5.2.06

Kaltes Land


USA 2005 (North Country) Regie: Niki Caro mit Charlize Theron, Elle Peterson, Thomas Curtis 126 Min. FSK ab 12
 
Wie beregend, erschütternd und erfolgreich war es, im Oscar-Film "Whale Rider" die Unterdrückung eines jungen Mädchen bei den fernen Maori zu zeigen. In unserer nördlichen Hemisphäre - und im "North Country" der USA auch kulturell viel näher - brutale, ekelhafte und mitleidlose sexuelle Diskriminierung zu erleben, ist etwas anderes.
 
Elegant schlägt der Film zu. Mit der Brutalität eines Ehemann, die nicht gezeigt wird. Nur die selbst beim Zusehen schmerzhaften Folgen. Josey (Charlize Theron) geht nicht zur Polizei, sie flieht mit ihren zwei Kindern zu den Eltern ins graue und schneebedeckte Minnesota. Neben der Abneigung des Vaters, der sie wegen einer frühen Schwangerschaft für ein Flittchen hält, muss Josey auch die finanzielle Abhängigkeit von ihm erdulden. Ihre selbstbewusste Freundin Glory (Frances McDormand) überredet sie, einen gut bezahlten Job im Bergwerk anzunehmen, das hier alle ernährt. Zwar ist der Abbau von Eisenerz auch keine Goldquelle mehr, die asiatische Konkurrenz droht. Doch der Suprime Court entschied, dass eine bestimmte Quote von Frauen eingestellt werden muss.
 
Nun beginnt für Josey ein Trip in die Hölle der männer-dominierten Arbeitswelt. Angefangen bei der schamlosen Gesundheitsuntersuchung, über "lustige" Gummi-Dildos in der Essensdose und Spermaflecken im Spind bis zum dauernden Begrabschen und unverhüllten Vergewaltigungs-Drohungen. Da werden Frauen im mühsam erkämpften Dixie-Klo herumgerollt, heftigste Beleidigungen gibt es gleich zur Begrüßung und die Wandschmierereien im Umkleideraum werden mit Scheiße gestaltet. Selbstverständlich meint der Vorarbeiter, die Frauen müssen "ihren Dreck" selber wegwischen. Die Männerfront ist geschlossen, selbst Joseys Vater schaut schweigend zu.
 
Als die nicht besonders politische oder kämpferische Frau, die so glücklich über ihr erstes eigenes Einkommen war, sich beschwert, werden Beleidigungen und sexuelle Drohungen noch extremer. Die anderen Frauen wenden sich von der "Aufrührerin" Josey ab und die energische Gewerkschaftlerin Glory kann nicht mehr helfen, weil sie an einer grausamen Krankheit zugrunde geht. Es wird Zeit für einen engagierten Anwalt und für die konventionellen Schwächen eines im Kern wichtigen und guten Films ....
 
"North Country" erzählt aus dem Gerichtssaal über stolperfrei eingeflochtene Rückblenden. Dort klagt Josey mit dem desillusionierten aber reaktivierten Anwalts-Klischee Bill White (Woody Harrelson) wegen sexueller Belästigung gegen den Bergbaukonzern. Besonders bemerkenswert an dieser Geschichte ist, dass die "wahren Ereignisse" zwar im letzten Jahrhundert stattfanden, aber gerade mal 16 Jahre her sind. (Die aktuelle Klage einiger Angestellter der Dresdener Bank in New York belegt zudem die "Zeitlosigkeit".)
 
Bis zu den unvermeidlichen großen Solidaritätsszenen, die in ungewöhnlicher Häufung das Happy End vorbereiten, ist "North Country" mit seiner dauernden Bedrohung kein angenehmer Film - und deshalb ein guter. Mit der Lösung macht er es sich allerdings sehr einfach. Regisseurin Niki Caro schildert genau das Milieu einer Industriestadt, die skrupellos ausgespielte Macht des dominanten Konzerns, die Abhängigkeiten, die Familienprobleme Joseys, einerseits mit den Eltern, aber auch mit den eigenen Kindern. Besser als "Monster" Charlize Theron selber, die mit Gewalt engagierte Rollen sucht, aber auch flache Future-Filmchen wie "Aeon Flux" übernimmt, sind die Nebenrollen besetzt. Besonders Frances McDormand und Sean Bean machen als von einer Krankheit geschlagenes Paar Eindruck. Ebenso die zurückhaltend eindringliche Musik von Gustavo Santaolalla.