6.11.12

Fraktus

BRD 2012 Regie: Lars Jessen mit Devid Striesow, Heinz Strunk, Rocko Schamoni, Jacques Palminger 95 Min. FSK ab 12

Wer erinnert sich nicht an die Ohrwürmer der Band Fraktus? Diese Klassiker des Elektro-Pops, die eine ganze musikalische Epoche beeinflusst haben? Ihre Hit-Alben „Automate" oder „Tut Ench Amour"? Nein, keine Erinnerung? Kein Wunder: Fraktus ist eine fiktive deutschen Band und die fiktive Dokumentation „Fraktus" über ihre Wiedervereinigung einer der witzigsten Musikfilme überhaupt.

„Das letzte Kapitel der Musikgeschichte" rollt die kurze Karriere der 1980 aus Freakazzé hervorgegangenen Band Fraktus auf, bis 1982 ein Konzert in Hamburg zur Katastrophe wurde - der Club brannte komplett ab. Dass die drei schrägen Köpfe tatsächlich Einfluss hatten, bezeugen noch heute bekannte Größen wie Jan Delay, Yellows Dieter Meier, Blixa Bargeld, Stephan Remmler und Peter „Formel 1" Illmann.

Nun will Regisseur Roger Dettner (Devid Striesow), Journalist mit Stromberg-Touch, die drei verkrachten Existenzen wieder zusammenbringen. Dabei ist ihm die Kamera immer auf den Fersen. Schnell wird klar, die älteste Techno-Band der Welt hat schon etwas Rost angesetzt. Torsten Bage (Heinz Strunk), der einzige von ihnen, der Noten lesen konnte, macht mit DJ Ötzi-Strick auf dem Kopf in Hierro de Puta (sic!) jetzt Balearen-Hits, die völlig Banane sind. Frontmann Dirk „Dickie" Schubert (Rocko Schamoni), der Tiefflieger in Sachen IQ, begeistert sich im schäbigen Internet-Café über eine Beatbox aus dem Wasserhahn. Der Schrägste von ihnen, Klang-Experimentator Bernd Wand (Jacques Palminger), ist wieder Optiker im Familienbetrieb. Mit gebrauchten Kloschüsseln in der Auslage und zwangsverpflichteten Eltern bei neuen musikalischen Versuchen. Diese Sammlung extremer Individualität, ist schon mit der Allgemeinheit ziemlich inkompatibel. Als Trio kann das niemals funktionieren. So erweisen sich denn auch die Aufnahmen für einen neuen Hit als hochgradig peinlich. Nur noch übertroffen vom echten Profi, der aus all dem Mist wirklich was macht, was vielen echten Chart-Hits frappierend ähnelt.

„Mokumentarys" über erfundene Bands sind ein beliebtes Genre. Zu den Klassikern gehören der Hardrock-Lacher „This Is Spinal Tap" (1984) von Rob Reiner und die Beatles-Parodie „The Rutles" (1978) von Monty Python Eric Idle. Die Musikbranche scheint sich für diesen Spott besonders zu eignen und so ist es auch dem Gesamtprojekt „Studio Braun" mit seiner intimen Kenntnis der Szene zu verdanken, dass „Fraktus" so ein Hit ist. Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger, so die „echten" Pseudonyme der Studio Braun-Besetzung, arbeiteten sich über Telefonstreiche, Musik und Texte, Live-, Radio- und TV-Show zu einer Theater-Inszenierung und nun diesem Film hoch.

Sind die Klamotten aus den 80ern (Hemden mit Streifen aus Isolierband) sowieso schon ein Brüller, setzt sich die Lachnummer auch in zig Details fort. Besonders schön, die unausweichlichen „selbstkonstruierten Instrumente", unter anderem „ein nach dem Prinzip der Quantenfluktuation arbeitender Klangerzeuger" und der elektrische Dudelsack aus Fön und Blockflöte. Die Kreativität der Autoren hört auch bei den erfundenen Krankheiten des Hypochonders Bernd nicht auf: Wie wäre es mit dem besonders sch(m)erzhaften Harn-Riss.

Das Comeback mit „Flöte und Techno" wandelt sich in eine Parodie des Dokumentarfilmens. Dabei fallen die Scherze auch mal so deftig aus wie das gigantische Arsch-Geweih von Torsten, aber die Ideen gehen dem Film nie aus. Die mehr als grottigen Studio-Aufnahmen vermischen sich mit einer Swinger-Party nebenan. Dettner bekommt ein Blade Runner Zitat, sitzt mit der Taube in der Hand auf dem Dachfirst - eines Formule 1-Billighotels, nachdem er beim Amoklaufen mit Döner-Spieß unter Jürgen Drews-Fans gewütet hat. Dass man mit drei herrlich dämlichen Typen ein derart große Nummer machen kann, ist vielleicht der definitive Stinkefinger in Richtung Pop-Industrie.