USA, 2011 (Extremely loud and incredibly close) Regie: Stephan Daltry mit Tom Hanks, Sandra Bullock, Thomas Horn, Max von Sydow 129 Min.
Schlüsselkinder
Ein Knaller am Anfang ist „Extrem laut und unglaublich nah", die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jonathan Safran Foer („Alles ist erleuchtet"). Ein scheinbar endlos vom Himmel fallender Mann, ein Begräbnis mit leerem Sarg und zurück bleiben ein verstörter Junge sowie seine schweigsame Mutter (Sandra Bullock). Der neunjährige Oskar Schell (Thomas Horn) setzt nach dem Tod seines Vaters (Tom Hanks) die gemeinsamen Rätsel-Expeditionen fort. Nun sucht der ängstliche Junge allerdings nicht mehr das, wie Atlantis verschollene, sechste der traditionellen Viertel New Yorks. Auf der Spur eines geheimnisvollen Schlüssels macht sich das Kind daran, alle 425 Personen mit dem Namen Black in der Stadt aufzusuchen, weil Black auf dem Umschlag stand, in dem sich der Schlüssel fand. Oskars ebenso akribische wie fantasiereiche Vorgehensweise mit Karten, Notizen, bunten Ordnungssystemen und Fotos von jedem Kandidaten kennen wir aus den Erinnerungen an den witzigen Vater, der immer gerne Hinweise im Central Park versteckte. Ganz schön schräg und sehr schön, genau wie die Situation, einen Schlüssel zu haben und das passende Schloss dazu zu suchen. Langsam wird aus Oskars Erzählung klar, dass es der 11. September 2001 ist. Der „schlimmste Tag" nennt er ihn.
Regisseur Stephan Daltry („Billy Elliot") und der erstaunlich gute, junge Hauptdarsteller Thomas Horn sorgen für eine rührend und erheiternde Odyssee, die New York nach den traumatisierenden Anschlägen auf das World Trade Center als freundliche Gemeinschaft unterschiedlichster Menschen zeigt. Horn, der in einer Gameshow entdeckt wurde und erstmals in einem Kinofilm auftritt, hält in seiner ersten Kinofilm-Rolle locker mit schauspielerischem Urgestein wie Max von Sydow mit. Der alte Schwede spielt ohne Worte einen geheimnisvollen und stummen Mitbewohner von Oskars Oma, der ihn auf der Suche nach dem richtigen Schloss begleitet.
Die Umsetzung des gleichnamigen Romans „Extrem laut und unglaublich nah"
von Jonathan Safran Foer ist nach „Alles ist erleuchtet" die zweite Verfilmung eines Foer-Stoffes. Der jüdische Autor hat selbst die Holocaust-Erfahrungen in seiner Familie, die in den Romanen auftauchen. Im November 2009 erschien Foers erstes Sachbuch, das sich unter dem Titel Eating Animals (dt: Tiere essen) mit den Problemen der industrialisierten Tierproduktion auseinandersetzt.
„Extrem laut und unglaublich nah" begeistert mit vielen fantastischen Ideen und schafft es, trotz des schwierigen Themas traumatischer Verluste, mit Leichtigkeit zu erzählen und Hoffnung zu wecken. New York ist hier kein gefährliches Pflaster, Foer zeigt das Bild einer großen, im Schmerz verbundenen Gemeinschaft, die sich gegenseitig über die Verletzung hinweg hilft. Der unamerikanisch mit „k" geschriebene Name Oskar (dort schreibt man auch die Filmpreise mit „c", liebe Kollegen) könnte ein Verweis auf Oskar Matzerath sein: Statt der Grass'schen Blechtrommel trägt er sein Tamburin mit herum, um über seine Ängste hinwegzukommen. Das gelingt schließlich ebenso so schön und rührend wie der ganze Film gelungen ist.