25.5.12

Cannes 2012 Cosmopolis David Cronenberg

The Return of the Stretch-Limo

Die lautesten Lacher in seinem Wettbewerbsfilm "Cosmopolis" hat Cronenberg Carax zu verdanken: Die wiederholte Frage, wo sind all die Stretch-Limousinen in der Nacht, funktionierte als ungeplanter Querverweis innerhalb des Festivals. Doch man kann diese Variationen auf eine gesellschaftliche Erscheinung durchaus ernst nehmen. Wobei Carax den Cronenberg macht und die unsinnige Perversion der schon pervers ausgebreiteten Erscheinung Auto als die eigentlichen Lebewesen zeigt, in denen Menschen nur als Schmarotzer mitfahren. Und sie in der Nacht miteinander reden lässt. Cronenberg hingegen inszeniert die Limousine als Panzer eines Cyber-Kapitalisten, treffend verkörpert vom Twilight-Blutsauger Robert Pattinson. Kalt und herzlos bewegt sich der Multimilliardär Pucker im Schneckentempo durch New York. Während der Präsident - "Welcher?" "Der USA" - die Straßen blockiert, steigen Puckers Analysten, Ärzte und Affären ein und aus. Er trifft sich mit seiner Frau, die nach einer Heirat zweier Geldfamilien seine Augenfarbe entdeckt und noch immer nicht mit ihm schlafen will. Draußen brechen Unruhen aus, die Weltwirtschaft ist wieder in einer neuen Krise, diesmal wegen des Yuan, und die Idee der Ratte als Währung geistert herum. Gleichzeitig ist ein Attentäter hinter Pucker her. Dieser sucht und erlebt an einem Tag seinen Niedergang, macht den Ikarus. Sowohl die dichten, gesellschafts-analytischen und psychologischen Dialoge als auch einzelne Szene sind dabei hochspannendes Gedanken-Futter. Die Binoche darf an Puckers menschliche Seite appellieren. Während seine Prostata in der Limousine untersucht wird, entdeckt eine vom Joggen durchgeschwitzte Analystin in einer wunderbar absurden Szene ihre verborgenen sexuellen Interessen. Allerdings verliert der Film zum Ende an Drive, ausgerechnet wenn es ans Innerste des Protagonisten und an seine Jugend gehen soll. Wie schon beim Vorgänger Cronenberg, dem C.G. Jung-Film "A dangerous method", macht der Regisseur, der sich früher spektakulär in die Eingeweide des menschlichen Wesens wühlte, nun hauptsächlich Kopf-Kino.