BRD 2013 Regie: Frauke Finsterwalder, mit Ronald Zehrfeld, Sandra Hüller, Michael Maertens, Margit Carstensen, Corinna Harfouch 95 Min. FSK: ab 12
Was machen die Deutschen denn so, wenn sie nicht shoppen oder Fußball schauen? Mit der Schulklasse ein KZ besuchen? Die Füße von Seniorinnen im Altenheim pflegen und ihnen dazu die eigene abgeraspelte Hornhaut in Kekse eingebacken verfüttern? In flauschige Tierkostüme schlüpfen und dann auf Partys kuscheln gehen! „Finsterworld", das äußerst bemerkenswerte Spielfilm-Debüt von Frauke Finsterwalder versammelt viele solcher faszinierenden Momente und erzählt reizvolle Geschichten mit skurrilen Menschen. Das Drehbuch zu „Finsterworld" schrieb Finsterwalder gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Bestsellerautor Christian Kracht, auf Basis von dessen Roman „Faserland" aus dem Jahr 1995.
Finsterwalders „Finsterworld" fährt für ein Debüt eine erstaunliche Besetzung auf: Corinna Harfouch ist als Inga Sandberg Teil eines reichen Zyniker-Pärchens, das sich in einem dieser gepanzerter SUV-Monster fortbewegt und zu wissen meint, was an der Welt nicht stimmt. „Man sitzt in der Blase und hört nichts!" - so scheint ihr höchstes Glück auszusehen. Ronald Zehrfeld, der Arzt aus „Barbara", hat als Polizist Tom zuhause ein sehr kompliziertes Leben mit der völlig verdrehten, egozentrischen Dokumentar-Filmerin Franziska Feldenhoven (eine tolle Sandra Hüller-Rolle), mit ihrem Sozialarbeiter-Gestus und den Haneke-Schwärmereien. Als Ausgleich schlüpft er von der Polizei-Uniform in die Rolle eines Eisbär-Teddys. Beim Treffen von Furrys - Menschen die als Kuscheltiere verkleidet miteinander schmusen - findet er endlich Zuwendung. Auch Carla Juri, die Hauptdarstellerin aus „Feuchtgebiete", taucht auf: Als überlegen intelligente Schülerin eines Eliteinternates wird sie von neidischen Jungs im Krematorium eingesperrt und der rettende Lehrer, ein anstrengender Gutmensch, bekommt auch noch die Schuld an allem. Derweil sucht ein vermeintlich schusseliger Fußpfleger besonders viel Kontakt und verbirgt sein abgründiges Geheimnis in süßen Knabber-Herzen.
„Finsterworld", ein Episoden-Film der nicht netten Art, zeigt ein Mosaik aus extremen deutschen Typen. Das ist sehr unterhaltsam und auch witzig. Man muss daraus überhaupt kein Panoptikum deutscher Befindlichkeiten ablesen, aber die Stichworte dazu sind da. Im deutschen Wald lebt ein extremer Natur-Freund mit seiner Krähe, der mit seiner Rache genau den Falschen tödlich treffen wird. Das KZ ist ebenso präsent wie ein unverschämter Reichtum, der glaubt, an den Autobahnraststätten für das Volk würden immer Mordopfer rumliegen. „Finsterworld" liegt direkt hinter Kehlmanns „Ruhm" und östlich von Martin Gypkens „Nichts als Gespenster", hat einen ganz eigenen Stil und ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
16.10.13
15.10.13
Mein Weg nach Olympia
BRD 2013 Regie: Niko von Glasow
Er mag keinen Sport, findet dass die Paralympics zu teuer sind und außerdem sollen sie nur kaschieren, welche Probleme die Gesellschaft mit Behinderten hat! Scheinbar nicht die besten Voraussetzungen für einen Film über behinderte Sportler und ihre Paralympics 2012 in London. Doch der Kölner Niko von Glasow, der seinen dicken Bauch und Hintern ebenso betont, wie seine Contergan-Behinderung („Regisseur mit kurzen Armen"), ist ein hervorragender Filmemacher und „Mein Weg nach Olympia" deshalb ein kluger, vielschichtiger Blick hinter die Kulissen erfolgreicher Sportler.
Nein, Niko von Glasow hat keinen Sportfilm gemacht: In der Mixed Zone nach dem Wettkampf kann er bei Euphorie oder Tränen nicht die übliche „Was haben Sie empfunden?"-Frage stellen. Dafür kennt er die Athleten besser als andere, manchmal sogar besser als sie selbst sich kennen. Wir dürfen sie auf einer Weltreise mit ihm kennenlernen: In Berlin fährt er mit der einbeinigen Schwimmerin Christiane Reppe auf Spinning-Rädern und backt danach Pfannkuchen. Miss Perfect sei sie nicht: „man muss damit leben, was man hat", aber eigentlich fehle ihr nichts.
Nun ist von Glasow, der unter anderem den Deutschen Filmpreis 2009 erhielt, witzig, oft zynisch und nicht nett im Sinne von harmlos. Er lässt es nicht bei der Behauptung „ich bin glücklich, weil ich einer der besten in irgendwas bin", wie der gelähmte griechische Softball-Bocciaspieler Greg Polychronidis meint. Von Glasow fragt den amerikanischen Waffennarren und Bogenschützen Matt Stutzman, weswegen er dauernd Bestätigung braucht. Später kommt dann die junge, fröhliche Christiane Reppe mit dem Geständnis, dass doch nicht alles gut sei und sie eine Mauer um sich herum aufbaue. Aber da bricht ihr Trainer das Gespräch ab...
Egal ob Sitz-Volleyballer aus Ruanda, die mit ihren durch Bürgerkriegs-Minen amputierten Beinen über des Deutschen Contergan-Arme staunen, ob die adoptierte norwegische Tischtennis-Hoffnung Aida Dahlen, die nie Filme über den Bürgerkrieg aus ihrer ursprünglichen Heimat Bosnien sah - mit der ihm eigenen, hinter viel Selbstironie versteckten Wut trifft von Glasow diese Menschen bei ihrem Schmerz, den sie mit Sport überspielen wollen. Trotzdem ist „Mein Weg nach Olympia" ein witziger Film, nicht nur wenn Niko mit dem zum Freund gewordenen Greg im antiken Olympia Boccia spielen will und seinen Film „Triumph des Willens - Teil 2" nennt.
Er mag keinen Sport, findet dass die Paralympics zu teuer sind und außerdem sollen sie nur kaschieren, welche Probleme die Gesellschaft mit Behinderten hat! Scheinbar nicht die besten Voraussetzungen für einen Film über behinderte Sportler und ihre Paralympics 2012 in London. Doch der Kölner Niko von Glasow, der seinen dicken Bauch und Hintern ebenso betont, wie seine Contergan-Behinderung („Regisseur mit kurzen Armen"), ist ein hervorragender Filmemacher und „Mein Weg nach Olympia" deshalb ein kluger, vielschichtiger Blick hinter die Kulissen erfolgreicher Sportler.
Nein, Niko von Glasow hat keinen Sportfilm gemacht: In der Mixed Zone nach dem Wettkampf kann er bei Euphorie oder Tränen nicht die übliche „Was haben Sie empfunden?"-Frage stellen. Dafür kennt er die Athleten besser als andere, manchmal sogar besser als sie selbst sich kennen. Wir dürfen sie auf einer Weltreise mit ihm kennenlernen: In Berlin fährt er mit der einbeinigen Schwimmerin Christiane Reppe auf Spinning-Rädern und backt danach Pfannkuchen. Miss Perfect sei sie nicht: „man muss damit leben, was man hat", aber eigentlich fehle ihr nichts.
Nun ist von Glasow, der unter anderem den Deutschen Filmpreis 2009 erhielt, witzig, oft zynisch und nicht nett im Sinne von harmlos. Er lässt es nicht bei der Behauptung „ich bin glücklich, weil ich einer der besten in irgendwas bin", wie der gelähmte griechische Softball-Bocciaspieler Greg Polychronidis meint. Von Glasow fragt den amerikanischen Waffennarren und Bogenschützen Matt Stutzman, weswegen er dauernd Bestätigung braucht. Später kommt dann die junge, fröhliche Christiane Reppe mit dem Geständnis, dass doch nicht alles gut sei und sie eine Mauer um sich herum aufbaue. Aber da bricht ihr Trainer das Gespräch ab...
Egal ob Sitz-Volleyballer aus Ruanda, die mit ihren durch Bürgerkriegs-Minen amputierten Beinen über des Deutschen Contergan-Arme staunen, ob die adoptierte norwegische Tischtennis-Hoffnung Aida Dahlen, die nie Filme über den Bürgerkrieg aus ihrer ursprünglichen Heimat Bosnien sah - mit der ihm eigenen, hinter viel Selbstironie versteckten Wut trifft von Glasow diese Menschen bei ihrem Schmerz, den sie mit Sport überspielen wollen. Trotzdem ist „Mein Weg nach Olympia" ein witziger Film, nicht nur wenn Niko mit dem zum Freund gewordenen Greg im antiken Olympia Boccia spielen will und seinen Film „Triumph des Willens - Teil 2" nennt.
Einzelkämpfer
BRD 2013 Regie: Sandra Kaudelka 93 Min.
Es sind fast poetisch schöne Aufnahmen von Kindern, die in einem Riesenbecken unter Wasser spielen. Doch diese verzauberten Aufnahmen sind vergiftet: Die Regisseurin Sandra Kaudelka erlebte selbst eine Kindheit bestimmt von Chlorwasser - „zu einer anderen Zeit in einem anderen Land". Sie rettete das Ende der DDR vor dem Leben einer Leistungssportlerin. Und in ihrer sehenswerten Dokumentation „Einzelkämpfer" stellt sie vier unterschiedliche ostdeutsche Spitzelsportler vor.
Die DDR ist längst Geschichte, aber ihre großen Vorbilder gibt es noch. Der berühmte
Kugelstoßer Udo Beyer arbeitet in seinem eigenen, eher trostlosen Potsdamer Reisebüro. Die Kugel, die drei Weltrekorde miterlebt hat, beschwert ein paar Kataloge. Klar und ohne Reue fast er zusammen: „Leistungssport war Kapitalismus im sozialistischen System".
Seinem Stolz, seiner Zufriedenheit steht die kämpferische Kritik von Ines Geipel gegenüber, die für ihre Aufbereitung des DDR-Sportsystems ein Bundesverdienstkreuz erhielt. Oder als lebende Legende, die absolute Ausnahmesportlerin Marita Koch. Sie ist bis heute schnellste 400 Meter-Läuferin der Welt. Einer ihrer 16 Weltrekorde, bei denen sie sich meistens nur selbst übertraf, hat nach 28 Jahren mit 47,6 Sekunden immer noch Gültigkeit. Marita Koch wollte einfach etwas von der Welt sehen- und kennenlernen.
Erstaunlicherweise kann man in der offenen Dokumentation die Kritikerin Geipel ebenso verstehen wie die vermeintliche „Mitläuferin" Koch. Wobei die konkrete körperliche Verstümmelung durch das System, von der Ines Geipel nur zögerlich erzählt, schwer erschütternd bleibt. Beim unausweichlichen Thema Doping erweist sich diese Offenheit des Film als schwierig: Beyer erzählt, dass er alles wusste, was mit ihm gemacht wurde, meint „einem Ackergaul, kannst du soviel Doping geben wie du willst, der wird nie ein Rennpferd". Doping sei vielleicht zwei, drei Prozent, der Rest sei harte Arbeit. Die vermeintliche Rebellin Geipel, die Vertreter des „Unrechtsstaates" erfolgreich verklagte, reflektiert die Praktiken, nachdem sie von der Stasi aus dem Leistungssystem rausgeworfen wurde.
Dass ein breites Angebot an Südfrüchten die Entscheidung für eine Sportschule fallen lässt, ist jenseits der Klischees immer noch ein echtes Stück DDR-Geschichte. „Einzelkämpfer" verbindet persönliche, Sport- und Welt-Geschichte in einer eher unauffällig daherkommenden Dokumentation, mit immer wieder ästhetisch gelungenen Aufnahmen.
*****
Dem aus Aachen stammende Produzent Martin Heisler gelang mit seiner Berliner Firma Lichtblick nach den Erfolgen mit David Sieveking („David wants to fly", „Vergiss mein nicht") erneut eine bemerkenswerte Doku-Produktion, kurz bevor das große Spielfilm-Projekt „Houston" mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle in die Kinos kommt.
Es sind fast poetisch schöne Aufnahmen von Kindern, die in einem Riesenbecken unter Wasser spielen. Doch diese verzauberten Aufnahmen sind vergiftet: Die Regisseurin Sandra Kaudelka erlebte selbst eine Kindheit bestimmt von Chlorwasser - „zu einer anderen Zeit in einem anderen Land". Sie rettete das Ende der DDR vor dem Leben einer Leistungssportlerin. Und in ihrer sehenswerten Dokumentation „Einzelkämpfer" stellt sie vier unterschiedliche ostdeutsche Spitzelsportler vor.
Die DDR ist längst Geschichte, aber ihre großen Vorbilder gibt es noch. Der berühmte
Kugelstoßer Udo Beyer arbeitet in seinem eigenen, eher trostlosen Potsdamer Reisebüro. Die Kugel, die drei Weltrekorde miterlebt hat, beschwert ein paar Kataloge. Klar und ohne Reue fast er zusammen: „Leistungssport war Kapitalismus im sozialistischen System".
Seinem Stolz, seiner Zufriedenheit steht die kämpferische Kritik von Ines Geipel gegenüber, die für ihre Aufbereitung des DDR-Sportsystems ein Bundesverdienstkreuz erhielt. Oder als lebende Legende, die absolute Ausnahmesportlerin Marita Koch. Sie ist bis heute schnellste 400 Meter-Läuferin der Welt. Einer ihrer 16 Weltrekorde, bei denen sie sich meistens nur selbst übertraf, hat nach 28 Jahren mit 47,6 Sekunden immer noch Gültigkeit. Marita Koch wollte einfach etwas von der Welt sehen- und kennenlernen.
Erstaunlicherweise kann man in der offenen Dokumentation die Kritikerin Geipel ebenso verstehen wie die vermeintliche „Mitläuferin" Koch. Wobei die konkrete körperliche Verstümmelung durch das System, von der Ines Geipel nur zögerlich erzählt, schwer erschütternd bleibt. Beim unausweichlichen Thema Doping erweist sich diese Offenheit des Film als schwierig: Beyer erzählt, dass er alles wusste, was mit ihm gemacht wurde, meint „einem Ackergaul, kannst du soviel Doping geben wie du willst, der wird nie ein Rennpferd". Doping sei vielleicht zwei, drei Prozent, der Rest sei harte Arbeit. Die vermeintliche Rebellin Geipel, die Vertreter des „Unrechtsstaates" erfolgreich verklagte, reflektiert die Praktiken, nachdem sie von der Stasi aus dem Leistungssystem rausgeworfen wurde.
Dass ein breites Angebot an Südfrüchten die Entscheidung für eine Sportschule fallen lässt, ist jenseits der Klischees immer noch ein echtes Stück DDR-Geschichte. „Einzelkämpfer" verbindet persönliche, Sport- und Welt-Geschichte in einer eher unauffällig daherkommenden Dokumentation, mit immer wieder ästhetisch gelungenen Aufnahmen.
*****
Dem aus Aachen stammende Produzent Martin Heisler gelang mit seiner Berliner Firma Lichtblick nach den Erfolgen mit David Sieveking („David wants to fly", „Vergiss mein nicht") erneut eine bemerkenswerte Doku-Produktion, kurz bevor das große Spielfilm-Projekt „Houston" mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle in die Kinos kommt.
Alles eine Frage der Zeit
Großbritannien 2013 (About Time) Regie: Richard Curtis mit Domhnall Gleeson, Rachel McAdams, Bill Nighy, Lydia Wilson, Lindsay Duncan 118 Min.
Und ewig grüßt die „Murmeltier"-Idee: Dass Zeitschleifen ganz praktisch sind, wenn man bei der Liebsten alles ganz richtig machen will, wissen wir seit Bill Murrays unfreiwilligen Wiederholungen des einen, ewig gleichen Tages in „Und ewig grüßt das Murmeltier". Nun lernen wir bei Richard Curtis, dem Drehbuchautor von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall", „Notting Hill" oder „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück" eine sehr schön romantische aber auch lebensbejahende Variante kennen.
Denn Tim (Domhnall Gleeson) entstammt einer netten britischen Familie, die nicht nur Sandwiches am Strand und Open Air Kino bei jedem Wetter zu ihren Traditionen zählt. Nein, in dieser leicht skurrilen Familie können Männer, wenn sie sich in einem dunklen Raum einen bestimmten Zeitpunkt der eigenen Vergangenheit vorstellen, dorthin zurückreisen. Was für Tim erst ein Witz und dann ein Schock ist, als es ihm sein Vater (der geniale Bill Nighy) zum 21. Geburtstag erklärt und prompt ein verpasster Kuss an Silvester im zweiten Versuch gelingt. Ansonsten erweist sich diese Gabe jedoch als schwierig zu beherrschen. Der Sommer mit Tims erster großer Liebe erwies sich als Katastrophe und zudem sagte sie ihm am letzten Abend, er hätte ihr doch seine Liebe früher gestehen sollen. Im zweiten Anlauf sagt die gleiche Frau zu Beginn der Ferien dann, er solle doch auf den letzten Abend warten. Frauen!
Um die dreht sich aber trotz der weisen Warnungen des Vaters alles - vor allem dann um die wahre Liebe Mary (Rachel McAdams), die Tim bei einem Blind Diner kennenlernt. Und wieder verpasst, weil er in einer weiteren Zeitschleife die gescheiterte Premiere des Theaterstücks seines Vermieters gleichzeitig zurechtrücken muss. Das ist verwirrend im oft unerwarteten Ergebnis, aber immer nett in der filmischen Präsentation vom rothaarigen, schüttern wirkenden Tim.
Als junger Anwalt verliert er selbstverständlich nie einen Fall, aber fast seine verträumte Schwester, die sich immer die falschen Männer aussucht. Da könnte man nachhelfen, aber dann sieht das eigene Kind plötzlich ganz anderes aus. Doch auch wenn Zeitreisen besonders kniffelig werden, weil auch der Vater sie beherrscht, verliert sich „Alles eine Frage der Zeit" nie an diesen Science Fiction-Kram. Die Liebe zum Vater, die gemeinsame Zeit, die aus der sie sich trotz einer schweren Krankheit immer wieder eine Schleife weiter heraus stehlen, ist das viel wichtiger und berührender.
Wenn dann Tim beim Begräbnis des Vaters kurz weggeht, um diesen zu Lebzeiten noch mal zu besuchen, dann ist dieser nicht nur in seiner zeitlichen Verschachtelung ohne viel Dramatik sehr tief gehende Film tatsächlich mal eine Geschichte, die man so noch nicht gesehen hat.
Zeitreisen helfen zwar nicht, jemanden in sich verliebt zu machen, doch ganz unauffällig zwischen Lachen, Schmunzeln und Dahinschmelzen bei Szenen und Songs verliebt man sich in diesen Film, der längst mehr als Tims Suche nach dem Glück zeigt. Das große Geheimnis, die Formel für ein glückliches Leben, scheint das Leben selbst zu sein. Umgeben von schönen Menschen, mit denen man in einer Familie sein möchte. Tim beginnt, jeden Tag noch einmal zu leben und dabei auf die guten Dinge zu achten, ohne sich über die blöden zu ärgern. Schließlich merkt er, das kann man auch ohne Zeitreisen! Eine gar nicht kitschige Weisheit, die man neben bester Unterhaltung aus dem Kino mitnehmen kann. Denn wir sind ja alle irgendwie Zeitreisende.
Und ewig grüßt die „Murmeltier"-Idee: Dass Zeitschleifen ganz praktisch sind, wenn man bei der Liebsten alles ganz richtig machen will, wissen wir seit Bill Murrays unfreiwilligen Wiederholungen des einen, ewig gleichen Tages in „Und ewig grüßt das Murmeltier". Nun lernen wir bei Richard Curtis, dem Drehbuchautor von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall", „Notting Hill" oder „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück" eine sehr schön romantische aber auch lebensbejahende Variante kennen.
Denn Tim (Domhnall Gleeson) entstammt einer netten britischen Familie, die nicht nur Sandwiches am Strand und Open Air Kino bei jedem Wetter zu ihren Traditionen zählt. Nein, in dieser leicht skurrilen Familie können Männer, wenn sie sich in einem dunklen Raum einen bestimmten Zeitpunkt der eigenen Vergangenheit vorstellen, dorthin zurückreisen. Was für Tim erst ein Witz und dann ein Schock ist, als es ihm sein Vater (der geniale Bill Nighy) zum 21. Geburtstag erklärt und prompt ein verpasster Kuss an Silvester im zweiten Versuch gelingt. Ansonsten erweist sich diese Gabe jedoch als schwierig zu beherrschen. Der Sommer mit Tims erster großer Liebe erwies sich als Katastrophe und zudem sagte sie ihm am letzten Abend, er hätte ihr doch seine Liebe früher gestehen sollen. Im zweiten Anlauf sagt die gleiche Frau zu Beginn der Ferien dann, er solle doch auf den letzten Abend warten. Frauen!
Um die dreht sich aber trotz der weisen Warnungen des Vaters alles - vor allem dann um die wahre Liebe Mary (Rachel McAdams), die Tim bei einem Blind Diner kennenlernt. Und wieder verpasst, weil er in einer weiteren Zeitschleife die gescheiterte Premiere des Theaterstücks seines Vermieters gleichzeitig zurechtrücken muss. Das ist verwirrend im oft unerwarteten Ergebnis, aber immer nett in der filmischen Präsentation vom rothaarigen, schüttern wirkenden Tim.
Als junger Anwalt verliert er selbstverständlich nie einen Fall, aber fast seine verträumte Schwester, die sich immer die falschen Männer aussucht. Da könnte man nachhelfen, aber dann sieht das eigene Kind plötzlich ganz anderes aus. Doch auch wenn Zeitreisen besonders kniffelig werden, weil auch der Vater sie beherrscht, verliert sich „Alles eine Frage der Zeit" nie an diesen Science Fiction-Kram. Die Liebe zum Vater, die gemeinsame Zeit, die aus der sie sich trotz einer schweren Krankheit immer wieder eine Schleife weiter heraus stehlen, ist das viel wichtiger und berührender.
Wenn dann Tim beim Begräbnis des Vaters kurz weggeht, um diesen zu Lebzeiten noch mal zu besuchen, dann ist dieser nicht nur in seiner zeitlichen Verschachtelung ohne viel Dramatik sehr tief gehende Film tatsächlich mal eine Geschichte, die man so noch nicht gesehen hat.
Zeitreisen helfen zwar nicht, jemanden in sich verliebt zu machen, doch ganz unauffällig zwischen Lachen, Schmunzeln und Dahinschmelzen bei Szenen und Songs verliebt man sich in diesen Film, der längst mehr als Tims Suche nach dem Glück zeigt. Das große Geheimnis, die Formel für ein glückliches Leben, scheint das Leben selbst zu sein. Umgeben von schönen Menschen, mit denen man in einer Familie sein möchte. Tim beginnt, jeden Tag noch einmal zu leben und dabei auf die guten Dinge zu achten, ohne sich über die blöden zu ärgern. Schließlich merkt er, das kann man auch ohne Zeitreisen! Eine gar nicht kitschige Weisheit, die man neben bester Unterhaltung aus dem Kino mitnehmen kann. Denn wir sind ja alle irgendwie Zeitreisende.
14.10.13
Drecksau
Großbritannien, BRD, Belgien, Schweden, USA 2013 (Filth) Regie: Jon S. Baird, mit James McAvoy, Jamie Bell, Eddie Marsan, Jim Broadbent, Imogen Poots 94 Min.
Wenn Irvine Welsh, der Autor von „Trainspotting", mit seinem sogenannten Skandalroman „Drecksau" ins Kino kommt, sollte man sich fest- und der zartbesaiteten Begleitung die Ohren zuhalten. Denkste. Erstmal. Denn der schottische Cop Bruce Robertson (James McAvoy) ist höchstens eine Vorabend-Version vom Abel Ferraras „Bad Lieutenant" Harvey Keitel. Selbst wenn Robertson flucht, rumhurt, kokst, Pillen schluckt, erpresst und unterschlägt. Denn schließlich war es die Polizeiwillkür, die den kleinen Bruce früh für diesen Beruf begeistert hat - so was wollte er auch machen!
Im Wettrennen um die Beförderung zum Inspektor sieht sich der schottische Proll-Bulle selbst als Favorit und vor allem als hinterhältigster Intrigant. Er weiß sicher nicht, wer Machiavelli ist, aber auch diesem Itaker würde er es zeigen. Selbstverständlich vor allem im Bett. Denn noch mehr als die Karriere-Ränke - der Mordfall bleibt Randnotiz - interessiert ihn der Sex. Mit jeder, die sich irgendwie rumkriegen lässt. Selbstverständlich auch mit der Frau des Kollegen und dann noch mit der des einzigen Freundes. Den Rest der Kollegen macht er einfach so fertig...
Die schottische Arbeiterstadt Glasgow zeigt sich mit pinkelnden Weihnachtsmann und mörderischen Neonazis in der Unterführung als dreckig vorweihnachtlich. Süßliche Lieder rieseln mit Koks und Kotze um die Wette. Lange wirkt all dies nicht wirklich schockend, der kontrapunktische Song-Einsatz ist erst in der Schlussszene so krass und creep-y wie in der BritCrime-Komödie „Sexy Beast". Denn die „Drecksau" als Film verlässt sich in Sachen Schockwirkung sehr auf den Buchtext, was bei guter Literatur nicht das Schlechteste ist. Hier, in der deutschen Synchronisation, sorgt die drastische Sprache nur mäßig für Pep und Spaß.
Auch die Hauptfigur Bruce Robertson beginnt mit wenig Charakter, weder guten noch fiesen. Erst als sich die Tragik dieser zutiefst verschrobenen und zerrütteten Persönlichkeit offenbart, bekommt der Film eine emotionale Wucht. Denn nicht nur die Trennung von Frau und Kind belastet den Alkoholiker, im Spiegel schaut ihm immer wieder die verweste Leiche seines kleinen Bruders über die Schulter. So geraten Realität und Wahnvorstellungen mehr und mehr durcheinander, die Visionen mit dem wahnwitzigen Psychiater Dr. Rossi (Jim Broadbent) gehören zum Besten des Films. Auch Nebendarsteller Eddie Marsan als leichtgläubiger Trottel Bladesey und Shirley Henderson als dessen lüsterne Frau Bunty halten den Film über Wasser bis das - für Nicht-Leser - überraschende Ende mit heftiger Emotionalität zuschlägt. „Creep" Robertson, der Frauen-, Schwulen-, Fremden- und irgendwie Alles-Hasser, gewinnt ganz unten in der Gosse mit einer unerwarteten Seite seiner Persönlichkeit doch noch Sympathien. Und der Film bekommt die Kurve zum Sehenswerten.
