9.2.06

Strahlende Eröffnung


Die 56.Berlinale mit gelungenem Auftakt
 
Von Günter H. Jekubzik
 
Berlin. Die Berlinale strahlt merklich heller 2006. Ein beeindruckender Auflauf von Prominenz und die erstmalige Live-Übertragung der Eröffnungsveranstaltung machen den Image-Gewinn der 56.Internationalen Filmfestspiele Berlins (9.-19.2.) für alle sichtbar. Passend dazu gelang auch der filmische Auftakt mit dem wunderbar emotionalen "Snow Cake".
 
Die gestrige Eröffnungsgala im Berlinale Palast am Potsdamer Platz wurde erstmals live im Fernsehen übertragen. Berlinale-Direktor Dieter Kosslick eröffnete die Veranstaltung gemeinsam mit dem Kulturstaatsminister Bernd Neumann und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit. Der "deutsche Bruce Willis" Heino Ferch moderierte, Max Raabe spielte mit seinem Palast Orchester auf. Neben den Stars von "Snow Cake" wurden zahlreiche prominente Gäste erwartet.
 
Poesie des Pragmatismus
Eröffnungsfilme sind eine Plage. Geschacher, Nationalismen und Gefälligkeiten bestimmen meist die Auswahl eines mediokren Films. Der diesjährige Eröffnungsfilm "Snow Cake" von Marc Evans ist ein Wunder. Der beste Film des Festivals bislang - und wahrscheinlich noch ein paar weitere Tage!
Alan Rickman, der distinguierteste Mund der Filmgeschichte und eines der leidvollsten Gesichter auf der Leinwand spielt darin den Engländer Alex Hughes, der die Anhalterin Vivianne mitnimmt und kurz darauf in einen Unfall gerät. Vivianne stirbt und der schwere Gang zu ihrer Mutter wird zu einer ungewöhnlichen Woche. Denn Linda (Sigourney Weaver) ist kindisch, perfektionistisch, sie ist autistisch. Bei ihr lernt der verschlossene Mann nicht nur die Regeln von Comic-Scrabble, vor allem die Poesie des Pragmatismus hilft ihm sein Trauma zu überwinden: Wir können nix dran ändern, lass uns Trampolin hüpfen!
Dass hier jeder Satz ein Treffer für Herz, Hirn oder Lachmuskeln ist, jedes Bild verzaubert, ist nur ein Teil der Magie von "Snow Cake". Man genießt auch die Freude, Menschen als das was sie sind zu akzeptieren und ihre Unterschiede zu sehen. Wie könnte ein Filmfestival besser auftrumpfen. "Perfectamundo" würde Lilian sagen.
 
Die gar nicht so perfekte große Welt verlangt erst heute wieder ihre Aufmerksamkeit in dem Polit-Thriller "Syriana". George Clooney rennt darin einer "verloren gegangenen" Waffe hinterher. Das hatten wir als "Peacemaker" schon mal mit Nicole Kidman und es war furchtbar. "Syriana" ist anderes Kaliber. Diesmal spielt Clooney nach den Memoiren des CIA-Agenten Robert Baer einen solchen CIA-Agenten, der anfangs missliebige Politiker in aller Welt umbringt. Am Ende versucht er, sein Zielobjekt zu retten. Steve Gaghan, der das Drehbuch zum Drogengeflecht "Traffic - Macht der Kartelle" schrieb, inszenierte sein neuestes Werk zur Unübersichtlichkeit der Welt. Es geht ums Öl im Nahen Osten, amerikanische Konzerne und chinesische Konkurrenz, Emirate und Thronfolger. Und immer um Väter und Söhne.
 
Ein guter Film, ein besonderer. Doch vielleicht kein Festivalfilm für die Berlinale. Oder doch. Denn "Syriana" erfordert nicht nur hohe Konzentration während er abläuft. Es geht in Gesprächen auf verschiedenen Ebenen um globale Verflechtungen und Intrigen, bei denen auch die "Global Player" nicht mehr durchblicken. Das ähnelt irgendwie einem Festivalprogramm, doch da sind wir wenigstens am Ende schlauer.