2.8.10
Kleine Wunder in Athen
Griechenland, BRD 2009 (Akadimia Platonos) Regie: Filippos Tsitos mit Antonis Kafetzopoulos, Anastasis Kozdine, Titika Saringouli, Maria Zorba 107 Min. FSK o.A.
Wenn es jemand verdient, mit dem auf einen alten, wortkargen griechischen Volksstamm zurückgehenden Adjektiv „lakonisch“ geadelt zu werden, dann ist es dieser mittelalte Grieche Stavros (Antonis Kafetzopoulos): In seinem Laden an einer sehr stillen Kreuzung im Athener Stadtviertel Acadimia Platonos verkauft er nie was, aber auch auf keinen Fall seinen Laden. Mit ebenso schweigsamen Kumpels aus den anderen Eckläden spielt er Fußball auf der Kreuzung. Vorher und nachher wird die Weltlage in knappen Sätzen auf Plastikstühlen vor dem Laden kommentiert. Ansonsten pflegt Stavros seine nach einem Schlaganfall verwirrte Mutter, mit der er über dem Laden lebt. Und immer wieder zieht es ihn zu seiner Ex-Frau, die sich schon vor Jahren von ihm getrennt hat. Dort sitzt er vor der Tür und manchmal hört sie ihm auf eine Zigarettelänge zu.
Dieses geregelte Leben, dessen Schwermut sich längst ins Gesicht von Stavros eingeschrieben hat, gerät aus den Fugen als Chinesen eine Näherei aufmachen und albanische Handwerker den Laden umbauen. Für die Fremdenfeindlichkeit von Stavros und seinen Kumpeln ist der Hund von gegenüber ein sicherer Indikator: Patriot schlägt immer an, wenn ein Albaner vorbei geht. Umso größer ist der Schock als Stavros’ Mutter eines Tages in einem der Arbeiter ihren verlorenen Sohn wiedererkennt. Sollten sie und Stavros tatsächlich albanische Flüchtlinge sein? Die Kumpels nehmen Abstand und wie zum Hohn wird auf ihrem Bolzplatz, den die Stadtverwaltung unverständlicherweise als Kreuzung ansieht, ein „interkulturelles Denkmal“ errichtet. Da hilft es auch nicht, dass der Albaner, der immer öfters in der Wohnung von Stavros ist, die gleichen alten Rock-Platten liebt...
Die Weisheit ist längst weggezogen aus dem Viertel Acadimia Platonos, das nach Platons Akademie benannt wurde. Doch die Hoffnung ist noch da, dass Stavros trotz aller inneren Kämpfe sich vielleicht doch anständig gegenüber dem möglichen Bruder verhalten könnte. Immerhin geht er mit der Mutter, die nach dem Schlaganfall plötzlich albanisch spricht und dem Fremden zu einem albanischen Liederabend, bei dem er der Fremde ist.
Regisseur Filippos Tsitos, 1966 Athen geboren, zog 1991 nach Berlin und studierte an der dffb Regie. Mit „My Sweet Home“ war der Deutsch-Grieche 2001 im Wettbewerb der Berlinale. Auch damals eine recht stationäre Geschichte, nur klimatechnisch wegen Berlin nach drinnen verlegt. Allerdings funktionierte nichts von dem, was jetzt so wunderbar leicht ineinander greift. Lakonisch und komisch, rührend und tiefsinnig gelang Tsitos eine kleine Geschichte mit großem Herzen. Ganz wie beim Finnen Kaurismäki, aber der ist ja erwiesener Ehren-Lakoniker.