Wenn Irvine Welsh, der Autor von „Trainspotting", mit seinem sogenannten Skandalroman „Drecksau" ins Kino kommt, sollte man sich fest- und der zartbesaiteten Begleitung die Ohren zuhalten. Denkste. Erstmal. Denn der schottische Cop Bruce Robertson (James McAvoy) ist höchstens eine Vorabend-Version vom Abel Ferraras „Bad Lieutenant" Harvey Keitel. Selbst wenn Robertson flucht, rumhurt, kokst, Pillen schluckt, erpresst und unterschlägt. Denn schließlich war es die Polizeiwillkür, die den kleinen Bruce früh für diesen Beruf begeistert hat - so was wollte er auch machen!
Im Wettrennen um die Beförderung zum Inspektor sieht sich der schottische Proll-Bulle selbst als Favorit und vor allem als hinterhältigster Intrigant. Er weiß sicher nicht, wer Machiavelli ist, aber auch diesem Itaker würde er es zeigen. Selbstverständlich vor allem im Bett. Denn noch mehr als die Karriere-Ränke - der Mordfall bleibt Randnotiz - interessiert ihn der Sex. Mit jeder, die sich irgendwie rumkriegen lässt. Selbstverständlich auch mit der Frau des Kollegen und dann noch mit der des einzigen Freundes. Den Rest der Kollegen macht er einfach so fertig...
Die schottische Arbeiterstadt Glasgow zeigt sich mit pinkelnden Weihnachtsmann und mörderischen Neonazis in der Unterführung als dreckig vorweihnachtlich. Süßliche Lieder rieseln mit Koks und Kotze um die Wette. Lange wirkt all dies nicht wirklich schockend, der kontrapunktische Song-Einsatz ist erst in der Schlussszene so krass und creep-y wie in der BritCrime-Komödie „Sexy Beast". Denn die „Drecksau" als Film verlässt sich in Sachen Schockwirkung sehr auf den Buchtext, was bei guter Literatur nicht das Schlechteste ist. Hier, in der deutschen Synchronisation, sorgt die drastische Sprache nur mäßig für Pep und Spaß.
Auch die Hauptfigur Bruce Robertson beginnt mit wenig Charakter, weder guten noch fiesen. Erst als sich die Tragik dieser zutiefst verschrobenen und zerrütteten Persönlichkeit offenbart, bekommt der Film eine emotionale Wucht. Denn nicht nur die Trennung von Frau und Kind belastet den Alkoholiker, im Spiegel schaut ihm immer wieder die verweste Leiche seines kleinen Bruders über die Schulter. So geraten Realität und Wahnvorstellungen mehr und mehr durcheinander, die Visionen mit dem wahnwitzigen Psychiater Dr. Rossi (Jim Broadbent) gehören zum Besten des Films. Auch Nebendarsteller Eddie Marsan als leichtgläubiger Trottel Bladesey und Shirley Henderson als dessen lüsterne Frau Bunty halten den Film über Wasser bis das - für Nicht-Leser - überraschende Ende mit heftiger Emotionalität zuschlägt. „Creep" Robertson, der Frauen-, Schwulen-, Fremden- und irgendwie Alles-Hasser, gewinnt ganz unten in der Gosse mit einer unerwarteten Seite seiner Persönlichkeit doch noch Sympathien. Und der Film bekommt die Kurve zum Sehenswerten.
8.10.13
Prisoners
USA 2013 (Prisoners) Regie: Denis Villeneuve mit Hugh Jackman, Jake Gyllenhaal, Maria Bello, Terrence Howard, Melissa Leo, Paul Dano153 Min. FSK ab 16
Da fährt ein Wohnmobil so bedrohlich wie der Laster in Spielbergs „Duell" durch das Wohngebiet. Man sieht die Perspektive eines Beobachters, ihn sieht man nicht. Mit solchen Einstellungen, die unbestimmt bedrohlich wirken, beginnt „Prisoners", um sich in Sachen Spannung und Erschütterung bis zum kaum Erträglichen zu steigern.
Die sechs- oder sieben-jährigen Töchter der befreundeten Familien Dover und Birch verschwinden zu Thanksgiving auf den paar Schritten von einem Haus zum anderen. Der Thriller, der sehr schnell zur Sache kommt, lässt den energischen und klugen Inspektor Loki (Jake Gyllenhaal) umgehend einen Verdächtigen fassen. Doch es gibt keine Beweise gegen den geistig behinderten Alex Jones (Paul Dano), der nach 24 Stunden freigelassen wird. Obwohl Loki wie Jack Nicholson in „Das Versprechen" (nach Dürrenmatts gleichnamiger Geschichte) sein Versprechen gibt, die Tochter zu finden, schreitet der verzweifelte Vater Keller Dover (Hugh Jackman) zur Selbstjustiz. Was er macht, nachdem er Alex entführt, ist ähnlich entsetzlich, wie die Gedanken an das Schicksal der Mädchen.
Wobei wir exakt bei der Problematik des Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner sind, der einem geständigen Täter Folter androhte, um vielleicht ein Entführungsopfer zu retten. Keller Dovers Schlussfolgerung „er ist kein Mensch mehr", verschiebt die ganze Situation außerhalb des Rahmen jeglicher zivilisatorischer Übereinkunft. Dabei bleibt es nicht bei dem kontrastierenden Kunststück, dass ein Verbrechen mit dem daraus folgenden verflochten wird. Regisseur Denis Villeneuve fächert die Situation mit Spiegel- und Dopplungen in verschiedene Möglichkeiten auf: Zwei Männer, zwei Elternpaare reagieren unterschiedlich, ein engagierter Polizist tut tatsächlich alles Mögliche, um die Mädchen zu finden, und muss gleichzeitig einen ausrastenden Vater unter Kontrolle halten.
Der Kanadier Villeneuve ist einer dieser Importe, mit dem sich Hollywood regelmäßig eine Blutauffrischung verpasst. Er hat mit „Die Frau, die singt" einen der besten, packendsten und berührendsten Filme der letzten Jahre gemacht. Darin ging es um die Abgründe der Nahost-Konflikte. Scheinbar komplexer als zwei verschwundene Mädchen in einer amerikanischen Kleinstadt, aber mit vielen gleichermaßen beteiligten Figuren wird auch hier ein unentrinnbares Erzähl- und Denk-Netz gespannt. Dazu sorgt die Kamera von Roger Deakins für dunkle, extrem intensive Atmosphären in strömendem Regen und dunklen Räumen, die horrende Überraschungen enthalten. Blutige Kisten voller Schlangen oder der geheime Keller eines verurteilten Sexualverbrechers und Priesters sind nur eine Auswahl.
Zudem ist „Prisoners" extrem gut besetzt, wobei dank bester Schauspielführung beispielsweise Hugh Jackman, der auch als Wolverine ein paar düstere Wölkchen um die Stirn hat, hier ganz in der Rolle des Cowboys Keller Dover (was für ein gemein sprechender Name - stellt man am Ende fest) aufgeht, der das Gesetz selbst in die Hand nimmt. Jake Gyllenhaal, der immer noch den melancholisch-düsteren „Donnie Darko"-Blick drauf hat, beeindruckt in einer neuen Reife und Altersklasse auf andere Weise. So erweist sich die Verzahnung zweier Filmwelten, Hollywood und Arthouse, ebenso extrem spannend wie die Verknüpfung zweier Verbrechen. Die gezielte und gewollte Adoption zahlt sich für Studio und Publikum aus.
Da fährt ein Wohnmobil so bedrohlich wie der Laster in Spielbergs „Duell" durch das Wohngebiet. Man sieht die Perspektive eines Beobachters, ihn sieht man nicht. Mit solchen Einstellungen, die unbestimmt bedrohlich wirken, beginnt „Prisoners", um sich in Sachen Spannung und Erschütterung bis zum kaum Erträglichen zu steigern.
Die sechs- oder sieben-jährigen Töchter der befreundeten Familien Dover und Birch verschwinden zu Thanksgiving auf den paar Schritten von einem Haus zum anderen. Der Thriller, der sehr schnell zur Sache kommt, lässt den energischen und klugen Inspektor Loki (Jake Gyllenhaal) umgehend einen Verdächtigen fassen. Doch es gibt keine Beweise gegen den geistig behinderten Alex Jones (Paul Dano), der nach 24 Stunden freigelassen wird. Obwohl Loki wie Jack Nicholson in „Das Versprechen" (nach Dürrenmatts gleichnamiger Geschichte) sein Versprechen gibt, die Tochter zu finden, schreitet der verzweifelte Vater Keller Dover (Hugh Jackman) zur Selbstjustiz. Was er macht, nachdem er Alex entführt, ist ähnlich entsetzlich, wie die Gedanken an das Schicksal der Mädchen.
Wobei wir exakt bei der Problematik des Frankfurter Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner sind, der einem geständigen Täter Folter androhte, um vielleicht ein Entführungsopfer zu retten. Keller Dovers Schlussfolgerung „er ist kein Mensch mehr", verschiebt die ganze Situation außerhalb des Rahmen jeglicher zivilisatorischer Übereinkunft. Dabei bleibt es nicht bei dem kontrastierenden Kunststück, dass ein Verbrechen mit dem daraus folgenden verflochten wird. Regisseur Denis Villeneuve fächert die Situation mit Spiegel- und Dopplungen in verschiedene Möglichkeiten auf: Zwei Männer, zwei Elternpaare reagieren unterschiedlich, ein engagierter Polizist tut tatsächlich alles Mögliche, um die Mädchen zu finden, und muss gleichzeitig einen ausrastenden Vater unter Kontrolle halten.
Der Kanadier Villeneuve ist einer dieser Importe, mit dem sich Hollywood regelmäßig eine Blutauffrischung verpasst. Er hat mit „Die Frau, die singt" einen der besten, packendsten und berührendsten Filme der letzten Jahre gemacht. Darin ging es um die Abgründe der Nahost-Konflikte. Scheinbar komplexer als zwei verschwundene Mädchen in einer amerikanischen Kleinstadt, aber mit vielen gleichermaßen beteiligten Figuren wird auch hier ein unentrinnbares Erzähl- und Denk-Netz gespannt. Dazu sorgt die Kamera von Roger Deakins für dunkle, extrem intensive Atmosphären in strömendem Regen und dunklen Räumen, die horrende Überraschungen enthalten. Blutige Kisten voller Schlangen oder der geheime Keller eines verurteilten Sexualverbrechers und Priesters sind nur eine Auswahl.
Zudem ist „Prisoners" extrem gut besetzt, wobei dank bester Schauspielführung beispielsweise Hugh Jackman, der auch als Wolverine ein paar düstere Wölkchen um die Stirn hat, hier ganz in der Rolle des Cowboys Keller Dover (was für ein gemein sprechender Name - stellt man am Ende fest) aufgeht, der das Gesetz selbst in die Hand nimmt. Jake Gyllenhaal, der immer noch den melancholisch-düsteren „Donnie Darko"-Blick drauf hat, beeindruckt in einer neuen Reife und Altersklasse auf andere Weise. So erweist sich die Verzahnung zweier Filmwelten, Hollywood und Arthouse, ebenso extrem spannend wie die Verknüpfung zweier Verbrechen. Die gezielte und gewollte Adoption zahlt sich für Studio und Publikum aus.
Stein der Geduld
Frankreich/Deutschland/Afghanistan 2012 (Syngué Sabour / Patience Stone) Regie: Atiq Rahimi mit Golshifteh Farahani, Hassina Burgan, Massi Mrowat und Hamidreza Djavdan, 102 Min.
Mit dem erschütternden Melodram „Stein der Geduld" verfilmt der Autor Atiq Rahimi („Erde und Asche", 2004) seinen eigenen Prix Goncourt-Roman „Syngué Sabour. Pierre de patience" über eine schmerzliche Emanzipation zwischen afghanischen Kriegsfronten. Zusammen mit Drehbuch-Autor Jean-Claude Carrière („Cyrano von Bergerac", „Eine Komödie im Mai", „Valmont", „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins") entstand einer der bewegendsten Filme der letzten Jahre: In einer Stadt in Afghanistan kniet eine junge Frau an der Seite ihres schwerverletzten Mannes, der im Koma liegt. Im Zimmer ist es still, draußen hört man Schüsse. Dann beginnt sie zu reden. Sie erzählt ihm, was sie vorher nie sagen konnte, von dem Drama, das die Ehe für sie bedeutet, ihren Wünschen und Geheimnissen. Er wird zu ihrem „Stein der Geduld", der ohne zu urteilen alles in sich aufnimmt. Sie beschützt ihn, vor Kriegern und Bomben. Und entdeckt dabei sich selbst. Doch wie viel kann ein Stein der Geduld ertragen, bevor er zerspringt?
Mit dem erschütternden Melodram „Stein der Geduld" verfilmt der Autor Atiq Rahimi („Erde und Asche", 2004) seinen eigenen Prix Goncourt-Roman „Syngué Sabour. Pierre de patience" über eine schmerzliche Emanzipation zwischen afghanischen Kriegsfronten. Zusammen mit Drehbuch-Autor Jean-Claude Carrière („Cyrano von Bergerac", „Eine Komödie im Mai", „Valmont", „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins") entstand einer der bewegendsten Filme der letzten Jahre: In einer Stadt in Afghanistan kniet eine junge Frau an der Seite ihres schwerverletzten Mannes, der im Koma liegt. Im Zimmer ist es still, draußen hört man Schüsse. Dann beginnt sie zu reden. Sie erzählt ihm, was sie vorher nie sagen konnte, von dem Drama, das die Ehe für sie bedeutet, ihren Wünschen und Geheimnissen. Er wird zu ihrem „Stein der Geduld", der ohne zu urteilen alles in sich aufnimmt. Sie beschützt ihn, vor Kriegern und Bomben. Und entdeckt dabei sich selbst. Doch wie viel kann ein Stein der Geduld ertragen, bevor er zerspringt?
Aus dem Leben eines Schrottsammlers
Frankreich, Bosnien, Slowenien 2013 (Epizoda u zivotu beraca zeljeza) Regie: Danis Tanovic, mit Nazif Mujic, Senada Alimanovic, Semsa Mujic 78 Min.
„Aus dem Leben eines Schrottsammlers" von Oscar-Sieger Danis Tanovic („No man's land", „Cirkus Columbia") zeigt in einer nüchternen aber doch fesselnden Dramaturgie wie eine Roma-Frau in Bosnien-Herzegowina mit lebensgefährlichen Unterleibsblutungen Hilfe sucht. Ohne Krankenschein muss die Mutter von zwei kleinen Mädchen fast 1000 Mark für die rettende Operation zahlen. Ein Vermögen für ihren Mann, wenn das Ausschlachten eines ganzen Autos gerade mal 150 bringt und im heftigen Winter täglich Holz gehackt werden muss. Ohne Geschrei, ohne Tränen inszeniert, mit einer Handkamera, die nicht ganz so gut, wie die der Dardennes funktioniert, erzählt Tanovic seine Geschichte.
„Aus dem Leben eines Schrottsammlers" gewann bei der Berlinale den Grand Prix der Jury und den Silbernen Bär für den Besten Hauptdarsteller ging an den Laiendarsteller Nazif Mujić.
„Aus dem Leben eines Schrottsammlers" von Oscar-Sieger Danis Tanovic („No man's land", „Cirkus Columbia") zeigt in einer nüchternen aber doch fesselnden Dramaturgie wie eine Roma-Frau in Bosnien-Herzegowina mit lebensgefährlichen Unterleibsblutungen Hilfe sucht. Ohne Krankenschein muss die Mutter von zwei kleinen Mädchen fast 1000 Mark für die rettende Operation zahlen. Ein Vermögen für ihren Mann, wenn das Ausschlachten eines ganzen Autos gerade mal 150 bringt und im heftigen Winter täglich Holz gehackt werden muss. Ohne Geschrei, ohne Tränen inszeniert, mit einer Handkamera, die nicht ganz so gut, wie die der Dardennes funktioniert, erzählt Tanovic seine Geschichte.
„Aus dem Leben eines Schrottsammlers" gewann bei der Berlinale den Grand Prix der Jury und den Silbernen Bär für den Besten Hauptdarsteller ging an den Laiendarsteller Nazif Mujić.
Der Butler
USA 2013 (Lee Daniels' The Butler) Regie: Lee Daniels mit Forest Whitaker, Oprah Winfrey, David Oyelowo, Terrence Howard, Cuba Gooding jr., Lenny Kravitz 97 Min. FSK: ab 12
Was für eine Lebensspanne: Da sitzt der ehemalige, selbstverständlich schwarze Chef-Butler des Weißen Hauses im hohen Alter an seiner über Jahrzehnte vertraut gewordenen Arbeitsstelle, um von Präsident Obama empfangen zu werden. Vom Sklaven zum Präsidenten in einem Leben ist eine sagenhafte Geschichte, wenn auch „Der Butler" selbst fast bis zum Ende ein Unfreier bleibt. Erst sein Sohn macht den Traum der Gleichberechtigung wahr.
Die Erinnerungen von Cecil Gaines (Forest Whitaker) reichen zurück zu den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Im Süden der USA sieht er als Kind, wie ein Farmer seine Mutter regelmäßig vergewaltigt und sein Vater erschossen wird, als er nur ansetzt zu widersprechen. Cecil darf daraufhin unter der Mutter des Farmers ein „Haus-Nigger" werden, flieht als junger Mann und erhält nach Obdachlosigkeit und Mundraub von einem älteren Mentor eine Stelle als Butler angeboten.
Die Lektion vom Tod seines Vaters wiederholt sich: Nur durch angepasstes Schweigen, durch Verleugnung der eigenen Person kann sich ein Schwarzer ein anständiges Leben sichern. So kommt Cecil sogar an eine Stellung im Weißen Haus unter Präsident Eisenhower (Robin Williams). 1957 steht die USA wegen der damals so genannten Rassenfrage vor einem neuen Bürgerkrieg.
Zwar ist Cecil dabei, als Eisenhower Militär einsetzt, um afro-amerikanische Studenten in Little Rock an die Universität zu bekommen, doch Einfluss hatte der Butler, mit dem alle Präsidenten ein Gespräch suchen, nie. Im Gegenteil, das Maß der Anpassung und Selbstverleugnung ist geradezu schmerzlich. Erst sein Sohn Charlie Gaines (Elijah Kelley), der sich gegen die Regeln des Vater engagiert, bringt das politische und echte Leben ins (Weiße) Haus. Was ihm einen Rausschmiss vom gedemütigten Vater einbringt
In einer der wenigen filmisch auffälligen Momente, einer Parallelmontage von Cecils Butler-Parade zum Diner und Charlies Protest gegen Rassentrennung in Restaurants, wird gleichzeitig gezeigt, wie weit die Regierungs-Politik vom Leben und wie weit Vater und Sohn entfernt sind. Die jungen Studenten wollen einfach im Imbiss an der Bar sitzen und nicht im Bereich für Farbige. Dafür werden sie verbrannt, verprügelt, bespuckt und verurteilt.
Während der Kampf um Gleichberechtigung mit Martin Luther King, Malcolm X und Black Panther-Bewegung fortschreitet, begegnet Cecil mit der immer gleichen Servilität den Präsidenten Kennedy (James Marsden), Johnson (Liev Schreiber), Nixon (genial fies: John Cusack), Reagan (Alan Rickman, so würde man ihn glatt wählen) und als i-Tüpfelchen die ehemalige Anti-Vietnam-Kämpferin Jane Fonda als perfekte Wi(e)dergeburt von Nancy Reagan! Dass diese Darsteller-Reihe eindrucksvoller wirkt, als die passive Rolle des Hauptdarstellers Forest Whitaker, ist seltsam, spiegelt aber auch die Tragik von Cecil, dem Mann ohne Meinung wieder. Während der Film mit der Ermordung Kennedys und Martin Luther Kings durch die US-Geschichte springt, hat der unglaublich ignorante Mann Eheprobleme und eine unbefriedigte Frau (DIE Oprah Winfrey!), denn er ist tatsächlich vor allem mit dem Weißen Haus verheiratet.
Regisseur Lee Daniels, der mit „Precious", der umwerfenden Geschichte einer übergewichtigen schwarzen Analphabetin, viel Eindruck machte, inszeniert diesmal tatsächlich überraschend beschaulich. In zwei Generationen zeigt „Der Butler" die Lebens-Brüche von der Baumwoll-Farm ins Weiße Haus und - für den Sohn - an die Universität. Es gehen zu viele Jahrzehnte vorbei, um wirklich dramatische Momente auskosten zu können. Ein Menge Geschichte wird verkürzt und geschönt, die menschliche Seite der Präsidenten darf sich im Blickwinkel Cecils ausbreiten. Die gesellschaftliche Entwicklung, wenn auch verharmlost, bleibt trotzdem erstaunlich. Und zuletzt darf auch Cecil etwas Eigenes in den Film einbringen.
Was für eine Lebensspanne: Da sitzt der ehemalige, selbstverständlich schwarze Chef-Butler des Weißen Hauses im hohen Alter an seiner über Jahrzehnte vertraut gewordenen Arbeitsstelle, um von Präsident Obama empfangen zu werden. Vom Sklaven zum Präsidenten in einem Leben ist eine sagenhafte Geschichte, wenn auch „Der Butler" selbst fast bis zum Ende ein Unfreier bleibt. Erst sein Sohn macht den Traum der Gleichberechtigung wahr.
Die Erinnerungen von Cecil Gaines (Forest Whitaker) reichen zurück zu den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Im Süden der USA sieht er als Kind, wie ein Farmer seine Mutter regelmäßig vergewaltigt und sein Vater erschossen wird, als er nur ansetzt zu widersprechen. Cecil darf daraufhin unter der Mutter des Farmers ein „Haus-Nigger" werden, flieht als junger Mann und erhält nach Obdachlosigkeit und Mundraub von einem älteren Mentor eine Stelle als Butler angeboten.
Die Lektion vom Tod seines Vaters wiederholt sich: Nur durch angepasstes Schweigen, durch Verleugnung der eigenen Person kann sich ein Schwarzer ein anständiges Leben sichern. So kommt Cecil sogar an eine Stellung im Weißen Haus unter Präsident Eisenhower (Robin Williams). 1957 steht die USA wegen der damals so genannten Rassenfrage vor einem neuen Bürgerkrieg.
Zwar ist Cecil dabei, als Eisenhower Militär einsetzt, um afro-amerikanische Studenten in Little Rock an die Universität zu bekommen, doch Einfluss hatte der Butler, mit dem alle Präsidenten ein Gespräch suchen, nie. Im Gegenteil, das Maß der Anpassung und Selbstverleugnung ist geradezu schmerzlich. Erst sein Sohn Charlie Gaines (Elijah Kelley), der sich gegen die Regeln des Vater engagiert, bringt das politische und echte Leben ins (Weiße) Haus. Was ihm einen Rausschmiss vom gedemütigten Vater einbringt
In einer der wenigen filmisch auffälligen Momente, einer Parallelmontage von Cecils Butler-Parade zum Diner und Charlies Protest gegen Rassentrennung in Restaurants, wird gleichzeitig gezeigt, wie weit die Regierungs-Politik vom Leben und wie weit Vater und Sohn entfernt sind. Die jungen Studenten wollen einfach im Imbiss an der Bar sitzen und nicht im Bereich für Farbige. Dafür werden sie verbrannt, verprügelt, bespuckt und verurteilt.
Während der Kampf um Gleichberechtigung mit Martin Luther King, Malcolm X und Black Panther-Bewegung fortschreitet, begegnet Cecil mit der immer gleichen Servilität den Präsidenten Kennedy (James Marsden), Johnson (Liev Schreiber), Nixon (genial fies: John Cusack), Reagan (Alan Rickman, so würde man ihn glatt wählen) und als i-Tüpfelchen die ehemalige Anti-Vietnam-Kämpferin Jane Fonda als perfekte Wi(e)dergeburt von Nancy Reagan! Dass diese Darsteller-Reihe eindrucksvoller wirkt, als die passive Rolle des Hauptdarstellers Forest Whitaker, ist seltsam, spiegelt aber auch die Tragik von Cecil, dem Mann ohne Meinung wieder. Während der Film mit der Ermordung Kennedys und Martin Luther Kings durch die US-Geschichte springt, hat der unglaublich ignorante Mann Eheprobleme und eine unbefriedigte Frau (DIE Oprah Winfrey!), denn er ist tatsächlich vor allem mit dem Weißen Haus verheiratet.
Regisseur Lee Daniels, der mit „Precious", der umwerfenden Geschichte einer übergewichtigen schwarzen Analphabetin, viel Eindruck machte, inszeniert diesmal tatsächlich überraschend beschaulich. In zwei Generationen zeigt „Der Butler" die Lebens-Brüche von der Baumwoll-Farm ins Weiße Haus und - für den Sohn - an die Universität. Es gehen zu viele Jahrzehnte vorbei, um wirklich dramatische Momente auskosten zu können. Ein Menge Geschichte wird verkürzt und geschönt, die menschliche Seite der Präsidenten darf sich im Blickwinkel Cecils ausbreiten. Die gesellschaftliche Entwicklung, wenn auch verharmlost, bleibt trotzdem erstaunlich. Und zuletzt darf auch Cecil etwas Eigenes in den Film einbringen.
Sein letztes Rennen
BRD 2013 Regie: Kilian Riedhof mit Dieter Hallervorden, Heike Makatsch, Katrin Saß 110 Min. FSK: ab 6
Palim-Palim - für Ältere ist jetzt alles klar: Ein Film mit Dieter Hallervorden! Aber doch nicht ganz, denn der Komödiant kippt nicht Nonstop Nonsense oder eine Flasche Pommfrit ins Kino sondern einen unterhaltsames wie gelungenes Alterswerk über einen Ausbruch aus dem Altersheim.
