Filmischer Parforce-Ritt
Berlin. 385 Filme in 14 Reihen an 11 Tagen - dies sind ab heute die nüchternen Zahlen, um die sich Entdeckungen, Diskussionen, Star-Aufläufe und sicher auch mindestens ein Skandal drehen werden. Das Gesamtpaket namens Berlinale kann sich in der 61. Ausgabe, im Jahr eins nach dem Jubiläum, wieder komplett auf Filme, Künstler und Stars konzentrieren. Zum Aufgalopp präsentiert Festivaldirektor Dieter Kosslick heute Abend mit „True Grit" einen neuen alten Western. Angestaubt ist der nicht nur, weil das klassische Genre seine Helden und Pferde gern mit Feinkörnigem bepudert. Das Remake des John Wayne-Klassikers „Der Marshal" aus dem Jahre 1969 (siehe Kinoseite) läuft bereits ein paar Wochen in den USA, ist also nicht unbedingt ein Reißer in Festivalkreisen. Als Film an sich jedoch pures Vergnügen! Jeff Bridges („Big Lebowski", „Männer die auf Ziegen starren") und Matt Damon („Der Informant!", „Hereafter") konkurrieren in den Hauptrollen mit dem edlem Filmhandwerk der Coens. Ihren bislang konventionellsten Film erzählen die texanischen Brüder erstmals komplett chronologisch. Wie sich ein junges, sehr resolutes Mädchen aufmacht, um den Tod ihres Vaters zu rächen, dabei aber ausgerechnet auf die Hilfe des größten Trunkenboldes und Rabauken rechnet, begeistert die Cineasten bereits weltweit.
Heute Abend hat auch die Internationale Jury unter der Leitung von Isabella Rossellini ihren ersten großen Auftritt auf dem Roten Teppich am Potsdamer Platz. Zudem wird „The Dude" Jeff Bridges die Atmosphäre anheizen. Er reist mit den Coen-Brüdern an. Später werden für eine Special-Vorführung des Oscar-Favoriten „The Kings Speech" auch Colin Firth und Helena Bonham Carter erwartet. Kevin Spacey, Jeremy Irons und Liam Neeson stehen ebenfalls auf der Gästeliste.
Mit „Almanya - Willkommen in Deutschland" von Yasemin Samdereli, „Schlafkrankheit" von Ulrich Köhler und dem 3D-Tanzfilm „Pina" von Wim Wenders laufen am ersten Wochenende direkt drei deutsche Wettbewerbsbeiträge. Auch „Auf der Suche" von Jan Krüger feiert am Sonntag seine Weltpremiere. Der aus Aachen stammende Film-Regisseur, der zuletzt ein Sybille Berg-Stück am Theater Aachen erfolgreich inszenierte, drehte mit Corinna Harfouch die Geschichte einer Mutter, die in Marseille ihren verschwundenen Sohn sucht.
Politisches Statement
Der morgige Tag steht im Zeichen der Unterstützung für die zu 20 Jahren Haft verurteilten iranischen Regisseure Jafar Panahi und Mohammad Rasoulof. Um die Aufmerksamkeit auf das nicht anwesende Jury-Mitglied Jafar Panahi zu lenken, wird die Berlinale in mehreren Sektionen jeweils einen Film des weltweit anerkannten Regisseurs präsentieren. Am 11. Februar, dem Jahrestag der Iranischen Revolution, läuft der Berlinale-Preisträger „Offside". Eine Vielzahl prominenter Gästen hat sich angekündigt, um ihre Solidarität zu bekunden.
Der rote Bär, das Logo des Festivals, bestimmt schon seit Tagen die Stadt. Vor den Verkaufsstellen für die Kinokarten stehen lange Schlangen. Flächendeckend ist die Berlinale 2011 nicht nur durch die erfolgreiche Initiative „Berlinale im Kiez", die Festival-Flair in viele Stadtteile bringt. Auch die Aktion „Forum Expanded" gestaltet künstlerisch raumgreifend die Hauptstadt: 42 Künstler, Filmemacher, Performer und Musiker aus 16 Ländern präsentieren filmische Arbeiten in Ausstellungen, in Screenings, im Radio und auf der Bühne. Neben Filmen gibt es Audiobeiträge im Deutschlandradio Kultur, Videointerviews mit Festivalgästen oder in der Botschaft von Kanada und im Filmhaus Guy Maddins „sHauntings" – Videos über Gespenster der Filmgeschichte. Die Gespenster, Sensationen, Entdeckungen der Filmgegenwart schlummern noch in ihren Filmdosen oder Festplatten. Heute Abend werden sie losgelassen.