3.9.13

Der Fall Wilhelm Reich

Österreich 2012 Regie: Antonin Svoboda, mit Klaus Maria Brandauer, Julia Jentsch, Kenny Doughty, Jeanette Hain, Birgit Minichmayr 110 Min.

Der Psychoanalytiker, Sozialforscher und Soziologe Wilhelm Reich (1897 -1957) war Regenmacher, im positiven Sinne ein Anti-Einstein, eine Ikone der Studentenbewegung und der sexuellen Revolution. Kurz: Eine herausragende Figur der Zeitgeschichte, eine ganze Menge für einen Mann und leider zu viel für diesen Film.

Vom jungen Reich, der 1920 noch als Student in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen wurde, sehen wir nicht viel. Wir hören nur seine Vorlesung über den Orgasmus, der die Kollegen schockiert. Die eigentliche Handlung setzt in Kalifornien ein, wo der alte Wilhelm Reich (Klaus Maria Brandauer) der Atmosphäre die schlechten Elemente entziehen und Regen machen will. Reichlich verrückt wirkt das, genau wie die Holzkisten, seine Orgon-Akkumulatoren, die Lebensenergie der Menschen bündeln sollen. Doch ausgerechnet die amtlich wirkungslosen Apparate bringen ihn vordergründig ins Gefängnis. Im Hintergrund wirkt eine paranoide Staats-Gewalt, die den harmlosen Reich auch als Kommunist gnadenlos verfolgt und 1957 schließlich im Gefängnis sterben lässt.

Dabei kann man Reich in dieser zurückhaltenden Darstellung durch Brandauer nur als sanften Menschenfreund sehen. Der immer auf Unverständnis stößt: Die fürsorgliche, fast liebevolle Untersuchung eines jungen Mannes endet mit der viel zu lauten Aufregung der Eltern. Als Gegenpol sehen wir horrende Menschen-Experimente des Dr. Cameron, Präsident der American Psychiatric Association. Für ein CIA-Forschungsprojekt begeht er rücksichtslos Eingriffe ins Gehirn, wendet Elektroschocks bis zur Auslöschung der Persönlichkeit an, um Patrioten für Armee und Geheimdienst zu erzeugen.

Wenn Reich im Kleinen versucht, den Einfluss der Radioaktivität zu neutralisieren, wird er im großen Bild dem Einstein- oder Atom-Zeitalter entgegengesetzt. Die Gespräche der Dickkopfes mit Eva (Julia Jentsch), einer Tochter aus früherer Ehe, und seiner Partnerin Ilse Reich (Jeanette Hain) sollen uns den schwierigen Menschen näher bringen, doch die aneinander gereihten Schlüsselszenen bleiben leblos. Denn „Der Fall Wilhelm Reich" wurde in Englisch gedreht und deutsch nachsynchronisiert, was den guten Schauspielern ihrer Wirkung beraubt. Der österreichische Filmemacher Antonin Svoboda produzierte schon 2009 die Doku „Wer hat Angst vor Wilhelm Reich?"

So scheitert selbst die große Szene, in der die Männer mit den Hüten Reich zwingen, seine Orgon-Akkumulatoren zu vernichten und seine Bücher zu verbrennen. Diese tragische Figur wurde also in Europa als Jude verfolgt und in den USA als angeblicher Kommunist, ein Sammelbegriff für alles Befremdliche und Bedrohliche für den simplen Geist. Nur in der Schlussszene erlaubt sich der Film einmal die Freiheit des Kinos - zu spät. Viele werden es gar nicht bis dahin schaffen.

Die Empfehlung geht daher zum alten Video von Kate Bushs populärem Song „Cloudbusting", das von Terry Gilliam konzipiert und von Julian Doyle mit Donald Sutherland als Wilhelm Reich inszeniert wurde.