Paul und Margot Averhoff (Dieter Hallervorden, Tatja Seibt) sind schon lange ein Paar, als ihre Schwindelanfälle beide in ein Altersheim bringen, das sich als reale Horrorvorstellung erweist. Scheinbar stumpfsinnige und unkontrollierte Mitbewohner wurden hier „abgestellt". Am schlimmsten ist für Paul Averhoff allerdings die verordnete hirnlose Routine, die Kindergarten-Mentalität in diesem „Totenheim". Beim Singen und beim Basteln von Kastanien-Männchen hat eigentlich nur der Streber und Blockwart der Gruppe Spaß. Aber Paul ist nicht irgendwer, er gewann 1956 in Sydney trotz eines scheinbar uneinholbaren Rückstandes die Goldmedaille im Marathon. Und in dieser ausweglosen Situation, an diesem Ort des Lebens-Endes fängt er noch mal von vorne an. Er läuft nicht weg, er bleibt und beginnt wieder zu laufen. Rennt Runde um Runde um das Seniorenheim. Ignoriert Blutblasen und Kreislaufzusammenbrüche. Findet Hoffnung im neuen Ziel. Dabei will er nicht nur den Berlin-Marathon schaffen, er will ihn gar gewinnen.
„Sein letztes Rennen", Hallervordens letzter - sprich: aktuellster - Film macht Spaß, ist aber kein Schenkelklopfer wie seine populärsten Kino-Hits. Wie vieles andere gelangen dem Kino- und TV-Regisseur Kilian Riedhof („Tatort", „Bloch") witzige Szenen, wenn er im Gottesdienst der völlig verquarksten Betreuerin als Erscheinung vor dem Fenster vorbei rennt. Schön auch das Unverständnis der einfältigen Abstellgleis-Bewohner bei der Frage „Wo wollte er denn hin?" Die allgemein gültige Antwort des Läufers lautet „Wer stehen bleibt, hat schon verloren!
Alte Turnschuhe mit nur zwei Streifen, Franzbranntwein für die Beine statt stilloser Kompressionskniestrümpfe, eine mechanische Stoppuhr von Hanhart statt iPod. Paul Averhoff kommt altmodisch daher, der Film erzählt flott und routiniert. Auch die berührende Geschichte einer liebevollen Ehe, die jetzt wieder eine Trainings-Gemeinschaft wird: Ihre Warnung „Aber das wird fürchterlich!" beantwortet er selig mit „So war es immer!" Mit seinem Laufen belebt Paul bald das ganze Altersheim, was der Priesterin nicht geheuer ist. Ein weiteres Duell beginnt, wer hier wen bekehrt. Sie ihn mit viel Verständnis und Küchenpsychologie einzufangen. Er steckt sie mit seiner guten Laune und Sportler-Weisheiten („Das ganze Leben ist ein Marathon") in die Tasche. Als die nur auf Effektivität achtende Heimleiterin Rita (klasse: Katrin Saß) ihm das Laufen im Anstalts-Park verbieten will, lacht er ungläubig: „Du kannst dem Fisch doch nicht das Schwimmen verbieten".
Paul ist ein Optimist, ein Kämpfer. Und wenn seine Frau sagt, sie hätten Schlimmeres erlebt, den Krieg und die Hungerwinter, dann glaubt man ihnen das. „Sein letztes Rennen" bringt eine sehr passende Besetzung an den Start, bis hin zum Pfleger Tobias (Frederick Lau). Heike Makatsch gibt die besorgte Tochter, die als Stewardess ohne Freund nicht viel Zeit für ihre Eltern hat. Hallervorden, der sich zuletzt („Das Kind") auch mal als dämonischer Päderast zeigte, spielt jetzt wieder eine „Paraderolle" als sympathischer Sonderling. Seine bekannte Stimme, das offene Gesicht, diesmal mit wehmütigem Blick, bleiben im leisen Spaß und im nicht aufdringlichen Ernst überzeugend. Anleihen zu „Einer flog übers Kuckucksnest" und der Altersheim-Episode in „Cloud Atlas" sind unübersehbar. Nur dass gerade die Laufszenen auf eine nahezu slapstickhafte Weise unrealistisch inszeniert wurden, ist schade. Trotzdem überzeugt „Sein letztes Rennen" als nachdenklicher Wohlfühlfilm für mehrere Generationen - Ausbruch, Solidaritätsszene und Happy End inklusive.
Palim-Palim - für Ältere ist jetzt alles klar: Ein Film mit Dieter Hallervorden! Aber doch nicht ganz, denn der Komödiant kippt nicht Nonstop Nonsense oder eine Flasche Pommfrit ins Kino sondern einen unterhaltsames wie gelungenes Alterswerk über einen Ausbruch aus dem Altersheim.
Paul und Margot Averhoff (Dieter Hallervorden, Tatja Seibt) sind schon lange ein Paar, als ihre Schwindelanfälle beide in ein Altersheim bringen, das sich als reale Horrorvorstellung erweist. Scheinbar stumpfsinnige und unkontrollierte Mitbewohner wurden hier „abgestellt". Am schlimmsten ist für Paul Averhoff allerdings die verordnete hirnlose Routine, die Kindergarten-Mentalität in diesem „Totenheim". Beim Singen und beim Basteln von Kastanien-Männchen hat eigentlich nur der Streber und Blockwart der Gruppe Spaß. Aber Paul ist nicht irgendwer, er gewann 1956 in Sydney trotz eines scheinbar uneinholbaren Rückstandes die Goldmedaille im Marathon. Und in dieser ausweglosen Situation, an diesem Ort des Lebens-Endes fängt er noch mal von vorne an. Er läuft nicht weg, er bleibt und beginnt wieder zu laufen. Rennt Runde um Runde um das Seniorenheim. Ignoriert Blutblasen und Kreislaufzusammenbrüche. Findet Hoffnung im neuen Ziel. Dabei will er nicht nur den Berlin-Marathon schaffen, er will ihn gar gewinnen.
„Sein letztes Rennen", Hallervordens letzter - sprich: aktuellster - Film macht Spaß, ist aber kein Schenkelklopfer wie seine populärsten Kino-Hits. Wie vieles andere gelangen dem Kino- und TV-Regisseur Kilian Riedhof („Tatort", „Bloch") witzige Szenen, wenn er im Gottesdienst der völlig verquarksten Betreuerin als Erscheinung vor dem Fenster vorbei rennt. Schön auch das Unverständnis der einfältigen Abstellgleis-Bewohner bei der Frage „Wo wollte er denn hin?" Die allgemein gültige Antwort des Läufers lautet „Wer stehen bleibt, hat schon verloren!
Alte Turnschuhe mit nur zwei Streifen, Franzbranntwein für die Beine statt stilloser Kompressionskniestrümpfe, eine mechanische Stoppuhr von Hanhart statt iPod. Paul Averhoff kommt altmodisch daher, der Film erzählt flott und routiniert. Auch die berührende Geschichte einer liebevollen Ehe, die jetzt wieder eine Trainings-Gemeinschaft wird: Ihre Warnung „Aber das wird fürchterlich!" beantwortet er selig mit „So war es immer!" Mit seinem Laufen belebt Paul bald das ganze Altersheim, was der Priesterin nicht geheuer ist. Ein weiteres Duell beginnt, wer hier wen bekehrt. Sie ihn mit viel Verständnis und Küchenpsychologie einzufangen. Er steckt sie mit seiner guten Laune und Sportler-Weisheiten („Das ganze Leben ist ein Marathon") in die Tasche. Als die nur auf Effektivität achtende Heimleiterin Rita (klasse: Katrin Saß) ihm das Laufen im Anstalts-Park verbieten will, lacht er ungläubig: „Du kannst dem Fisch doch nicht das Schwimmen verbieten".
Paul ist ein Optimist, ein Kämpfer. Und wenn seine Frau sagt, sie hätten Schlimmeres erlebt, den Krieg und die Hungerwinter, dann glaubt man ihnen das. „Sein letztes Rennen" bringt eine sehr passende Besetzung an den Start, bis hin zum Pfleger Tobias (Frederick Lau). Heike Makatsch gibt die besorgte Tochter, die als Stewardess ohne Freund nicht viel Zeit für ihre Eltern hat. Hallervorden, der sich zuletzt („Das Kind") auch mal als dämonischer Päderast zeigte, spielt jetzt wieder eine „Paraderolle" als sympathischer Sonderling. Seine bekannte Stimme, das offene Gesicht, diesmal mit wehmütigem Blick, bleiben im leisen Spaß und im nicht aufdringlichen Ernst überzeugend. Anleihen zu „Einer flog übers Kuckucksnest" und der Altersheim-Episode in „Cloud Atlas" sind unübersehbar. Nur dass gerade die Laufszenen auf eine nahezu slapstickhafte Weise unrealistisch inszeniert wurden, ist schade. Trotzdem überzeugt „Sein letztes Rennen" als nachdenklicher Wohlfühlfilm für mehrere Generationen - Ausbruch, Solidaritätsszene und Happy End inklusive.
1.10.13
Turbo - Kleine Schnecke, großer Traum
USA 2013 (Turbo) Regie: David Soren 92 Min. FSK: o.A.
Als Kinderfilm und Animation kommt die Antwort auf „Rush" daher: Der große Traum einer Schnecke, mal Rennwagen und -Fahrer gleichzeitig zu sein, ist Parodie der üblichen Auto-Filme und gleichzeitig noch so ein Film der Formel „Erfülle-deinen-Traum". Superbunte Schnecken malen die Frage auf die Leinwand, welche Drogen ihre Animateure eigentlich genommen haben. Zeit genug hatten sie, denn Handlung und Text sind von zig anderen Filmen zusammengeklaubt. Schnecke Turbo ist in Sachen Pflanzen anknabern ein Versager, weil sie nur an Autorennen denkt. Als Turbo durch einen Zufall Super-Geschwindigkeit erlangt, folgt der Film der Bremsspur von „Cars" und „Planes". Turbo trifft auf bunte, getunte Rennschnecken und die Taco-Brüder Angelo und Tito. Der Rest ist die übliche Erfolgsgeschichte mit einem extrem vorhersehbaren Sportfilm-Finale. Wobei die Diskrepanz zwischen eigener Vorstellung und Realität bei Turbo einige witzige Momente erzeugt. Tricktechnisch gibt so ein kleiner Schleimwurm allerdings nicht viel her, auch wenn er nach der Transformation Scheinwerfer-Augen, Autoradio und Alarmanlage unter der Schale hat.
Als Kinderfilm und Animation kommt die Antwort auf „Rush" daher: Der große Traum einer Schnecke, mal Rennwagen und -Fahrer gleichzeitig zu sein, ist Parodie der üblichen Auto-Filme und gleichzeitig noch so ein Film der Formel „Erfülle-deinen-Traum". Superbunte Schnecken malen die Frage auf die Leinwand, welche Drogen ihre Animateure eigentlich genommen haben. Zeit genug hatten sie, denn Handlung und Text sind von zig anderen Filmen zusammengeklaubt. Schnecke Turbo ist in Sachen Pflanzen anknabern ein Versager, weil sie nur an Autorennen denkt. Als Turbo durch einen Zufall Super-Geschwindigkeit erlangt, folgt der Film der Bremsspur von „Cars" und „Planes". Turbo trifft auf bunte, getunte Rennschnecken und die Taco-Brüder Angelo und Tito. Der Rest ist die übliche Erfolgsgeschichte mit einem extrem vorhersehbaren Sportfilm-Finale. Wobei die Diskrepanz zwischen eigener Vorstellung und Realität bei Turbo einige witzige Momente erzeugt. Tricktechnisch gibt so ein kleiner Schleimwurm allerdings nicht viel her, auch wenn er nach der Transformation Scheinwerfer-Augen, Autoradio und Alarmanlage unter der Schale hat.
Der Schaum der Tage
Frankreich, Belgien 2013 (L' écume des jours) Regie: Michel Gondry mit Romain Duris, Audrey Tautou, Gad Elmaleh, Omar Sy 91 Min. (OV: 125 Min.) FSK: ab 12
Das Kult-Buch „Der Schaum der Tage" (L'Ecume des jours) von Boris Vian aus dem Jahr 1946 wird für immer unverfilmbar bleiben, weil sich die Leser-Fantasie aus dem surrealen Liebesroman jeweils eine eigene Welt erschafft. Doch mit Michel Gondry, der in „The Science of Sleep" die Liebesgeschichte mit wunderschönen Stop-Motion-Spielereien ausgestaltete, und in „Vergiss mein nicht!" den Liebes-Abschied fantasiereich wie tieftraurig inszenierte, gibt es einen Filmemacher, der den Stoff kongenial umsetzen kann. Und es gibt die digitale Tricktechnik, auch die verrücktesten Ideen ins Bild zu bringen. Wobei der Charme vom „Schaum der Tage" darin liegt, auch im Trick liebenswert altmodisch daherzukommen.
Bohemien und Fantast Colin (Romain Duris) begegnet auf einer Party Chloé (Audrey Tautou). Eine Schönheit, komponiert von Duke Ellington, der auch prompt aus ein paar Audio-Bild-Werfern aufspielt. Es beginnt eine niedlich holperige Liebesgeschichte mit echten Unsicherheiten und traumhaft poetischen Momenten. Dabei erleben wir Paris aus absolut neuen Perspektiven, sehen wie das Paar nach einer völlig unchristlichen Hochzeit in ihren Gefühlen untergeht und in einer gläsernen Limousine auf Hochzeits-Trip fährt.
In der Hochzeitsnacht legt sich ein Kristall in Chloés Lunge, die folgende Krankheit verändert alles: Wie die Lungen sind auch die Fenster von Colins Himmels-Waggon belegt und lassen kein Sonnenlicht mehr durch. Er braucht für die Blumen, die einzig Heilung bringen, sein gesamtes Vermögen auf. Die Wohnung wird enger, alle Farben verblassen, die Arbeitsverhältnisse draußen sind ein Horrortrip.
„Der Schaum der Tage" begeistert mit unfassbar vielen, verrückten, schönen und schrägen Einfällen. Allein der Auftritt Jean-Sol Partres (sic!) ist den Eintritt wert. Da ist auch das bekannte Piano, das Cocktails komponiert, dazu Colins eigenwillige, hündische Schuhe, der kleine Mäuse-Assistent, das Tanzen mit überlangen Beinen, die Floristin, deren Kleid mit den bestellten Blumen wechselt, das Fixieren einer widerspenstigen Krawatte mit dem Hammer. Colins Freund Nicolas (Omar Sy) gibt dem Fernsehkoch, der auch aus dem Kühlschrank Champagner anreicht, eine ganz neue Bedeutung... Unbeschreiblich dies alles. Wer mehr lesen will, muss den Roman zur Hand nehmen. Oder kann im Film zudem einen völlig verschrobenen Retro-Futurismus genießen.
Es blieben vom Roman die wundervolle Hommage an den Jazz, die Reflektion des Existenzialismus der Entstehungszeit. Seitenhiebe auf Jean-Sol Partre werden nur vorsichtig mit einer Partner-Such-Maschine oder einem philosophischen Rubics Cube modernisiert. Roman Duris („Mademoiselle Populaire", „L'auberge espagnole", „Gadjo Dilo") ist der perfekte Darsteller für die verspielt euphorischen und für die leidenden Momente. Audrey Tautou ist lieblich im Glück und im Siechen. Es gibt nur einen Wermuts-Tropfen: Wie aus diesem Film für die deutsche Rumpf- und Synchro-Version unfassbare dreißig Minuten herausgeschnitten werden konnten, ist mehr als ein Rätsel, ist ein Verbrechen.
Das Kult-Buch „Der Schaum der Tage" (L'Ecume des jours) von Boris Vian aus dem Jahr 1946 wird für immer unverfilmbar bleiben, weil sich die Leser-Fantasie aus dem surrealen Liebesroman jeweils eine eigene Welt erschafft. Doch mit Michel Gondry, der in „The Science of Sleep" die Liebesgeschichte mit wunderschönen Stop-Motion-Spielereien ausgestaltete, und in „Vergiss mein nicht!" den Liebes-Abschied fantasiereich wie tieftraurig inszenierte, gibt es einen Filmemacher, der den Stoff kongenial umsetzen kann. Und es gibt die digitale Tricktechnik, auch die verrücktesten Ideen ins Bild zu bringen. Wobei der Charme vom „Schaum der Tage" darin liegt, auch im Trick liebenswert altmodisch daherzukommen.
Bohemien und Fantast Colin (Romain Duris) begegnet auf einer Party Chloé (Audrey Tautou). Eine Schönheit, komponiert von Duke Ellington, der auch prompt aus ein paar Audio-Bild-Werfern aufspielt. Es beginnt eine niedlich holperige Liebesgeschichte mit echten Unsicherheiten und traumhaft poetischen Momenten. Dabei erleben wir Paris aus absolut neuen Perspektiven, sehen wie das Paar nach einer völlig unchristlichen Hochzeit in ihren Gefühlen untergeht und in einer gläsernen Limousine auf Hochzeits-Trip fährt.
In der Hochzeitsnacht legt sich ein Kristall in Chloés Lunge, die folgende Krankheit verändert alles: Wie die Lungen sind auch die Fenster von Colins Himmels-Waggon belegt und lassen kein Sonnenlicht mehr durch. Er braucht für die Blumen, die einzig Heilung bringen, sein gesamtes Vermögen auf. Die Wohnung wird enger, alle Farben verblassen, die Arbeitsverhältnisse draußen sind ein Horrortrip.
„Der Schaum der Tage" begeistert mit unfassbar vielen, verrückten, schönen und schrägen Einfällen. Allein der Auftritt Jean-Sol Partres (sic!) ist den Eintritt wert. Da ist auch das bekannte Piano, das Cocktails komponiert, dazu Colins eigenwillige, hündische Schuhe, der kleine Mäuse-Assistent, das Tanzen mit überlangen Beinen, die Floristin, deren Kleid mit den bestellten Blumen wechselt, das Fixieren einer widerspenstigen Krawatte mit dem Hammer. Colins Freund Nicolas (Omar Sy) gibt dem Fernsehkoch, der auch aus dem Kühlschrank Champagner anreicht, eine ganz neue Bedeutung... Unbeschreiblich dies alles. Wer mehr lesen will, muss den Roman zur Hand nehmen. Oder kann im Film zudem einen völlig verschrobenen Retro-Futurismus genießen.
Es blieben vom Roman die wundervolle Hommage an den Jazz, die Reflektion des Existenzialismus der Entstehungszeit. Seitenhiebe auf Jean-Sol Partre werden nur vorsichtig mit einer Partner-Such-Maschine oder einem philosophischen Rubics Cube modernisiert. Roman Duris („Mademoiselle Populaire", „L'auberge espagnole", „Gadjo Dilo") ist der perfekte Darsteller für die verspielt euphorischen und für die leidenden Momente. Audrey Tautou ist lieblich im Glück und im Siechen. Es gibt nur einen Wermuts-Tropfen: Wie aus diesem Film für die deutsche Rumpf- und Synchro-Version unfassbare dreißig Minuten herausgeschnitten werden konnten, ist mehr als ein Rätsel, ist ein Verbrechen.
30.9.13
Gravity
GB, USA 2013 Regie: Alfonso Cuarón mit Sandra Bullock, George Clooney 91 Min., FSK: ab 12
Mitten im Ozean allein unter Haien oder allein im Weltall ohne Funkkontakt. Die ganz einfachen Geschichten sind manchmal die effektivsten: Es könnte so schön bleiben: Matt Kowalsky (George Clooney) spielt mit seinem Jet-Pack draußen vor dem Space-Shuttle rum, labbert Huston mit alten Geschichten voll und würde gerne den Rekord in Sachen Weltraumspaziergang einem Russen wegschnappen. Doch dann schlagen Ruckzuck Trümmerteile eines Satelliten ein, die Astronautin und Wissenschaftlerin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) schwebt völlig losgelöst im Weltall.
Schon diese Szene schlägt voll ein, nach der Spannung auf das Erwartete und Angekündigte steigert sich die vorher spielerische Bewegung in der Schwerelosigkeit zu einem radikalen Ballett aus Technikteilen und verlorenen Menschen. Die Musik legt unüblich einen sphärischen Elektrosound drüber und so packt die kurzatmige Verzweiflung von Stone, die im Raumanzug orientierungslos umherkreiselt noch mehr. „Gravity", dieser zeitweise extrem beklemmende Film, ist nichts für Menschen mit Platzangst.
Doch zum Glück gibt es auch noch Kowalsky, einen Schwätzer und Charmeur, der selbst Lost in Space noch über Blaue Augen faselt und Stone damit tatsächlich beruhigt. Nicht aufgeben und Nicht aufregen, sind die Regeln mit denen der „Busfahrer" die geniale Wissenschaftlerin an die Leine nimmt. Denn ihr Sauerstoff geht zuneige und beide haben noch einen weiten Weg vor sich, zur internationalen Raumstation (ISS), die nur als weißer Punkt am Firmament zu sehen ist. Ob der Treibstoff des Jetpacks bis dahin reicht und ob die beiden sich irgendwo festhalten können oder vorbeirasen, bleibt sehr spannend.
Doch gleichzeitig schleicht sich eine andere Ebene des Films unter die Haut. Denn eigentlich kämpft Ryan vielmehr mit dem Tod ihrer Tochter im Alter von vier Jahren als ums Überleben. Damit ist „Gravity" seinem esoterischen Historien-Film „Tree of Life" viel näher als vergleichbaren Science Fiction wie „Silent Running". Von dem Sci-Fi-Kram gibt es allerdings auch genug: Eine brennende Raumstation, Raumkapsel an Jojo-Leinen und ein gigantisches Feuerwerk, das in seiner herrlich beiläufigen Inszenierung besser aussieht als die Zerstörung des Todessterns. Alfonso Cuarón („Y Tu Mama Tambien", „Harry Potter - Der Gefangene von Askaban", „Children of Men") kann inszenieren - auch so etwas mit tollen Luftaufnahmen und atemloser Spannung!
Der kurze und packende Film lebt auch von Faszination einer Welt über uns, in der man von Raumstation zu Raumstation hüpfen kann, sich hier mal ein Shuttle ausleiht und dort eine Landefähre kapert. Cuarón, der auch immer etwas vom Menschsein im Zusammenhang der ganzen Schöpfung erzählen will, macht mit vielen Blicken auf die Schönheit der Erde oder eines Sonnenaufgangs Lust auf das Leben. Genau das versucht Kowalsky der wortwörtlich lebensmüden Ryan Stone beizubringen: Auch wenn es mal nicht optimal läuft, ist das Leben doch „a hell of a ride", ein verdammter Spaß!
Nebenbei läuft noch ein ganz anderer Film ab, der stark für Mülltrennung im Weltall plädiert: Denn durch die Zerstörung eines Satelliten ereignet sich eine Kettenreaktion, die zwar für schöne Meteoriten-Regen am Himmel sorgt, aber auch die weltweite Satelliten-Kommunikation zerstört. Und das Sat-TV. Und das GPS... So bekommen die etwas überdeutlichen Bilder einer Wiedergeburt von Ryan, der Wiederholung des evolutionären Übergangs vom Wasser an Land eine ziemlich schwere Bedeutung. Eine neue Menschheit wird geboren. Aber das wird wohl im Teil 2 ausgeführt.
Mitten im Ozean allein unter Haien oder allein im Weltall ohne Funkkontakt. Die ganz einfachen Geschichten sind manchmal die effektivsten: Es könnte so schön bleiben: Matt Kowalsky (George Clooney) spielt mit seinem Jet-Pack draußen vor dem Space-Shuttle rum, labbert Huston mit alten Geschichten voll und würde gerne den Rekord in Sachen Weltraumspaziergang einem Russen wegschnappen. Doch dann schlagen Ruckzuck Trümmerteile eines Satelliten ein, die Astronautin und Wissenschaftlerin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) schwebt völlig losgelöst im Weltall.
Schon diese Szene schlägt voll ein, nach der Spannung auf das Erwartete und Angekündigte steigert sich die vorher spielerische Bewegung in der Schwerelosigkeit zu einem radikalen Ballett aus Technikteilen und verlorenen Menschen. Die Musik legt unüblich einen sphärischen Elektrosound drüber und so packt die kurzatmige Verzweiflung von Stone, die im Raumanzug orientierungslos umherkreiselt noch mehr. „Gravity", dieser zeitweise extrem beklemmende Film, ist nichts für Menschen mit Platzangst.
Doch zum Glück gibt es auch noch Kowalsky, einen Schwätzer und Charmeur, der selbst Lost in Space noch über Blaue Augen faselt und Stone damit tatsächlich beruhigt. Nicht aufgeben und Nicht aufregen, sind die Regeln mit denen der „Busfahrer" die geniale Wissenschaftlerin an die Leine nimmt. Denn ihr Sauerstoff geht zuneige und beide haben noch einen weiten Weg vor sich, zur internationalen Raumstation (ISS), die nur als weißer Punkt am Firmament zu sehen ist. Ob der Treibstoff des Jetpacks bis dahin reicht und ob die beiden sich irgendwo festhalten können oder vorbeirasen, bleibt sehr spannend.
Doch gleichzeitig schleicht sich eine andere Ebene des Films unter die Haut. Denn eigentlich kämpft Ryan vielmehr mit dem Tod ihrer Tochter im Alter von vier Jahren als ums Überleben. Damit ist „Gravity" seinem esoterischen Historien-Film „Tree of Life" viel näher als vergleichbaren Science Fiction wie „Silent Running". Von dem Sci-Fi-Kram gibt es allerdings auch genug: Eine brennende Raumstation, Raumkapsel an Jojo-Leinen und ein gigantisches Feuerwerk, das in seiner herrlich beiläufigen Inszenierung besser aussieht als die Zerstörung des Todessterns. Alfonso Cuarón („Y Tu Mama Tambien", „Harry Potter - Der Gefangene von Askaban", „Children of Men") kann inszenieren - auch so etwas mit tollen Luftaufnahmen und atemloser Spannung!
Der kurze und packende Film lebt auch von Faszination einer Welt über uns, in der man von Raumstation zu Raumstation hüpfen kann, sich hier mal ein Shuttle ausleiht und dort eine Landefähre kapert. Cuarón, der auch immer etwas vom Menschsein im Zusammenhang der ganzen Schöpfung erzählen will, macht mit vielen Blicken auf die Schönheit der Erde oder eines Sonnenaufgangs Lust auf das Leben. Genau das versucht Kowalsky der wortwörtlich lebensmüden Ryan Stone beizubringen: Auch wenn es mal nicht optimal läuft, ist das Leben doch „a hell of a ride", ein verdammter Spaß!
Nebenbei läuft noch ein ganz anderer Film ab, der stark für Mülltrennung im Weltall plädiert: Denn durch die Zerstörung eines Satelliten ereignet sich eine Kettenreaktion, die zwar für schöne Meteoriten-Regen am Himmel sorgt, aber auch die weltweite Satelliten-Kommunikation zerstört. Und das Sat-TV. Und das GPS... So bekommen die etwas überdeutlichen Bilder einer Wiedergeburt von Ryan, der Wiederholung des evolutionären Übergangs vom Wasser an Land eine ziemlich schwere Bedeutung. Eine neue Menschheit wird geboren. Aber das wird wohl im Teil 2 ausgeführt.
