USA 2011 (In The Land Of Blood And Honey) Regie: Angelina Jolie mit Zana Marjanovic, Goran Kostic, Rade Serbedzija, Vanesa Glodzo 126 Min.
Ein ganz normaler Abend irgendwo im Osten Europas. Ajla kann endlich mal wieder ausgehen, ihre Schwester passt auf das Baby auf. Und in der Bar treffen sich ihre Augen mit denen eines Mannes, der heiße Tanz verspricht mehr. Mitten im Feiern und Tanzen der Verliebten bricht 1992 unvermittelt mit einer Explosion die Hölle los. Das Ende eines multi-ethnischen Zusammenlebens in Bosnien-Herzegowina kommt so plötzlich wie die Horde der serbischen Schergen, die im Wohnblock nebenan die muslimischen Männer erschießen und junge Frauen aussortieren. Ajla landet so in einem serbischen Soldaten-Bordell, erlebt direkt zur Begrüßung brutale Vergewaltigung und wird nur verschont, weil ihr Tanzpartner, der ehemalige Polizist Danijel, hier Kommandant ist und diese Frau für sich „reserviert".
Jetzt könnte eine dramatische Rettung mit Flucht der Liebenden losgehen. Ajlas Schicksal ist schwer erträglich mitzuerleben, doch es ist bei weitem keines der härteren unter den zigtausend vergewaltigten Frauen, die sich oft selbst umgebracht haben. Aber Autorin und Regisseurin Angelina Jolie erzählt auch keine Romeo und Julia-Geschichte aus Jugoslawien. Die momentane Schonung mitten im fürchterlichsten Grauen der skrupellosen Serben bleibt bestimmt von der Macht des Soldaten über die Frau. Offen bleibt, ob sie die „Zuneigung" erwidert oder sich in die Zwangslage fügen muss. Danijels Vater leitet als General Massenmord und „ethnische Säuberung", doch auch der Konflikt des Sohnes macht seine wahnsinnigen Taten nicht ganz verständlich. Dass jedoch diese Ereignisse, von denen der Film nur einen harmloseren Ausschnitt zeigt, unverständlich bleiben, spricht nicht gegen den Film, der bei der Berlinale Begeisterung und Kritik hervorrief.
Wenn Soldaten das Baby mit einem Wurf aus dem Fenster zerschmettern, sadistisch oder einfach schlecht gelaunt morden, kann man das als einseitig anklagen. Oder als Anklage des Soldaten-Tuns allgemein verstehen. Wie schon in Isabel Coixets „Das geheime Leben der Worte" oder in Hans-Christian Schmids „Sturm" steht jedoch das Leiden der Bosnierinnen in serbischen Gefangenenlagern zentral. Über die Entstehung des Films erzählt Jolie, das Thema hätte sie erwählt und nach der Entwicklung eines Drehbuchs mit der Hilfe von Freunden aus der Branche wäre sie eher ungeplant zur Regie gekommen. Ganz anders, als es Hollywood üblicherweise macht, drehte sie mit bosnischen Schauspielern, die alle in ihrer eigenen Sprache blieben. Dadurch gibt es „nichts in diesem Film, was nicht durch die Erinnerungen und die Verarbeitung aller Beteiligten gedeckt ist", erzählte Jolie dem Berliner „Tip".
Der Hollywood-Star setzt als Regisseurin ihre Bekanntheit ein, um Kriegs-Verbrechen in Bosnien-Herzegowina und das Wegsehen der Welt anzuklagen, die nur wenige Kilometer vom Massenmorden entfernt an italienischen Stränden urlaubte. „In the Land of Blood and Honey" ist ein schockierendes Mahnmal, das gekonnt filmisch erzählt, seine (Haupt-)Figuren ambivalent zeichnet und sich mit Propaganda zurückhält. „In the Land of Blood and Honey" sei ihr Versuch, die „Apathie gegenüber Krisenregionen in der Welt" zu thematisieren.