9.5.11

Cannes 2011 Vorschau

Cannes. Woody Allen, Aki Kaurismäki, Lars Von Trier, Gus Van Sant, Nanni Moretti, Terrence Malick, Jodie Foster, Kim Ki-Duk, Pedro Almodovar, Jean-Pierre und Luc Dardenne ... unter anderem. Cannes übertrifft sich wieder einmal selber in der Zusammenstellung großer Namen, die das Arthouse-Kino unserer Zeit prägen. Dafür fehlen in der 63. Ausgabe, die vom 11. - 21. Mai an der Côte d'Azur stattfindet, Krisengerede, künstlich hochgejubelte Bedrohung, ein sensationelles 3D-Event. Also ein Festival rein für die spannendsten Filme des Jahres - wenn Herr und Frau Sarkozys nach der Eröffnung am Mittwochabend mit Woody Allens „Midnight in Paris" die Bühne freigegeben haben.

Dann wird man feststellen, dass im Wettbewerb um die Goldene Palme das nicht unbedingt frauenfreundliche Cannes diesmal vier Regisseurinnen nominiert hat. Ansonsten ist wegen der üblichen Verdächtigen und den Cannes Doppel-Siegern Lars von Trier sowie Luc und Jean-Piere Dardenne ein stark europäisches Festival zu erwarten. Asien taucht häufig in den Nebensektionen auf, US-Amerikanisches in Sondervorführungen. Aus Lateinamerika startet kein einziger Film im Wettbewerb! Auf die beiden Debütanten, der von Jane Campion präsentierten „Sleeping Beauty" von Julia Leigh und „Michael" von Markus Schleinzer aus Österreich, darf man besonders gespannt sein, wenn sie für gut genug erachtet werden, auf Anhieb mit den besten Regisseuren der Welt zu konkurrieren.

Da man auf Filme von Terrence Malick („Der schmale Grat", „Badlands") manchmal gleich Jahrzehnte warten muss, sind zwölf Monate Verzögerung bei „The Tree of Life" nichts Besonderes, der Kultregisseur wollte noch mal „kurz" im Schneiderraum dran arbeiten. Der Spätstarter von Cannes 2010 wird als „kosmisches Epos" angekündigt und folgt den Kindheitserinnerungen von Jack, der alles um sich herum mit den Augen seiner Seele sehen kann. Die Hauptdarsteller Brad Pitt, Sean Penn und Jessica Chastain bereichern das Drama um eine Familie in den 1960er-Jahren sowie den Roten Teppich von Cannes. „The Tree of Life" wird am 23. Juni in die deutschen Kinos kommen.

Nur wenige Tage vor dem deutschen Kinostart entern „Pirates of the Caribbean" die Croisette, Johnny Depp, Penélope Cruz, Geoffrey Rush sowie der Regisseur Rob Marshall werden reiche Medien-Beute kapern. Captain Jack Sparrow ist hingegen wieder auf der Jagd nach klassischen Schätzen, Frauen und Rum. Eine mysteriöse Frau aus seiner Vergangenheit (Cruz) treibt ihn auf das Schiff des ebenso legendären wie gefürchteten Piraten Blackbeard. Auch Jodie Foster nahm eine lange Regie-Pause nach „Das Wunderkind Tate" sowie „Familienfest und andere Schwierigkeiten". Jetzt ist sie als Star und Regisseurin zurück mit „enfant terrible" Mel Gibson, dessen Figur nach einer schweren Depression nur noch über die Handpuppe eines Bibers mit der Welt spricht. „Der Biber" und die „Pirates" werden schon am 19.5. ihren Deutschland-Start haben.

Die Dardennes aus Lüttich erzählen in „Le gamin au vélo" („Der Junge auf dem Rad"), von Cyril, der in einem Kinderheim lebt und ruhelos mit seinem Rad durch die Gegend (um Lüttich) fährt, um seinen Vater zu finden. Dabei trifft er auf eine Friseuse, die sich um ihn kümmert. Cécile de France spielt diese Rolle, womit die Brüder Dardenne nicht nur erstmals einen Star mitspielen lassen, sondern auch noch eigener Aussage etwas Optimismus in ihre meist dunklen Geschichten bringen.

Der neue Film von Andreas Dresen „Halt auf freier Strecke" erzählt von einem glücklichen Paar, das plötzlich mit dem Sterben konfrontiert ist. Der deutsche Starter in der Reihe „Un certain regard" soll eine Geschichte der Extreme sein, die aus alltäglichen Vorgängen erwachsen. Die Filmstiftung NRW setzt ihre Tradition der Beteiligung bei herausragenden Produktionen fort: „Melancholia", die fünfte Zusammenarbeit mit Lars von Trier, wurde vom Dänen als „psychologischer Katastrophenfilm" angekündigt - was eigentlich alle seine Filme beschreibt. Diesmal setzten sich Charlotte Rampling, Kiefer Sutherland, Kirsten Dunst, John Hurt und Charlotte Gainsbourg dem genialen Regisseur aus. Charlotte Rampling wird außerdem in der Dokumentation „The Look – Charlotte Rampling"von Angelina Maccarone im Fokus stehen. Dies ist der zweite von der Filmstiftung geförderte Film in Cannes.

Während die Fans langsam ihre Klapp-Leiterchen am frisch applizierten Roten Teppich aufstellen, sind bei einer derartig guten Papier-Form die Erwartungen an Cannes 2011 besonders hoch. Es dauert nur noch 10 Tagen und ein paar hundert Filme, bis sich am übernächsten bei der Preisverleihung herauskristallisiert, ob die Auswahl der Cannes-Macher wieder alle anderen Festivals in den Schatten stellt.