14.10.13

Drecksau

Großbritannien, BRD, Belgien, Schweden, USA 2013 (Filth) Regie: Jon S. Baird, mit James McAvoy, Jamie Bell, Eddie Marsan, Jim Broadbent, Imogen Poots 94 Min.

Wenn Irvine Welsh, der Autor von „Trainspotting", mit seinem sogenannten Skandalroman „Drecksau" ins Kino kommt, sollte man sich fest- und der zartbesaiteten Begleitung die Ohren zuhalten. Denkste. Erstmal. Denn der schottische Cop Bruce Robertson (James McAvoy) ist höchstens eine Vorabend-Version vom Abel Ferraras „Bad Lieutenant" Harvey Keitel. Selbst wenn Robertson flucht, rumhurt, kokst, Pillen schluckt, erpresst und unterschlägt. Denn schließlich war es die Polizeiwillkür, die den kleinen Bruce früh für diesen Beruf begeistert hat - so was wollte er auch machen!

Im Wettrennen um die Beförderung zum Inspektor sieht sich der schottische Proll-Bulle selbst als Favorit und vor allem als hinterhältigster Intrigant. Er weiß sicher nicht, wer Machiavelli ist, aber auch diesem Itaker würde er es zeigen. Selbstverständlich vor allem im Bett. Denn noch mehr als die Karriere-Ränke - der Mordfall bleibt Randnotiz - interessiert ihn der Sex. Mit jeder, die sich irgendwie rumkriegen lässt. Selbstverständlich auch mit der Frau des Kollegen und dann noch mit der des einzigen Freundes. Den Rest der Kollegen macht er einfach so fertig...

Die schottische Arbeiterstadt Glasgow zeigt sich mit pinkelnden Weihnachtsmann und mörderischen Neonazis in der Unterführung als dreckig vorweihnachtlich. Süßliche Lieder rieseln mit Koks und Kotze um die Wette. Lange wirkt all dies nicht wirklich schockend, der kontrapunktische Song-Einsatz ist erst in der Schlussszene so krass und creep-y wie in der BritCrime-Komödie „Sexy Beast". Denn die „Drecksau" als Film verlässt sich in Sachen Schockwirkung sehr auf den Buchtext, was bei guter Literatur nicht das Schlechteste ist. Hier, in der deutschen Synchronisation, sorgt die drastische Sprache nur mäßig für Pep und Spaß.

Auch die Hauptfigur Bruce Robertson beginnt mit wenig Charakter, weder guten noch fiesen. Erst als sich die Tragik dieser zutiefst verschrobenen und zerrütteten Persönlichkeit offenbart, bekommt der Film eine emotionale Wucht. Denn nicht nur die Trennung von Frau und Kind belastet den Alkoholiker, im Spiegel schaut ihm immer wieder die verweste Leiche seines kleinen Bruders über die Schulter. So geraten Realität und Wahnvorstellungen mehr und mehr durcheinander, die Visionen mit dem wahnwitzigen Psychiater Dr. Rossi (Jim Broadbent) gehören zum Besten des Films. Auch Nebendarsteller Eddie Marsan als leichtgläubiger Trottel Bladesey und Shirley Henderson als dessen lüsterne Frau Bunty halten den Film über Wasser bis das - für Nicht-Leser - überraschende Ende mit heftiger Emotionalität zuschlägt. „Creep" Robertson, der Frauen-, Schwulen-, Fremden- und irgendwie Alles-Hasser, gewinnt ganz unten in der Gosse mit einer unerwarteten Seite seiner Persönlichkeit doch noch Sympathien. Und der Film bekommt die Kurve zum Sehenswerten.