Rush
USA, BRD, Großbritannien 2013 (Rush) Regie: Ron Howard mit Chris Hemsworth, Daniel Brühl, Olivia Wilde, Alexandra Maria Lara 118 Min. FSK: ab 12
Das kann man rasch vergessen: Ein großes Duell der Sportgeschichte, das zwischen den Auto-Rasern Niki Lauda und James Hunt, wird für den Spielfilm „Rush" zum Fremdschämen eingedampft. Zwei Hansln, wie es Lauda selbst sagen würde, wenn er sich nicht gerade selbst verkaufen müsste, fechten ihren Hahnenkampf auf teuren Reifen aus. Erfolgsregisseur Ron Howard („The Da Vinci Code", „A Beautiful Mind", „Kopfgeld", „Apollo 13") verheizt die sensationelle Geschichte in einem seiner schwächten Leistungen.
Anfang der 70er Jahre kämpften Niki Lauda und James Hunt um die Vorherrschaft im Autorennsport. Während der disziplinierte Österreicher ernsthaft und mit technischer Intelligenz am Erfolg arbeitet, scheint der Brite Hunt vor allem talentierter Playboy zu sein. Beim Formel 1-Rennen 1976 am Nürburgring führt Lauda die Weltmeisterschaft klar an. Als er bei heftigem Regen vorschlägt, das Rennen in der „Grünen Hölle" abzusagen, stimmt eine Mehrheit der Fahrer unter Führung von Hunt gegen ihn. Daraufhin erleidet Lauda einen fürchterlichen Unfall. Er kann nicht schnell genug aus dem damals noch wesentlich gefährlicheren Formel 1-Wagen gerettet werden und erleidet die Brandverletzungen, die ihn heute noch kennzeichnen. Doch schon bald zwängt der Besessene seinen Helm über den Kopf, auf dem ein Teil seines Oberschenkels transplantiert wurde, um nur 42 Tage nach dem Unfall wieder an den Start zu gehen. Tatsächlich holt der kaum Genesene wieder auf den inzwischen in der Wertung führenden Hunt auf. Im letzten Rennen, dem Grand Prix von Japan liegt er nur drei Punkte zurück. Aber wieder bedroht Regen das Leben der Fahrer und Lauda stellt seinen Wagen nach ein paar Runden ab. Hunt wird Weltmeister.
„Rush" gehört zu den schwer erträglichen Filmen, die historische Ereignisse so weit genau imitieren, bis alles Leben aus ihnen verschwunden ist. Das beginnt mit Gesicht und Ausdruck von Daniel Brühl, der Lauda nachahmen muss, was witzig wirkt, dem Schauspiel aber nicht hilft. Historisch legt sich die Ausstattung ins Zeug, für computer-animierte Rennszenen war - vielleicht zum Glück - dann kaum noch Geld da. So findet das sagenhafte Duell hauptsächlich in Form von kurzen Wortwechseln auf dem Siegerpodium und im Fahrerlager statt. Die Rennen dazwischen sind Sekundenbruchteile alter Aufnahmen. Generell ist erstaunlich, wie so viel Talent hinter den Kulissen (Buch: Peter Morgan, Kamera: Anthony Dod Mantle) so einen zähen und elend schlechten Film erzeugen kann.
Das kann man rasch vergessen: Ein großes Duell der Sportgeschichte, das zwischen den Auto-Rasern Niki Lauda und James Hunt, wird für den Spielfilm „Rush" zum Fremdschämen eingedampft. Zwei Hansln, wie es Lauda selbst sagen würde, wenn er sich nicht gerade selbst verkaufen müsste, fechten ihren Hahnenkampf auf teuren Reifen aus. Erfolgsregisseur Ron Howard („The Da Vinci Code", „A Beautiful Mind", „Kopfgeld", „Apollo 13") verheizt die sensationelle Geschichte in einem seiner schwächten Leistungen.
Anfang der 70er Jahre kämpften Niki Lauda und James Hunt um die Vorherrschaft im Autorennsport. Während der disziplinierte Österreicher ernsthaft und mit technischer Intelligenz am Erfolg arbeitet, scheint der Brite Hunt vor allem talentierter Playboy zu sein. Beim Formel 1-Rennen 1976 am Nürburgring führt Lauda die Weltmeisterschaft klar an. Als er bei heftigem Regen vorschlägt, das Rennen in der „Grünen Hölle" abzusagen, stimmt eine Mehrheit der Fahrer unter Führung von Hunt gegen ihn. Daraufhin erleidet Lauda einen fürchterlichen Unfall. Er kann nicht schnell genug aus dem damals noch wesentlich gefährlicheren Formel 1-Wagen gerettet werden und erleidet die Brandverletzungen, die ihn heute noch kennzeichnen. Doch schon bald zwängt der Besessene seinen Helm über den Kopf, auf dem ein Teil seines Oberschenkels transplantiert wurde, um nur 42 Tage nach dem Unfall wieder an den Start zu gehen. Tatsächlich holt der kaum Genesene wieder auf den inzwischen in der Wertung führenden Hunt auf. Im letzten Rennen, dem Grand Prix von Japan liegt er nur drei Punkte zurück. Aber wieder bedroht Regen das Leben der Fahrer und Lauda stellt seinen Wagen nach ein paar Runden ab. Hunt wird Weltmeister.
„Rush" gehört zu den schwer erträglichen Filmen, die historische Ereignisse so weit genau imitieren, bis alles Leben aus ihnen verschwunden ist. Das beginnt mit Gesicht und Ausdruck von Daniel Brühl, der Lauda nachahmen muss, was witzig wirkt, dem Schauspiel aber nicht hilft. Historisch legt sich die Ausstattung ins Zeug, für computer-animierte Rennszenen war - vielleicht zum Glück - dann kaum noch Geld da. So findet das sagenhafte Duell hauptsächlich in Form von kurzen Wortwechseln auf dem Siegerpodium und im Fahrerlager statt. Die Rennen dazwischen sind Sekundenbruchteile alter Aufnahmen. Generell ist erstaunlich, wie so viel Talent hinter den Kulissen (Buch: Peter Morgan, Kamera: Anthony Dod Mantle) so einen zähen und elend schlechten Film erzeugen kann.
Liberace
USA 2013 (Behind The Candelabra) Regie: Steven Soderbergh mit Matt Damon, Michael Douglas, Rob Lowe, Anthony Crivello, Debbie Reynolds, Scott Bakula 114 Min.
"Liberace", der erste Post-Kino-Film des "Ocean's Eleven"-Regisseurs Steven Soderbergh, erhielt wie erwartet bereits die Hauptpreise der diesjährigen Emmy-Awards: Die amerikanische HBO-Produktion wurde dreifach ausgezeichnet, unter anderem als Bester TV-Film und Michael Douglas als Bester Hauptdarsteller. Sein Entertainer Liberace, dieser Ludwig II. von Las Vegas, sorgt mit unvorstellbarem Reichtum und billigen Aufreißer-Tricks für enormen und auch bösen Spaß in der ersten Filmhälfte.
Der Pianist Władziu Valentino Liberace (1919 - 1987) entwickelte sich zum grandiosen Bühnen- und Selbstdarsteller, wobei seine Homosexualität erst nach seinem AIDS-Tod einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Soderberghs Blick hinter den titelgebenden Leuchter (Candelabra), der auf Liberaces glimmerndem Piano stand, zeigt erst grandiosen Glitter, schwelgt in pompöser Ausstattung und macht den typisch unsinnigen deutschen Titel richtig sinnlich: „Zu viel des Guten ist wundervoll!" Das sieht gut aus wie immer bei diesem genialen Regisseur und Kameramann.
Knackig und gut sieht auch Scott Thorson (Matt Damon) aus, der Junge vom Land, der im Sommer 1977 die Garderobe von Liberace (Michael Douglas) betritt. Es ist ziemlich schnell klar, dass der Star sich diesen neuen Lover ausgeguckt hat - im Hintergrund mosert sein noch nicht ganz abgelegter Vorgänger herrlich pickiert rum. Auf engstem Raum ein Vorverweis auf das Ende einer Beziehung, die gerade erst beginnt.
Trotz großen Altersunterschiedes läuft die geheime Affäre gut an, für die üblichen Differenzen lässt sich immer eine Lösung kaufen. Dabei weiß man nie genau, ob das jetzt ein Verhältnis zwischen Liebenden oder ein Vater-Sohn-Ding ist. Die Skurrilitäten springen einen heftig an, wenn nach einigen Jahren häuslicher Zweisamkeit die Schönheits-OPs aus Scott eine junge Kopie Liberaces machen. Als die Pfunde des feisten Lebens weg müssen, erweist sich das Schlankheitsmittel als heftige Droge mit aggressiven Nebenerscheinungen, die einen eifersüchtigen Gefühls-Wahnsinn eskalieren lassen.
Die unschönen Szenen einer Schwulenbeziehung bestimmen den zweiten Teil von „Liberace". Das, was Liberaces Geliebter Scott Thorson in seinen Memoiren als die "schönsten Jahre des Pianisten" bezeichnen sollte, berührt tatsächlich als Niedergang eines einsamen Menschen, der schließlich an AIDS stirbt. Michael Douglas begeistert in der Hauptrolle, spielt nach Meinungen einiger gar die beste Rolle seines Lebens. Dabei ist es vor allem das Duo aus Douglas und Matt Damon, die in umwerfend komischen und sehr anrührenden Szenen diesen Film tragen, der sich immer mehr vom äußeren Glamour zu inneren Abgründen bewegt. Wenngleich eine Abschiedsszene noch einmal den ganzen Glanz und Glitter der Las Vegas-Shows von Liberace aufleben lässt. So wie der Film „Liberace" zum Abschied noch einmal die ganze Filmkunst von Steven Soderbergh aufleuchten lässt. Es fällt schwer zu glauben, dass so ein Jahrhundert-Künstler wirklich nie wieder Regie führen wird. „Liberace" sollte man sich aber auf jeden Fall ansehen.
"Liberace", der erste Post-Kino-Film des "Ocean's Eleven"-Regisseurs Steven Soderbergh, erhielt wie erwartet bereits die Hauptpreise der diesjährigen Emmy-Awards: Die amerikanische HBO-Produktion wurde dreifach ausgezeichnet, unter anderem als Bester TV-Film und Michael Douglas als Bester Hauptdarsteller. Sein Entertainer Liberace, dieser Ludwig II. von Las Vegas, sorgt mit unvorstellbarem Reichtum und billigen Aufreißer-Tricks für enormen und auch bösen Spaß in der ersten Filmhälfte.
Der Pianist Władziu Valentino Liberace (1919 - 1987) entwickelte sich zum grandiosen Bühnen- und Selbstdarsteller, wobei seine Homosexualität erst nach seinem AIDS-Tod einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Soderberghs Blick hinter den titelgebenden Leuchter (Candelabra), der auf Liberaces glimmerndem Piano stand, zeigt erst grandiosen Glitter, schwelgt in pompöser Ausstattung und macht den typisch unsinnigen deutschen Titel richtig sinnlich: „Zu viel des Guten ist wundervoll!" Das sieht gut aus wie immer bei diesem genialen Regisseur und Kameramann.
Knackig und gut sieht auch Scott Thorson (Matt Damon) aus, der Junge vom Land, der im Sommer 1977 die Garderobe von Liberace (Michael Douglas) betritt. Es ist ziemlich schnell klar, dass der Star sich diesen neuen Lover ausgeguckt hat - im Hintergrund mosert sein noch nicht ganz abgelegter Vorgänger herrlich pickiert rum. Auf engstem Raum ein Vorverweis auf das Ende einer Beziehung, die gerade erst beginnt.
Trotz großen Altersunterschiedes läuft die geheime Affäre gut an, für die üblichen Differenzen lässt sich immer eine Lösung kaufen. Dabei weiß man nie genau, ob das jetzt ein Verhältnis zwischen Liebenden oder ein Vater-Sohn-Ding ist. Die Skurrilitäten springen einen heftig an, wenn nach einigen Jahren häuslicher Zweisamkeit die Schönheits-OPs aus Scott eine junge Kopie Liberaces machen. Als die Pfunde des feisten Lebens weg müssen, erweist sich das Schlankheitsmittel als heftige Droge mit aggressiven Nebenerscheinungen, die einen eifersüchtigen Gefühls-Wahnsinn eskalieren lassen.
Die unschönen Szenen einer Schwulenbeziehung bestimmen den zweiten Teil von „Liberace". Das, was Liberaces Geliebter Scott Thorson in seinen Memoiren als die "schönsten Jahre des Pianisten" bezeichnen sollte, berührt tatsächlich als Niedergang eines einsamen Menschen, der schließlich an AIDS stirbt. Michael Douglas begeistert in der Hauptrolle, spielt nach Meinungen einiger gar die beste Rolle seines Lebens. Dabei ist es vor allem das Duo aus Douglas und Matt Damon, die in umwerfend komischen und sehr anrührenden Szenen diesen Film tragen, der sich immer mehr vom äußeren Glamour zu inneren Abgründen bewegt. Wenngleich eine Abschiedsszene noch einmal den ganzen Glanz und Glitter der Las Vegas-Shows von Liberace aufleben lässt. So wie der Film „Liberace" zum Abschied noch einmal die ganze Filmkunst von Steven Soderbergh aufleuchten lässt. Es fällt schwer zu glauben, dass so ein Jahrhundert-Künstler wirklich nie wieder Regie führen wird. „Liberace" sollte man sich aber auf jeden Fall ansehen.
25.9.13
Prince Avalanche
USA 2013 Regie: David Gordon Green mit Paul Rudd, Emile Hirsch, Lance LeGault, 90 Min. FSK: ab 6
Irgendwo in einem enormen Übermaß an Natur, in üppiger Fauna und Flora hat sich eine Straße verirrt. Und dort wiederum, einsam inmitten des Asphalts, liegt ein gelber Mittelstreifen, teilt das Nichts in zwei Hälften. Die Vorstellung, dass jemand diese Striche fast von Hand aufgebracht hat, ist schon in kleines Poem der Verlorenheit an sich. Alvin und Lance heißen die beiden Arbeiter, die in der Einöde die gelben Striche malen. So weit weg von der Zivilisation, dass sie gleich zwischen den Arbeitstagen campen und nur am Wochenende vielleicht mal in die nächste Stadt fahren. Eine perfekte Situation für einen Koller. Zumal der ältere Alvin auch Schwager von Lance ist. Der hasst die Einsamkeit, will in die Stadt, zum richtigen Leben, zu den jungen Frauen. Alvin hingegen ist zufrieden in der Natur, mit den Briefen seiner Frau. Als die jedoch von Trennung schreibt, eskaliert das gespannte Verhältnis am gelben Strich. Lance bleibt allein zurück und trifft in einer surrealen, vom Waldbrand verwüsteten Gegend auf seltsame, märchenhafte Gestalten...
Das herausragende, umwerfend komische und traumhaft rührende Drama um einen Mittelstreifen, „Prince Avalanche", erhielt bei der Berlinale verdientermaßen den Silbernen Bär für die Beste Regie. Man kann es sich kaum vorstellen, aber der Film von David Gordon Green, nach einer Vorlage von Hafsteinn Gunnar Sigurðsson (Drehbuch zu "Á annan veg" von 2011) ist in seinen besten Momenten so komisch wie die Erfolge von Wes Anderson, wie „Die Royal Tenenbaums", „Darjeeling Limited" oder „Moonrise Kingdom". Mit dem tollen Schauspiel von Paul Rudd und Emile Hirsch schafft es Green sogar, mit diesem unwahrscheinlichen Setting zu faszinieren. Wobei die Begegnungen von Lance mit einer verwirrten, alten Frau und einem alkoholisch schwer beladenem Trucker in der verkohlten Landschaft unvergesslich bleiben.
David Gordon Green gewann 2003 mit „All The Real Girls" in Sundance den Spezialpreis der Jury, unternahm mit „Pineapple Express" (2008) und „Your Highness" (2011) Ausflüge zum Mainstream, bevor er jetzt mit „Prince Avalanche" zum Indie-Film zurückkehrte.
Irgendwo in einem enormen Übermaß an Natur, in üppiger Fauna und Flora hat sich eine Straße verirrt. Und dort wiederum, einsam inmitten des Asphalts, liegt ein gelber Mittelstreifen, teilt das Nichts in zwei Hälften. Die Vorstellung, dass jemand diese Striche fast von Hand aufgebracht hat, ist schon in kleines Poem der Verlorenheit an sich. Alvin und Lance heißen die beiden Arbeiter, die in der Einöde die gelben Striche malen. So weit weg von der Zivilisation, dass sie gleich zwischen den Arbeitstagen campen und nur am Wochenende vielleicht mal in die nächste Stadt fahren. Eine perfekte Situation für einen Koller. Zumal der ältere Alvin auch Schwager von Lance ist. Der hasst die Einsamkeit, will in die Stadt, zum richtigen Leben, zu den jungen Frauen. Alvin hingegen ist zufrieden in der Natur, mit den Briefen seiner Frau. Als die jedoch von Trennung schreibt, eskaliert das gespannte Verhältnis am gelben Strich. Lance bleibt allein zurück und trifft in einer surrealen, vom Waldbrand verwüsteten Gegend auf seltsame, märchenhafte Gestalten...
Das herausragende, umwerfend komische und traumhaft rührende Drama um einen Mittelstreifen, „Prince Avalanche", erhielt bei der Berlinale verdientermaßen den Silbernen Bär für die Beste Regie. Man kann es sich kaum vorstellen, aber der Film von David Gordon Green, nach einer Vorlage von Hafsteinn Gunnar Sigurðsson (Drehbuch zu "Á annan veg" von 2011) ist in seinen besten Momenten so komisch wie die Erfolge von Wes Anderson, wie „Die Royal Tenenbaums", „Darjeeling Limited" oder „Moonrise Kingdom". Mit dem tollen Schauspiel von Paul Rudd und Emile Hirsch schafft es Green sogar, mit diesem unwahrscheinlichen Setting zu faszinieren. Wobei die Begegnungen von Lance mit einer verwirrten, alten Frau und einem alkoholisch schwer beladenem Trucker in der verkohlten Landschaft unvergesslich bleiben.
David Gordon Green gewann 2003 mit „All The Real Girls" in Sundance den Spezialpreis der Jury, unternahm mit „Pineapple Express" (2008) und „Your Highness" (2011) Ausflüge zum Mainstream, bevor er jetzt mit „Prince Avalanche" zum Indie-Film zurückkehrte.
Prakti.com
USA 2013 (The Internship) Regie: Shawn Levy, mit Vince Vaughn, Owen Wilson, Rose Byrne, Aasif Mandvi 115 Min. FSK: ab 6
Nach dem Facebook-Film „The Social Network und der Apple-Adaption „Jobs" kommt jetzt ein Komödien-Androide von Google, der alle Rekorde bricht: Denn man hat selten einen Film gesehen, der es schafft, fast zwei Stunden konstant und in nahezu jedem Moment langweilig zu sein. Wenn die altmodischen Verkäufer Billy und Nick (Ko-Autor Vince Vaughn und Owen Wilson mit mäßigem Spiel) nach ihrer Entlassung gegen alle Wahrscheinlichkeiten ein Praktikum bei hyper-hippen Technologie-Konzern und Super-Schnüffler Google bekommen, habe wir immer noch keine Ahnung, was diese beiden Menschen wollen und was sie interessiert. Das interessiert uns dann auch ziemlich wenig, zumal bald klar ist, dass die alten Herren den konkurrierenden jungen Hackern und Nerds aus den Elite-Schulen beibringen werden, was Leben und ein soziales Netzwerk eigentlich wert sind. Das passiert in Form eines Kneipenabends mit abschließender Schlägerei!
Der Witz des Films müht sich mit dem Gegensatz von einfachen Benutzern und durchgeknallten Hackern ab: Da glaubt Billy unerschütterlich, Fotos direkt mit dem Smartphone "on the line" zu stellen, sei eine tolle Idee, und will nicht hören, dass Instagram schon existiert. Hier vielleicht eine kurze Pause, bis alle ausgelacht haben. Der ganz große und sehr lange Google-Werbefilm, der fast komplett auf dem Google-Campus spielt, der einem Kindergarten ähnelt, wird unerträglich, wenn er sich mit dem typischen Team-Building-Pathos solcher Geschichten verklebt. Das Happy End besteht schließlich darin, einen Job bei Google zu bekommen. Die Dokumentation über die Arbeitsverhältnisse dort und die sichere Selbstausbeutung in diesem Bereich folgt garantiert bald.
Keine der Übungen der Praktikanten bestand übrigens darin, die Sicherheit von Daten zu erhöhen oder den Kunden deutlich zu machen, was mit ihren persönlichen Informationen passiert. „Prakti.com" wird ein ähnliches Schicksal erleben wie Praktiker.
Nach dem Facebook-Film „The Social Network und der Apple-Adaption „Jobs" kommt jetzt ein Komödien-Androide von Google, der alle Rekorde bricht: Denn man hat selten einen Film gesehen, der es schafft, fast zwei Stunden konstant und in nahezu jedem Moment langweilig zu sein. Wenn die altmodischen Verkäufer Billy und Nick (Ko-Autor Vince Vaughn und Owen Wilson mit mäßigem Spiel) nach ihrer Entlassung gegen alle Wahrscheinlichkeiten ein Praktikum bei hyper-hippen Technologie-Konzern und Super-Schnüffler Google bekommen, habe wir immer noch keine Ahnung, was diese beiden Menschen wollen und was sie interessiert. Das interessiert uns dann auch ziemlich wenig, zumal bald klar ist, dass die alten Herren den konkurrierenden jungen Hackern und Nerds aus den Elite-Schulen beibringen werden, was Leben und ein soziales Netzwerk eigentlich wert sind. Das passiert in Form eines Kneipenabends mit abschließender Schlägerei!
Der Witz des Films müht sich mit dem Gegensatz von einfachen Benutzern und durchgeknallten Hackern ab: Da glaubt Billy unerschütterlich, Fotos direkt mit dem Smartphone "on the line" zu stellen, sei eine tolle Idee, und will nicht hören, dass Instagram schon existiert. Hier vielleicht eine kurze Pause, bis alle ausgelacht haben. Der ganz große und sehr lange Google-Werbefilm, der fast komplett auf dem Google-Campus spielt, der einem Kindergarten ähnelt, wird unerträglich, wenn er sich mit dem typischen Team-Building-Pathos solcher Geschichten verklebt. Das Happy End besteht schließlich darin, einen Job bei Google zu bekommen. Die Dokumentation über die Arbeitsverhältnisse dort und die sichere Selbstausbeutung in diesem Bereich folgt garantiert bald.
Keine der Übungen der Praktikanten bestand übrigens darin, die Sicherheit von Daten zu erhöhen oder den Kunden deutlich zu machen, was mit ihren persönlichen Informationen passiert. „Prakti.com" wird ein ähnliches Schicksal erleben wie Praktiker.
24.9.13
2 Guns
USA 2013 (2 Guns) Regie: Baltasar Kormákur mit Denzel Washington, Mark Wahlberg, Paula Patton, Bill Paxton, James Marsden, Fred Ward, Edward James Olmos 105 Min. FSK: ab 16
Die beiden sind wirklich zwei Knaller: Agent Bobby Trench (Denzel Washington), Drogenfahnder bei der DEA, und der U.S. Naval Intelligence Officer Michael Stigman (Mark Wahlberg) wollen zusammen eine Bank überfallen, um ein mexikanisches Drogenkartell und jeweils den Partner zu überführen und dingfest zu machen. Als in der kleinen Filiale statt drei Millionen eines Drogenbosses satte 43 Millionen schmutziges Geld der CIA rumliegt, kommt es zur großen Konfrontation us-amerikanischer Institutionen. Ohne viel Skrupel schießt der Superschütze Michael seinen Kumpel Bobby in der Wüste an und lässt ihn zurück. Doch weit kommt der Seemann auf Abwegen auch nicht: Die „Kameraden", die ihn zu diesem schmutzigen Job gezwungen haben, wollen ihn direkt umlegen. Nach einer spannenden Jagd durch ein ausgetrocknetes Fluss-Labyrinth kann Michael mit seinem Leben entkommen, die Millionen sind aber weg.
Die beiden echt guten Agenten berappeln sich auf ebenso komische wie coole Weise und müssen wieder gegen ihren Willen zusammenarbeiten - diesmal mit halbwegs offenen Karten. Wobei in einer der vielen, vielen klasse Action-Szenen des Films Michael lieber einen Gewehrschuss Abstand zum dem nicht nur angeschossenen sondern auch angepissten Ex-Mitarbeiter lässt. Dass derweil die korrupten Navy-Jungs Bobby im dunklen Loft umzingeln und aus sicherer Distanz einer nach dem anderen aus dem Fluchtweg geräumt werden, ist satte Action mit einem guten Schuss Buddy-Komödie. Bevor in der nächsten Szene die gekonnte Balance mehr zum Spaß ausschlägt. Auf jeden Fall sorgen CIA, Drogenfahndung, die Navy und andere Gangster für einen Haufen Leichen am Rande des Weges.
Denzel Washington und Mark Wahlberg glänzen - teils mit aufgesetzten Goldzähnen - in dieser sehr gelungenen Buddy- und Action-Komödie nach einer Comic-Vorlage von Steven Grant. „2 Guns" hat mal eine wirklich originelle Besetzung, wobei Wahlberg neben dem Superstar Washington in Sachen flottes Mundwerk und humorige Dialoge (Buch: Blake Masters) gut mithalten kann. „2 Guns" kann man vor allen in den über-coolen Dialog-Momenten durchaus mit „Pulp Fiction" vergleichen.
Die ganz große Überraschung ist allerdings der Regisseur Baltasar Kormákur. Der Isländer hatte von „101 Reykjavik" (2000) bis zum letzten Kinofilm „The Deep" (2012) eher mit sehr eigenständigen Arthouse-Werken begeistert. Zwar arbeitete er schon mit Mark Wahlberg, doch der Schmugglerfilm „Contraband" (2012) war viel schwächer als dieser Hit jetzt. Bei allen Action-Treffern schmuggelt Kormákur gleichzeitig Systemkritik von ganz schwerem Kaliber in die Knallereien seines Knallers. Dass die Instanzen der Exekutive (CIA, DEA) sich nur wegen der Dienstmarken von den Verbrechern jenseits der Grenze unterscheiden, ist harter Tobak und lässt an der hohlen Phrasen um den „War on drugs" zweifeln.
