1.11.12

Argo

USA 2012 (Argo) Regie: Ben Affleck mit Ben Affleck, Bryan Cranston, Alan Arkin, John Goodman, Victor Garber 120 Min. FSK ab 12

Nicht der Film imitiert das Leben, sondern das Leben den Film. Dieser beliebte Kalauer wird einem immer wieder von Woody Allen oder auch von verkannten Alles-Zitierern unter die Nase gerieben. Dass sich Film auch als Leben verkleidet, um Geschichte zu schreiben, bleibt bemerkenswerte Ausnahme. So verabschiedete sich Erich Kästner mit einem echten Schelmenstreich vom nicht aufhören wollenden Naziregime: Mit einem Filmteam machte sich der verbotene Dichter Anfang 1945 aus dem zerbombten Berlin zu vorgetäuschten Dreharbeiten ins Tiroler Mayrhofen auf, um dort das Kriegsende abzuwarten. Ebenso erfunden, wenn auch bislang nicht ganz so bekannt, war der Science Fiction "Argo" - ein völlig fiktiver Filmdreh, nur vom CIA inszeniert, um sechs Amerikaner aus dem Iran Khomeinis zu schmuggeln. Die banale Militärgeschichte hingegen, mit der andere amerikanische Geiseln unter Jimmy Carter befreit werden sollten, ging als Operation Eagle Claw mit abgebrannten und in der Wüste zurückgelassenen Helikoptern in die Pleiten-Historie us-amerikanischer Außenpolitik ein.

Eine kurze Geschichte des Persischen Reiches bis zur Islamischen Revolution führt direkt in die amerikanische Botschaft Teherans. Es ist der 4. November 1979, der Hass auf die USA, die ihnen den Schah als Marionette der Ölfirmen vorgesetzt haben, kocht rasend schnell hoch. Noch scherzen die Amis, dann bricht die Menge ins Gebäude und nimmt alle Amerikaner in Geiselhaft. Quasi durch die Hintertür fliehen sechs von ihnen unbemerkt in die kanadische Botschaft und die ratlose CIA in Washington stimmt dem verrückten Plan von Tony Mendez (Ben Affleck) zu. Mit einem Satz Visitenkarten, Poster, Filmtitel und Drehbuch behauptet man für eine kanadische Produktion namens Argo Drehorte im Iran besichtigen zu wollen. Bei der Rückreise sind dann die sechs Flüchtlinge allesamt - mit gefälschten Pässen ausgestattete - Fachleute des kanadischen Teams. Statt Potemkin'scher Fassaden verkleidete Kanadier. Für die von der CIA finanzierte, billige Star Wars-Kopie wird in Hollywood eine Lesung mit Schauspielern in fantastischen Kostümen abgehalten. (Argo hat dabei nichts mit dem Goldenen Vlies und den Argonauten zu tun. Es erstaunt, dass überhaupt jemand in Hollywood diese Geschichte kennt.) Der legendäre Maskenbildner John Chambers (John Goodman) und der zynische Alt-Produzent Lester Siegel (Alan Arkin) sind vom CIA eingeweiht. Was hier noch eine Parodie mit dem Schwung und Spaß von Ernst Lubitsch ist, wird nach der Ankunft von Tony Mendez im Iran immer spannender. Die Zensoren und Revolutionsgarden sind vor allem misstrauisch und nur heimlich Filmfans...

Ben Affleck überzeugt nach seinen beiden Sozial- und Heimatfilmen „Gone Baby Gone – Kein Kinderspiel" sowie „The Town – Stadt ohne Gnade" nun auch in diesem ungewöhnlichen, fast stillen Polit-Thriller. Obwohl mit großem Aufwand inszeniert und historisch rekonstruiert, wird der historische Hintergrund nicht zum Thema. Das Mitgefühl für die sechs Gefangenen hält sich auch in Grenzen. Trotzdem packt einen „Argo" mehr und mehr. Wenn die öffentliche Leseprobe mit den Bildern von Verhören und Schein-Exekutionen parallel montiert werden, wenn der überlappende Ton die Handlung antreibt, ist das nicht mehr nur aufmerksam gelerntes Handwerk, sondern eine starke Handschrift des Regisseurs. Als Schauspieler hält sich Affleck - hinter ungewöhnlichem Vollbart - zurück. Sein Spezialist für solche Befreiungsaktionen ist kein Bond, kein MacGyver, sondern ein geschiedener Vater, der seinen kleinen Sohn vermisst. Auch für den gibt es ein Happy End, wenn zwischen den Star Wars-Figuren eine Skizze eines Films steht, den es bis zur Veröffentlichung der Geschichte 1997 nie gegeben hat.