25.5.11

Barfuß auf Nacktschnecken

Frankreich 2010 (Pieds nus sur les limaces) Regie: Fabienne Berthaud mit Diane Kruger, Ludivine Sagnier, Denis Ménochet 103 Min.

Ein sehr sinnlicher Titel für einen sehr sinnlichen Film. Das Gefühl leichten Schauderns stellt sich allerdings nur angesichts schöner und nachdenklich machender Herausforderungen an das bürgerliche Leben ein. Diana Kruger überrascht total - mit gutem Schauspiel.

Ein toter Hase auf der Schnellstraße und eine verträumte junge Frau in bunten Klamotten - das wirkt im ersten Moment gefährlich. Doch einen Moment lang ist die Welt noch in Ordnung für die etwas kindische Lily (Ludivine Sagnier). Erst als der Wagen ihrer sorgenden Mutter im Hintergrund langsam ausrollt und sich deren Tod andeutet, droht das eigenwillige Mädchen unter die Räder zu kommen. Lily lebte unter Aufsicht von Mutter und der benachbarten Haushälterin Mireille fern von der Stadt als exzentrisches Naturkind. Sie hüllt sich in sanfte, weiche Farben. Der Film tut es ihr gleich und gönnt Lily ein eigenes Traumreich in einer Hütte im Garten. Nach dem Tod der Mutter wird es ausgeweitet auf die Wohnung, wo das wenig gerührte Mädchen mit dem Truthahn auf der Couch fernsieht. Die Schwester Clara (Diane Kruger) wird dort erst einmal aufräumen. Sie, die eine Karriere im der Kanzlei des Mannes hat, kommt an den Wochenenden vorbei, um der schwierigen Schwester Gesellschaft zu leisten. Das führt zu Streit, irgendwann gibt die Haushälterin auf und Clara, die sich selbst ein Kind wünscht, bleibt nun die ganze Woche im Landhaus.

Wie Lily erfreut der Film selbst mit vielen verrückten Einfällen. Ihre eingesammelten toten Tiere bewahrt sie in der Tiefkühltruhe auf, bevor sie zu allen möglichen Fell-Accessoires verarbeitet werden. Beim Kochen versucht sie gänzlich unangepasst mal einen Tintenfisch als Kopfbedeckung. Nebenbei befriedigt die ausgereifte junge Frau ihre sexuellen Bedürfnisse - man hielt schon den Atem an - ziemlich selbstbestimmt mit Jungen aus der Umgebung. Aber mehr und mehr erscheint Lily als Belastung für alle. Immer wieder treffen die äußere Gesellschaft und die inneren Wünsche im Konflikt aufeinander. In einer besonders dramatischen Situation wandelt sich die schwierige Fürsorge in Aggression, doch ein gewalttätiger Traum ist gleichzeitig Wendepunkt für Clara. Das eindrucksvolle und sehr glaubhafte Spiel von Diane Kruger und Ludivine Sagnier trägt viel zum Gelingen dieses schön verträumten Films bei.

„Barfuss auf Nacktschnecken" atmet einen Hauch der poetischen Rebellion von „Harold & Maude", doch ohne das durchaus auch drohende Morbide zu verstärken. In einer überraschenden Wendung entdeckt Clara das Gute im „unnormalen" Leben ihrer Schwester. Von nun an leben beide in den Tag hinein und genießen jeden von ihnen. „Pourquoi pas?", „Warum nicht?" möchte man mit Coline Serraults Komödie sagen. Dabei vermittelt Fabienne Berthauds Verfilmung ihres eigenen Romans „Pieds nus sur les limaces" die eigene, ganz besondere Schönheit und Freiheit dieses Lebens.