Die beiden sind wirklich zwei Knaller: Agent Bobby Trench (Denzel Washington), Drogenfahnder bei der DEA, und der U.S. Naval Intelligence Officer Michael Stigman (Mark Wahlberg) wollen zusammen eine Bank überfallen, um ein mexikanisches Drogenkartell und jeweils den Partner zu überführen und dingfest zu machen. Als in der kleinen Filiale statt drei Millionen eines Drogenbosses satte 43 Millionen schmutziges Geld der CIA rumliegt, kommt es zur großen Konfrontation us-amerikanischer Institutionen. Ohne viel Skrupel schießt der Superschütze Michael seinen Kumpel Bobby in der Wüste an und lässt ihn zurück. Doch weit kommt der Seemann auf Abwegen auch nicht: Die „Kameraden", die ihn zu diesem schmutzigen Job gezwungen haben, wollen ihn direkt umlegen. Nach einer spannenden Jagd durch ein ausgetrocknetes Fluss-Labyrinth kann Michael mit seinem Leben entkommen, die Millionen sind aber weg.
Die beiden echt guten Agenten berappeln sich auf ebenso komische wie coole Weise und müssen wieder gegen ihren Willen zusammenarbeiten - diesmal mit halbwegs offenen Karten. Wobei in einer der vielen, vielen klasse Action-Szenen des Films Michael lieber einen Gewehrschuss Abstand zum dem nicht nur angeschossenen sondern auch angepissten Ex-Mitarbeiter lässt. Dass derweil die korrupten Navy-Jungs Bobby im dunklen Loft umzingeln und aus sicherer Distanz einer nach dem anderen aus dem Fluchtweg geräumt werden, ist satte Action mit einem guten Schuss Buddy-Komödie. Bevor in der nächsten Szene die gekonnte Balance mehr zum Spaß ausschlägt. Auf jeden Fall sorgen CIA, Drogenfahndung, die Navy und andere Gangster für einen Haufen Leichen am Rande des Weges.
Denzel Washington und Mark Wahlberg glänzen - teils mit aufgesetzten Goldzähnen - in dieser sehr gelungenen Buddy- und Action-Komödie nach einer Comic-Vorlage von Steven Grant. „2 Guns" hat mal eine wirklich originelle Besetzung, wobei Wahlberg neben dem Superstar Washington in Sachen flottes Mundwerk und humorige Dialoge (Buch: Blake Masters) gut mithalten kann. „2 Guns" kann man vor allen in den über-coolen Dialog-Momenten durchaus mit „Pulp Fiction" vergleichen.
Die ganz große Überraschung ist allerdings der Regisseur Baltasar Kormákur. Der Isländer hatte von „101 Reykjavik" (2000) bis zum letzten Kinofilm „The Deep" (2012) eher mit sehr eigenständigen Arthouse-Werken begeistert. Zwar arbeitete er schon mit Mark Wahlberg, doch der Schmugglerfilm „Contraband" (2012) war viel schwächer als dieser Hit jetzt. Bei allen Action-Treffern schmuggelt Kormákur gleichzeitig Systemkritik von ganz schwerem Kaliber in die Knallereien seines Knallers. Dass die Instanzen der Exekutive (CIA, DEA) sich nur wegen der Dienstmarken von den Verbrechern jenseits der Grenze unterscheiden, ist harter Tobak und lässt an der hohlen Phrasen um den „War on drugs" zweifeln.
23.9.13
Not fade away
USA 2012 (Not fade away) Regie: David Chase, mit John Magaro, Jack Huston, Bella Heathcote, James Gandolfini 113 Min. FSK ab 6
Das Debüt eines 76-Jährigen als Autor und Regisseur kann man kaum als überraschend bezeichnen, wenn er zudem als Soprano-Produzent berühmt und bekannt ist. Dass David Chase noch einmal den Träumen der Jugend und junger Erwachsener voller Hoffnungen hinterher jagt, dass ist eine tolle Entdeckung, die perfekt inszeniert und mit Soprano-Boss James Gandolfini in einer seiner letzten Rollen begeistert.
Die USA haben der Welt zwei Erfindungen gebracht: Atomwaffen und Rock'n'Roll. Welche sich letztendlich durchsetzen wird, ist die Frage der Erzählerin dieses wunderbaren Films, der kleinen Schwester des jungen Douglas (John Margaro). Für ihn, den Rebellen einer bürgerlichen, italienisch-stämmigen Familie im New Jersey der 60er Jahre, stellt sich die allgemein gültige, moderne Wohlstandsfrage, was er mit seinem Leben anfangen will.
New Jersey 1964: Der Tod Kennedys und ein neuer Hit der Beatles sind die Ereignisse des Moments, die Leute lernen mühsam die richtigen Worte für Schwule und Schwarze. Mick Jagger war noch sexy. Und Bands wie die von Douglas coverten deren Song "Not fade away", der wiederum von Buddy Holly stammte. Das Schlagzeug von Douglas bringt ihn in die Band. Dass der sehr Talentierte bald auch Leadsänger und Song-Schreiber der Truppe wird, führt zu den üblichen Querelen. Auch die erste, große und schöne Liebe von Douglas mit dem zukünftigen Modell Grace (Bella Heathcote) kommt dabei unter die Räder. Die Beziehung mit dem schwer arbeitenden Vater (James Gandolfini), der auch noch unheilbar erkrankt, eskaliert. Dabei geht es nicht nur um die Ablehnung des Vietnam-Krieges, die Ablösung zum Erwachsensein, sondern auch um die Musik, für die Douglas sein Studium sausen lässt.
Musik ist große Kunst für ihn, spielt die wichtigste Rolle in diesem für alle Wünsche und Figuren sehr liebenswerten und alters-milden Film. Dazu spielen am Rande andere Meisterwerke der Zeit wie „Touch of Evil" von und mit Orson Welles sowie der Dietrich. Antonionis "Blow up" kommentiert Douglas mit "was ist das für ein Film, nichts passiert". Allerdings passiert in "Not fade away" auch nicht so viel. Zumindest nicht viel, was man nicht schon sehr oft gesehen hätte. Das allerdings aufs Allerbeste und Edelste inszeniert. Unwiderstehlich gewinnt einen der Film mehr und mehr. Am Ende bleiben seine bittersüße Melancholie und ein großes Glücksgefühl.
Die Musik-Auswahl ist wie einst in "Sopranos" allererste Sahne, jedoch niemals aufgesetzt sondern ganz fein verzahnt. So verstehen wir mit Douglas, was der Blues ist, wenn er am Ende auch einen dieser "Früh am Morgen"-Momente hat. Dass „Not fade away" direkt neben Cameron Crowes „Almost Famous" ein edles Stück in der Musikfilm-Sammlung wurde, ist nicht verwunderlich, war Chase doch selbst in seiner New Jersey-Jugend Drummer einer Band. Was dem auf seine Art und in seiner Stimmung perfekten Film damit fehlt, ist das Raue, Wilde, das Filmemacher, die näher an dieser Lebensphase sind, unbedingt herausschreien müssen.
In der warmen Milde eines späten Rückblicks suhlen sich tolle Schauspieler. Vor allem kann man noch einmal den im Juni verstorbenen James Gandolfini erleben, mit einer Rolle, die der in „Romance & Cigarettes" verblüffend ähnlich ist. Alle und alles zusammen ergeben eine Filmperle, die im Bann hält, bis zur vorerst letzten Straßenkreuzung, verloren auf dem Sunset Boulevard, der Gabelung zwischen Musik und Film in einer Schlussszene für die Ewigkeit und fürs Filmmuseum.
Das Debüt eines 76-Jährigen als Autor und Regisseur kann man kaum als überraschend bezeichnen, wenn er zudem als Soprano-Produzent berühmt und bekannt ist. Dass David Chase noch einmal den Träumen der Jugend und junger Erwachsener voller Hoffnungen hinterher jagt, dass ist eine tolle Entdeckung, die perfekt inszeniert und mit Soprano-Boss James Gandolfini in einer seiner letzten Rollen begeistert.
Die USA haben der Welt zwei Erfindungen gebracht: Atomwaffen und Rock'n'Roll. Welche sich letztendlich durchsetzen wird, ist die Frage der Erzählerin dieses wunderbaren Films, der kleinen Schwester des jungen Douglas (John Margaro). Für ihn, den Rebellen einer bürgerlichen, italienisch-stämmigen Familie im New Jersey der 60er Jahre, stellt sich die allgemein gültige, moderne Wohlstandsfrage, was er mit seinem Leben anfangen will.
New Jersey 1964: Der Tod Kennedys und ein neuer Hit der Beatles sind die Ereignisse des Moments, die Leute lernen mühsam die richtigen Worte für Schwule und Schwarze. Mick Jagger war noch sexy. Und Bands wie die von Douglas coverten deren Song "Not fade away", der wiederum von Buddy Holly stammte. Das Schlagzeug von Douglas bringt ihn in die Band. Dass der sehr Talentierte bald auch Leadsänger und Song-Schreiber der Truppe wird, führt zu den üblichen Querelen. Auch die erste, große und schöne Liebe von Douglas mit dem zukünftigen Modell Grace (Bella Heathcote) kommt dabei unter die Räder. Die Beziehung mit dem schwer arbeitenden Vater (James Gandolfini), der auch noch unheilbar erkrankt, eskaliert. Dabei geht es nicht nur um die Ablehnung des Vietnam-Krieges, die Ablösung zum Erwachsensein, sondern auch um die Musik, für die Douglas sein Studium sausen lässt.
Musik ist große Kunst für ihn, spielt die wichtigste Rolle in diesem für alle Wünsche und Figuren sehr liebenswerten und alters-milden Film. Dazu spielen am Rande andere Meisterwerke der Zeit wie „Touch of Evil" von und mit Orson Welles sowie der Dietrich. Antonionis "Blow up" kommentiert Douglas mit "was ist das für ein Film, nichts passiert". Allerdings passiert in "Not fade away" auch nicht so viel. Zumindest nicht viel, was man nicht schon sehr oft gesehen hätte. Das allerdings aufs Allerbeste und Edelste inszeniert. Unwiderstehlich gewinnt einen der Film mehr und mehr. Am Ende bleiben seine bittersüße Melancholie und ein großes Glücksgefühl.
Die Musik-Auswahl ist wie einst in "Sopranos" allererste Sahne, jedoch niemals aufgesetzt sondern ganz fein verzahnt. So verstehen wir mit Douglas, was der Blues ist, wenn er am Ende auch einen dieser "Früh am Morgen"-Momente hat. Dass „Not fade away" direkt neben Cameron Crowes „Almost Famous" ein edles Stück in der Musikfilm-Sammlung wurde, ist nicht verwunderlich, war Chase doch selbst in seiner New Jersey-Jugend Drummer einer Band. Was dem auf seine Art und in seiner Stimmung perfekten Film damit fehlt, ist das Raue, Wilde, das Filmemacher, die näher an dieser Lebensphase sind, unbedingt herausschreien müssen.
In der warmen Milde eines späten Rückblicks suhlen sich tolle Schauspieler. Vor allem kann man noch einmal den im Juni verstorbenen James Gandolfini erleben, mit einer Rolle, die der in „Romance & Cigarettes" verblüffend ähnlich ist. Alle und alles zusammen ergeben eine Filmperle, die im Bann hält, bis zur vorerst letzten Straßenkreuzung, verloren auf dem Sunset Boulevard, der Gabelung zwischen Musik und Film in einer Schlussszene für die Ewigkeit und fürs Filmmuseum.
Keinohrhase und Zweiohrkücken
BRD 2013 Regie: Maya Gräfin Rothkirch, Til Schweiger mit den Stimmen von Til Schweiger, Emma Schweiger, Matthias Schweighöfer 76 Min.
Ist es Horror oder Komödie, sich vorzustellen, dass in ein paar Jahrzehnten „Onkel Til" nuschelnd und sabbernd als Deutschlands beliebtester Senior-Star wie einst Joppie Hesters rumgereicht wird, während Angela Merkel ihre 8. Wahlperiode bekommt? Der große Schweiger des deutschen Trivalfilms tut jedenfalls das seinige, indem er auch die jüngsten Kinogänger als Kunden anfixt: Nach den Erfolgskomödien „Keinohrhasen" (2007) und „Zweiohrküken" (2009) verfilmt Familie Schweiger die Kinderbücher „Keinohrhase und Zweiohrküken" (2009) sowie „Zweiohrküken und Keinohrhase" (2010) aus der Feder von Klaus Baumgart und Til Schweiger. Til spricht in der einfältigen Animation den nuschelnden Hasen und seine Tochter Emma das Kücken, das unbedingt fliegen will. Ihre Kindergartengruppe malte die Bilder aus... Ganz so schlimm ist es nicht, aber einfache Zeichnungen mit fast fotorealistischen Hintergründen ähneln (in 2D) eher den leblos künstlichen Billig-Animationen aus dem TV als einem Kinofilm, für den man sich erwärmen könnte.
Ebenso wie der Zeichenstrich ist die Geschichte erschreckend simpel und sehr effektiv: Mit Keinohrhase will niemand spielen, bis ein Ei vor seine Tür rollt. Das wächst (sic!) zum Riesenkücken mit zwei Ohren. Nun werden beide Außenseiter Freunde, aber das Kücken fühlt sich zu Höherem bestimmt und Hase will ihm diesen Wunsch erfüllen. Nebenbei sorgen Fuchs mit Bär für Slapstick und der Film mit dem Froschtelefon für einen wirklich lustigen Gag - das Breitmaul hat ein Handy verschluckt und muss nun die Schimpftiraden von Papa Fuchs ausspucken.
„Fressen und gefressen werden" ist in dieser Animation für ganz kleine Kinogänger ein Spiel am Wanderweg. Im Häuschen vom Hasen gibt es Biomohren und Ökokram, doch dass ein Kücken lieber pickt und scharrt, muss der bislang einsame Kerl erst lernen.
Zur schwer erträglichen Niedlichkeit bei allzu bekannten Geschichten gibt es paar englische Popliedchen. Schlimm ist, dass dieser „Irgendwas mit Ohren"-Film den Kindern ohne Umschweife oder Umwege volle Kante Sentiment ins Gesicht knallt. Da gerät sogar die wichtigste Frage des Küken an den Hasen in den Hintergrund: Warum nuschelst du eigentlich so?
Ist es Horror oder Komödie, sich vorzustellen, dass in ein paar Jahrzehnten „Onkel Til" nuschelnd und sabbernd als Deutschlands beliebtester Senior-Star wie einst Joppie Hesters rumgereicht wird, während Angela Merkel ihre 8. Wahlperiode bekommt? Der große Schweiger des deutschen Trivalfilms tut jedenfalls das seinige, indem er auch die jüngsten Kinogänger als Kunden anfixt: Nach den Erfolgskomödien „Keinohrhasen" (2007) und „Zweiohrküken" (2009) verfilmt Familie Schweiger die Kinderbücher „Keinohrhase und Zweiohrküken" (2009) sowie „Zweiohrküken und Keinohrhase" (2010) aus der Feder von Klaus Baumgart und Til Schweiger. Til spricht in der einfältigen Animation den nuschelnden Hasen und seine Tochter Emma das Kücken, das unbedingt fliegen will. Ihre Kindergartengruppe malte die Bilder aus... Ganz so schlimm ist es nicht, aber einfache Zeichnungen mit fast fotorealistischen Hintergründen ähneln (in 2D) eher den leblos künstlichen Billig-Animationen aus dem TV als einem Kinofilm, für den man sich erwärmen könnte.
Ebenso wie der Zeichenstrich ist die Geschichte erschreckend simpel und sehr effektiv: Mit Keinohrhase will niemand spielen, bis ein Ei vor seine Tür rollt. Das wächst (sic!) zum Riesenkücken mit zwei Ohren. Nun werden beide Außenseiter Freunde, aber das Kücken fühlt sich zu Höherem bestimmt und Hase will ihm diesen Wunsch erfüllen. Nebenbei sorgen Fuchs mit Bär für Slapstick und der Film mit dem Froschtelefon für einen wirklich lustigen Gag - das Breitmaul hat ein Handy verschluckt und muss nun die Schimpftiraden von Papa Fuchs ausspucken.
„Fressen und gefressen werden" ist in dieser Animation für ganz kleine Kinogänger ein Spiel am Wanderweg. Im Häuschen vom Hasen gibt es Biomohren und Ökokram, doch dass ein Kücken lieber pickt und scharrt, muss der bislang einsame Kerl erst lernen.
Zur schwer erträglichen Niedlichkeit bei allzu bekannten Geschichten gibt es paar englische Popliedchen. Schlimm ist, dass dieser „Irgendwas mit Ohren"-Film den Kindern ohne Umschweife oder Umwege volle Kante Sentiment ins Gesicht knallt. Da gerät sogar die wichtigste Frage des Küken an den Hasen in den Hintergrund: Warum nuschelst du eigentlich so?
18.9.13
Der Fremde am See
Frankreich 2013 (L' inconnu du lac) Regie: Alain Guiraudie mit Pierre Deladonchamps, Christophe Paou, Patrick d'Assumçao 96 Min. FSK: ab 16
Der Sommer ist heiß, das Ritual am Baggersee vertraut: Der Nacktstrand für Schwule ist gleichzeitig Treffpunkt für kurzen, ungebundenen Sex im naheliegenden Wäldchen. Franck, ein junger, drahtiger Mann, kommt nach langer Zeit wieder öfter hierhin, quatscht mit einem verklemmten, älteren Henri und interessiert sich sehr für einen forschen Typen mit Tom Selleck-Schnurbart. Eines Abends erlebt Franck in der Dämmerung wie ein Schwimmer einen anderen ertränkt. Nun taucht auch die Polizist am See auf, der Treffpunkt ist fast verlassen...
Trotz seiner zurückhaltenden Dramaturgie und sehr ruhiger Abläufe weiß „Der Fremde am See" zu packen, zieht in die sommerliche Stimmung und die abgründige Episode um einen Psychopathen hinein. Die Inszenierung arbeitet unspektakulär aber atmosphärisch stark nur mit Naturlicht. Auch wenn einige explizite Szenen die guten, stillen Beobachtungen, die immer mit einer Übersicht des Parkplatzes beginnen, für einen Schwulen-Film qualifizieren, hat „Der Fremde am See" mit seiner stetig steigenden Spannung das Potential zu einen Festival- und Arthouse-Geheimtipp.
Der Sommer ist heiß, das Ritual am Baggersee vertraut: Der Nacktstrand für Schwule ist gleichzeitig Treffpunkt für kurzen, ungebundenen Sex im naheliegenden Wäldchen. Franck, ein junger, drahtiger Mann, kommt nach langer Zeit wieder öfter hierhin, quatscht mit einem verklemmten, älteren Henri und interessiert sich sehr für einen forschen Typen mit Tom Selleck-Schnurbart. Eines Abends erlebt Franck in der Dämmerung wie ein Schwimmer einen anderen ertränkt. Nun taucht auch die Polizist am See auf, der Treffpunkt ist fast verlassen...
Trotz seiner zurückhaltenden Dramaturgie und sehr ruhiger Abläufe weiß „Der Fremde am See" zu packen, zieht in die sommerliche Stimmung und die abgründige Episode um einen Psychopathen hinein. Die Inszenierung arbeitet unspektakulär aber atmosphärisch stark nur mit Naturlicht. Auch wenn einige explizite Szenen die guten, stillen Beobachtungen, die immer mit einer Übersicht des Parkplatzes beginnen, für einen Schwulen-Film qualifizieren, hat „Der Fremde am See" mit seiner stetig steigenden Spannung das Potential zu einen Festival- und Arthouse-Geheimtipp.
Paranoia - Riskantes Spiel
USA, Frankreich 2013 (Paranoia) Regie: Robert Luketic mit Liam Hemsworth, Harrison Ford, Gary Oldman, Amber Heard, Richard Dreyfuss 106 Min.
Adam Cassidy (Liam Hemsworth) schlägt seinem Chef Nicholas Wyatt (Gary Oldman) eine Revolution vergleichbar der des iPhones vor - und wird entlassen. Nur um unter dem Vorwand, er hätte mit der Firmen-Kreditkarte gefeiert, einen illegalen Auftrag zu erhalten: Adam soll bei Wyatts altem Mentor Jock Goddard (Harrison Ford) und dessen Hightech-Unternehmen eine Mobilfunk-Neuerung ausspionieren. Die Vorbereitung dafür entspricht professionellem Agententum, perfekt informiert wird die väterliche Freundschaft des neuen Bosses anvisiert. Doch Adam landete schon vorher mit der jungen Marketing-Chefin Emma Jennings (Amber Heard) im Bett, ihre Fragen kann er nur gerade so beantworten. Dafür irgendwann ihr Vertrauen gewinnen, während der Druck von Wyatt und seinen Gesellen, endlich etwas zu liefern, immer brutaler wird. Die Konkurrenz schreckt auch vor Morden nicht zurück.
Vorhersehbar ist sogar noch die letzte und einzige Finte des Films zusammen mit der Auflösung, bei der alte Freunde von Adam doch zu ihm halten. Regisseur Robert Luketic hat sich mit Filmen wie „Natürlich blond!", „Kiss & Kill" und „Die nackte Wahrheit" nicht gerade einen guten Namen gemacht. Die Anspielungen auf reale Mobilfunk-Player sind durch den sprechenden Name „eikon" (sprich ei-Irgendwas) überdeutlich, liefern aber null Erkenntnisgewinn. Die technischen Entwicklungen, um die es bei der Industrie-Spionage scheinbar geht, sind ziemlich lahm und nicht visionär. Das passt zum Hauptdarsteller Liam Hemsworth („Die Tribute von Panem – The Hunger Games", „The Expendables 2"), der sein austauschbares Gesicht durch den lahmen Film schleppt. Gesellschaftliche Thema „Privacy" und die soziale Unterfütterung der Hauptfigur bleiben extrem oberflächlich. Für einen vorgeblichen Thriller über Industrie-Spionage ist „Paranoia" ziemlich offensichtlich und wenig spannend.
Adam Cassidy (Liam Hemsworth) schlägt seinem Chef Nicholas Wyatt (Gary Oldman) eine Revolution vergleichbar der des iPhones vor - und wird entlassen. Nur um unter dem Vorwand, er hätte mit der Firmen-Kreditkarte gefeiert, einen illegalen Auftrag zu erhalten: Adam soll bei Wyatts altem Mentor Jock Goddard (Harrison Ford) und dessen Hightech-Unternehmen eine Mobilfunk-Neuerung ausspionieren. Die Vorbereitung dafür entspricht professionellem Agententum, perfekt informiert wird die väterliche Freundschaft des neuen Bosses anvisiert. Doch Adam landete schon vorher mit der jungen Marketing-Chefin Emma Jennings (Amber Heard) im Bett, ihre Fragen kann er nur gerade so beantworten. Dafür irgendwann ihr Vertrauen gewinnen, während der Druck von Wyatt und seinen Gesellen, endlich etwas zu liefern, immer brutaler wird. Die Konkurrenz schreckt auch vor Morden nicht zurück.
Vorhersehbar ist sogar noch die letzte und einzige Finte des Films zusammen mit der Auflösung, bei der alte Freunde von Adam doch zu ihm halten. Regisseur Robert Luketic hat sich mit Filmen wie „Natürlich blond!", „Kiss & Kill" und „Die nackte Wahrheit" nicht gerade einen guten Namen gemacht. Die Anspielungen auf reale Mobilfunk-Player sind durch den sprechenden Name „eikon" (sprich ei-Irgendwas) überdeutlich, liefern aber null Erkenntnisgewinn. Die technischen Entwicklungen, um die es bei der Industrie-Spionage scheinbar geht, sind ziemlich lahm und nicht visionär. Das passt zum Hauptdarsteller Liam Hemsworth („Die Tribute von Panem – The Hunger Games", „The Expendables 2"), der sein austauschbares Gesicht durch den lahmen Film schleppt. Gesellschaftliche Thema „Privacy" und die soziale Unterfütterung der Hauptfigur bleiben extrem oberflächlich. Für einen vorgeblichen Thriller über Industrie-Spionage ist „Paranoia" ziemlich offensichtlich und wenig spannend.
17.9.13
Die schönen Tage
Frankreich 2013 (Les beaux jours) Regie: Marion Vernoux mit Fanny Ardant, Laurent Lafitte, Patrick Chesnais, 94 Min. FSK o.A.
Die schönen Tage heißt naiv oder ironisch ein Seniorenclub in Nordfrankreich, in dem ältere Menschen eine alberne Bevormundung erleben dürfen. Die ehemalige Zahnärztin Caroline (Fanny Ardant) hat mit ihren sechzig Jahren hier gar nicht zu suchen, wäre da nicht Julien (Laurent Lafitte), der junge, draufgängerische Lehrer im Computer-Kurs. Die beiden kommen sich schnell nahe, selbst wenn es über ihren Notfall-Einsatz als Zahnärztin ist. Die Tage der gemeinsamen Seitensprünge vergehen leicht wie Sophie Hungers Version des Chansons „Le vent nous portera", doch Julien hat immer mehrere Frauen, mit denen er ins Bett geht. Da helfen die strengen Regeln der älteren nicht. Und Caroline verhält sich in einem jugendlichen Leichtsinn auch nicht sehr diskret, irgendwann wissen es nicht nur die anderen Kursteilnehmer und die Töchter ahnen es, selbst der Ehemann (eindrucksvoll: Patrick Chesnais) erfährt vom Ehebruch. Seinem gemeinen Vorwurf „Hast du dich mal angesehen?" entgegnet sie noch mit: „Nein, er ist es, der mich ansieht!" Doch Caroline muss schließlich allein mit ihrer Midlife-Crisis fertig werden und eine Entscheidung treffen.
Marion Vernoux („Love etc.", „Personne ne m'aime - Niemand liebt mich") entfaltet in ihrer Verfilmung von Fanny Chesnels Roman „Une jeune fille aux cheveux blancs" viel Charme mit netten fröhlichen und melancholischen Momenten. Da gibt es ein klasse Gespräch über Frauenrollen mit der Einen, die wegen einer Jüngeren verlassen wurde, aber auch mit der, die immer die Jüngere war. Alle fühlen sich gerächt durch die Geschlechtsgenossin Caroline, welche die Verhältnisse mal umdreht, sich einen Jüngeren nimmt. Vor allem ist es schön, Fanny Ardant wieder zu sehen, diese Ikone der Nouvelle Vague, die Muse Truffauts, mit ihrem zaghaften Lächeln. Sie schenkt den Unsicherheiten des Verliebtseins, dem Berauschtsein von jungem Sex und viel gutem Wein einen besonderen Reiz.
