6.11.12

Süßes Gift - Hilfe als Geschäft

BRD 2012 Regie: Peter Heller 92 Min.

Dokumentation

Die Analyse ist simpel, aber vielleicht zu schockierend, als das sie akzeptiert wird: 600 Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe für afrikanische Länder und Regionen in den letzten fünfzig Jahren haben nicht geholfen. Den Menschen geht es eher schlechter.

„Süßes Gift - Hilfe als Geschäft" fasst zur Unterfütterung dieser Kritik, die in den letzten Jahren auch immer lauter von Afrikanern geäußert wurde, verschiedene Phasen und Philosophien der Entwicklungshilfe zusammen. Angefangen bei den Lebensmittel-Lieferungen, die abhängig und passiv machten. Nebenbei zerstören sie auch Industrie, Landwirtschaft oder Handwerk vor Ort. Ein Schelm, wer böse Absichten der Industrie-Nationen dabei mitdenkt. Danach kam die Erkenntnis, dass ein Netz hilfreicher sei, als Fischlieferungen.

Dazu passt als Fallbeispiel der norwegische Versuch, Turkana-Nomaden zu Fischern zu machen. Die mühevoll Umgesiedelten kauften sich vom Gewinn wieder Vieh und zogen zurück. Vom Scheitern zeugt eine überdimensionierte, nun leere Fischfabrik. Oder der generös geförderte Damm, der letztlich von deutschen Firmen gebaut wurde, die massiv vom Geschäft Entwicklungshilfe profitierten. Die Schulden bleiben auf jeden Fall auf afrikanischer Seite.

Zeugen sind die Betroffenen und ein einheimischer, schwarzer Entwicklungshelfer, der in Deutschland studiert hat, ein norwegischer Entwicklungshelfer, der sein Scheitern eingesteht und eine deutsche Helferin, bei der man sich fragt, worum sie eigentlich unbedingt anderen helfen muss.

Eingesponnen in größere Zusammenhänge werden diese Beispiele aus Kenia, Mali und Tansania durch einen kleinen Seitenblick auf eine Militärparade mit dem Ex-Kolonial-Liebling Gaddafi, haufenweise Generälen und auch einem Bischöflein auf der Tribüne. Oder der Abhängigkeit verödeter Felder vom Weltmarkt-Preis der Baumwolle.

Zwar hat Regisseur Peter Heller in dreißig Jahren und vielen Filmen enorme Kenntnis seiner Materie angesammelt, doch fehlt den Bildern zwischen den Talking Heads eine Kraft, die über das Illustrative hinausgeht. Sie vermitteln einen historischen Querschnitt einiger Langzeitprojekte, aber all das sagt der Regisseur auch in ein paar Absätzen seiner Hintergrund-Information zum Film.

Auch wenn Heller wie den Entwicklungshelfern der gute Wille nicht abzusprechen ist, setzt er in guter, westlicher Tradition die Produktion von Binsenweisheiten fort. Die machen vielleicht schlechtes Gewissen, informieren die sowieso schon interessierten und bewegen ansonsten nicht viel. „Süßes Gift - Hilfe als Geschäft" zeigt alles nett auf, aber am Ende des Films wird niemand Dirk Niebels Beschäftigungs-Büro für FDP-Mitglieder (im Volksmund auch Entwicklungshilfe-Ministerium genannt) stürmen oder wenigstens mit Emails beschießen. Schockierend ist vor allem, wie gefasst alle das Unfassbare vortragen.