BRD 2011 Regie: Hans Weingartner mit Peter Schneider, Henrike von Kuick, Timur Massold 120 Min. FSK ab 12
Regisseur Hans Weingartner studierte Gehirnforschung und macht es mit seinen Filmen immer noch. So entstand 2001 sein enges und beängstigendes Psychogramm „Das weiße Rauschen" mit Daniel Brühl als Schizophrenem. Dann lief 2004 in Cannes die Kapitalismuskritik „Die fetten Jahre sind vorbei" doch mit der Aufmerksamkeit für Weingartner war es bei der Mediensatire „Free Rainer - Dein Fernseher lügt" 2007 tatsächlich vorbei.
Nun kommt Weingartner mit „Die Summe meiner einzelnen Teile" wieder zu einer psychischen Extremsituation, zu Martin (Peter Schneider), der nach Klinikaufenthalt den alten Job als nicht mehr bekommt, weil der Personalchef den gesetzlichen Krankenschutz ignoriert. Unbestimmte Zeit später verfolgt der verwahrloste Martin, der seine Pillen nicht mehr nimmt, völlig verwirrt wie seine Sozial-Wohnung im Marzahner Hochhaus-Getto gepfändet wird. Auf der Straße lebend, hilft er einem zehnjährigen Waisen und fortan sammeln sie gemeinsam Leergut. Obwohl der Deutsche und der Ukrainer Viktor (Timur Massold) nicht die gleiche Sprache sprechen, helfen sich gegenseitig, verziehen sich vor schlagenden Rechten „Into the wild", in eine Waldhütte, die mit unglaublich leicht gefundenem Material ruckzuck gebaut ist. Die Naturidylle wird spätestens albern, als nach der Begegnung mit einem Wolf auch die Musik zu heulen beginnt. Obwohl wir Martin hier erstmals glücklich sehen, geht es wieder Richtung Zivilisation, als er den Spuren einer Zahnarzt-Helferin folgt. Dann sitzt Martin im Baum einer Berliner Geschäftsstraße und beobachtet diese Lena.
Im kalten Look der Digitalkamera ist die Distanz Martins zu seiner Umgebung spürbar. Wenn man von den gesellschaftskritischen Zielen absieht, die das Pressematerial marktschreierisch verbreitet („Was passiert mit jemandem, der nicht fit genug ist für die neue Arbeitswelt."), kann „Die Summe meiner einzelnen Teile" tatsächlich packen und im letzten Drittel stellt sich die spannende Frage, ob Viktor tatsächlich existiert oder nur eine Einbildung Martins ist. Neben dem guten Spiel von Peter Schneider und Timur Massold erfreuen auch humorvolle und schöne Momente des ungewöhnlichen Paares in einem ungewöhnlichen, aber sympathischen Film.