5.2.06

Casanova


USA 2005 (Casanova) Regie: Lasse Hallström mit Heath Ledger, Sienna Miller, Jeremy Irons 108 Min.
 
Casanova, wie man ihn noch nie gesehen hat! Und das ist nicht positiv gemeint! Lasse Hallström, der Verfilmer, sprich Verwurster bekannter Literatur wie "Fräulein Smilla", hat mit einer geistlosen Teenie-Komödie im historischen Gewand den Tiefpunkt seiner Masche erreicht.
 
Die bekannte Geschichte, wie aus dem jungen Tunichtgut und Verführer Casanova ein anständiger, monogamer Ehemann wird ... Moment - Casanova war vieles und überraschend, aber monogam und oberflächlich wohl noch nie. Wie im Teenie-Film aus Hollywood tobt sich dieser Jüngling Casanova (Heath Ledger, "Ritter aus Leidenschaft") in den Betten Venedigs aus. Straßengespräch und immer auf Flucht. Schon die Erwähnung seines unwiderstehlichen Namens lässt die Klosterschülerinnen sich zu Hunderten hingeben. Ebenso absurd übertrieben wie diese Szene im Kloster wirkt die Inquisition, die ihm auf den Versen ist. Und den guten Onkel in diesem Kasperl-Theater gibt der Doge mit der Erhabenheit eines Karnevalsprinzen. Er schützt Casanova immer wieder, diesmal aber nur unter der Bedingung, dass der Schwerenöter innerhalb weniger Tage heiratet. Dies klassische Dilemma des US-Teeniefilms löst der große Verführer mit Eleganz und Charme beim Vater eines Naivchens, das sich danach verzehrt, vernascht zu werden - mit oder ohne Trauschein. Casanova trifft aber gleichzeitig auf die bemerkenswerte Schriftstellerin und Wissenschaftlerin Francesca Bruni (Sienna Miller). Zuerst in einem Fecht- dann in einigen Rededuellen steht der Strahlemann plötzlich ziemlich dumm dar. Da die auch noch schöne Francesca ebenfalls verlobt ist und die Ankunft ihres ebenso reichen wie fetten Speckhändlers aus Genua kurz bevor steht, steht alles parat für eine ziemlich platte Verwechlungs-Komödie. Der Touri-Karneval von Venedig bietet sich als Höhepunkt der zähen Verwicklungen für ein Spiel mit mehreren Masken an. Im Sekundentakt wechselt Casanova die Rollen zwischen Verlobtem und Verführer. Er macht den Wellness-Doktor für den Speckhändler und übernimmt dessen Part bei Francesca und ihrer kuppelnden Mutter (Lena Olin).
 
Diese geistarme Teenie-Komödie in gelacktem Design stellt ein grandioses Ärgernis da. Mal nicht für die Kirche oder züchtige Bürgerlein, die sich gleichermaßen vom Freigeist wie vom sexuellen Libertin, vom Schriftsteller und Philosophen Casanova (1725-1798) und dessen Memoiren geschockt zeigen. Diese filmische und puritanische Verteidigung der "wahren Liebe" gegen Sinnlichkeit und finanzielle Zwangsheirat würde sogar dem Puritaner Bush gefallen. Der Film selbst pervertiert den historischen Casanova und ist inquisitorisch gegenüber allem, was nicht "wahre Liebe" ist. Da braucht auch der Ober-Inquisitor (Jeremy Irons) nicht besonders clever und überhaupt nicht bedrohlich zu sein. Ein Mummenschanz mit offen sichtlich angeklebtem Schnurrbart geht vielleicht auf der Volksbühne durch, aber bitte nicht bei einer zig Millionen Dollar-Produktion! Doch auch dramaturgisch steht diese von wenigen Action-Einlagen belastete Nichtigkeit irgendwo zwischen Komödienstadl und dem Millowitsch-Theater. Bei teilweise erbärmlich schlechten Rückprojektionen und der Abwesenheit von jeglicher moderner Historien-Ästhetik a la "Vidoq" muss dieser "Casanova" als Fehdehandschuh in das Gesichter eines anspruchsvollen als auch eines leichte Unterhaltung suchenden Publikums gesehen werden. Die Erwähnung von "Fellinis Casanova" mit Donald Sutherland als leidendem Zweifler wäre der Vergleich von Shakespeare Sonetten und Klopapier. Lass-es, Hallström!