31.8.10

Zwischen uns das Paradies


BRD, Bosnien-Herzegowina, Österreich, Kroatien 2010 (Na Putu) Regie: Jasmila Zbanic mit Zrinka Cvitesic, Leon Lucev, Ermin Bravo 100 Min. FSK ab 6

Mit ihrem Erstling „Esma Geheimnis“ gewann Jasmila Zbanic 2007 den Goldenen Bären. Das Drama war bestimmt von den Folgen der Jugoslawien-Kriege. Auch in „Zwischen uns das Paradies“ sind in Bosnien und Herzegowina immer noch Krieg und Vertreibung zu spüren. Wir erleben zuerst ein junges, modernes, verliebtes Paar. Luna ist Stuardess und Amar sitzt im Tower. Als er auch noch bei der Arbeit viel trinkt, suspendiert man ihn für sechs Monate und schickt ihn zur Entziehung. Zufällig trifft er einen anderen ehemaligen Soldaten, mit der er gekämpft hat. Bahrija trägt nun langen Bart, seine Frau ist verschleiert, „wie ein Ninja“ und sie leben als konservative Wahhabiten. Unter deren Einfluss wandelt sich der lebenslustige Amar in einen bitteren Moralapostel, verachtet das Leben Lunas und ihrer bosnischen Familie. Obwohl sie ein Kind bekommen wollten, es sogar trotz der Fruchtbarkeits-Schwäche Amars mit künstlicher Befruchtung probierten, bricht ihre Liebe durch seine radikale Veränderung auseinander. Aus dem exzessiven Party-Gänger und leidenschaftlichen Liebhaber wird ein enthaltsamer, verklemmt keuscher und bitterer Moralapostel.

Eine erschreckende Schilderung vom Wandel eines Menschen - und Teilen der Gesellschaft. Amar meint, die Moslems müssten viele Kinder zeugen, weil Allah es gebietet und weil man gegen den serbischen Feind die Überzahl gewinnen müsse. Der aus ihrer Heimat vertriebene Bosnier vermengt in Sarajewo so Islamismus und Nationalismus auf besonders perfide Weise. In der Kirche Bahrijas wird Moral gepredigt und Frauen der Schleier aufgezwungen, doch er selbst heiratet in Vielehe die 12-jährige Stieftochter seiner Frau.

Jasmila Zbanic wurde 1974 in Sarajevo geboren. Sie besuchte dort die Akademie für darstellende Kunst. 1997 gründete sie in Sarajevo die Künstlervereinigung und spätere Filmproduktion Deblokada, mit der sie zehn Kurz- und Dokumentarfilme sowie Kunstvideos realisierte. Nun zeigt sie erneut an einem dramatischen Einzelschicksal, wie heftig und weitgehend die Verwerfungen der Jugoslawien-Kriege sind. Aus Nachbarn, aus Menschen einer homogenen Gemeinschaft macht man Extremisten, indem man sie nach Religion aussortiert. Albträume verfolgen Luna wie alte Horrorfilme mit Aliens, aber diese Monster sind real und heutig. Einmal läuft der Hass Lunas ins Leere, als sie bei dem Haus ihrer ermordeten Mutter, das von Serben okkupiert wurde, ein unschuldiges kleines Mädchen vorfindet.

„Zwischen uns das Paradies“ ist ein bewegender und überzeugender Film, weil er Klischees und einfache Etiketten vermeidet, stattdessen die erschreckende gesellschaftliche Frontenbildung aus den einzelnen Menschen heraus nachvollziehbar macht.