3.9.13

Vijay und ich

BRD, Belgien, Luxemburg 2012 (Vijay and I) Regie: Sam Garbarski mit Moritz J. Bleibtreu, Patricia Arquette, Danny Pudi, Hanna Schygulla, Michael Gwisdek
92 Min.

„Inder statt Kinder" - nicht ganz im Sinne eines vernachlässigbaren Politikers wendet sich der als Kinderfernseh-Hase im Schaumstoffkostüm berühmte Schauspieler Wilhelm „Will" Wilder (Moritz J. Bleibtreu) von seinem alten Leben ab und besucht, verkleidet als Inder Vijay Singh, sein eigenes Begräbnis. Was für eine tolle Idee, wird auch der erfolgreiche Regisseur Sam Garbarski („Irina Palm") gedacht haben. Was für eine verpasste Chance, denkt man nach der höchstens netten Komödie mit seltsam zusammengepuzzleter Besetzung. Moritz J. Bleibtreu wickelt auch schauspielerisch Patricia Arquette um den Finger.

Das grüne „Pech-Kaninchen" scheint die Rolle des Lebens für Will Wilder zu sein, der einst als neuer Marlon Brando gefeiert wurde: An seinem 40. Geburtstag bekommt er keinen Glückwunsch mit, verlässt frustriert und wütend das TV-Studio, um danach von einem Autodieb und einem Regenschauer erwischt zu werden. Bedröppelt in New York ... und immer noch im albernen Schaumstoffkostüm. Nach einer Nacht mit viel Frust-Sauferei bei seinem Kumpel Rad (Danny Pudi) weckt Will die TV-Nachricht von seinem Tod: Der Autodieb beendete Raubzug und Leben unter einen Tanklaster. Spontan beschließt der gescheiterte Charakter-Schauspieler, nun die Rolle seines Todes durchzuziehen: Er will sein eigenes Begräbnis besuchen und hören, was Freunde und Verwandte von ihm denken. Zufällig verkleidet Freund Rad die mexikanischen Kellner in seinem indischen Restaurant regelmäßig mit authentischem Look.

Auch der nächste Clou der eigentlich unwahrscheinlichen Verwechslungs-Komödie klingt im Konzept atemberaubend reizvoll: Als alter Freund des Verstorbenen kommt der zum Vijay gewordene Will seiner eigenen Frau Julia (Patricia Arquette) näher. Und noch näher... Er macht dabei mit dickem indischen Akzent und dem Charme demütiger Ritterlichkeit scheinbar alles richtig, was in vielen Jahren der Ehe vorher falsch gelaufen ist. Was ihm die neue alte Gespielin brühwarm erzählen muss: Will sei nicht nur auf der Leinwand sondern auch im Bett wie ein Karnickel gewesen! Das tragikomische Resümieren eines gescheiterten Lebens setzt sich bei den Schwiegereltern und auch beim Agenten fort. Der versucht derweil, sich der Witwe sehr schnell sehr unsittlich zu nähern....

Den eigenen Ehemann wegen etwas Schminke und angeklebtem Bart nicht erkennen? So was kann eigentlich nicht funktionieren, außer in guten Komödien mit viel Maskerade und Charaden. Was Dustin Hoffman als „Mrs. Doubtfire" gelang, schafft ein toll aufspielender Moritz Bleibtreu überraschend gut. Dass der Spaß, der dreisterweise im Rollennamen Altmeister Billy Wilder anklingen lässt, trotzdem nur zeitweise in die Gänge kommt, dass viele Szenen hölzern bleiben, kann eigentlich nicht am Regisseur Sam Garbarski liegen. Der legte mit „Irina Palm" einen so viel mehr gelungeneren Film hin und äußerte sich glaubhaft begeistert über das Potential der Geschichte. Vielleicht war der pan-europäische Dreh, der in zerstückelter Chronologie zwischen New York, Belgien, Luxemburg und NRW-Studios wechselte, schuld? Oder auch die kaum wieder zu erkennende Patricia Arquette? Der Star von „True Romance" (1993), „Ed Wood" (1994), „Lost Highway" (1997), „Human Nature" (2001) und der TV-Serie „Medium" agiert unfassbar steif und ungelenk, fast wie unter örtlicher Betäubung. Da kann man Will Wilder verstehen, möchte auch in ein Kaninchen-Kostüm schlüpfen und schnell weghoppeln.