Die schönen Tage heißt naiv oder ironisch ein Seniorenclub in Nordfrankreich, in dem ältere Menschen eine alberne Bevormundung erleben dürfen. Die ehemalige Zahnärztin Caroline (Fanny Ardant) hat mit ihren sechzig Jahren hier gar nicht zu suchen, wäre da nicht Julien (Laurent Lafitte), der junge, draufgängerische Lehrer im Computer-Kurs. Die beiden kommen sich schnell nahe, selbst wenn es über ihren Notfall-Einsatz als Zahnärztin ist. Die Tage der gemeinsamen Seitensprünge vergehen leicht wie Sophie Hungers Version des Chansons „Le vent nous portera", doch Julien hat immer mehrere Frauen, mit denen er ins Bett geht. Da helfen die strengen Regeln der älteren nicht. Und Caroline verhält sich in einem jugendlichen Leichtsinn auch nicht sehr diskret, irgendwann wissen es nicht nur die anderen Kursteilnehmer und die Töchter ahnen es, selbst der Ehemann (eindrucksvoll: Patrick Chesnais) erfährt vom Ehebruch. Seinem gemeinen Vorwurf „Hast du dich mal angesehen?" entgegnet sie noch mit: „Nein, er ist es, der mich ansieht!" Doch Caroline muss schließlich allein mit ihrer Midlife-Crisis fertig werden und eine Entscheidung treffen.
Marion Vernoux („Love etc.", „Personne ne m'aime - Niemand liebt mich") entfaltet in ihrer Verfilmung von Fanny Chesnels Roman „Une jeune fille aux cheveux blancs" viel Charme mit netten fröhlichen und melancholischen Momenten. Da gibt es ein klasse Gespräch über Frauenrollen mit der Einen, die wegen einer Jüngeren verlassen wurde, aber auch mit der, die immer die Jüngere war. Alle fühlen sich gerächt durch die Geschlechtsgenossin Caroline, welche die Verhältnisse mal umdreht, sich einen Jüngeren nimmt. Vor allem ist es schön, Fanny Ardant wieder zu sehen, diese Ikone der Nouvelle Vague, die Muse Truffauts, mit ihrem zaghaften Lächeln. Sie schenkt den Unsicherheiten des Verliebtseins, dem Berauschtsein von jungem Sex und viel gutem Wein einen besonderen Reiz.
16.9.13
Zum Geburtstag
BRD, Frankreich 2013 Regie: Denis Dercourt mit Mark Waschke, Marie Bäumer, Sylvester Groth, Sophie Rois, Saskia Rosendahl 86 Min. FSK ab 12
Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich mieser Thriller heiß ... Verteufelt schlecht versucht „Zum Geburtstag" eine verdrehte Freundes-, Liebes- und Ost/West-Geschichte aufzuziehen. Dabei ist der deutsch-französische Film bei laut Papierform guter Besetzung völlig überzogen stilisiert und unfreiwillig mysteriös: Irgendwann in den 80ern in der - nein, nicht „ehemaligen" sondern tatsächlichen - DDR schafft es Teenager Paul mit einem gefälschten Liebesbrief, die Beziehung seiner Freunde Georg und Anna zu zerstören. Vermeintlich ungerührt sagt Georg am Baggersee „du kannst sie haben, zum Geburtstag", schnappt sich die unbekannte Ost-Punkerin, auf die Paul wahllos zeigt, und verschwindet. Zwanzig Jahre später sind Anna (Marie Bäumer) und Paul (Mark Waschke) glücklich verheiratet, haben zwei Kinder, gute Jobs und sogar ein großes Landhaus extra. Als Georg (Sylvester Groth) als neuer Chef in Pauls Bank im Westen auftaucht, erinnert sich der an einen Nebensatz beim teuflischen Pakt: „Du kannst sie haben, bis ich zurück komme...".
Das klingt gut, sieht im Standbild auch sehr gut besetzt aus. Sylvester Groth hat tatsächlich was Teuflisches, seine Frau Yvonne ist mit viel ganz schwarzem Humor so eine typische Glanzrolle der Sophie Rois, von Marie Bäumer erwartet man immer viel. Doch ganz schnell stört, dass die Figuren so gar kein eigenes Leben haben. Alles dient dem Vergeheimnissen und dem Auslegen falscher Fährten in Richtung Rumpelstilzchen und Wildschütz, die dann Spannung erzeugen sollen. Selbst in dieser Kern-Dynamik eines Thrillers klaffen jedoch große Lücken und der völlig überraschende Clou verpufft in einem offenen Ende mit vielen losen Fäden. Eine Enttäuschung von Regisseur Denis Dercourt, der doch bei „Das Mädchen, das die Seiten umblättert" alles richtig gemacht hatte.
Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich mieser Thriller heiß ... Verteufelt schlecht versucht „Zum Geburtstag" eine verdrehte Freundes-, Liebes- und Ost/West-Geschichte aufzuziehen. Dabei ist der deutsch-französische Film bei laut Papierform guter Besetzung völlig überzogen stilisiert und unfreiwillig mysteriös: Irgendwann in den 80ern in der - nein, nicht „ehemaligen" sondern tatsächlichen - DDR schafft es Teenager Paul mit einem gefälschten Liebesbrief, die Beziehung seiner Freunde Georg und Anna zu zerstören. Vermeintlich ungerührt sagt Georg am Baggersee „du kannst sie haben, zum Geburtstag", schnappt sich die unbekannte Ost-Punkerin, auf die Paul wahllos zeigt, und verschwindet. Zwanzig Jahre später sind Anna (Marie Bäumer) und Paul (Mark Waschke) glücklich verheiratet, haben zwei Kinder, gute Jobs und sogar ein großes Landhaus extra. Als Georg (Sylvester Groth) als neuer Chef in Pauls Bank im Westen auftaucht, erinnert sich der an einen Nebensatz beim teuflischen Pakt: „Du kannst sie haben, bis ich zurück komme...".
Das klingt gut, sieht im Standbild auch sehr gut besetzt aus. Sylvester Groth hat tatsächlich was Teuflisches, seine Frau Yvonne ist mit viel ganz schwarzem Humor so eine typische Glanzrolle der Sophie Rois, von Marie Bäumer erwartet man immer viel. Doch ganz schnell stört, dass die Figuren so gar kein eigenes Leben haben. Alles dient dem Vergeheimnissen und dem Auslegen falscher Fährten in Richtung Rumpelstilzchen und Wildschütz, die dann Spannung erzeugen sollen. Selbst in dieser Kern-Dynamik eines Thrillers klaffen jedoch große Lücken und der völlig überraschende Clou verpufft in einem offenen Ende mit vielen losen Fäden. Eine Enttäuschung von Regisseur Denis Dercourt, der doch bei „Das Mädchen, das die Seiten umblättert" alles richtig gemacht hatte.
Riddick
USA, Kanada 2013 (Riddick) Regie: David Twohy mit Vin Diesel, Karl Urban, Katee Sackhoff, Dave Bautista, Antoinette Kalaj, 114 Min. FSK: ab 16
Teil 3 der außergewöhnlichen, Diesel-getriebenen Action unter dem Label „Riddick" erfüllt alle Erwartung der Fans und an einen packenden, stilprägenden Film - in der zweiten Halbzeit. Seit dem ersten Auftreten von Riddick in „Pitch Black - Planet der Finsternis" (2000) ist seine Action etwas Besonderes, denn der Charakterkopf von Vin Diesel hat wirklich Charakter und ist eine Parade-Rolle rückwärts in urige Männerbilder.
Nun landet der Menschen-Ähnliche mit seinen besonderen Überlebens-Fähigkeiten zuerst mal wieder auf einem ziemlich verlassen Planeten unter Tieren, um das Tier im Manne rauszukramen. Man(n) erinnert sich, dass er beim Happy End von Teil 2, „Riddick - Chroniken eines Kriegers" (2004), Lord Marshal der Necromonger wurde. Doch diese Krieger schicken ihn, der sich von niemandem einvernehmen lässt, irgendwann in die Wüste - wortwörtlich. Selbstverständlich herrscht wieder ein heftiges Klima, wie bei allen Planeten, auf die es Riddick verschlägt. Der ganze Planet hat wieder was gegen ihn, die Biester hier sind ausgesucht hässlich und gefährlich, doch das Tier als Mann zähmt sich sogar eine dieser Superhyänen und damit wird es erstmal schwierig: Dass Riddick mit diesem Hund reichlich menschelt, passt überhaupt nicht zum Härtesten der Harten. Diesem Problem kann selbst ein Alien in Skorpion-Version nicht den Stachel ziehen. Denn wir wissen zwar, dass unter der sehr rauen Schale ein großes Herz schlägt, aber Sidekicks mit Disney-Niedlichkeit, das geht gar nicht.
Also Geduld bis zur zweiten Hälfte, da ruft sich Riddick wieder als Anhalter durch die Galaxis ein paar Kopfgeldjäger in Sachen Mitfahrgelegenheit. „Lasst ein Schiff zurück und geht oder ihr sterbt", lautet die klare Anweisung des steinzeitlich unterbewaffneten und gegen Hightech-Truppen anscheinend unterlegenen Flüchtlings. Und der Spaß an dieser Franchise liegt auch darin, zu wissen, dass Riddick solche Versprechen unbedingt erfüllt. Seine hochempfindlichen und leuchtenden Augen liefern nicht nur spezielle Farbauflösungen, sie scheinen auch in die Zukunft zu sehen.
Dabei ist nicht nur das Abstrafen von Leuten, die Schoßhunde oder wehrlose Frauen töten, an der Tagesordnung - vor allem wird mit Eintreffen der Regen-Saison wieder ein apokalyptisches Szenario mit unzähligen monströsen Kreaturen aufgefahren, das seit „Pitch Black" seinesgleichen suchte. Die Wiederholung mit durchaus verwandten Figuren, ermüdet allerdings nicht, sondern pumpt das Kino voll mit Adrenalin, Hochspannung und Angstschweiß. Hier ist Dunkelheit wieder richtig zum Fürchten.
Vin Diesel produziert sich mit polierter Glatze und cooler Sonnenbrille (sowie der deutschen Stimme von Bruce Willis) selbst als unersetzlichen Treibstoff dieser Filmreihe. Wie Richard B Riddick (so der ganze Name für den nächsten Film-Quiz) weiß auch der Zuschauer immer genau, was passieren wird. Doch die ästhetisch hochwertige Umsetzung faszinierender Welten, garniert mit einem mega-lässigen Off-Kommentar über die mega-ätzende Situation, einem kräftigen Techno-Sound (Graeme Revell!) und prägnanten, neuen Gesichter bei denen, die etwas länger leben, überzeugt nach lahmem Start erneut. So hüpft Riddick weiter per Anhalter durch die Galaxis zum sicheren nächsten Teil. Mit der Marke Diesel lässt sich Benzingeld für noch viele Weltraum-Trips verdienen.
Teil 3 der außergewöhnlichen, Diesel-getriebenen Action unter dem Label „Riddick" erfüllt alle Erwartung der Fans und an einen packenden, stilprägenden Film - in der zweiten Halbzeit. Seit dem ersten Auftreten von Riddick in „Pitch Black - Planet der Finsternis" (2000) ist seine Action etwas Besonderes, denn der Charakterkopf von Vin Diesel hat wirklich Charakter und ist eine Parade-Rolle rückwärts in urige Männerbilder.
Nun landet der Menschen-Ähnliche mit seinen besonderen Überlebens-Fähigkeiten zuerst mal wieder auf einem ziemlich verlassen Planeten unter Tieren, um das Tier im Manne rauszukramen. Man(n) erinnert sich, dass er beim Happy End von Teil 2, „Riddick - Chroniken eines Kriegers" (2004), Lord Marshal der Necromonger wurde. Doch diese Krieger schicken ihn, der sich von niemandem einvernehmen lässt, irgendwann in die Wüste - wortwörtlich. Selbstverständlich herrscht wieder ein heftiges Klima, wie bei allen Planeten, auf die es Riddick verschlägt. Der ganze Planet hat wieder was gegen ihn, die Biester hier sind ausgesucht hässlich und gefährlich, doch das Tier als Mann zähmt sich sogar eine dieser Superhyänen und damit wird es erstmal schwierig: Dass Riddick mit diesem Hund reichlich menschelt, passt überhaupt nicht zum Härtesten der Harten. Diesem Problem kann selbst ein Alien in Skorpion-Version nicht den Stachel ziehen. Denn wir wissen zwar, dass unter der sehr rauen Schale ein großes Herz schlägt, aber Sidekicks mit Disney-Niedlichkeit, das geht gar nicht.
Also Geduld bis zur zweiten Hälfte, da ruft sich Riddick wieder als Anhalter durch die Galaxis ein paar Kopfgeldjäger in Sachen Mitfahrgelegenheit. „Lasst ein Schiff zurück und geht oder ihr sterbt", lautet die klare Anweisung des steinzeitlich unterbewaffneten und gegen Hightech-Truppen anscheinend unterlegenen Flüchtlings. Und der Spaß an dieser Franchise liegt auch darin, zu wissen, dass Riddick solche Versprechen unbedingt erfüllt. Seine hochempfindlichen und leuchtenden Augen liefern nicht nur spezielle Farbauflösungen, sie scheinen auch in die Zukunft zu sehen.
Dabei ist nicht nur das Abstrafen von Leuten, die Schoßhunde oder wehrlose Frauen töten, an der Tagesordnung - vor allem wird mit Eintreffen der Regen-Saison wieder ein apokalyptisches Szenario mit unzähligen monströsen Kreaturen aufgefahren, das seit „Pitch Black" seinesgleichen suchte. Die Wiederholung mit durchaus verwandten Figuren, ermüdet allerdings nicht, sondern pumpt das Kino voll mit Adrenalin, Hochspannung und Angstschweiß. Hier ist Dunkelheit wieder richtig zum Fürchten.
Vin Diesel produziert sich mit polierter Glatze und cooler Sonnenbrille (sowie der deutschen Stimme von Bruce Willis) selbst als unersetzlichen Treibstoff dieser Filmreihe. Wie Richard B Riddick (so der ganze Name für den nächsten Film-Quiz) weiß auch der Zuschauer immer genau, was passieren wird. Doch die ästhetisch hochwertige Umsetzung faszinierender Welten, garniert mit einem mega-lässigen Off-Kommentar über die mega-ätzende Situation, einem kräftigen Techno-Sound (Graeme Revell!) und prägnanten, neuen Gesichter bei denen, die etwas länger leben, überzeugt nach lahmem Start erneut. So hüpft Riddick weiter per Anhalter durch die Galaxis zum sicheren nächsten Teil. Mit der Marke Diesel lässt sich Benzingeld für noch viele Weltraum-Trips verdienen.
Zwei Leben
BRD, Norwegen 2012 (To liv) Regie: Georg Maas mit Juliane Köhler, Liv Ullmann, Ken Duken, Sven Nordin, Julia Bache-Wiig, 97 Min.
Das Wiedersehen mit dem großen Berman-Star Liv Ullmann - und mit Julianne Köhler - entpuppt sich als große positive Überraschung des Kinoherbstes: „Zwei Leben" erzählt als historischer Thriller höchst spannend und als Familien-Drama sehr bewegend von einem verdrängten Kapitel europäischer Geschichte. Als 1989 die Mauer fällt, reist Katrine (Juliane Köhler) eilig nach Ost-Berlin, während sie ihrer Familie in Norwegen einen anderen Aufenthalt vorschwindelt...
Katrine (Juliane Köhler) lebt am Rande der norwegischen Stadt Bergen glücklich mit ihrer Familie. Sie arbeitet in einer Druckerei, ihr Mann Bjarte (Sven Nordin) bei der Marine. Die Tochter Anne (Julia Bache-Wiig) hat selbst gerade ein Kind bekommen und wenn zu viel los ist, hilft Katrines fitte Mutter Åse (Liv Ullmann) gerne aus. Nichts erinnert in dieser naturnahen Idylle mehr daran, dass Katrine einst unter dramatischen Umständen aus der DDR floh und nach der Kriegs-Verschleppung als „Lebensborn"-Kind erst spät zu ihrer leiblichen Mutter in Norwegen zurückfand. Denn die Nazis entführten bei ihrem Rückzug viele Kinder von Norwegerinnen und deutschen Soldaten „heim ins Reich".
Als 1989 mit dem Fall der Mauer die Ordnung Europas durcheinander gerät, erreichen diese Schockwellen auch die friedliche Familie: Katrine reist nicht wie angekündigt nach Oslo sondern nach Ost-Berlin und tritt dort mit Perücke und neuem Outfit als ganz anderer Mensch auf. In geheimnisvollen Begegnungen begibt sie sich auf die Spuren der eigenen Kindheit in einem DDR-Heim. Gleichzeitig bedrängt der junge deutsche Anwalt Sven Solbach (Ken Duken) die norwegische Familie. Er will die Verschleppung der Kinder durch deutsche Soldaten vor ein europäisches Menschenrechts-Gericht bringen und braucht dafür die Aussagen von Katrine und ihrer Mutter. Ein Netz aus Lügen und Geheimnissen zieht sich um die energisch agierende Frau mit der immer rätselhafteren Vergangenheit zu. Dabei drohen die Familienbande zu zerreißen.
Auf der Basis von wahren Begebenheiten, die in Norwegen noch immer große Emotionen auslösen und einem unaufgeklärten Todesfall in Bergen adaptierte Regisseur Georg Maas („The Real World of Peter Gabriel", „NeuFundLand", „Atemnot") selbst mit seinen Koautoren einen Stoff der Romanautorin (Hannelore Hippe). Dabei gelingt es den Filmemachern auf erstaunliche Weise, immer neue Schichten der Historie und der Figuren aufzuzeigen. Immer wieder wird das emotionale Verhältnis zu den Figuren reizvoll anders ausgeleuchtet: Ist Katrine ein Opfer oder schuldig? Und wer sind eigentlich die Bösen? Die Nazis? Die panischen und zu allem entschlossenen Rest-Figuren der Stasi? Die packende Erzählweise bricht ausgrenzende „Wir - Ihr"-Schemata auf, da Identifikationen immer neu und raffiniert in Frage gestellt werden.
Selten sah man einen so spannenden Spionage- und Historien-Thriller mit derart gut und differenziert gezeichneten Figuren verbunden. Das Spiel von Juliane Köhler und Liv Ullmann ist sehr intensiv und prägnant. Für Ullmann, die sofort vom Stoff begeistert war, wurden übrigens die Zeitperspektiven, von denen aus erzählt wird, umgeschrieben, damit ihr Alter glaubwürdig für die Rolle von Katrines Mutter ist. Das Ergebnis ist ein in seiner Story, im Spiel und auch in der Form außergewöhnlicher und sehr bemerkenswerter Autorenfilm, der sein Publikum unwiderstehlich packt und nicht mehr los lässt.
Das Wiedersehen mit dem großen Berman-Star Liv Ullmann - und mit Julianne Köhler - entpuppt sich als große positive Überraschung des Kinoherbstes: „Zwei Leben" erzählt als historischer Thriller höchst spannend und als Familien-Drama sehr bewegend von einem verdrängten Kapitel europäischer Geschichte. Als 1989 die Mauer fällt, reist Katrine (Juliane Köhler) eilig nach Ost-Berlin, während sie ihrer Familie in Norwegen einen anderen Aufenthalt vorschwindelt...
Katrine (Juliane Köhler) lebt am Rande der norwegischen Stadt Bergen glücklich mit ihrer Familie. Sie arbeitet in einer Druckerei, ihr Mann Bjarte (Sven Nordin) bei der Marine. Die Tochter Anne (Julia Bache-Wiig) hat selbst gerade ein Kind bekommen und wenn zu viel los ist, hilft Katrines fitte Mutter Åse (Liv Ullmann) gerne aus. Nichts erinnert in dieser naturnahen Idylle mehr daran, dass Katrine einst unter dramatischen Umständen aus der DDR floh und nach der Kriegs-Verschleppung als „Lebensborn"-Kind erst spät zu ihrer leiblichen Mutter in Norwegen zurückfand. Denn die Nazis entführten bei ihrem Rückzug viele Kinder von Norwegerinnen und deutschen Soldaten „heim ins Reich".
Als 1989 mit dem Fall der Mauer die Ordnung Europas durcheinander gerät, erreichen diese Schockwellen auch die friedliche Familie: Katrine reist nicht wie angekündigt nach Oslo sondern nach Ost-Berlin und tritt dort mit Perücke und neuem Outfit als ganz anderer Mensch auf. In geheimnisvollen Begegnungen begibt sie sich auf die Spuren der eigenen Kindheit in einem DDR-Heim. Gleichzeitig bedrängt der junge deutsche Anwalt Sven Solbach (Ken Duken) die norwegische Familie. Er will die Verschleppung der Kinder durch deutsche Soldaten vor ein europäisches Menschenrechts-Gericht bringen und braucht dafür die Aussagen von Katrine und ihrer Mutter. Ein Netz aus Lügen und Geheimnissen zieht sich um die energisch agierende Frau mit der immer rätselhafteren Vergangenheit zu. Dabei drohen die Familienbande zu zerreißen.
Auf der Basis von wahren Begebenheiten, die in Norwegen noch immer große Emotionen auslösen und einem unaufgeklärten Todesfall in Bergen adaptierte Regisseur Georg Maas („The Real World of Peter Gabriel", „NeuFundLand", „Atemnot") selbst mit seinen Koautoren einen Stoff der Romanautorin (Hannelore Hippe). Dabei gelingt es den Filmemachern auf erstaunliche Weise, immer neue Schichten der Historie und der Figuren aufzuzeigen. Immer wieder wird das emotionale Verhältnis zu den Figuren reizvoll anders ausgeleuchtet: Ist Katrine ein Opfer oder schuldig? Und wer sind eigentlich die Bösen? Die Nazis? Die panischen und zu allem entschlossenen Rest-Figuren der Stasi? Die packende Erzählweise bricht ausgrenzende „Wir - Ihr"-Schemata auf, da Identifikationen immer neu und raffiniert in Frage gestellt werden.
Selten sah man einen so spannenden Spionage- und Historien-Thriller mit derart gut und differenziert gezeichneten Figuren verbunden. Das Spiel von Juliane Köhler und Liv Ullmann ist sehr intensiv und prägnant. Für Ullmann, die sofort vom Stoff begeistert war, wurden übrigens die Zeitperspektiven, von denen aus erzählt wird, umgeschrieben, damit ihr Alter glaubwürdig für die Rolle von Katrines Mutter ist. Das Ergebnis ist ein in seiner Story, im Spiel und auch in der Form außergewöhnlicher und sehr bemerkenswerter Autorenfilm, der sein Publikum unwiderstehlich packt und nicht mehr los lässt.
10.9.13
The World's End
Großbritannien 2013 (The World's End) Regie: Edgar Wright mit Simon Pegg, Nick Frost , Paddy Considine, Martin Freeman, Eddie Marsan, Rosamund Pike, Pierce Bormann 109 Min.
Simon Pegg und Nick Frost gehen wieder auf Tour: Nach der genialen Zombie-Parodie „Shaun of the Dead" (2004) und den ganz witzigen Copfilm-Kapriolen in „Hot Fuzz" (2007) inszenieren die britischen Komiker nun in „The World's End" das Ende unserer Zivilisation. Was als spätpubertäres Revival eines Saufmarathons von frustrierten End-Dreißigern beginnt, entwickelt sich zum Kampf gegen außerirdische Maschinen-Menschen, die ein Dorf übernommen haben.
Wie Gary King (Simon Pegg) und seine Freund am letzten Schultag im Jahre 1996 versuchten, in den 12 Pubs des Kaffs Newton Haven jeweils einen halben Liter Bier zu trinken, ist auch zwanzig Jahre später noch der schönste Moment im Leben des Alkoholikers und Verlierers King. So trommelt er gegen alle Wahrscheinlichkeit seine mittlerweile gut situierten vier Kumpels zusammen, um die damals unvollendete Sauftour erneut anzugehen. 45 Minuten lang amüsiert das mit Scherzen um den notorisch unzuverlässigen, egoistischen und konfusen Kindskopf Gary. Nur die McDonaldisierung der Kneipen fällt auf, denn alle Pubs ähneln sich wie ein Ale dem anderen. Dann macht eine Schlägerei klar, dass auch die Menschen in Newton Haven erschreckend gleichförmig sind. Gary schlägt einem Jungen den Kopf an dessen Sollbruchstelle ab, blaue Ersatzflüssigkeit fließt und der Alien prügelt sich auch kopflos ziemlich munter. Gemäß der verqueren Logik des Kings saufen die fünf weiter, um nicht aufzufallen. Doch die braven Bürger verhalten sich immer mehr wie in Don Siegels prägendem Klassiker „Die Dämonischen" (Die Invasion der Körperfresser, 1956). Wenn Pierce Brosnan als Hirte der Mutanten die aufmüpfigen Säufer zur Aufgabe bewegen will, ist die Maß voll und die Kneipenschlägerei gegen die Blaublütigen breitet sich im ganzen Dorf aus.
Die Geschichte des unreifen Mannes, der ungetrübt von jeglicher Realität die Vergangenheit aufleben lassen will („Ich möchte die Band wieder zusammenbringen"), der im 78er Ford Granada noch die Cassetten von damals spielt, liefert netten bis infantilen Humor, der Geschmacksache ist. Er reicht von Saufsprüchen und billigen Kalauern bis zur Einspielung des „Alabama Song" von Brecht und Weill. Während in den besten Momenten Douglas Adams-Qualitäten („Irren ist menschlich") aufblitzen und Romantik arg durch den Kakao gezogen wird („Uns bleibt immer noch die Behinderten-Toilette!"), bleibt der Gesamtfilm unausgegoren. Die weitgehend computerfreie Machart gewinnt noch Sympathien, doch die holperig zusammengeschusterten Themen stören sehr: Aus der Sauftour eines unreifen Alkoholikers wird noch witzigerweise der Alien-Invasions-Film, dann folgt die Echte-Freundschafts-Schiene und der Versuch, den Alki-Kumpel zu retten, bevor das Ganze als Dystopie einer entelektrifizierten Gesellschaft mit aufgesetztem Anti-Rassismus-Appell endet.
Simon Pegg und Nick Frost gehen wieder auf Tour: Nach der genialen Zombie-Parodie „Shaun of the Dead" (2004) und den ganz witzigen Copfilm-Kapriolen in „Hot Fuzz" (2007) inszenieren die britischen Komiker nun in „The World's End" das Ende unserer Zivilisation. Was als spätpubertäres Revival eines Saufmarathons von frustrierten End-Dreißigern beginnt, entwickelt sich zum Kampf gegen außerirdische Maschinen-Menschen, die ein Dorf übernommen haben.
