BRD, Saudi-Arabien 2012 Regie: Haifaa Al Mansour mit Reem Abdullah, Waad Mohammed, Abdullrahman Al Gohani, Ahd, Sultan Al Assaf 93 Min.
Das Mädchen Wadjda fällt schon mit ihren Turnschuhen unter der schwarzen Schuluniform auf. Dazu widerspricht sie dem meckernden Fahrer der Mutter, rennt dem Jungen hinterher, der ihr Butterbrot klaut und bleibt als einzige auf dem Schulhof, als ein paar Männer auf dem Dach herummachen. Wadjda (Waad Mohammed) ist ein gar nicht gewöhnliches Mädchen in Saudi-Arabien. Sie legt den Schleier, für den sie eigentlich auch noch zu jung ist, bei jeder Gelegenheit ab. Doch immer schränken sie Männer und Jungs ein, auch in der Fortbewegung. Der Freund mit dem einflussreichen Vater bekommt deshalb zu hören: „Am Tag, an dem ich auch ein Fahrrad haben werde, werde ich dich schlagen!" Denn Wadjda träumt von dem grünen Fahrrad, das ihr wie im Märchen vorbeischwebte. Ganz prosaisch steht es danach im Laden und hat vor allem einen hohen Preis. Dazu sind die Eltern selbstverständlich dagegen, dass ein Mädchen unter dem Regime eines streng wahabitischen Islam Fahrrad fährt! Doch der ungeliebte Koran-Unterricht erweist sich mit einem hoch dotierten Wettbewerb als Chance, doch noch ihr Ziel zu erreichen.
Geschichten um das Fahrrad sind immer Fortschritt- und Entwicklungsgeschichten von De Sicas „Fahrraddieben" über den geistesverwandten „Der Tag, an dem ich zur Frau wurde" (Roozi Khe Zan Shodam, Iran 2000), von der iranischen Regisseurin Marzieh Meshkini aus dem Makhmalbaf-Klan und dem vietnamesischen „Cyclo" oder den chinesischen „Bejing Bicyle". Doch hier ist schon die Entstehung des Films „Das Mädchen Wadjda", seine reine Existenz unglaublich: Unter der ebenso Frauen- wie Kino-feindlichen Stimmung wurde er offiziell genehmigt und auf den Straßen gedreht. Als erster Spielfilm überhaupt und von einer Frau sowieso. Zwar mit Hilfe von deutschen Ko-Produzenten, aber mit einheimischen Darstellern und Team (mit Ausnahme des ausgezeichneten Kameramannes Kamera Lutz Reitemeier und der Cutters). Selbst wenn noch die Dramaturgie der Regisseurin und Autorin Haifaa Al Mansour, die in Australien studierte, westlichen Muster folgt, lässt „Das Mädchen Wadjda" viel vom Leben der Frauen in Saudi-Arabien erleben. Wobei Wadjdas Mutter modern, wohlhabend und eher fortschrittlich ist. Sie gehört zu den wenigen, die arbeiten. Was mit einem vom Fahrverbot für Frauen erzwungenen Chauffeur und einem weit entfernten Arbeitsplatz, der die Geschlechtertrennung gewährt, sehr mühsam ist. Die Direktorin der Schule hingegen schränkt heftig jeden Freiheitsversuch ein, verhängt drakonische Strafen. Neben dem tollen Spiel von Waad Mohammed als Wadjda interessiert der besondere und gute Film in mit den weiteren Figuren, vor allem mit der Mutter, die Angst hat, dass sich ihr Mann eine Zweitfrau zulegen, weil sie selbst kein Kind mehr bekommt.