13.5.11

Cannes 2011 Polisse

 

Fr. 2011 Regie: Maïwenn 127 Min.

 

Überraschend in jeder Hinsicht war ein Einblick in Pariser Kriminalbüros, den die französische Schauspielerin, Autorin und Regisseurin Maiwenn in „Polisse" gewährte: Basierend auf wahren Fällen rekonstruiert sie die Arbeit einer Einheit, die sich dem Schutz der Kinder widmet. Die „Brigade de Protection des Mineurs" (BPM) zeigt zwar in Verhören von Verdächtigen und Gesprächen mit Opfern schockierende Taten und Einstellungen auf. Doch wie bei vielen guten Krimiserien spielt das meist zerrüttete Privat-Leben der Ermittler eine ebenso große Rolle. Der Team, das fast wie eine Familie und sicher auch ein Familien-Ersatz ist, zeigt einen lebendigen Querschnitt der Haut- und politischen Farben. Man ist für und gegen Sarkozy, die Roma-Siedlung räumt man aber nur, weil man die Kinder vor Prostitution und Kinderarbeit schützen will. Da gibt es die Mutter, die ihre Söhne abendlich befriedigt, damit sie ruhig schlafen. Den Großvater, der sich immer an der Enkelin reibt. Den Vater, der alles mit Grinsen zugibt und auf seine guten Beziehungen verweist.

Der mit einem dokumentarischen Gestus gefilmte „Polisse" setzt eine Menge bekannter Schauspieler ein, Sandrine Kiberlain etwa kann als Mutter die eigenen und die Vergewaltigungen an der Tochter nicht ausdrücken. Wenn man auch schnell den Vergleich zum Cannes-Sieger von 2008 „Die Klasse" ziehen wird, „Polisse" ist vielfältiger und jede unterschiedliche Szene sitzt. Da hat eine im BPM-Team ihre große Nummer auf arabisch und staucht einen Patriarchen zusammen, der seine Tochter als Besitz betrachten und meint, Frauen dürften ihm nichts sagen. Die erfolgreiche Rettung eines entführten Babies wird ausgibt gefeiert und betanzt. Eine große Lachnummer und ein Denk-Mal über die Jugend von heute ist das Mädel, das mittels Blowjob ihr abgezocktes Telefon wieder bekommen will. Es sei doch ein Smart-Phone gewesen! Eine 14-Jährige meint sogar, die Alten sollten sich mal Updaten, es sei doch normal, in dem Altern zu vögeln und im Internet zu strippen. Das Ende ist wiederum völlig überraschend und sehr offen.

 

Regisseurin Maïwenn spielt vor der Kamera selbst die Rolle der immer weniger distanzierten Fotografin Melissa. „Polisse" ist ihr dritter Film, sie hat als Schauspielerin allerdings auch schon in „The Fifth Element" mitgemacht.