Frankreich, Belgien 2013 (L' écume des jours) Regie: Michel Gondry mit Romain Duris, Audrey Tautou, Gad Elmaleh, Omar Sy 91 Min. (OV: 125 Min.) FSK: ab 12
Das Kult-Buch „Der Schaum der Tage" (L'Ecume des jours) von Boris Vian aus dem Jahr 1946 wird für immer unverfilmbar bleiben, weil sich die Leser-Fantasie aus dem surrealen Liebesroman jeweils eine eigene Welt erschafft. Doch mit Michel Gondry, der in „The Science of Sleep" die Liebesgeschichte mit wunderschönen Stop-Motion-Spielereien ausgestaltete, und in „Vergiss mein nicht!" den Liebes-Abschied fantasiereich wie tieftraurig inszenierte, gibt es einen Filmemacher, der den Stoff kongenial umsetzen kann. Und es gibt die digitale Tricktechnik, auch die verrücktesten Ideen ins Bild zu bringen. Wobei der Charme vom „Schaum der Tage" darin liegt, auch im Trick liebenswert altmodisch daherzukommen.
Bohemien und Fantast Colin (Romain Duris) begegnet auf einer Party Chloé (Audrey Tautou). Eine Schönheit, komponiert von Duke Ellington, der auch prompt aus ein paar Audio-Bild-Werfern aufspielt. Es beginnt eine niedlich holperige Liebesgeschichte mit echten Unsicherheiten und traumhaft poetischen Momenten. Dabei erleben wir Paris aus absolut neuen Perspektiven, sehen wie das Paar nach einer völlig unchristlichen Hochzeit in ihren Gefühlen untergeht und in einer gläsernen Limousine auf Hochzeits-Trip fährt.
In der Hochzeitsnacht legt sich ein Kristall in Chloés Lunge, die folgende Krankheit verändert alles: Wie die Lungen sind auch die Fenster von Colins Himmels-Waggon belegt und lassen kein Sonnenlicht mehr durch. Er braucht für die Blumen, die einzig Heilung bringen, sein gesamtes Vermögen auf. Die Wohnung wird enger, alle Farben verblassen, die Arbeitsverhältnisse draußen sind ein Horrortrip.
„Der Schaum der Tage" begeistert mit unfassbar vielen, verrückten, schönen und schrägen Einfällen. Allein der Auftritt Jean-Sol Partres (sic!) ist den Eintritt wert. Da ist auch das bekannte Piano, das Cocktails komponiert, dazu Colins eigenwillige, hündische Schuhe, der kleine Mäuse-Assistent, das Tanzen mit überlangen Beinen, die Floristin, deren Kleid mit den bestellten Blumen wechselt, das Fixieren einer widerspenstigen Krawatte mit dem Hammer. Colins Freund Nicolas (Omar Sy) gibt dem Fernsehkoch, der auch aus dem Kühlschrank Champagner anreicht, eine ganz neue Bedeutung... Unbeschreiblich dies alles. Wer mehr lesen will, muss den Roman zur Hand nehmen. Oder kann im Film zudem einen völlig verschrobenen Retro-Futurismus genießen.
Es blieben vom Roman die wundervolle Hommage an den Jazz, die Reflektion des Existenzialismus der Entstehungszeit. Seitenhiebe auf Jean-Sol Partre werden nur vorsichtig mit einer Partner-Such-Maschine oder einem philosophischen Rubics Cube modernisiert. Roman Duris („Mademoiselle Populaire", „L'auberge espagnole", „Gadjo Dilo") ist der perfekte Darsteller für die verspielt euphorischen und für die leidenden Momente. Audrey Tautou ist lieblich im Glück und im Siechen. Es gibt nur einen Wermuts-Tropfen: Wie aus diesem Film für die deutsche Rumpf- und Synchro-Version unfassbare dreißig Minuten herausgeschnitten werden konnten, ist mehr als ein Rätsel, ist ein Verbrechen.