für Mädchen geworden: Da sie im Dschungel aufgewachsen ist, wurde die immer gut gelaunte Dora (Isabela Moner) zum Natur-Nerd: Sie trägt ganz selbstverständlich eine Boa (Schlange) als Boa (Schal). Nun soll sie allerdings von den Entdecker-Eltern getrennt in der Stadt zur Schule. Der Vater (Michael Peña) erklärt ihr herrlich lächerlich die Gefahren der Stadt: Zum Beispiel die höllischen Klänge eines Raves! Beim ersten Tag an der US-Highschool muss Dora bei der Sicherheitskontrolle eine komplette Survival-Ausrüstung aus ihrem Rucksack holen. Doch hier sind ganz andere Überlebens-Qualitäten gefordert, wie ihr Cousin Alejandro (Eugenio Derbez) mit großer Anpassung erfahren hat. Bloß nicht auffallen und kein Mobbing-Opfer werden. Doch ausgerechnet mit der Oberzicke und dem größten Außenseiter landen Dora und Alejandro dank einer Entführung wieder im Dschungel. Gangster zwingen das Mädchen, ihre Eltern zu finden und damit einen sagenhaften Goldschatz.

„Wer bist du, weshalb bist du so klug und was machst du auf meiner Schule?" Die hasserfüllte Begrüßung der Oberzicke charakterisiert Dora direkt: Gut gelaunt und singend und klüger als die ganze Schule. Selbstverständlich ist die Heldin ein Mädchen, intelligenter als der Mann war schon die Mutter (Eva Longoria) und als Herrscherin des Maya-Volkes sehen wir eine respektable Diva.

„Dora und die goldene Stadt" hat etwas von den Kinderagenten „Spy Kids" von Robert Rodriguez, diesmal wurde auch für ein lateinamerikanisches Zielpublikum gedreht. Auch wenn nach einer halben Stunde Action und Schatzsuche lospoltern, werden Kinder und Jugendliche immer ernst genommen. Dora bleibt sich bei allen Gefahren des Dschungels und der Gesellschaft treu und wird nicht normal. Die Ablehnung des Goldes, der Respekt vor der Natur und auch vor alten, indigenen Kulturen gehört zu den Pluspunkten des bei Groß und Klein gut besetzten und von Regisseur James Bobin („Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln") hochwertig realisierten Kinderfilms.