12.2.11

Schlafkrankheit (Berlinale 2011)

In der Konkurrenz um die Goldenen Bären war bei Ulrich Köhlers „Schlafkrankheit" keine Müdigkeit im Publikum zu erkennen. Der 1969 in Marburg/Lahn geborene Regisseur lebte 1974-79 mit seiner Familie in Zaire, heute Kongo. Nach seinem Spielfilmdebüt „Bungalow" (2002) kehrt er mit einer überraschenden Geschichte nach Afrika zurück: Die erste Hälfte der „Schlafkrankheit" wirkt wie eine dieser gerade wieder modernen Ausbreitungen von Innerlichkeit auf der Leinwand. Diesmal mit dem dekorativen Hintergrund Afrika. Oder versucht sich hier jemand an die Dickschiffe belgischer und französischer Kolonialgeschichten ranzuhängen? Doch eine raffinierte Ellipse mit Perspektivenwechseln irgendwo in der Mitte, enttarnt eine sehr reizvolle Psycho-Story in der Tradition von Joseph Conrads „Heart of Darkness". Wie einst Colonel Kurtz in „Apocalypse Now" sich in Captain Benjamin L. Willard das eigene Exekutionskommando bestellte, holt sich der flämische Dr. Ebbo Velten jemanden von der Weltgesundheitsorganisation zur Evolution seiner sinnlosen Impfprojekte, weil er aus eigener Kraft nicht mehr von Afrika loskommt. Der anfängliche Besuch seiner Tochter, die zwei Jahre lang in einem Internat war, kann nachträglich auch als Befreiungsversuch gesehen werden. Der jedoch scheiterte: Velter ließ Frau und Tochter nach Deutschland vor-fliegen und blieb selbst in der völlig leer geräumten Wohnung für den Leiter mehrerer Kliniken. Das Ende greift eine mythische Geschichte um ein Flusspferd wieder auf und erinnert an den thailändischen Cannes-Sieger „Onkel Boonmee". Das allein wird allerdings noch keinen Preis in Berlin bringen.


Schlafkrankheit | Sleeping Sickness

R: Ulrich Köhler

Deutschland, Frankreich, Niederlande 2011

D: Pierre Bokma,  Jean-Christophe Folly,  Jenny Schily,  Hippolyte Girardot,  Sava Lolov

Wettbewerb

91 min