Wie Gary King (Simon Pegg) und seine Freund am letzten Schultag im Jahre 1996 versuchten, in den 12 Pubs des Kaffs Newton Haven jeweils einen halben Liter Bier zu trinken, ist auch zwanzig Jahre später noch der schönste Moment im Leben des Alkoholikers und Verlierers King. So trommelt er gegen alle Wahrscheinlichkeit seine mittlerweile gut situierten vier Kumpels zusammen, um die damals unvollendete Sauftour erneut anzugehen. 45 Minuten lang amüsiert das mit Scherzen um den notorisch unzuverlässigen, egoistischen und konfusen Kindskopf Gary. Nur die McDonaldisierung der Kneipen fällt auf, denn alle Pubs ähneln sich wie ein Ale dem anderen. Dann macht eine Schlägerei klar, dass auch die Menschen in Newton Haven erschreckend gleichförmig sind. Gary schlägt einem Jungen den Kopf an dessen Sollbruchstelle ab, blaue Ersatzflüssigkeit fließt und der Alien prügelt sich auch kopflos ziemlich munter. Gemäß der verqueren Logik des Kings saufen die fünf weiter, um nicht aufzufallen. Doch die braven Bürger verhalten sich immer mehr wie in Don Siegels prägendem Klassiker „Die Dämonischen" (Die Invasion der Körperfresser, 1956). Wenn Pierce Brosnan als Hirte der Mutanten die aufmüpfigen Säufer zur Aufgabe bewegen will, ist die Maß voll und die Kneipenschlägerei gegen die Blaublütigen breitet sich im ganzen Dorf aus.
Die Geschichte des unreifen Mannes, der ungetrübt von jeglicher Realität die Vergangenheit aufleben lassen will („Ich möchte die Band wieder zusammenbringen"), der im 78er Ford Granada noch die Cassetten von damals spielt, liefert netten bis infantilen Humor, der Geschmacksache ist. Er reicht von Saufsprüchen und billigen Kalauern bis zur Einspielung des „Alabama Song" von Brecht und Weill. Während in den besten Momenten Douglas Adams-Qualitäten („Irren ist menschlich") aufblitzen und Romantik arg durch den Kakao gezogen wird („Uns bleibt immer noch die Behinderten-Toilette!"), bleibt der Gesamtfilm unausgegoren. Die weitgehend computerfreie Machart gewinnt noch Sympathien, doch die holperig zusammengeschusterten Themen stören sehr: Aus der Sauftour eines unreifen Alkoholikers wird noch witzigerweise der Alien-Invasions-Film, dann folgt die Echte-Freundschafts-Schiene und der Versuch, den Alki-Kumpel zu retten, bevor das Ganze als Dystopie einer entelektrifizierten Gesellschaft mit aufgesetztem Anti-Rassismus-Appell endet.
9.9.13
R.E.D. 2
USA, Frankreich, Kanada 2013 (Regie: Dean Parisot) Regie: Dean Parisot mit Bruce Willis, John Malkovich, Mary-Louise Parker, Helen Mirren, Anthony Hopkins, Catherine Zeta-Jones 116 Min. FSK: ab 16
Alte Schauspieler schlagen als Wiederholungstäter zu. Wie schön, dass es Bruce Willis, John Malkovich und Helen Mirren sind. Und nicht Sylvester Stallone, Jean-Claude van Damme mit anderen Dumpfbacken in einer Prügel-Orgie mit mäßigen Scherzchen. Wie subtil, nett makaber und weitgehend gewaltfrei Action-Komödie sein kann, zeigt „R.E.D. 2" in der ersten Szene mit Helen Mirren: Wenn ihre Killerin Victoria aufgelöst die Tür öffnet und meint, sie hätte Besuch, finden wir mehrere Männer nicht wie erwartet in ihrem Bett, sondern tot auf dem Boden.
Mit viel Verve und Spaß agieren auch die weiteren Figuren. Wobei es darum geht .... ja, worum geht es eigentlich? Irgendwie um die üblichen Agenten-Ränke, den Kalten Krieg und die Rettung der Menschheit. „R.E.D. 2" wirft wild mit allen Bestandteilen des Agentenfilms umher: Kuba, die iranische Botschaft und Roter Quecksilber versteckt im Kreml. Währenddessen begeistert die geniale Idee (Buch: Jon Hoeber, Erich Hoeber), dass der ansonsten gerne draufgängerisch besetzte Bruce Willis diesmal mit John Malkovich Marvin einen noch verrückteren Gegenpart bekam. Allein schon dessen x-tes Begräbnis rührt zu Tränen - Lachtränen. Mit Marvins erwarteter Wiedergeburt wird dann das Ganze figurentechnisch zu einem Buddy-Dreiecks Verhältnis erweitert. Mary-Louise Parker, das Kücken in dieser Runde, ist eine tolle Ergänzung mit ihrer Sarah, bei der man nie weiß, ob sie jetzt so hemmungslos in Frank verliebt ist oder nur in seine Agenten-Tätigkeit. Marvins Beziehungs-Beratung ist ebenso umwerfend witzig, wie ihre Leidenschaft, wenn es ums Hauen, Stechen, Schießen und Morden geht. All das, wovor sie Frank unbedingt beschützen will. Sarahs/Parkers Meisterleistung ist ein gnadenloses Verhör, das dem ganzen Good cop / Bad cop eine neue Bedeutung gibt: Heulen statt Foltern sollte der neue Trend werden. Als Zugabe beschert übrigens Catherine Zeta-Jones dem Film noch einen herrlichen Zickenkrieg.
Als absolutes Sahnehäubchen setzt Anthony Hopkins seinen verrückten Wissenschaftler aus John Maddens „Der Beweis" fort, um dann im Finale gemeingefährlich noch viel besser zu werden. Hopkins erspielt sich hier einen eindrucksvollen Top 10-Platz unter den Filmschurken. Tatsächlich schafft es „R.E.D. 2" nach neunzig Minuten, wenn andere in Action-Automatismus verfallen, noch mal richtig spannend zu werden. Die „R.E.D. 2"-Macher haben sich nach dem großen Erfolg des ersten Teils auch für die Action was einfallen lassen: Ein Martial Arts-Import in der Person von Lee Byung-hun sorgt für chicke Kick-Einlagen und einen schönen Running-Gag, denn dem millionen-schweren Killer kommt sein Luxus-Jet dauern abhanden und die Senioren von „R.E.D." sind nicht unbeteiligt. Zudem darf man sich auf eine heiße Verfolgungsjagd in Paris zwischen Porsche und Ente freuen, in diesem Action-Spiel, bei dem extrem viel geballert, niemand sichtlich verletzt, aber jeder kräftig erheitert wird.
Alte Schauspieler schlagen als Wiederholungstäter zu. Wie schön, dass es Bruce Willis, John Malkovich und Helen Mirren sind. Und nicht Sylvester Stallone, Jean-Claude van Damme mit anderen Dumpfbacken in einer Prügel-Orgie mit mäßigen Scherzchen. Wie subtil, nett makaber und weitgehend gewaltfrei Action-Komödie sein kann, zeigt „R.E.D. 2" in der ersten Szene mit Helen Mirren: Wenn ihre Killerin Victoria aufgelöst die Tür öffnet und meint, sie hätte Besuch, finden wir mehrere Männer nicht wie erwartet in ihrem Bett, sondern tot auf dem Boden.
Mit viel Verve und Spaß agieren auch die weiteren Figuren. Wobei es darum geht .... ja, worum geht es eigentlich? Irgendwie um die üblichen Agenten-Ränke, den Kalten Krieg und die Rettung der Menschheit. „R.E.D. 2" wirft wild mit allen Bestandteilen des Agentenfilms umher: Kuba, die iranische Botschaft und Roter Quecksilber versteckt im Kreml. Währenddessen begeistert die geniale Idee (Buch: Jon Hoeber, Erich Hoeber), dass der ansonsten gerne draufgängerisch besetzte Bruce Willis diesmal mit John Malkovich Marvin einen noch verrückteren Gegenpart bekam. Allein schon dessen x-tes Begräbnis rührt zu Tränen - Lachtränen. Mit Marvins erwarteter Wiedergeburt wird dann das Ganze figurentechnisch zu einem Buddy-Dreiecks Verhältnis erweitert. Mary-Louise Parker, das Kücken in dieser Runde, ist eine tolle Ergänzung mit ihrer Sarah, bei der man nie weiß, ob sie jetzt so hemmungslos in Frank verliebt ist oder nur in seine Agenten-Tätigkeit. Marvins Beziehungs-Beratung ist ebenso umwerfend witzig, wie ihre Leidenschaft, wenn es ums Hauen, Stechen, Schießen und Morden geht. All das, wovor sie Frank unbedingt beschützen will. Sarahs/Parkers Meisterleistung ist ein gnadenloses Verhör, das dem ganzen Good cop / Bad cop eine neue Bedeutung gibt: Heulen statt Foltern sollte der neue Trend werden. Als Zugabe beschert übrigens Catherine Zeta-Jones dem Film noch einen herrlichen Zickenkrieg.
Als absolutes Sahnehäubchen setzt Anthony Hopkins seinen verrückten Wissenschaftler aus John Maddens „Der Beweis" fort, um dann im Finale gemeingefährlich noch viel besser zu werden. Hopkins erspielt sich hier einen eindrucksvollen Top 10-Platz unter den Filmschurken. Tatsächlich schafft es „R.E.D. 2" nach neunzig Minuten, wenn andere in Action-Automatismus verfallen, noch mal richtig spannend zu werden. Die „R.E.D. 2"-Macher haben sich nach dem großen Erfolg des ersten Teils auch für die Action was einfallen lassen: Ein Martial Arts-Import in der Person von Lee Byung-hun sorgt für chicke Kick-Einlagen und einen schönen Running-Gag, denn dem millionen-schweren Killer kommt sein Luxus-Jet dauern abhanden und die Senioren von „R.E.D." sind nicht unbeteiligt. Zudem darf man sich auf eine heiße Verfolgungsjagd in Paris zwischen Porsche und Ente freuen, in diesem Action-Spiel, bei dem extrem viel geballert, niemand sichtlich verletzt, aber jeder kräftig erheitert wird.
Michael Kohlhaas
Frankreich, BRD 2013 (Michael Kohlhaas) Regie: Arnaud des Pallières mit Mads Mikkelsen, Bruno Ganz, Denis Lavant, Mélusine Mayence, David Kross, Sergi Lopez, David Bennent 122 Min.
„An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit." Dieser erste Satz aus der berühmten Kleist-Novelle über einen entsetzlich Gerechten ist auch mehr als 200 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung von allgemeiner Aktualität: Allzu Gerechte, die mordend und brennend über das Land ziehen, gibt es von der Realität der RAF bis in den Pop neuerer Batman-Verfilmungen.
Im 16. Jahrhundert stößt der erfolgreiche und glückliche Pferdehändler Kohlhaas (Mads Mikkelsen) auf dem Weg zum Markt auf eine neue Zollschranke eines jungen Barons. Kohlhaas zweifelt die Rechtmäßigkeit des ihm aufgezwungenen Passierscheins an, muss aber zwei Pferde als Pfand zurücklassen. Die schönen Tiere und der sie betreuende Knecht findet er später geschunden zurück. Gegen dieses Unrecht reicht der ehrliche Mann erfolglos Klage ein. Seine geliebte Frau will ihm beim Kampf um Gerechtigkeit helfen, wird aber von den Untergebenen der Prinzessin von Navarra lebensbedrohend misshandelt und stirbt. Nun gibt Kohlhaas endgültig sein Gut auf, schickt die kleine Tochter weg und zieht mit Getreuen und Rebellen aus der Bevölkerung auf einen Feldzug gegen die ungerechte Obrigkeit. Brennend und mordend erzwingt er die Wiederaufnahme der Rechtssache, muss aber dafür die Waffen niederlegen. Kohlhaas geht auf die Bedingungen ein, erhält am bitteren Ende Gerechtigkeit - auch für seine Taten.
Anfangs irritiert die neueste Kohlhaas-Verfilmung: Kleists maßloses deutsches Rache-Wesen „Michael Kohlhaas" wurde von Arnaud des Pallières französisch interpretiert und von Brandenburg und Sachsen in die wilde, südfranzösische Cevennen-Landschaft des 16. Jahrhundert versetzt. Anders als vom extrem klaren Kleist-Text her erwartet, galoppieren die Figuren in Natur und Naturalismus herum, was auf eigene Art Eindruck macht: Der Däne Mads Mikkelsen ist hier mit vom Sturm-umtobten Haar sofort Michael Kohlhaas, wir erleben die Verschmelzung zu Mads Michaelsen Kohlhaas!
Die Verpflanzung bringt am Rande mit sich, dass Denis Lavant einen (nicht so genannten) Luther in einem wichtigen und auch hier großartigen Dialog spielen darf. Region und Herrscherhaus stehen in der französischen Geschichte für einen anders mörderischen Religionskonflikt, die Bartholomäusnacht folgt am 23. August 1572. Aber auch ansonsten ist der Transfer überaus gelungen: Man sitzt schließlich angesichts eines terroristischen Übermaßes an Gerechtigkeit mit dem gleichen Schauder im Kino wie im Theater oder vor dem Buch. Die Kamera von Jeanne Lapoirie lässt sowohl ruppige Landschaften als auch bedrückende Innenszenen eindringlich erleben. Mads Mikkelsen trumpft auch mit französischem Text und ein paar deutschen Sätzen (im Original) auf. Es bleibt ein großes Unrecht, dass „Michael Kohlhass" im Wettbewerb von Cannes völlig untergegangen ist.
„An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit." Dieser erste Satz aus der berühmten Kleist-Novelle über einen entsetzlich Gerechten ist auch mehr als 200 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung von allgemeiner Aktualität: Allzu Gerechte, die mordend und brennend über das Land ziehen, gibt es von der Realität der RAF bis in den Pop neuerer Batman-Verfilmungen.
Im 16. Jahrhundert stößt der erfolgreiche und glückliche Pferdehändler Kohlhaas (Mads Mikkelsen) auf dem Weg zum Markt auf eine neue Zollschranke eines jungen Barons. Kohlhaas zweifelt die Rechtmäßigkeit des ihm aufgezwungenen Passierscheins an, muss aber zwei Pferde als Pfand zurücklassen. Die schönen Tiere und der sie betreuende Knecht findet er später geschunden zurück. Gegen dieses Unrecht reicht der ehrliche Mann erfolglos Klage ein. Seine geliebte Frau will ihm beim Kampf um Gerechtigkeit helfen, wird aber von den Untergebenen der Prinzessin von Navarra lebensbedrohend misshandelt und stirbt. Nun gibt Kohlhaas endgültig sein Gut auf, schickt die kleine Tochter weg und zieht mit Getreuen und Rebellen aus der Bevölkerung auf einen Feldzug gegen die ungerechte Obrigkeit. Brennend und mordend erzwingt er die Wiederaufnahme der Rechtssache, muss aber dafür die Waffen niederlegen. Kohlhaas geht auf die Bedingungen ein, erhält am bitteren Ende Gerechtigkeit - auch für seine Taten.
Anfangs irritiert die neueste Kohlhaas-Verfilmung: Kleists maßloses deutsches Rache-Wesen „Michael Kohlhaas" wurde von Arnaud des Pallières französisch interpretiert und von Brandenburg und Sachsen in die wilde, südfranzösische Cevennen-Landschaft des 16. Jahrhundert versetzt. Anders als vom extrem klaren Kleist-Text her erwartet, galoppieren die Figuren in Natur und Naturalismus herum, was auf eigene Art Eindruck macht: Der Däne Mads Mikkelsen ist hier mit vom Sturm-umtobten Haar sofort Michael Kohlhaas, wir erleben die Verschmelzung zu Mads Michaelsen Kohlhaas!
Die Verpflanzung bringt am Rande mit sich, dass Denis Lavant einen (nicht so genannten) Luther in einem wichtigen und auch hier großartigen Dialog spielen darf. Region und Herrscherhaus stehen in der französischen Geschichte für einen anders mörderischen Religionskonflikt, die Bartholomäusnacht folgt am 23. August 1572. Aber auch ansonsten ist der Transfer überaus gelungen: Man sitzt schließlich angesichts eines terroristischen Übermaßes an Gerechtigkeit mit dem gleichen Schauder im Kino wie im Theater oder vor dem Buch. Die Kamera von Jeanne Lapoirie lässt sowohl ruppige Landschaften als auch bedrückende Innenszenen eindringlich erleben. Mads Mikkelsen trumpft auch mit französischem Text und ein paar deutschen Sätzen (im Original) auf. Es bleibt ein großes Unrecht, dass „Michael Kohlhass" im Wettbewerb von Cannes völlig untergegangen ist.
3.9.13
Das Mädchen Wadjda
BRD, Saudi-Arabien 2012 Regie: Haifaa Al Mansour mit Reem Abdullah, Waad Mohammed, Abdullrahman Al Gohani, Ahd, Sultan Al Assaf 93 Min.
Das Mädchen Wadjda fällt schon mit ihren Turnschuhen unter der schwarzen Schuluniform auf. Dazu widerspricht sie dem meckernden Fahrer der Mutter, rennt dem Jungen hinterher, der ihr Butterbrot klaut und bleibt als einzige auf dem Schulhof, als ein paar Männer auf dem Dach herummachen. Wadjda (Waad Mohammed) ist ein gar nicht gewöhnliches Mädchen in Saudi-Arabien. Sie legt den Schleier, für den sie eigentlich auch noch zu jung ist, bei jeder Gelegenheit ab. Doch immer schränken sie Männer und Jungs ein, auch in der Fortbewegung. Der Freund mit dem einflussreichen Vater bekommt deshalb zu hören: „Am Tag, an dem ich auch ein Fahrrad haben werde, werde ich dich schlagen!" Denn Wadjda träumt von dem grünen Fahrrad, das ihr wie im Märchen vorbeischwebte. Ganz prosaisch steht es danach im Laden und hat vor allem einen hohen Preis. Dazu sind die Eltern selbstverständlich dagegen, dass ein Mädchen unter dem Regime eines streng wahabitischen Islam Fahrrad fährt! Doch der ungeliebte Koran-Unterricht erweist sich mit einem hoch dotierten Wettbewerb als Chance, doch noch ihr Ziel zu erreichen.
Geschichten um das Fahrrad sind immer Fortschritt- und Entwicklungsgeschichten von De Sicas „Fahrraddieben" über den geistesverwandten „Der Tag, an dem ich zur Frau wurde" (Roozi Khe Zan Shodam, Iran 2000), von der iranischen Regisseurin Marzieh Meshkini aus dem Makhmalbaf-Klan und dem vietnamesischen „Cyclo" oder den chinesischen „Bejing Bicyle". Doch hier ist schon die Entstehung des Films „Das Mädchen Wadjda", seine reine Existenz unglaublich: Unter der ebenso Frauen- wie Kino-feindlichen Stimmung wurde er offiziell genehmigt und auf den Straßen gedreht. Als erster Spielfilm überhaupt und von einer Frau sowieso. Zwar mit Hilfe von deutschen Ko-Produzenten, aber mit einheimischen Darstellern und Team (mit Ausnahme des ausgezeichneten Kameramannes Kamera Lutz Reitemeier und der Cutters). Selbst wenn noch die Dramaturgie der Regisseurin und Autorin Haifaa Al Mansour, die in Australien studierte, westlichen Muster folgt, lässt „Das Mädchen Wadjda" viel vom Leben der Frauen in Saudi-Arabien erleben. Wobei Wadjdas Mutter modern, wohlhabend und eher fortschrittlich ist. Sie gehört zu den wenigen, die arbeiten. Was mit einem vom Fahrverbot für Frauen erzwungenen Chauffeur und einem weit entfernten Arbeitsplatz, der die Geschlechtertrennung gewährt, sehr mühsam ist. Die Direktorin der Schule hingegen schränkt heftig jeden Freiheitsversuch ein, verhängt drakonische Strafen. Neben dem tollen Spiel von Waad Mohammed als Wadjda interessiert der besondere und gute Film in mit den weiteren Figuren, vor allem mit der Mutter, die Angst hat, dass sich ihr Mann eine Zweitfrau zulegen, weil sie selbst kein Kind mehr bekommt.
Das Mädchen Wadjda fällt schon mit ihren Turnschuhen unter der schwarzen Schuluniform auf. Dazu widerspricht sie dem meckernden Fahrer der Mutter, rennt dem Jungen hinterher, der ihr Butterbrot klaut und bleibt als einzige auf dem Schulhof, als ein paar Männer auf dem Dach herummachen. Wadjda (Waad Mohammed) ist ein gar nicht gewöhnliches Mädchen in Saudi-Arabien. Sie legt den Schleier, für den sie eigentlich auch noch zu jung ist, bei jeder Gelegenheit ab. Doch immer schränken sie Männer und Jungs ein, auch in der Fortbewegung. Der Freund mit dem einflussreichen Vater bekommt deshalb zu hören: „Am Tag, an dem ich auch ein Fahrrad haben werde, werde ich dich schlagen!" Denn Wadjda träumt von dem grünen Fahrrad, das ihr wie im Märchen vorbeischwebte. Ganz prosaisch steht es danach im Laden und hat vor allem einen hohen Preis. Dazu sind die Eltern selbstverständlich dagegen, dass ein Mädchen unter dem Regime eines streng wahabitischen Islam Fahrrad fährt! Doch der ungeliebte Koran-Unterricht erweist sich mit einem hoch dotierten Wettbewerb als Chance, doch noch ihr Ziel zu erreichen.
Geschichten um das Fahrrad sind immer Fortschritt- und Entwicklungsgeschichten von De Sicas „Fahrraddieben" über den geistesverwandten „Der Tag, an dem ich zur Frau wurde" (Roozi Khe Zan Shodam, Iran 2000), von der iranischen Regisseurin Marzieh Meshkini aus dem Makhmalbaf-Klan und dem vietnamesischen „Cyclo" oder den chinesischen „Bejing Bicyle". Doch hier ist schon die Entstehung des Films „Das Mädchen Wadjda", seine reine Existenz unglaublich: Unter der ebenso Frauen- wie Kino-feindlichen Stimmung wurde er offiziell genehmigt und auf den Straßen gedreht. Als erster Spielfilm überhaupt und von einer Frau sowieso. Zwar mit Hilfe von deutschen Ko-Produzenten, aber mit einheimischen Darstellern und Team (mit Ausnahme des ausgezeichneten Kameramannes Kamera Lutz Reitemeier und der Cutters). Selbst wenn noch die Dramaturgie der Regisseurin und Autorin Haifaa Al Mansour, die in Australien studierte, westlichen Muster folgt, lässt „Das Mädchen Wadjda" viel vom Leben der Frauen in Saudi-Arabien erleben. Wobei Wadjdas Mutter modern, wohlhabend und eher fortschrittlich ist. Sie gehört zu den wenigen, die arbeiten. Was mit einem vom Fahrverbot für Frauen erzwungenen Chauffeur und einem weit entfernten Arbeitsplatz, der die Geschlechtertrennung gewährt, sehr mühsam ist. Die Direktorin der Schule hingegen schränkt heftig jeden Freiheitsversuch ein, verhängt drakonische Strafen. Neben dem tollen Spiel von Waad Mohammed als Wadjda interessiert der besondere und gute Film in mit den weiteren Figuren, vor allem mit der Mutter, die Angst hat, dass sich ihr Mann eine Zweitfrau zulegen, weil sie selbst kein Kind mehr bekommt.
Vijay und ich
BRD, Belgien, Luxemburg 2012 (Vijay and I) Regie: Sam Garbarski mit Moritz J. Bleibtreu, Patricia Arquette, Danny Pudi, Hanna Schygulla, Michael Gwisdek
92 Min.
„Inder statt Kinder" - nicht ganz im Sinne eines vernachlässigbaren Politikers wendet sich der als Kinderfernseh-Hase im Schaumstoffkostüm berühmte Schauspieler Wilhelm „Will" Wilder (Moritz J. Bleibtreu) von seinem alten Leben ab und besucht, verkleidet als Inder Vijay Singh, sein eigenes Begräbnis. Was für eine tolle Idee, wird auch der erfolgreiche Regisseur Sam Garbarski („Irina Palm") gedacht haben. Was für eine verpasste Chance, denkt man nach der höchstens netten Komödie mit seltsam zusammengepuzzleter Besetzung. Moritz J. Bleibtreu wickelt auch schauspielerisch Patricia Arquette um den Finger.
Das grüne „Pech-Kaninchen" scheint die Rolle des Lebens für Will Wilder zu sein, der einst als neuer Marlon Brando gefeiert wurde: An seinem 40. Geburtstag bekommt er keinen Glückwunsch mit, verlässt frustriert und wütend das TV-Studio, um danach von einem Autodieb und einem Regenschauer erwischt zu werden. Bedröppelt in New York ... und immer noch im albernen Schaumstoffkostüm. Nach einer Nacht mit viel Frust-Sauferei bei seinem Kumpel Rad (Danny Pudi) weckt Will die TV-Nachricht von seinem Tod: Der Autodieb beendete Raubzug und Leben unter einen Tanklaster. Spontan beschließt der gescheiterte Charakter-Schauspieler, nun die Rolle seines Todes durchzuziehen: Er will sein eigenes Begräbnis besuchen und hören, was Freunde und Verwandte von ihm denken. Zufällig verkleidet Freund Rad die mexikanischen Kellner in seinem indischen Restaurant regelmäßig mit authentischem Look.
Auch der nächste Clou der eigentlich unwahrscheinlichen Verwechslungs-Komödie klingt im Konzept atemberaubend reizvoll: Als alter Freund des Verstorbenen kommt der zum Vijay gewordene Will seiner eigenen Frau Julia (Patricia Arquette) näher. Und noch näher... Er macht dabei mit dickem indischen Akzent und dem Charme demütiger Ritterlichkeit scheinbar alles richtig, was in vielen Jahren der Ehe vorher falsch gelaufen ist. Was ihm die neue alte Gespielin brühwarm erzählen muss: Will sei nicht nur auf der Leinwand sondern auch im Bett wie ein Karnickel gewesen! Das tragikomische Resümieren eines gescheiterten Lebens setzt sich bei den Schwiegereltern und auch beim Agenten fort. Der versucht derweil, sich der Witwe sehr schnell sehr unsittlich zu nähern....
