Cannes. Halbzeit in Cannes und nun bekommt auch der Wettbewerb seine ersten Super-Stars: Zumindest am Montagmorgen hielt sich bei den 64. Filmfestspielen von Cannes die Aufregung für Brad Pitt und Sean Penn die Waage mit der um Terrence Malick. Der Regisseur ist in seiner Karriere ein Pseudonym für "langerwartet" geworden und auch bei „The Tree of Life" hat sich das Warten auf die Weltpremiere gelohnt!
Am Anfang war das Licht. Dann nimmt sich „The Tree of Life" die Zeit, ganze Galaxien von Lichtbildern zu überwältigenden Sequenzen zu verbinden. Darin, quasi als kleines Staubkorn im All, die Handlung um eine Familie aus dem Mittleren Westen der USA, mit Brad Pitt, Sean Penn, Jessica Chastain und den jugendlichen Darsteller von drei Brüdern. Einige Jahre später lautet der Auftrag an den erwachsenen Sohn Jack (Penn) und den Film "Finde mich!" Es gilt, über einen mit 19 Jahren verstorbenen Bruder nachzudenken und dazu gibt es viele Fragen an die Vergangenheit sowie die dauernde Anrede des Himmels im Geiste Hiobs: "Gott, weshalb? Wo warst du?" Gedankenströme wie im "Himmel über Berlin" verweben sich mit denen der mächtigen Bilder und klassischen Kompositionen. Malick gewährt Gebäuden und Sternhaufen die gleiche liebevolle Aufmerksamkeit wie den Wiesen und Feldern in „Days of Heaven" (1978), „Der schmale Grat" (1998) und „The New World" (2005). Selbst die Architektur-Blöcke, in denen der erwachsene Jack arbeitet, wurden enorm sinnlich gestaltet. Die konventionellen Spielszenen sind dabei in der Unterzahl wobei auch sie alles andere als gewöhnlich sind: Der "Standpunkt" der Kamera von Emmanuel Lubezki fließt und schwebt immerfort.
Unbeschreiblich! Das ist vielleicht das Beste, was man über einen Film sagen kann. Und „The Tree of Life" ist über lange Strecken purer Film. Schon die Reaktionen in der Pressevorführung markierten dieses Leben im Schnelldurchgang atemberaubend schöner Bild- und Ton-Collagen als Film, der extrem polarisiert. Denen, die sich über den „Gottesdienst am Montagmorgen" beschwerten, sei gesagt, dass Malick eine Evolution bebildert, keine Schöpfung. Zwischendrin zwar sehr gläubige Menschen, aber vor allem der Vater kann seine eigenen strengen Regeln nicht einhalten. Der Versuch, das Leben zu kontrollieren, kopiert die Vermessenheit Hiobs, sich mit einem gottgefälligen Leben vor Unbill schützen zu wollen. Doch mit der Härte seiner Erziehung – „Toscanini machte einmal 65 Aufnahmen und sagte, es könnte besser sein!" - treibt er zumindest einen Sohn zu Aggression und Gewalt. Der kleinere, sanftere scheint der Musikbegeisterung des Hobby-Organisten zu folgen. Doch all dies sind nur kleine Episoden in einer großartigen Schöpfung, die sofort zum Ereignis des Festivals und zum Favorit des Wettbewerbs wurde.