19.11.12

Der Aufsteiger

Frankreich, Belgien 2011 (L' exercice de l'etat) Regie: Pierre Schoeller mit Olivier Gourmet, Michel Blanc, Zabou Breitman, Laurent Stocker, Sylvain Deblé 115 Min.

Ich bin der Minister, der Verkehr bin ich! Auch wenn der französische Verkehrsminister Bertrand Saint-Jean (Olivier Gourmet) keiner aus der Riege von Absolventen der Elite-Unis ist, klingt er zeitweise nach Sonnenkönig, zumindest nach König der Route de Soleil. Die Strafe der Götter folgt auf dem Fuße, als er eigenmächtig über eine noch nicht eröffnete Autobahn abkürzen will, kostet ein schrecklicher Unfall seinem Chauffeur das Leben. Das ist dann schon der zweite Unfall in diesem Film, der die Karriere des Ministers weiterbringt. Denn die Götter strafen vielleicht, aber der Wähler - und deshalb auch der Präsident der Republik - goutiert solche Wiedergeburten. Kennt man von Schröder auf dem Deich und Obama bei Sandy.

Was man nicht kennt, sind Filme wie diese: „Der Aufsteiger" macht nicht auf Polit-Thriller, nicht auf Enthüllung oder Demaskierung wie Morettis „Kaiman". Man folgt dieser erstaunlichen Figur Bertrand Saint-Jean bei Ränken, bei der Arbeit und bis in seine skurillen Träume. (Die Sache mit der nackten Frau und dem Krokodil kam zwar aufs Plakat, gibt aber den Film gar nicht wieder.) In den wenigen Stunden dazwischen besäuft der Minister sich auch mal am eigenen Hochzeitstag mit Aushilfschauffeur und dessen Frau in deren Wohnwagen. Denn Bertrand Saint-Jean hat 4000 Kontakte und keinen Freund. Ein Unmensch ist er nicht, auch kein Idiot. „Um Verzeihung bitten, das ist mein Job", denn „die Narren haben die Kathedrale" besetzt. Sätze wie aus Sesslens „Blödmaschinen" passen ebenso in diese ungewöhnliche und nie plakative Analyse der Republik wie Menschliches in unerwarteten Momenten.

Ein schwer zu fassender, aber durchgehend interessanter Film, der von zwei unscheinbar genialen Schauspielern getragen wird. Neben den Ardennen als dem Ort des ersten Unfalls bringen die Lütticher Produzenten-Brüder Dardenne auch ihre Entdeckung Olivier Gourmet („Le fils") mit in den Film. In der Hauptrolle zeigt er ein neues, viel dynamischeres Gesicht. Michel Blanc könnte als sein Sekretär ganz souverän ein eigener Staat im Staate sein und auch die Hauptrolle. Frankreich führt hier vor, dass auch intellektuelles Kino fesseln kann.