13.2.06

Lord of War - Händler des Todes


USA 2005 (Lord of War) Regie: Andrew Niccol mit Nicolas Cage, Ethan Hawke, Jared Leto 122 Min.
 
Das ist ja genial! Das geht doch nicht! Wenn nach wenigen Minuten diese Aufschreie im Kopf miteinander ringen, hat der Film schon gewonnen. In einer überraschenden Reihe von Kriegs-kritischen Filmen ("Syriana", "Jarhead") schießt der bitterböse "Lord of War" den Vogel ab. Und noch viel mehr.
 
Schon der Vorspann ist sensationell: Er verfolgt den Lebens- oder besser: den Todesweg einer Kugel. Vom Pressen der Hülse, über das Füllen, das Verschließen, das Verpacken und verschiedene Händler. Bis das todbringende Metall irgendwo in Afrika in ein Gewehr geladen wird, seine subjektive Perspektive ein Opfer sucht und findet ...
 
Irgendwann wird im Film gesagt, dass nicht die Atombomben unsere Welt bedrohen, es sind die Abertausend einfachen, "billigen" Waffen die irgendwelchen rasenden Horden verkauft werden. (Und falls jemand sich hier nicht mehr unterhalten fühlt, noch eines: Die fünf Regierungen, welche die Ständigen Mitglieder im UNO-Sicherheitsrat bilden, sind die größten Waffenhändler der Welt!)
 
Nun bringen wir etwas Spaß in den internationalen Waffenhandel. Yuri Orlov ("Weather Man" Nicolas Cage) ist Waffenhändler aus Leidenschaft. Seine ukrainische Familie gab sich opportunistisch als jüdisch aus, um in die USA zu kommen. In Little Odessa fand sein Vater eine wahre Begeisterung für das Judentum und Yuri für die Waffen. Mit seinem kleinen, eigentlich friedliebenden Bruder Vitali Orlov (Jared Leto) verhökert er im Libanon in den 80gern die Abfälle der US-Armee während um die Ecke Kinder hingerichtet werden. Yuri verkauft Waffen nach Gewicht, tonnenweise. Er verkauft an alle, nur nicht an Bin Laden, der hatte eine schlechte Zahlungsmoral!
 
Dieser Young American Waffenhändler erledigt das Geschäft begleitet von flotten Songs, rutscht knapp am Kokain vorbei und genießt La Vie on Rose nur, um Ava Fontaine (Bridget Moynahan) zu verführen, sein zum Supermodel gewordener Jugendschwarm. Sie im Luxusheim zu verwöhnen, ist sehr teuer, so ist der Mauerfall und das Ende des Kalten Krieges Yuris Rettung: Massen von Waffen liegen in den Satellitenstaaten herum, er braucht sie nur noch abzuholen und ist jetzt ganz groß im Geschäft.
 
Es unglaublich, wie man mit dem zynischsten und mörderischsten Job unserer Zeit Spaß haben kann. Mit der Dreistigkeit eines Tarantino führt Andrew Niccol ("Die Truman Show") gnadenlos den Idealtypen unserer Zeit vor: "Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer ..." Oder philosophischer: "Ist Schwein sein nicht Teil des menschlichen Wesens?"
 
Bei dem Spaß über die billige Raffinesse, mit der sich Yuri immer wieder aus prekären Lagen heraus schwindelt, vergisst man glatt, dass er seinen sensibleren Bruder an das Kokain verloren hat. Seinem Gegner, dem FBI-Agenten (Ethan Hawke) entkommt Yuri mit fliegendem Names- und Nationalitätswechsel auf einem Schmuggel-Schiff. In einer anderen unfassbaren Szene verteilt er nach einer Notlandung in Sierra Leone auf offenem Feldweg Waffen wie Karnevals-Prinzen Kamelle. Wie danach im Zeitraffer das Flugzeug komplett auseinander genommen wird, ist einer von vielen Höhepunkten der Filmkunst Niccols.
 
Dazu gehört dramaturgisch der Niedergang des Erzählers Yuri: Nach seinem ersten eigenhändigen Mord, schnupft er Brown-Brown, eine Mischung aus Koks und Schießpulver, und erlebt eine Bruchlandung in dem Horror, den er verursacht. Die Tragik im letzten Akt: Der Händler des Todes aus Leidenschaft wird ehrlich - doch das Happy End ist so bitter, dass man gar nicht aus dem Kino will. Dass man irgendein Hollywood-Märchen will, statt der Scheiß-Welt da draußen.