Der Adler der Neunten Legion
GB, USA 2010 (The Eagle) Regie: Kevin MacDonald mit Channing Tatum, Jamie Bell, Mark Strong, Donald Sutherland 114 Min.
Die Neunte. Darunter verstand man bei den alten Römern scheinbar noch keine Sinfonie, sondern das schmähliche Verschwinden der 9. Legion in Nordbritannien 120 Jahre nach Beginn unserer Zeitrechnung. Als Marcus Aquila (Channing Tatum), der Sohn des damaligen Heerführers seinen Posten am Hadrianswall übernimmt, will er unbedingt die Ehre der Familie und der Römer widerherstellen. In ersten Schlachten mit bärtigen Gegnern (Islamisten? Nein: britische Druiden!) wird Marcus zum Held und wegen seiner Verletzungen direkt in den Ruhestand versetzt. Doch mit dem eingeborenen Sklaven Esca (Jamie Bell, der „Billy Elliot") wagt sich Marcus nördlich des Walls, wo angeblich kein Römer überleben kann, um die Standarte der Adler wiederzufinden...
Hier, in der neuen Welt wandelt sich das redlich inszenierte, exzellent gefilmte (Kamera: Anthony Dod Mantle) aber in der Hauptrolle von Channing Tatum schwach gespielte Sandalen-Filmchen. Wogen vorher ein paar intensive Kampfszenen die ärgerliche Propaganda eines gläubigen und ehrsüchtigen Kriegers, der unzivilisierten Horden (Bin Laden? Taliban?) gegenübertritt, kaum auf, findet nun ein leichter Wechsel der Perspektive statt: Die wilden Völker Britanniens werden unterscheidbar und erhalten eigene Sprachen mit Untertiteln. Da gibt es die nackten Wilden Krieger mit ihren Ganzkörper-Tattoos. Und auch einfache Bauern. Zwar ist die Verdrehung geradezu absurd, dass die alten Englänger fremde Dialekte bekommen, während die alten Italiener fließend English reden! (Während es heutzutage sinnvoll ist, dass die Amerikaner römische Eroberer spielen und die Briten Eroberte.) Doch vor allem der Seehund-Clan wirkt viel faszinierender als das ganze Römer-Geschepper vorher: Jäger, die mit Fellen bekleidet und mit grau angemalter Haut an schottischen Küsten leben.
Hier entdeckt Marcus die goldene Adler-Standarte und erkennt, dass sein Sklave und Begleiter Esca von diesem Volk stammt. Hier erfährt der Römer Freundschaft von einem, der von feindlichen Soldaten Mord, Vergewaltigung und Folter erfahren hat. Hier sagt einer der angeblichen Barbaren, man würde Gefangene menschlich behandeln, nicht wie bei den Römern. An diesem Ort hat der Film auch seine stärksten Momente, ein nächtliches, rituelles Fest hebt sich vom ansonsten braven Erzählgestus ab. Aber die Ernüchterung folgt bald. Marcus dankt die anständige Behandlung mit Morden und Schlachten, raubt den Gold-Adler und flieht. Allerdings rettet ihn nur die Hilfe vom Verräter Esca. Nun werden auch noch die Legions-Pensionäre der Neunten aus dem Wald gescheucht, um der „Ehre" noch mehr Menschen-Opfer zu bringen. Je mehr sich der Film wieder dem Hadrianswall als Grenze der „Zivilisation" nähert, desto übler verfällt er wieder dem Glorifizieren überkommener Ideale. Marcus darf als Protagonist herrisch dumm glänzen und erschreckend gnadenlos Kehlen - auch von Kindern - durchschneiden. Das berufliche Töten fürs Vaterland erhält hier keine posttraumatische Behandlung sondern ein unglaubwürdiges männerbündlerisches Happy-End. Die Romanvorlage von Rosemary Sutcliff (1920 - 1992) wurde von großen, durchaus talentierten Jungs, die mal einen echten Sandalen-Film machen wollten, ohne großes Nachdenken über den Sinn ihres Handelns ausgeschlachtet.