Den eigenen Ehemann wegen etwas Schminke und angeklebtem Bart nicht erkennen? So was kann eigentlich nicht funktionieren, außer in guten Komödien mit viel Maskerade und Charaden. Was Dustin Hoffman als „Mrs. Doubtfire" gelang, schafft ein toll aufspielender Moritz Bleibtreu überraschend gut. Dass der Spaß, der dreisterweise im Rollennamen Altmeister Billy Wilder anklingen lässt, trotzdem nur zeitweise in die Gänge kommt, dass viele Szenen hölzern bleiben, kann eigentlich nicht am Regisseur Sam Garbarski liegen. Der legte mit „Irina Palm" einen so viel mehr gelungeneren Film hin und äußerte sich glaubhaft begeistert über das Potential der Geschichte. Vielleicht war der pan-europäische Dreh, der in zerstückelter Chronologie zwischen New York, Belgien, Luxemburg und NRW-Studios wechselte, schuld? Oder auch die kaum wieder zu erkennende Patricia Arquette? Der Star von „True Romance" (1993), „Ed Wood" (1994), „Lost Highway" (1997), „Human Nature" (2001) und der TV-Serie „Medium" agiert unfassbar steif und ungelenk, fast wie unter örtlicher Betäubung. Da kann man Will Wilder verstehen, möchte auch in ein Kaninchen-Kostüm schlüpfen und schnell weghoppeln.
92 Min.
„Inder statt Kinder" - nicht ganz im Sinne eines vernachlässigbaren Politikers wendet sich der als Kinderfernseh-Hase im Schaumstoffkostüm berühmte Schauspieler Wilhelm „Will" Wilder (Moritz J. Bleibtreu) von seinem alten Leben ab und besucht, verkleidet als Inder Vijay Singh, sein eigenes Begräbnis. Was für eine tolle Idee, wird auch der erfolgreiche Regisseur Sam Garbarski („Irina Palm") gedacht haben. Was für eine verpasste Chance, denkt man nach der höchstens netten Komödie mit seltsam zusammengepuzzleter Besetzung. Moritz J. Bleibtreu wickelt auch schauspielerisch Patricia Arquette um den Finger.
Das grüne „Pech-Kaninchen" scheint die Rolle des Lebens für Will Wilder zu sein, der einst als neuer Marlon Brando gefeiert wurde: An seinem 40. Geburtstag bekommt er keinen Glückwunsch mit, verlässt frustriert und wütend das TV-Studio, um danach von einem Autodieb und einem Regenschauer erwischt zu werden. Bedröppelt in New York ... und immer noch im albernen Schaumstoffkostüm. Nach einer Nacht mit viel Frust-Sauferei bei seinem Kumpel Rad (Danny Pudi) weckt Will die TV-Nachricht von seinem Tod: Der Autodieb beendete Raubzug und Leben unter einen Tanklaster. Spontan beschließt der gescheiterte Charakter-Schauspieler, nun die Rolle seines Todes durchzuziehen: Er will sein eigenes Begräbnis besuchen und hören, was Freunde und Verwandte von ihm denken. Zufällig verkleidet Freund Rad die mexikanischen Kellner in seinem indischen Restaurant regelmäßig mit authentischem Look.
Auch der nächste Clou der eigentlich unwahrscheinlichen Verwechslungs-Komödie klingt im Konzept atemberaubend reizvoll: Als alter Freund des Verstorbenen kommt der zum Vijay gewordene Will seiner eigenen Frau Julia (Patricia Arquette) näher. Und noch näher... Er macht dabei mit dickem indischen Akzent und dem Charme demütiger Ritterlichkeit scheinbar alles richtig, was in vielen Jahren der Ehe vorher falsch gelaufen ist. Was ihm die neue alte Gespielin brühwarm erzählen muss: Will sei nicht nur auf der Leinwand sondern auch im Bett wie ein Karnickel gewesen! Das tragikomische Resümieren eines gescheiterten Lebens setzt sich bei den Schwiegereltern und auch beim Agenten fort. Der versucht derweil, sich der Witwe sehr schnell sehr unsittlich zu nähern....
Den eigenen Ehemann wegen etwas Schminke und angeklebtem Bart nicht erkennen? So was kann eigentlich nicht funktionieren, außer in guten Komödien mit viel Maskerade und Charaden. Was Dustin Hoffman als „Mrs. Doubtfire" gelang, schafft ein toll aufspielender Moritz Bleibtreu überraschend gut. Dass der Spaß, der dreisterweise im Rollennamen Altmeister Billy Wilder anklingen lässt, trotzdem nur zeitweise in die Gänge kommt, dass viele Szenen hölzern bleiben, kann eigentlich nicht am Regisseur Sam Garbarski liegen. Der legte mit „Irina Palm" einen so viel mehr gelungeneren Film hin und äußerte sich glaubhaft begeistert über das Potential der Geschichte. Vielleicht war der pan-europäische Dreh, der in zerstückelter Chronologie zwischen New York, Belgien, Luxemburg und NRW-Studios wechselte, schuld? Oder auch die kaum wieder zu erkennende Patricia Arquette? Der Star von „True Romance" (1993), „Ed Wood" (1994), „Lost Highway" (1997), „Human Nature" (2001) und der TV-Serie „Medium" agiert unfassbar steif und ungelenk, fast wie unter örtlicher Betäubung. Da kann man Will Wilder verstehen, möchte auch in ein Kaninchen-Kostüm schlüpfen und schnell weghoppeln.
White House Down
USA 2013 (White House Down) Regie: Roland Emmerich, mit Channing Tatum, Jamie Foxx, Maggie Gyllenhaal, Richard Jenkins, James Woods, Joey King 131 Min.
Emmerich rettet wieder mal die Welt! Diesmal trifft „Independence Day" auf „Präsident allein zuhaus". Und zeigt einen schwarzen US-Präsidenten, der mal richtig anpackt - mit der Panzerfaust im eigenen Garten. Hört sich furchtbar an, „White House Down" ist aber gut sehr gut inszeniert, ganz gut gespielt und traut sich ein gutes Maß Weltpolitik.
Der rührselige Abschied des Sicherheitschefs mit seinen gesundheitlichen Schwierigkeiten. Der Wachmann, der unbedingt Secret Service-Mann werden will, um seiner Familie etwas zu beweisen. Das zufällige Treffen mit der Highschool-Bekanntschaft und das junge Mädchen, das sich mitten im Trubel verläuft. Die Aufstellung von Figuren und Mini-Dramen in „White House Down" ist extrem vorherseh- und austauschbar. Da hätte gar nicht erst „Olympus has fallen" vor wenigen Monaten vormachen brauchen, wie Gangster, die nicht das sind, was sie scheinen, den Präsidenten gleich zuhause im Weißen Haus kidnappen.
Doch die gute Besetzung macht neugierig und hält das Interesse jenseits der wenig überraschenden Einführung wach: Channing Tatums Wachmann John Cale ist zufällig vor Ort, als mit einem ziemlich unglaubwürdigen Handstreich Weißes Haus und Präsident James Sawyer (Jamie Foxx) gleichzeitig isoliert werden. Cales Tochter Emily (Joey King), die zufällig auf Touri-Tour ist, erweist sich als Spezialistin in Sicherheitsfragen des traditionsreichen Gebäudes und bekommt vom Präsidenten ein Exklusiv-Interview für ihren Blog. Der Staats-Chef ist äußerst sympathisch und punktet nicht nur mit Erziehungs-Tipps. Im Verlauf der bald loslegenden Action im Stile von Bruce Willis („Die Hard") sind dessen Schießversuche mit Maschinengewehr und Panzerfaust („Ich hab sie verloren...") immer für einen Scherz gut. Was jetzt nicht nur Geschmackssache, sondern auch recht widersprüchlich ist: Denn all das Theater findet nur statt, weil James Sawyer ernsthaft den Nahen Osten befrieden will und die Waffen-Industrie deshalb trickreich die Muskeln spielen lässt. Dass dabei ein wahnsinniger Schurke hervortritt, der gleich die ganze Erde in einem Nuklear-Krieg erstrahlen lassen will, ist dann wieder ermüdende Routine.
Zum Glück ist auch Roland Emmerich in seiner rasanten Inszenierung recht routiniert: Zuerst werden nach alter Tradition Symbole des Staates und seiner Institutionen geschleift und auch der gute alte George Washington bekommt eine Kugel in die Perücke sein Gemäldes. Mehr als zum Flirt mit dem Action-Kino patriotischer Prägung und exil-deutscher Regie taugt „White House Down" allerdings nicht. Es wird ein Aufwand an Zerstörung getrieben, den man als lächerlich oder widerlich empfinden kann. Mit nur paar kleinen Widerhaken: Der Krieg, den die USA gerne auswärts führt, findet jetzt mal auf dem Rasen vor dem Weißen Haus statt. Dabei soll es spaßig sein, dass der Präsident selber einen Raketenwerfer in die Hand nimmt und lustig damit herum feuert. Dass am Ende alle Staaten die Waffen niederlegen, ist leider so unwahrscheinlich wie eine Invasion von Aliens.
Emmerich rettet wieder mal die Welt! Diesmal trifft „Independence Day" auf „Präsident allein zuhaus". Und zeigt einen schwarzen US-Präsidenten, der mal richtig anpackt - mit der Panzerfaust im eigenen Garten. Hört sich furchtbar an, „White House Down" ist aber gut sehr gut inszeniert, ganz gut gespielt und traut sich ein gutes Maß Weltpolitik.
Der rührselige Abschied des Sicherheitschefs mit seinen gesundheitlichen Schwierigkeiten. Der Wachmann, der unbedingt Secret Service-Mann werden will, um seiner Familie etwas zu beweisen. Das zufällige Treffen mit der Highschool-Bekanntschaft und das junge Mädchen, das sich mitten im Trubel verläuft. Die Aufstellung von Figuren und Mini-Dramen in „White House Down" ist extrem vorherseh- und austauschbar. Da hätte gar nicht erst „Olympus has fallen" vor wenigen Monaten vormachen brauchen, wie Gangster, die nicht das sind, was sie scheinen, den Präsidenten gleich zuhause im Weißen Haus kidnappen.
Doch die gute Besetzung macht neugierig und hält das Interesse jenseits der wenig überraschenden Einführung wach: Channing Tatums Wachmann John Cale ist zufällig vor Ort, als mit einem ziemlich unglaubwürdigen Handstreich Weißes Haus und Präsident James Sawyer (Jamie Foxx) gleichzeitig isoliert werden. Cales Tochter Emily (Joey King), die zufällig auf Touri-Tour ist, erweist sich als Spezialistin in Sicherheitsfragen des traditionsreichen Gebäudes und bekommt vom Präsidenten ein Exklusiv-Interview für ihren Blog. Der Staats-Chef ist äußerst sympathisch und punktet nicht nur mit Erziehungs-Tipps. Im Verlauf der bald loslegenden Action im Stile von Bruce Willis („Die Hard") sind dessen Schießversuche mit Maschinengewehr und Panzerfaust („Ich hab sie verloren...") immer für einen Scherz gut. Was jetzt nicht nur Geschmackssache, sondern auch recht widersprüchlich ist: Denn all das Theater findet nur statt, weil James Sawyer ernsthaft den Nahen Osten befrieden will und die Waffen-Industrie deshalb trickreich die Muskeln spielen lässt. Dass dabei ein wahnsinniger Schurke hervortritt, der gleich die ganze Erde in einem Nuklear-Krieg erstrahlen lassen will, ist dann wieder ermüdende Routine.
Zum Glück ist auch Roland Emmerich in seiner rasanten Inszenierung recht routiniert: Zuerst werden nach alter Tradition Symbole des Staates und seiner Institutionen geschleift und auch der gute alte George Washington bekommt eine Kugel in die Perücke sein Gemäldes. Mehr als zum Flirt mit dem Action-Kino patriotischer Prägung und exil-deutscher Regie taugt „White House Down" allerdings nicht. Es wird ein Aufwand an Zerstörung getrieben, den man als lächerlich oder widerlich empfinden kann. Mit nur paar kleinen Widerhaken: Der Krieg, den die USA gerne auswärts führt, findet jetzt mal auf dem Rasen vor dem Weißen Haus statt. Dabei soll es spaßig sein, dass der Präsident selber einen Raketenwerfer in die Hand nimmt und lustig damit herum feuert. Dass am Ende alle Staaten die Waffen niederlegen, ist leider so unwahrscheinlich wie eine Invasion von Aliens.
Der Fall Wilhelm Reich
Österreich 2012 Regie: Antonin Svoboda, mit Klaus Maria Brandauer, Julia Jentsch, Kenny Doughty, Jeanette Hain, Birgit Minichmayr 110 Min.
Der Psychoanalytiker, Sozialforscher und Soziologe Wilhelm Reich (1897 -1957) war Regenmacher, im positiven Sinne ein Anti-Einstein, eine Ikone der Studentenbewegung und der sexuellen Revolution. Kurz: Eine herausragende Figur der Zeitgeschichte, eine ganze Menge für einen Mann und leider zu viel für diesen Film.
Vom jungen Reich, der 1920 noch als Student in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen wurde, sehen wir nicht viel. Wir hören nur seine Vorlesung über den Orgasmus, der die Kollegen schockiert. Die eigentliche Handlung setzt in Kalifornien ein, wo der alte Wilhelm Reich (Klaus Maria Brandauer) der Atmosphäre die schlechten Elemente entziehen und Regen machen will. Reichlich verrückt wirkt das, genau wie die Holzkisten, seine Orgon-Akkumulatoren, die Lebensenergie der Menschen bündeln sollen. Doch ausgerechnet die amtlich wirkungslosen Apparate bringen ihn vordergründig ins Gefängnis. Im Hintergrund wirkt eine paranoide Staats-Gewalt, die den harmlosen Reich auch als Kommunist gnadenlos verfolgt und 1957 schließlich im Gefängnis sterben lässt.
Dabei kann man Reich in dieser zurückhaltenden Darstellung durch Brandauer nur als sanften Menschenfreund sehen. Der immer auf Unverständnis stößt: Die fürsorgliche, fast liebevolle Untersuchung eines jungen Mannes endet mit der viel zu lauten Aufregung der Eltern. Als Gegenpol sehen wir horrende Menschen-Experimente des Dr. Cameron, Präsident der American Psychiatric Association. Für ein CIA-Forschungsprojekt begeht er rücksichtslos Eingriffe ins Gehirn, wendet Elektroschocks bis zur Auslöschung der Persönlichkeit an, um Patrioten für Armee und Geheimdienst zu erzeugen.
Wenn Reich im Kleinen versucht, den Einfluss der Radioaktivität zu neutralisieren, wird er im großen Bild dem Einstein- oder Atom-Zeitalter entgegengesetzt. Die Gespräche der Dickkopfes mit Eva (Julia Jentsch), einer Tochter aus früherer Ehe, und seiner Partnerin Ilse Reich (Jeanette Hain) sollen uns den schwierigen Menschen näher bringen, doch die aneinander gereihten Schlüsselszenen bleiben leblos. Denn „Der Fall Wilhelm Reich" wurde in Englisch gedreht und deutsch nachsynchronisiert, was den guten Schauspielern ihrer Wirkung beraubt. Der österreichische Filmemacher Antonin Svoboda produzierte schon 2009 die Doku „Wer hat Angst vor Wilhelm Reich?"
So scheitert selbst die große Szene, in der die Männer mit den Hüten Reich zwingen, seine Orgon-Akkumulatoren zu vernichten und seine Bücher zu verbrennen. Diese tragische Figur wurde also in Europa als Jude verfolgt und in den USA als angeblicher Kommunist, ein Sammelbegriff für alles Befremdliche und Bedrohliche für den simplen Geist. Nur in der Schlussszene erlaubt sich der Film einmal die Freiheit des Kinos - zu spät. Viele werden es gar nicht bis dahin schaffen.
Die Empfehlung geht daher zum alten Video von Kate Bushs populärem Song „Cloudbusting", das von Terry Gilliam konzipiert und von Julian Doyle mit Donald Sutherland als Wilhelm Reich inszeniert wurde.
Der Psychoanalytiker, Sozialforscher und Soziologe Wilhelm Reich (1897 -1957) war Regenmacher, im positiven Sinne ein Anti-Einstein, eine Ikone der Studentenbewegung und der sexuellen Revolution. Kurz: Eine herausragende Figur der Zeitgeschichte, eine ganze Menge für einen Mann und leider zu viel für diesen Film.
Vom jungen Reich, der 1920 noch als Student in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen wurde, sehen wir nicht viel. Wir hören nur seine Vorlesung über den Orgasmus, der die Kollegen schockiert. Die eigentliche Handlung setzt in Kalifornien ein, wo der alte Wilhelm Reich (Klaus Maria Brandauer) der Atmosphäre die schlechten Elemente entziehen und Regen machen will. Reichlich verrückt wirkt das, genau wie die Holzkisten, seine Orgon-Akkumulatoren, die Lebensenergie der Menschen bündeln sollen. Doch ausgerechnet die amtlich wirkungslosen Apparate bringen ihn vordergründig ins Gefängnis. Im Hintergrund wirkt eine paranoide Staats-Gewalt, die den harmlosen Reich auch als Kommunist gnadenlos verfolgt und 1957 schließlich im Gefängnis sterben lässt.
Dabei kann man Reich in dieser zurückhaltenden Darstellung durch Brandauer nur als sanften Menschenfreund sehen. Der immer auf Unverständnis stößt: Die fürsorgliche, fast liebevolle Untersuchung eines jungen Mannes endet mit der viel zu lauten Aufregung der Eltern. Als Gegenpol sehen wir horrende Menschen-Experimente des Dr. Cameron, Präsident der American Psychiatric Association. Für ein CIA-Forschungsprojekt begeht er rücksichtslos Eingriffe ins Gehirn, wendet Elektroschocks bis zur Auslöschung der Persönlichkeit an, um Patrioten für Armee und Geheimdienst zu erzeugen.
Wenn Reich im Kleinen versucht, den Einfluss der Radioaktivität zu neutralisieren, wird er im großen Bild dem Einstein- oder Atom-Zeitalter entgegengesetzt. Die Gespräche der Dickkopfes mit Eva (Julia Jentsch), einer Tochter aus früherer Ehe, und seiner Partnerin Ilse Reich (Jeanette Hain) sollen uns den schwierigen Menschen näher bringen, doch die aneinander gereihten Schlüsselszenen bleiben leblos. Denn „Der Fall Wilhelm Reich" wurde in Englisch gedreht und deutsch nachsynchronisiert, was den guten Schauspielern ihrer Wirkung beraubt. Der österreichische Filmemacher Antonin Svoboda produzierte schon 2009 die Doku „Wer hat Angst vor Wilhelm Reich?"
So scheitert selbst die große Szene, in der die Männer mit den Hüten Reich zwingen, seine Orgon-Akkumulatoren zu vernichten und seine Bücher zu verbrennen. Diese tragische Figur wurde also in Europa als Jude verfolgt und in den USA als angeblicher Kommunist, ein Sammelbegriff für alles Befremdliche und Bedrohliche für den simplen Geist. Nur in der Schlussszene erlaubt sich der Film einmal die Freiheit des Kinos - zu spät. Viele werden es gar nicht bis dahin schaffen.
Die Empfehlung geht daher zum alten Video von Kate Bushs populärem Song „Cloudbusting", das von Terry Gilliam konzipiert und von Julian Doyle mit Donald Sutherland als Wilhelm Reich inszeniert wurde.
2.9.13
Shadow Dancer
Großbritannien, Irland 2012 (Shadow Dancer) Regie: James Marsh mit Clive Owen, Andrea Riseborough, Gillian Anderson, Aidan Gillem 100 Min.
Eine Geschichte von V-Frauen, Verrätern und Verfassungschutz... Klingt aktuell, hat aber nichts mit den rechten NSU-Mördern zu tun, denn sie spielt 1993 in Belfast, in der Endphase des nordirischen Widerstands gegen die britischen Besatzer. Vielleicht wird sich in 20 Jahren, wenn ein Spielfilm die Hintergründe der Zwickauer Zelle und die Beteiligung vom Verfassungsschutz ausleuchtet, zeigen, das wohl alle diese Geheim- und Sicherheits-Dienste skrupellos mit Menschen spielen und sie auch ohne Zögern opfern. Der spannende und raffinierte Thriller „Shadow Dancer" lässt allerdings jemand anders am Ende den letzten Zug machen. Ach ja, und endlich wissen wir auch, dass Scully das FBI (und „Akte X") verlassen hat, weil Clive Owen bei den britischen Kollegen wesentlich frischer aussieht als Duchovny.
Belfast 1973 - da ist schnell klar, dass dies keine nette Geschichte wird. Und dass Rauchen tödlich ist: Der Vater schickt Collette zum Zigaretten holen, sie leitet den ungeliebten Auftrag an den Bruder weiter, der kurz darauf erschossen in die Wohnung zurück getragen wird. Alltag im sogenannten „Bürgerkrieg" der englischen Armee gegen IRA und die katholische Bevölkerung Nordirlands. Zwanzig Jahre später wird Collette (Andrea Riseborough) erwischt, als sie in der Londoner U-Bahn eine Bombe platzieren will. Ein sehr verständnisvoller Agent namens Mac (Clive Owen) bietet ihr an, den nicht zum Waffenstillstand bereiten IRA-Kämpfer Gerry auszuspionieren. Ansonsten drohe ihr Knast und Trennung vom kleinen Sohn. Und außerdem hätte sie die Bombe ja gar nicht scharf gemacht, das würde viel verraten. Die junge Frau nimmt an, obwohl es ihr Todesurteil sein kann. Und tatsächlich scheint sie nach dem ersten Verrat, der ein Attentat verhindert, von den Engländern zum Abschuss freigegeben zu sein. Doch auch Mac wurde von seiner Chefin („Scully" Gillian Anderson) verraten und versucht, „seine" Spionin zu retten. Nach einem Kuss von Collette gibt er ihr alles preis....
Es gibt im hoch spannenden und sehr regierungs-kritischen Polit-Thriller „Shadow Dancer" nicht nur ein Wiedersehen mit einer blondierten Gillian Anderson, eindrucksvoll vor allem ist Andrea Riseborough, die als Wally in Madonnas „W.E." einen guten Auftritt in unglücklicher Umgebung hatte (der Film ist wirklich nicht gelungen). Nicht mehr glamourös, sondern verschlossen und getrieben kann sie mit ihrem Gesicht die Zwänge der mehrfachen Zwickmühle widerspiegeln. Während Collette jeden Moment all die Freude bei ihrem Sohn genießt, den ihr im gleichen Alter verstorbener Bruder nicht mehr haben konnte, kapieren all die Männer nicht, dass es etwas anderes gibt als das Morden. Doch der Sicherheits-Chef dieser IRA-Abteilung (Henker kann man nicht sagen, da hier alle Blut an den Händen haben) verdächtigt sie, die Plastikplane ist beim Verhör schon ausgelegt und in einer spannenden Parallel-Suche recherchiert Mac in den bürokratisch korrekten Gehaltsabrechnungen nach dem einen Verräter, dessen Entdeckung die Entdeckung von Collette in einem großen Bluff verhindern soll. Dies ist allerdings nicht die letzte Volte des raffinierten Drehbuchs.
Eine Geschichte von V-Frauen, Verrätern und Verfassungschutz... Klingt aktuell, hat aber nichts mit den rechten NSU-Mördern zu tun, denn sie spielt 1993 in Belfast, in der Endphase des nordirischen Widerstands gegen die britischen Besatzer. Vielleicht wird sich in 20 Jahren, wenn ein Spielfilm die Hintergründe der Zwickauer Zelle und die Beteiligung vom Verfassungsschutz ausleuchtet, zeigen, das wohl alle diese Geheim- und Sicherheits-Dienste skrupellos mit Menschen spielen und sie auch ohne Zögern opfern. Der spannende und raffinierte Thriller „Shadow Dancer" lässt allerdings jemand anders am Ende den letzten Zug machen. Ach ja, und endlich wissen wir auch, dass Scully das FBI (und „Akte X") verlassen hat, weil Clive Owen bei den britischen Kollegen wesentlich frischer aussieht als Duchovny.
Belfast 1973 - da ist schnell klar, dass dies keine nette Geschichte wird. Und dass Rauchen tödlich ist: Der Vater schickt Collette zum Zigaretten holen, sie leitet den ungeliebten Auftrag an den Bruder weiter, der kurz darauf erschossen in die Wohnung zurück getragen wird. Alltag im sogenannten „Bürgerkrieg" der englischen Armee gegen IRA und die katholische Bevölkerung Nordirlands. Zwanzig Jahre später wird Collette (Andrea Riseborough) erwischt, als sie in der Londoner U-Bahn eine Bombe platzieren will. Ein sehr verständnisvoller Agent namens Mac (Clive Owen) bietet ihr an, den nicht zum Waffenstillstand bereiten IRA-Kämpfer Gerry auszuspionieren. Ansonsten drohe ihr Knast und Trennung vom kleinen Sohn. Und außerdem hätte sie die Bombe ja gar nicht scharf gemacht, das würde viel verraten. Die junge Frau nimmt an, obwohl es ihr Todesurteil sein kann. Und tatsächlich scheint sie nach dem ersten Verrat, der ein Attentat verhindert, von den Engländern zum Abschuss freigegeben zu sein. Doch auch Mac wurde von seiner Chefin („Scully" Gillian Anderson) verraten und versucht, „seine" Spionin zu retten. Nach einem Kuss von Collette gibt er ihr alles preis....
Es gibt im hoch spannenden und sehr regierungs-kritischen Polit-Thriller „Shadow Dancer" nicht nur ein Wiedersehen mit einer blondierten Gillian Anderson, eindrucksvoll vor allem ist Andrea Riseborough, die als Wally in Madonnas „W.E." einen guten Auftritt in unglücklicher Umgebung hatte (der Film ist wirklich nicht gelungen). Nicht mehr glamourös, sondern verschlossen und getrieben kann sie mit ihrem Gesicht die Zwänge der mehrfachen Zwickmühle widerspiegeln. Während Collette jeden Moment all die Freude bei ihrem Sohn genießt, den ihr im gleichen Alter verstorbener Bruder nicht mehr haben konnte, kapieren all die Männer nicht, dass es etwas anderes gibt als das Morden. Doch der Sicherheits-Chef dieser IRA-Abteilung (Henker kann man nicht sagen, da hier alle Blut an den Händen haben) verdächtigt sie, die Plastikplane ist beim Verhör schon ausgelegt und in einer spannenden Parallel-Suche recherchiert Mac in den bürokratisch korrekten Gehaltsabrechnungen nach dem einen Verräter, dessen Entdeckung die Entdeckung von Collette in einem großen Bluff verhindern soll. Dies ist allerdings nicht die letzte Volte des raffinierten Drehbuchs.
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