17.2.12

Berlinale 2012 Abschluss Teil 1

Berlin. Gemischte Gefühle gibt es bislang zum Wettbewerb und auch im dritten deutschen Film, der in dieser wichtigsten Sektion der 62. Internationalen Filmfestspiele Berlins lief: „Gnade" von Regisseur Matthias Glasner („Der freie Wille") machte in der von einige Buhrufen begleiteten Pressevorstellung zuerst neidisch auf die perfekten Winterklamotten, die im norwegischen Hammerfest aufgetragen werden. Das hätte man in den letzten Tagen gebraucht, diese norwegischen Spezialitäten. Die deutsche Spezialität „Schuld" ist Thema für ein deutsches Ehepaar (Jürgen Vogel, Birgit Minichmayr), das an den Polarkreis zieht, auch um die nicht mehr gute Ehe zu retten. Als Maria bei einem nächtlichen Unglück ein Mädchen anfährt, stellt die Frage, ob das sich das Paar als unschuldig Schuldige bei den Eltern melden so, die Beziehung auf eine Bewährungsprobe.
Matthias Glasner zeigt vieles in über zwei Stunden, ein paar Varianten des zentralen Themas, Symbole wie einen mächtigen Fels im Meer, von dem man nur die Spitze sieht und anderes, was gestern in intensiven Diskussionen entschlüsselt werden wollte. Diese Wirkung eines Films ist nicht die schlechteste, doch macht es „Gnade" zwar interessant, aber noch nicht richtig gut.

Im zweiten Wettbewerbsfilm des Tages gab es wieder eine Königin, wieder war es kurz vor der Französischen Revolution: Nach dem Eröffnungsfilm „Lebe wohl, meine Königin" sagt die Berlinale Lebewohl mit weiteren Kostümschinken. „Die Königin und der Leibarzt" von Nikolaj Arcel erzählt von Johann Friedrich Struensee, Armenarzt im damals vom dänischen König regierten Altona, der 1768 zum Freund des infantilen Könings Christian VII. und schließlich als Aufklärer zum heimlichen Herrscher wird. Eine Affäre mit der Königin kostet ihm schließlich den Kopf und drückt die Pausetaste in Sachen Fortschritt. Diese zeitlose Vorgang packt jedoch vor allem durch Bond-Bösewicht Mads Mikkelsen als Leibarzt. Wenn man bedenkt, dass auch der Abschlussfilm „Bel Ami" vor allem wegen Robert Pattinson gesehen wird und nicht wegen einem Guy de Maupassant, könnte man sich die Kostüme eigentlich sparen.

A star is born
Gina Carano schlug sich bisher recht gut durchs Leben, als Berühmtheit der nicht unbedingt berühmten Kampfsport-Sparte Mixed-Martial-Arts. Da sah sie schon attraktiv aus, doch dass sie auch schauspielern kann, beweist ihre erste Hauptrolle in Steven Soderberghs Action-Film „Haywire". Neben ganz Großen wie Michael Fassbender, Ewan McGregor, Antonio Banderas und Michael Douglas erinnert Carano daran, wie der geniale Regisseur 1998 auch Jennifer Lopez in „Out of Sight" vom Star zur respektierten Schauspielerin machte. Kurzzeitig. Wie aus seinen Talenten holt Soderbergh, in diesem Film, den er für Gina Carano zwischen seinen vielen anderen Arbeiten drehte, auch das Beste aus dem Action-Genre raus und schenkte dem Festival seinen kurzweiligsten Film.

Auch wenn der dauerneidige Blick an die Côte d'Azur nach Cannes nervt, es geht aufwärts in und mit Berlin. Wenn schon nicht im Wettbewerb, dann doch bei den charakteristischen Tritt- und Aufstiegs-Hilfen, die in Cannes Tag und Nacht bereitstehen. Auch in Berlin stehen nur Leiterchen und Klapptritte das ganze Festival über festgekettet an Laternen und Straßenmöblierung: Hiermit erhöhen Fotografen ihren Standpunkt für einen besseren Blick auf die Prominenz. Noch sind es ungefähr nur ein Zwanzigstel der Leiterchen, welche die Croisette im Mai dekorieren. In Berlin übrigens nicht am Roten Teppich, sondern am Hintereingang des Hyatt-Hotel, wo die Prominenz für Fototermine und Pressekonferenzen angekarrt werden. Der Dienstboten-Eingang ist der Ort für Autogrammjäger. Und morgen wird sich zeigen, welcher Krakel dank eines Goldenen Bären im Wert steigt.