30.10.12

Sag, dass du mich liebst

Frankreich 2012 (Parlez-moi de vous) Regie: Pierre Pinaud mit Karin Viard, Nicolas Duvauchelle, Nadia Barentin 90 Min. FSK ab 6

Die verständnisvolle Radiostimme macht, wenn schon nicht ein kleines, feines Subgenre, dann doch eine besonders reizvolle Figur im Repertoire der Filmdramaturgie aus: Das scheue Wesen, das sich im Studio versteckt und Menschen nur über die Stimme doch bei ihren intimsten Themen und in privatesten Räumen erreicht. So erlebte man Geneviève Bujold als Dr. Love in Alan Rudolphs „Choose me", Katja Riemann viel schwächer in Kaufmanns „Stadtgespräch" oder Eric Bogosian als politischer Provokateur in Oliver Stones „Talk Radio" nur scheinbar mit dicker Haut. In „Sag, dass du mich liebst" ist Mélina (Karin Viard) der populäre, anonyme Radio-Star. Deshalb haut es sich auch regelrecht vom Stuhl, als Radio-Rolle und das Privatleben zusammenkommen. Als ihre neue Freundin Ingrid von der älteren Frau erzählt, in die sich ihr Sohn Lucas verliebt habe. Es handelt sich exakt um Mélina.

Doch bis hierhin hat Mélina, die eigentlich Claire Martin heißt, schon einiges überwinden müssen. Verständnisvoll, einfühlsam beantwortet sie auf dem Sender die Hörerfragen, berät als öffentliche Seelsorgerin. Bevor sie sich privat in ihr Schneckenhaus zurückzieht. Dort spricht sie nur mit ihrem albernen Hund. Nachdem man weiß, dass Claire seit langem ihre Mutter sucht, versteht man auch, wie einige der Radio-Ratschläge für sie selbst gedacht sind. Claire macht sich Mut, der Frau näher zu kommen, die sie einst als Baby in einem Waisenhaus abgegeben hat. Diese Joelle Goulain (Nadia Barentin) hilft bei einer Einrichtung aus, die gebrauchte Kleidung für Bedürftige sammelt. Claire, wegen ihrer Angst vor Keimen, Fremdem und Dreck immer in schwarzer Kleidung gepanzert, mit Lederhandschuhen geschützt, bietet nun ihre Hilfe an, obwohl sie allergisch auf Staub und Stoffe reagiert. Sie ist in ihrem aufgeräumten, klinischen Leben fast albern. Doch mit der komischen Tragik ihrer extremen Einsamkeit rührt die Figur an, ohne auf die Tränendrüse zu drücken.

Die ratlose Ratgeberin Claire mit ihrer Angst vor Menschen, zu sensibel für sich selbst, ist eine wunderbare, wieder leicht schrullige Rolle für Karin Viard. Unterstützt wird die Französin von tollen Nebendarstellern, vor allem von Nicolas Duvauchelle als forscher, gradliniger Gegenpart und als Joelle in ihrer letzten Rolle die beliebte Nadia Barentin. Auch Kamera (Guillaume Deffontaines) und Musik (Maïdi Roth) sind vom Besten. Ein Film, liebenswert und herzerwärmend wie seine Figuren.